IN seinem Sputum hat man Kometen gefunden. Er starb an Lungensternen, jenen winzigen und scheinbar so harmlosen Mikroorganismen, die wir Planeten nennen. Was hatte diese gräßliche Erkrankung aufgerufen? Wahrhaftig, ich schäme mich es auszusprechen: Rassenhaß!
Draußen spazieren die zarten Frühlingsdamen, ich kann ihnen nicht nahen. Unablässig sehen meine Augen jenes tragische Ereignis vor sich. Und so ist es mir beinahe lieb, daß von mehreren Seiten an mich appelliert wurde, einige »Details« der Öffentlichkeit preiszugeben. Da der Zweck ein löblicher, ja patriotischer ist, will ich, obgleich das Ansinnen fast eine Frechheit war, weil kein anderer den Fall auch nur mit den Fingern berühren mag, die Sache auf mich nehmen und in den Schlund springen ...
Reginald Mammuthbaum mußte endlich Rücksichten dem Vaterlande gegenüber platzgreifen lassen. Snob schon der Abstammung nach, wählte er das exklusivste Garde-Regiment. Früher war die Sache lebenslänglich und die Anführer dachten: »Was heute nicht geschieht, geschieht morgen«. Seitdem man aber diese detestable tausendjährige Dienstzeit eingeführt hat, eilt den Vorgesetzten die Ausbildung, und die Lage der Rekruten ist eine sehr prekäre. Gar die Mammuthbaums haben nichts Gutes.
Nun, vorerst wurde das Usuelle gegen den Eindringling angewendet. Jahrzehntelang Gelenksübungen im Chaos, Kanonenschultern, Kniebeugen, Bauchwellen, Eilmärsche, man stelle sich vor: mitten im bittersten Universum!
Das Terrain ist koupiert, gibt man einen Moment nicht acht, auf ja und nein hat man sich einen giftigen Stern eingetreten und wird ihn nie wieder los. Und die Gefühle! Riesenzecken sind nichts dagegen ... Sterne aber, vor denen hatte Sidonie, Reginalds Mutter, großen Respekt. Sie sagte stets: »Kinder, wenn ihr die Welt aufeßt, immer hübsch die Sterne ausspucken!«
Wie man weiß, gibt es viererlei Sorten von Sternen. Ihr Wohlgeschmack und Nährwert ist ihrer Größe gerade proportional. Erst das reifere Alter, und zwar nur der geschlechtlich quieszierten Exemplare verbürgt bei den Siderozoën die Genießbarkeit. Jugendliche oder gar infantile Individuen sind als unbekömmlich, unter Umständen sogar als giftig zu bezeichnen. Im übrigen ist ihr Wachstum wie das unsere an Nahrungsaufnahme gebunden, nur sind sie hierbei ganz auf schwächere, jüngere Artsgenossen beschränkt. Geselligkeitstrieb, was dasselbe wäre: Erotik, d.h. Hunger läßt Kometen größeren Kometen verfallen. Das größere Gewicht hemmt die Flüchtigkeit der neuentstandenen Organismen, die man Satelliten nennt, sie erliegen der anziehenden Kraft der Planeten und werden von ihnen schließlich einverleibt. All das nichts als Etappen der Sonnenbildung, Stationen auf dem Wege zum ausgewachsenen Fixsterne.
Nur die Sonnen lassen sich leicht fangen, da sie nicht liebedurstig einherirren wie die Jungen, sondern sexuell gesättigt und wiederkäuend ruhig an einem Ort verharren, bis die Luftfischer unseres Kaiserreiches Mirabilien kommen und nach ihnen sehen. Dann sprechen wir das Tischgebet und streichen uns die nahrhaften Körner wie Fischrogen aufs Brot ... In geringer Quantität sind sie ganz unschädlich, in großen Mengen hingegen rufen sie Cholera hervor ... Ich für meine Person vertrage ziemlich viel. Sterne, in Essig eingemacht, munden mir wenigstens bedeutend besser als Schwammerln. Die eßbaren Altersstufen selbstverständlich. Und auch die darf nur verzehren, wer einen heilen Mund besitzt. Sogar unzubereitet schmecken die kleinen, gustiösen Flammenbälle sehr pikant. Freilich: die Mitglieder des Tierschutzvereines schlagen Lärm, wenn man die armen Tierchen roh, bei lebendem Leib schnabuliert. Und die Vegetarier gar erblicken im Sternkonsum, in der Vereinigung mit niedrigstehenden Geschöpfen Sodomie ... Aber — Verzeihung dem Ausdruck — wer wird sich noch um diese alten Weiber kümmern!
Was unseren R. M. anlangt, so haben ihn derartige Anwürfe nie treffen können, seiner Mama ängstlich-nasale Laute: »Reggie! Paß auf, daß du keine Planetoiden schluckst!« hielten den Feigling ab, sich eine gewisse Fertigkeit im Sternschlucken anzueignen. Wahrscheinlich glaubte die würdige Dame, wie so manche Laien, diese Pfefferkugeln seien den Nieren unerwünscht. Vielleicht war auch in ihren famosen Speisegesetzen dieses Nahrungsmittel verboten und ein Rest von Antipathie zurückgeblieben. Ich weiß es nicht.
Des schlappen Kerls reglementwidrige Furcht vor den Himmelsinfusorien wurde irgendwie notorisch. Und die Offiziere wollten einen derartigen Temperenzler nicht im Korps dulden. Niemand wird ihnen das weiter verübeln. Nur die Art und Weise, wie sie ihn abreagierten, war schon mehr als unkollegial. Man machte Reginald trunken.
Unter dem Beistande des logischerweise gesinnungsverwandten Koches, der das fatale Nahrungsmittel schlecht passierte, im Zeichen eines symbolischen Termines, wurde von den Aufrechten Mirabiliens die übelriechend-zertretene Minderheit und Varietät in Mammuthbaum vernichtet. Ein krasser Fall von Soldatenmißhandlung!
In der Ehrenstunde unseres Repräsentanten, der 5% Jehovaleute und 95% Andersgeartete zu vertreten hat, dessen Selbsterhaltungstrieb also mit einiger Notwendigkeit für die verschwindende Minorität weniger übrig haben muß als für die dominierende Masse seiner Stammesgefährten: am Geburtstag des Selbstherrschers machte man Reginald trunken.
Im Urrausch fand er ein säuerliches Gelee, eine verhängnisvolle Sternsauce, sehr plausibel. Der Unglückliche litt an chronischem Rachenkatarrh. Die verschiedenen Sonnensysteme taten ihm nicht wohl und ein Satellit, ein verdammter kleiner Mond, blieb in der Kehle stecken. In dem törichten Bestreben, durch plötzlichen Schreck das Schlucken zu erleichtern, nannten die Offiziere den Namen der Speise.
An wunden Stellen mochte es schon früher im Rachen nicht gefehlt haben, heftiges Würgen vergrößerte sie, und ließ die seltenen Gäste in die Blutbahnen eintreten, wo sie erfahrungsgemäß giftig wirken. Namentlich wenn Trunkenheit ihre Virulenz steigert.
Zu spät holte man mich. Ich legte mein Ohr an Reginalds Thorax. Wenn Bazillen in unsereinen einmarschieren, singen sie zuerst ihre Volkshymne. Es ist ja ein Triumph für sie. Und auch diese hier produzierten sich im Mammuthbaum: bei ihren Atembewegungen und Umschwüngen summten die Sterne in ihm — ihm und sich die Sterbegesänge.
Die Krankheit dauerte relativ lang. Spät erst traten die Vorboten der Agonie auf: er erzählte Gleichnisse, einen Witz zwei- oder dreimal ein und demselben Zuhörer. In normalen Fällen pflegen wir ein Individuum, das so weit ist, zu erschießen, da es um erinnerungslos-greise Hirne nicht schad ist und wir Gesunden unter zu oft wiederholten Leitmotiven wimmern. Man muß es demnach als ein Zeichen von Schuldbewußtsein auffassen, daß man befahl, ihn über diese Grenze hinaus zu erhalten. Und die nach seinem Tode erfolgte Verfügung, laut der Gestirne von nun ab nur gegen ärztliche Anweisung verkauft werden dürfen, läßt sich ebenfalls nicht anders deuten.
Ich ahne es tief: man wird, dieser scheinbaren Anklage wegen, mich, den in vielen Feldzügen dekorierten Stabschirurgen, mit Demokraten, Anarchisten oder gar Judäophilen in einen Topf werfen wollen. Das Gefühl der Pflichterfüllung wird mich über alle Anwürfe hinausheben.
Es gibt nur zwei Wege. Entweder erläßt man wieder den Kultusgemeinden die Blutsteuer. Abgesehen von der erziehlichen Wirkung, welche die komische Körperhaltung der semitischen Soldaten auf die restliche Mannschaft ausübt, verliert man damit ein großes Quantum Kanonenfutter ... Oder aber, und dazu möchte ich einraten: man verbiete den jüdischen Trilliardären, wenn sie schon adelshalber wohltätig sein wollen, das Gründen von Krankenhäusern für Konnationale. Man stelle nichtarischen Schriftstellern vorläufig den Betrieb ein. Man drohe Bibliotheksbenützern aus den Kreisen der Übelnasigen mit der Todesstrafe! Faßlicher zu sprechen: Siechenhäuser ins Leben rufen, heißt die Folgen bekämpfen, wo sich mit geringerem Aufwande die Ursache entfernen ließe: einfach durch Kreierung von Sportplätzen für die Patriarchenstämmlinge.
Die Regierung wird anfänglich meinem Projekte mit Mißtrauen begegnen. Wenn die Zionisten des Universums die für sie charakteristischen Gesten und Körperlinien verlieren, muß das Ministerium befürchten, bei den Wahlen die Stimmen der Satiriker billiger Wirkungen, die Stimmen der Karikaturisten tiefstehender Rassen einzubüßen.
Demgegenüber fällt ins Gewicht: es ist wahrscheinlich, daß wir zu groß sind, um von den Sternen oder gar schmarotzenden Bewohnern derselben gesehen und verstanden werden zu können. Dies darf uns aber nicht abhalten, dies entbindet uns nicht der Pflicht, uns vor diesen immerhin denkbaren Zuschauern anständig zu benehmen, unsere Tugenden exhibitionistisch vor ihnen zu entfalten und unsere Stellung als einzig-echte Bekenner wahrhaft humanen Christentums im Weltall von neuem zu kräftigen.
Ich verbitte es mir, in meinem Exposé eine Beschuldigung erblicken zu wollen. Ich bin überzeugt, daß der größte Teil unseres Offizierskorps geschilderter Art der Mißhandlung jenes Freiwilligen innerlich ganz verständnislos gegenübersteht.
Unterdrückte Klassen sind eben immer an sich lächerlich, und man steinigt, man reagiert auf diese Lächerlichkeiten absichtslos, rein instinktiv. Unerlaubt ist es bloß, unterdrückte Völker in einem Grade zu demütigen, der dem eigenen Land abträglich ist. Diese Möglichkeit liegt vor, deswegen erhebe ich meine Stimme.
Mit den Gesetzen der Biologie nicht Vertraute werden behaupten, ich übertreibe. Das ist unwahr. Jedes Wesen weicht gern seinen Peinigern aus. Und so liegt gegenwärtig bei den diversen Mammuthbäumen ein den Rekrutierungen unbekömmlicher Wille zur Degeneration vor. Ihre Füße besitzen bereits keine Trittfläche mehr, nach der gewiß authentischen Klageschrift der Hutmachergenossenschaft weisen ihre Lockenköpfe sonst bloß bei Säuglingen statthafte Dimensionen auf. Sie wollen ihren Angreifern die ausgesucht kleinste Zielscheibe darbieten, sie verwehrlosen, verflüchtigen sich, sie schrumpfen ein, sie ducken sich unter das Militärmaß.