Als ich ganz zernichtet war,
vor Nacht und Hölle und Pest und Erde
verging im dunkel tosenden Raume,
erschienen die Dinge,
Trost zu schütten über den Gram.
Das Licht kam,
silberne Möven schwebend im Reinen,
und die Hügel der Sonne: bewaldetes Erz,
die Seen und Teiche des Grünen,
Wege in liebliches Land
und verfallen im Abend Ruinen.
Die Hände über den Augen, wehrte ich ab:
„Mag der leise Druck meiner Ballen spurlos verhallen,
nicht will ich mehr gallbitterer Tinte Gefäß sein,
die Andern leben!
Eh mir der mächtige Mond vergilbt am Himmel,
mich aus dem Leib die starke Stimme ruft.
Mag nicht dauern, bis der Zeiten Schimmel,
schmutziger Schnee sich niederschlägt auf mich und was mir
im Horst die Jahre ausgebrütet.
Mag nicht dauern, bis mich,
weggeschoben durch frischeres Eis, nähere Früchte
die wenigen Nahen vergessen.
Was soll mir Almosen von Bettlern?
Die schwarze Schnecke des Todes kroch mir über den Weg!
Auch ich roch einst weißduftenden Klee,
und liebte die lichtbehauchten Wolken.
Ich freute mich der Rädergesänge der langachsigen Wagen,
ich freute mich der eintönig sich wiegenden Pappeln Wege entlang,
ich freute mich der Sonne wieder blitzenden, rastlos vergleitenden Schienen,
ich freute mich der staubweißen Bäche meiner ländlichen Straßen.
Aber ich sah die Nachtgefangenen: Dunkles sinnend die Späher des Bösen,
aber ich sah hanakische Bauern, bunte Vogelscheuchen im Feld,
den Schnellzug anstaunen,
der ihre grünenden Äcker mit Ruß und Asche bestreut,
aber ich sah auf Gibraltar die letzten Affen Europas frierend hinsterben,
aber ich sah indische Tänzerinnen, gazellengangbegabte,
vor dem Champagner und Abschaum eingläserner Jünglinge tanzen,
aber ich sah Elefanten, dschungelrohredurchbrechende,
sich nach den Brosamen eines Kindes bücken,
aber ich sah Dreadnoughts ertrinken,
umschwärmt von den tötenden Torpedohaifischen,
aber ich sah — und Tränen entstürzten dem Tag —
aber ich sah arme Soldaten am Sonntag der Freiheit
starr auf Gerüsten hocken, hochsegelnden Fliegern zum Zeichen,
aber ich sah einen Turmfalken, gewohnt im Äther zu weiden,
sich einwühlen in den Sand eines Breslauer Käfigs,
— und ich muß dem Schweiß dieser nächtlichen Tage entrinnen.
Nicht bin ich von den traumumspülten Leichen, eingedickt in Schlaf.
Wenn vom verhängten Luftkreis Schwüle abwärts sintert,
wenn Baumwipfel ineinanderstöhnen, sturmzerquält,
wenn rollend kommt himmellang gefahren der Gottheit Drache,
will ich nicht mehr der Wetter bitteres Naß, der Wolken Säure,
ich will den Blitz in mich.“
Fischtriefend im Geruch der Regel,
von Haaren bewachsen, zum Himmel stinkend kam die Scham:
„Schöner ist’s, das Schicksal zwischen den Lenden zu zwingen.
Lockt dich nicht das frühe Zirpen scheuer Grillen
oder das Seufzen jener stillen Rillen,
die sich nie enthüllen?
Sieh, schon schwingt mit frischen Nüstern
die Zinne sich zum Traume hoch,
schon sind die guten Fluren lüstern —“
„Geschirrt in Beischlafs Joch!“
„Himmelan die Türme baden,
gastlich rings die Täler laden.
An den Buchten zarter Brust
werde du der Lust bewußt!
Willst du nicht ruhen Bein an Bein,
bis holder Glieder starres Sein
sich fügt zu süßem Binnenreim?“
„Bereitest mir nur ein kurzes Heim,
Schleim grüßt den Schleim,
ich will des reineren Todes sein!
Mag mich ein freundlicher Stern
heimwärts zum Himmel bald führen.
Mergle mich aus, Novemberschwäche des Greises,
letzter Odem des Fiebers!“
Der schwere Engel des Todes wuchs vor mich:
„Endlich gedenkest du mein,
du liebtest mich vor Zeiten.
Werbend um schärfste Lust.
Dann aber die Töchter erdgeborener Weiber,
verwitterte Huren: die dunklen Schluchten des Leibes,
Gerippen entstarrende Knochen, dem Druck nachgebendes Fleisch
und Seligkeit heuchelnde Augen.
Der du Weiber schwächlich zuerst,
hernach mit meinen eisernen Fäusten
fassend am Knöchel des Fußes, schleuderst zum Himmel —“
„Keine erstrahlte mir sanft verwandelt zum Stern!“
„Den Stürzenden barsten die irdischen Rippen!
So werde, was du bist,
auf der Erde, die dich frißt!“
Mit den Händen griff der Malmer in meinen Staub,
entwirbelnd verschwand ich Geraubter im neu ergrünenden Laub.