From eaf31909c6b133e23cb7ed2f71fb55d37ef87372 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 9 Sep 2022 22:46:23 +0200 Subject: Repository mit erster Version --- .../Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml | 115 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 115 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml b/OEBPS/Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml new file mode 100644 index 0000000..a30e4c0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/02-geschichten/04-zwei-bruchstuecke.xhtml @@ -0,0 +1,115 @@ + + + + + + + + Zwei Bruchstücke aus der ersten Fassung der Geschichte: Café Klößchen + + + +
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Zwei Bruchstücke aus der ersten Fassung der Geschichte:
Café Klößchen

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I

+ + Im Café Klößchen + +

+In der Nähe Kohns sprachen im Kreis wenig bekannte Kritiker, +Maler, Dichter und ein paar. Zumeist Mitarbeiter der neuen +Zeitschrift: »Das andere A« und der unregelmäßig von dem +kleinen begeisterten Lutz Laus für die Hebung der +Unsittlichkeit angefertigten Monatsschrift: »Der Dackel«. +Bei ihnen saß ein schönes fressendes Fräulein. +

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+Man stritt sich gerade um den literarischen Unwert des Herrn +Kohn. Der Dichter Gottschalk Schulz, ein Jurist, erklärte, +ihm sei unbegreiflich, daß Herr Doktor Bryller den Kohn +lobe. Kohn schildere alles anders. Kohn sei ein Lügner. Kohn +sei grotesk. – Der begabte Doktor Berthold Bryller sagte +darauf: »Grotesk sein, sei kein Nachteil. Groteske sei +immerhin eine Brücke zu einem Weg.« Und ein +Witzblattredakteur, der eigentlich nicht hierher gehörte, +schrie schüchtern: »Auch ich schätze alles, was grotesk und +originell ist und über den stumpfsinnigen deutschen +Tintensumpf hinausstrebt.« – Aber Lutz Laus rief: »Ich +schätze gar nichts. Ich teile diese Knaben ein in Burschen, +welche schreiben, weil ihnen nichts einfällt, und in +Gesindel, welches schmiert, weil ihm so zumute ist.« – +Spinoza Spaß, ein Gymnasiast, der dämlich an einem Stuhle +hing, freute sich langsam. Er blickte boshaft zu dem +einsamen Kohn. Und sagte, weiches Gemüt und heimatlichen +Akzent durch Berlinern etwas verbergend: »Nehmen Se jrotesk, +det hebt Ihnen.« – Alle lachten. +

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+Kohn sah das Fräulein eine Weile innig an, zu den anderen +schmiß er nur verächtliche Blicke. Er stand bald auf und +ging weg. +

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II

+ +Der Dackel-Laus + +

+An einem weichen Abend voller grünlichgelber Laternen, +voller Regenschirme und Straßenschmutz erregte der +Dackel-Laus gewaltiges Aufsehen in dem Café Klößchen. Er +ließ Zettel verteilen, auf denen für eine neue, von ihm +erfundene gottlose Religion auf neojuristischer Grundlage +Propaganda gemacht wurde. Ferner war für den nächsten Abend +eine konstituierende Versammlung in einen nahen Kintopp +einberufen. +

+ +

+Das ganze Café Klößchen erschien. Sogar Kuno Kohn, der +eigentlich der Klößchenclique nicht angehörte, mit den +meisten Literaten dieser Gruppe verfeindet war, kam in den +Kintopp. Gottschalk Schulz rief leise: »Das ist ein +ekelhafter Kerl. Das ist ein sogenannter grotesker Kohn.« +Lisel Liblichlein sagte: »Wer –« Schulz sagte: »Der kleine +Bucklige, der dort kommt.« Sie sah den Buckligen. Und sagte: +»Ach –« R. R. Müller, der neben ihr saß, flüsterte ihr +vertraulich zu: »Dieser Kohn ist gefährlich.« Sie sagte: +»Wieso –« +

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+Da sang eine Dame. Als die Dame nicht mehr sang, faßte +Gottschalk Schulz die Hand des Fräulein Liblichlein. Auch +den anderen war infolge des Gesanges feierlich zumute. +Einige hatten Tränen in den Augen. +

+ +

+Nun trat Lutz Laus selbst auf einen Stuhl. Er war ganz +schwarz gekleidet, aber das Gesicht war purpurrot, und die +Hände steckten in giftgrünen Lappen. Die Pupillen glänzten +wie gelbes Glas. Es war unsagbar still. Und er verkündete +seine Religion. Er sagte, diese Religion sei die Religion +der gehobenen Pessimisten. Diese Religion habe keinen Gott, +aber einen Papst. Der Papst sei er. Zugleich mache er die +Mitteilung, daß er in Anlehnung an die katholische Kirche +das Dogma von der Lausischen Unfehlbarkeit festzustellen +bitte. Und er verriet, daß er in kurzer Zeit in einem +Bürgerlichen Gebetbuch (Laus: BGB.) in 2385 Aphorismen die +grundlegenden Sätze seiner Religion zusammenstellen werde. – +

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+Nach der Versammlung ging man haufenweise in das Café +Klößchen. +

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+ + + -- cgit v1.2.3