Die Theater sollten aufhören, den Kinos Konkurrenz zu machen. Sie erreichen dadurch – freut euch, Theaterfreunde – das Gegenteil von dem, was sie wollen: Sie krepieren.
Am besten erhalten sich diejenigen Theaterbetriebe, die dem Kino nicht das geringste einräumen: Weder in der Auswahl der Stücke Konzessionen machen, noch in dem Rahmen. Dies ist erklärlich. Was die Kinos – nachgebend den Instinkten der Menge – bieten, werden die Theater in derselben Masse und Fülle niemals produzieren können, gebunden an ihre Schranken. Das Publikum bemerkt kopfschüttelnd das hilflose Bemühen. Und läuft in die Kinos. Denn was das Publikum an das Theater fesseln sollte: Die Kunst, wird zumeist schandhaft vernachlässigt. (Wie wenn Filzhutfabrikanten den Einfall hätten, zu einer Zeit, wo allgemein Strohhüte getragen werden, Filzhüte in Form und Farbe von Strohhüten auf den Markt zu bringen.)
Bevor die Kinos kamen, waren die vielen »Theater« minderen Ranges die bei weitem größere Gefahr des Theaters. Charakteristischerweise sind durch die Kinos Institute dieser Art am meisten bedroht. Einige werden durch die Geschicklichkeit ihrer Direktoren oder durch andere Zufälle noch eine Weile erhalten bleiben. Unzweifelhaft ist das »Aussterben« der minderwertigen Theaterbetriebe binnen kurzer Zeit. Das Publikum, das an derlei Geschmack fand, hat im Kino erheblich üppigeren Ersatz: Mord und Totschlag in Hülle und Fülle. Komik bis zum Platzen. Fett aufgemachte Rührung. Und der Kinomime mit seinen faustdicken Unterstreichungen – etwa in einer tragischen, bunt kolorierten Ehebruchsgeschichte (in historischen Trachten) – übertrifft den Schmieren-Hamlet bedeutend an herzergreifender Wirkung.
Die Theater, die sich erhalten wollen, sind gezwungen, sich wieder auf sich zu besinnen. Die Direktoren müssen reine Schauspielkunst pflegen. Die Schauspieler – im Gegensatz zu den »Filmern«, besser »Kinistern« oder »Kinikern« –, um ihren Ruf zu wahren, alle Mätzchen und Scherze fallen lassen. Das Publikum, das trotz des Kinos in die Theater geht, ist anspruchsvoll und läßt sich nichts vormachen.
Es können nicht genug Kinos entstehen. Ich würde
kulturpolizeilich verordnen, daß in jeder Straße ein halbes
Dutzend aufgemacht werde.
Je mehr die Menschen sich in die Kinos stürzen, desto eher
wird ein Teil des Schwindels überdrüssig werden. Von den
Hunderttausenden, die Kinos bevölkern, werden jährlich
einige Hundert sich wieder zum Theater bekehren.
Die Zahl der Theater wird in Zukunft geringer sein, aber ihre Qualität durchschnittlich unverhältnismäßig besser. Die unfähigen Direktoren, Dramaturgen, sonstigen Krachleute, die bisher am Theater schma-rotzten, werden im Kinobetrieb einen geeigneteren Ort für ihre Fähigkeiten entdecken. Die vielen mittelmäßigen und schlechten Schauspieler, die jetzt noch allerorten die Preise drücken und den Weg versperren, können vorzügliche Kiniker werden. Ein talentierter Schuster wird künftig nicht in die Theaterschule, sondern in die Kinoschule gehen. Lispeler, Schiefe, Bucklige, Stumme, ähnliche Defizitmimiker werden ihre persönliche Note leichter und glücklicher am Kino austoben können.
(Das Kino der unbegrenzten Möglichkeiten …)
Aber – das Theater wird, dank dem Kino freigeworden von hemmendem Ballast und ungünstigen Einflüssen, zurückkehren müssen: Zur heiligen Schauspielkunst.