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authorPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2022-09-09 22:46:23 +0200
committerPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2022-09-09 22:46:23 +0200
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-rw-r--r--OEBPS/Text/03-fragmentarisches/03-ideen.xhtml259
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+++ b/OEBPS/Text/03-fragmentarisches/03-ideen.xhtml
@@ -0,0 +1,259 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8"?>
+<!DOCTYPE html>
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Ideen, Bilder und Situationen</title>
+</head>
+<body>
+
+<div class="prose">
+
+ <h3 class="center">Ideen, Bilder und Situationen</h3>
+
+ <h4 class="center">(Notizen)</h4>
+
+<p>
+»Ich bin ein Nihilist, wie er im Buch steht«, sagte er,
+erstaunt über das furchtbare Wort.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich gieße meine Augen in meiner Hände Grab.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Der Kopf sitzt, eine Geschwulst, auf einem ausgestopften
+Anzug. In einer Tasche eine prachtvolle Miniaturausgabe des
+Konkursrechtes, in der anderen ein wertvolles kleines
+Strafgesetzbuch.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Lampen, die Blumen der Nacht, glimmen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Nackte Finger schleichen, spielende weiße Schlangen, hin zu
+einem Revolver. Und alle Männer blicken. Der Himmel fließt
+um die Nackte wie ein Tanzkleid. Sie schießt den Spiegel
+tot. – – Schreit auf, hebt Hände. Aus zitronenfarbenem
+Himmel fällt ein Weiß in die grüne Erde.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Er spielte an einem Pickel über dem Halskragen, drückte
+wiederholt, so daß die Stelle rot wurde und aufschwoll, bis
+der Pickel platzte. Er besah den Eiter auf der Hand, zog ein
+Tuch aus einer Tasche, wischte die Hand ab, hielt das Tuch
+an die wunde Stelle, saß verloren traurig. »Der Mensch ist
+hochinteressant«, sagte eine hysterische Dame in dem
+Vorbeigehen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Die Erde flackert irgendwo.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Mir passiert häufig beim Lesen einer kitschigen rosanen
+Geschichte, daß mir trotz des inneren Lachens ein Schauer
+durch den Körper geht.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Die Erde, das Vieh.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich bin in meinem schmerzenden Kopf.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Die Luft fliegt schmierig umher. Sie bleibt an den Häusern
+kleben und an den Händen der Menschen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Sammlung: Berühmte Luetiker.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich will aufhören, langsam zugrunde zu gehen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Daß geistige Leute sich nicht unterhalten können.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Weib ist nur ein Vorwand für namenlose Sehnsucht.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich liebe die Menschen, nicht Einzelne. Ich leide mit den
+Elenden um des Elends wegen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Er fraß den Schlaf.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Gespräch: »Sie will sich töten.« Er: »Am sichersten wäre
+es.«</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ihre Augen lagen, leuchtender Schmuck, in ihrer Haut.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich bin ja nur ein armes, altes, dickes, schwaches Weib.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ein Reiter ging, sich auf einen Regenschirm stützend,
+nachdenklich durch die sonnigen Straßen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ich bin mir überlegen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Die Vielheit der Frauenzärtlichkeiten läßt erst das Ideal
+»Mein Weib« konstruieren. Man muß sich bewußt sein, daß
+tatsächlich – Gottseidank – ein ständiger Wechsel notwendig
+ist. Und eine ist am Strand – und eine liest am Abend – und
+eine – – –</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ein Pferd machte Laufschritt.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+»Ich finde das unreif und schlecht beobachtet«, spricht
+Backfisch von erotischer Skizze.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+»Der strengste Objektivismus ist die höchste Moral«, sagte
+mein Bruder, als er mich schlug. Das ist eine sehr edle
+Anschauung.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Idee zu einem Drama: Befriedigung ist auch das Letzte nicht.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Er sank hinunter. Tief, tief in einen Schlaf hinein wie in
+einen Sarg aus sanften Frauen.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ein Vogel knarrte im Baum.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Auf einem hohen Berg lag ein bärtiger Kopf, neben ihm ein
+Bauch. Auf dem Bauch spielten fleischige Finger
+melancholisch mit einer dicken goldenen Kette, die wie Feuer
+glitzerte.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Augen und Sehnsucht: Schwarze Flammen aus dem Gesicht
+beleuchten die weiße Stirn, hinter der tausend mit Sehnsucht
+gefärbte Bilder funkeln.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+In ihrem Hirn tanzte gerade ein schöner Geliebter.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Ihre Augen waren ein lichtbraunes Gewand.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Caféhaus: Alte fette Dirnen (Großmütter) mit schabiger Haut
+– baumelnde dicke Beine –, junge mit schwarzen Fingernägeln
+in neuen koketten Kleidern.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Er betete in die Luft, mit wundem Rücken und aufgerissenem
+Maul, er rief: »Mein Körper ist ein Bett, in dem gehurt
+wird.«</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Manche Dirnen haben so viel sanft überlegene Mütterlichkeit
+um die Augen und sind die hilflosesten Kinder.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+<p>
+Der abgelehnte Geliebte: Er geht durch viele Straßen und
+Stunden. In jeder Verzweiflung. Stellt sich vor den Spiegel.
+Hat sich lieb.</p>
+
+<hr class="spacer2" />
+
+ <h3 class="center">Die Tiere</h3>
+
+ <h4 class="center">Schauspiel</h4>
+
+<p>
+Grundgedanke: Heilige Sehnsucht aus dem tierischen
+Triebleben zur seelischen Reinheit. Je größer der Dreck,
+desto heftiger die Sehnsucht. Aber vergebens: die
+Sehnsüchtigen gehen im Dreck unter.<br />
+Nur der Bürger, der sich über nichts schwere Gedanken macht
+und nichts tief empfindet, blüht im Dreck.
+</p>
+
+</div>
+
+</body>
+</html>