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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:45:23 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:45:23 +0100 |
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Hochschule +für Musik erleben durfte.<br /> +Ich will versuchen, das »Drama« zu schildern. Es beginnt mit +einem Ende, dem sogenannten »Vorspiel«: Asta, die todkranke +Tochter des Muskel- und Gewaltsmenschen Eisen … +(Eisen!)… Eisenring und seiner schwächlichen Frau Eva, muß +wohl sterben, ehe noch das Vorspiel aus ist. So leid es +allen tut. Asta verschwindet zu diesem Zweck aus der +quatschigen, grünen Bühnenstube, gestützt auf die alte Amme +Kathuschka. Ein unglaublich überflüssiger alter Nathan – ein +pathologisch guter, jüdelnder Menschenfreund – Frau Eva und +der selbstverständliche Arzt Doktor Normann (mit edlem +unheilverkündenden Mienenspiel) reden inzwischen +gefühlerisch allerlei über die allgemein bekannte Tatsache +des Sterbens. Zu meinem Glück kommt Ämmchen Kathuschka bald +schreiend und stürzend wieder auf die Bühne, weil die arme +Asta – o ahnendes Publikum! –Jetzt wirklich mausetot ist. +Ein Aufseufzen der Erleichterung in dem Zuschauerraum … +Ein schwindsüchtiger Schrei der Mama, hinterher das übliche +verhaltene Stöhnen… Ein Hinausgehen des Normann und des +Nathan, dabei jenes Achselzucken, das da sagt: Ach, wie +traurig ist doch das Dasein! Seht ihr's. Und herein kommt +Robert Eisenring, Vertreter der Kraft & Gesundheit. Er war +lange fern (in den Krallen eines anderen Weibes), da er +keinen Sinn für Familie und Lebensschatten zu haben scheint. +Eva verhehlt ihm den Tod Astas keineswegs. Ein innerer Kampf +tobt in ihm. Dann will er mit seiner Frau ein »neues Leben« +(so nennt er das) beginnen. Die schwächliche Eva hat +umgehend einen Wutanfall. Sie quietscht überschnappend, sie +hasse ihn schon lange (geballte Fäuste!). Er habe sie bisher +schlecht behandelt. Jetzt wolle sie nichts mehr von ihm +wissen. Sie tritt heroisch ab. Eisenring aber spricht einen +Monolog: –– Tochter tot – – Frau weg –– Schicksal, +verwünschtes – – ein Eisenring – – läßt sich nicht +unterkriegen von Lebensschatten – – nie – – niemals – – man +sieht noch, wie er in ein neues Leben steigt. Da schließt +sich sanft der blutrote Vorhang.<br /> +Dies war das Vorspiel. Nach der Pause (zehn Jahre später) +ist der Eisenring nicht mehr Athlet, sondern ein reicher +Kaufmann. Er hat einen leichtsinnigen Freund Hans und eine +leichtfertige Braut Meta, die im zweiten Aufzug schon seine +Frau ist. Im dritten Aufzug kommt ein mehrjähriges Kind Ruth +hinzu, dessen Mutter Meta, dessen Vater eigentlich +(heimlich) Hans ist. Hans hat außerdem bedeutende +Unterschlagungen in dem Geschäft Eisenrings gemacht. Deshalb +ist der reiche Eisenring im letzten Aufzug wieder ziemlich +arm. Man merkt deutlich, daß die Lebensschatten jetzt auch +über ihn gekommen sind. Er ist wohl schwer +rückenmarkleidend, ahnt alles. Er überrascht den ruchlosen +Hans mit der meta. Die Katastrophe folgt auf dem Fuße: +Eisenring enterbt Meta, läßt den Hans ins Gefängnis bringen, +dann fällt er tot (Herzschlag) auf eine Chaiselongue. Die +Enterbte will sich jetzt auch entleiben. (Das Publikum nimmt +die Geschichte schon lange komisch. Es hätte sicher einen +vergnüglichen Skandal gegeben, wenn die unglückliche Meta +Wort gehalten hätte.) Aber ein Redakteur spricht zu ihr +ungefähr die weisen Worte: Nicht durch voreiligen Tod sühnt +man, sondern durch langes und edles Leben. Wollen Sie? … +Meta und das »intellektuelle« Publikum jubeln: Ja – –! Und +der sanfte Blutrote schließt sich endgültig. +»Lebensschatten« ist ein trostlos schlechtes Theaterstück. +Trotzdem war ich ergriffen wie bei einem Ibsendrama. Noch +nirgends offenbarte sich mir so deutlich und rein die +Kommistragödie vom (dichterischen) Dilettantismus. Ich mußte +immer daran denken, daß alle die schalen beschränkten +Schwafeleien, die dummen tolpatschigen Geschehnisse, die +pappigen Kolportagegestalten aus der selben heilig +schmerzlichen Himmelssehnsucht geschaffen sind wie Goethes +oder Rilkes unsterbliche Werke. Ich habe dem winzigen Herrn +<span class="spaced">J. Jacobsthal</span>, so oft er sich, +halb betäubt von seiner plötzlichen Wichtigkeit, unter +vielen linkischen Verbeugungen an die Rampe schieben ließ, +von Herzen zugeklatscht, weil ich kundtun wollte, daß ich +(zwar keinen Dichter) einen von Tod und Dasein gequälten +Menschen grüße. So einer ist gewaltig höher zu schätzen als +sein besser angezogenes, tantiges, beschaulich grinsendes +Publikum. Und sein Stück – das unmögliche – ist +mir hundertmal lieber als ein unverschämt routiniertes +Nichts des Herrn Dreyer oder des Herrn Philippi.</p> + +<p> +Die Schauspieler waren nicht Dilettanten, sondern +mittelmäßige und schlechte Schauspieler. Die meisten kommen +von der Schmiere, andere gehen erst zur Schmiere. Ich könnte +noch manches über die Darstellung und die Regie (die aus +lauter Fehlern bestanden) sagen, aber die Einzelheiten haben +für den Leser kaum Interesse. Und schließlich ist Schiller +und Sudermann leichter zu spielen als J. Jacobsthal. Dann +noch: Der unfähigste, wüsteste Schmierenschauspieler hat – +so behaupte ich… Und will es hier nicht beweisen – +tieferen menschlichen Wert als ein Krämer, ein Beamter und +vielleicht ein praktischer Rechtsanwalt.</p> + +</body> +</html> |