From fd2211c33d77eb824a03f776bd90b4905e94f858 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Thu, 27 May 2021 16:12:23 +0200 Subject: erste Sicherung --- OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml | 222 ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 222 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml b/OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0546c8b --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/42-die-goetter.xhtml @@ -0,0 +1,222 @@ + + + + + + + + Die Götter + + + +
+ +

Die Götter

+ +

+Ein gebeugtes Hungertier,
+Bettler vor den Tischen,
+im Krampf der ewig hohlen Hände
+ersehnt’ ich Mädchenlende.
+

+ +

+Müde dann bachstelzenden Hurengangs
+einer leicht Fertigen,
+Schlammstatue auftauchend aus Schlaf,
+fleht’ ich zu Reinen.
+

+ +

+Aber die Göttinnen,
+lichtumgossen, duftbeseelt,
+Blumen, die den Nachttau trinken,
+die Herzverehrten
+gesellen sich lieber den Zwirbelbärten.
+Kein Segel blüht mir im Winde.
+

+ +

+Und Sturm ward. Meine Freunde,
+die Haare verschnitten, die Füße vereist,
+dem Werk entritten, leibverlöteter Geist,
+stallwachend beriechen Roßäpfel zur nächtlichen Stunde.
+Oder verstummt in Verstümmlung,
+die entwandelte Hand vom trauernden Mantelärmel umlodert,
+krückten sie sich die Wand entlang,
+bis sie die Erde verschlang.
+

+ +

+Klagend ließ ich auch sie;
+niemand liebt mich auf Erden,
+so lechze ich nicht, mein Blut zu vergießen,
+niemand freut sich der Spende.
+

+ +

+Schmerzgebild aus Grauen und Gram
+nicht mehr tröstete mich die Wiese,
+der Heimat zärtlicher Halm,
+im Traume floh ich ins Dschungel.
+Nicht da, nicht dort!
+Ein Königstiger auf Java,
+stark und sein eigener Gott,
+— zerkrümmt verging ich unter seinen Pranken.
+Letzter Atem entsank.
+Die Seele stieg. Nicht hoch.
+Hinsirrend über fahle Moore,
+im schwarzen Schwarm der Schatten,
+fern den herrlichen
+Gestaden Gottes,
+schaute sie nur die Götter.
+

+ +

+Näher stob ich dem flirrenden Reigen,
+hob mich betend hinan meinen Gott:
+

+ +

+„Phoibos Apollon, neunfach umtanzt Dich der Tag mit rosigen Musen,
+was klirrt Deine schicksalbehangene Schulter?
+Niemand verletzte den Chryses.
+Deine vergoldeten Priester beleidigen Dich?
+Verseuchten Halbdichter den Vers, Zeithunde die Zeitung,
+schone das schuldlose Volk,
+gnädig umwandle Dein Reich,
+erstick’ uns nicht in Pest und gelber Verwesung!“
+

+ +

+Antwortend umdrang mich unfriedlicher Berggesang:
+

+ +

+„Ihr redet gern vom Glücke,
+und lebet lustzerschabt,
+doch hat euch viel geliebt, gelabt,
+war es der Weiber Lücke.
+

+ +

+Euch Zwerge wirbeln die Winde,
+bis ihr am Felsen zerschellt,
+ihr torkelt, trunkene Blinde,
+von Asche zur Asche gefällt.
+

+ +

+Über dem Schiffbruch irdischer Gewalten
+wehen wir Götter selig dahin.
+Euch frommt nach Feldgräueln brandschwarzes Erkalten,
+Wir sind die Freude, Wir sind der Sinn.“
+

+ +

+Da blickte ich alles versteinert.
+Der greise Zeus verfolgt noch das Kuhweib,
+Wodans Einaug zu Ehren schnarrt das Einglas im Feld,
+Wodan zu Ehren
+Pferdefleischessen im Schlachthaus: in östlicher Festung.
+Sah Mohammed, ferne dem Gipfel des Sieges,
+wegmüde zum Berg, der stets weiter zurückweicht.
+Jesus Christus hütet das Holz,
+starr genagelt ans Kreuz.
+

+ +

+Vergebens war das Gebet der dreißig Gerechten.
+Aus Mordnächten des Nordens
+scholl unendliche Klage,
+Jammer zerhackte mein Herz,
+Israel winselt im Winter,
+der Ewige
+beschneidet sein Volk.
+

+ +

+Gegen den unerbittlichen Dornbusch warf sich die Seele,
+ob sie dem Zorn sich als Opfer empfehle:
+

+ +

+„In den Marmorbrüchen von Carrara
+dünkte sich dein Volk geboren,
+Eckstein ward es dann den Hunden,
+auserkoren! auserkoren!
+

+ +

+Du hast es gesendet,
+unter die Füße der Kampfelefanten deines Grimmes!
+In dir ist es beendet,
+wer hat dich ausgeboren?“
+

+ +

+Nicht nahm er mich an,
+aus unerforschlichem Nebel-Nirwana
+überkam mich im Grauen der Gruß des Suddhodana:
+

+ +

+„Die ihr herrschet: lebt, ihr kennt mich nicht.
+Was da icht, sieht sein Gesicht.
+Sterbet bis ins wärmste Seelenherz!
+Schmutz ist Leben, Erde Schmerz.
+

+ +

+Raum, du Trübsal,
+Wahn die Zeit,
+im Weltwirrsal
+sei der Tod gebenedeit.“
+

+ +

+Sprach der Teufel traumesschlau:
+

+ +

+„O, wie leicht verweht selbst dieses Blau!
+Im Wunder seid ihr Götter nicht bewandert.
+Keiner ist Meister des Baus,
+da immer das Heiligtum hinwelkt.
+

+ +

+Auf den Häuptern der Asketen paaren sich Insekten!
+Ist euch Vormenschen das Ewige unerreichbar,
+knirscht nicht vor Göttern um irdische Hilfe.
+Die zeitliche Losung keimt auch in euerem Hirn.
+Im Hahnenkampf der Völker
+anschwillt manch Vaterland.
+Nicht lockt es, namenlos im stumpfen Heerwald
+mitzuheulen das Erzgebrüll der Schlachten.
+Tiefere Schmerzen pflanzt in Heldenzähne der Geist.
+Weh über die Infuln-Helme!
+Abkratzt den jesuitischen Kanonenchristen die bluteiternde Kruste!
+Nicht jung mit den verbrauchten Schatten
+hinwandern über die Wiese!
+Erst wenn euch Vergehenden der Tod nicht mehr gilt,
+atmet, Assassinen, die Amok-Luft
+in wahren Kämpfen mit Barbarenzaren:
+aller Welt Geldfürsten.
+Erdherrn, die nach Übermacht dürsten,
+muß man die Glut
+löschen mit ihrem Blut.
+Glückt es den Brownings, den Bomben,
+fallen weniger Heerhekatomben!“
+

+ +

+Und rettete steil ich mich aus dem Traum hervor,
+ich, auch ich, ich habe gemordet!
+Bitteres essen die Menschen. +

+ +
+ + + -- cgit v1.2.3