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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:26:18 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:26:18 +0100 |
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-rw-r--r-- | OEBPS/Text/03.html | 94 |
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diff --git a/OEBPS/Text/03.html b/OEBPS/Text/03.html new file mode 100644 index 0000000..851bfb6 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/03.html @@ -0,0 +1,94 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Drittes Kapitel</title> +</head> +<body> + + <h3 class="spaced center">Drittes Kapitel</h3> + + <p class="center">Die Geschichte von den Vorhängen</p> + + <p> </p> + +<p> +Ich stand vor einem grossen Stück aus Sackleinwand und +schrie: »Knoten seid ihr.«</p> + +<p> +»Müssen Sie denn immer schimpfen?«</p> + +<p> +»Unterbrechen Sie mich nicht. Aber ich habe das Bedürfnis, +mich zu dokumentieren. Bald merkte ich es, dass niemand +anders die Sackleinwand sei, als ich. Es war die erste +Selbsterkenntnis. Aber ich drang weiter. Ein grosses +Gepolter begann. Ein Sturm zerriss mich. Ich schrie vor +Schmerz. Ich merkte, wie der grösste Teil der Leinwand zum +Teufel ging. Aber dann war ich total von mir geblendet. +Denken Sie, ich war ein stählernes Gebirge, das auf dem Kopf +stand. Zarte Seelenblumen cachierten die Abgründe, die mit +keinem Schock Sofakissen auszufüllen waren. Ich begriff den +ganzen Unsinn und merkte, dass ein Sandkorn bei weitem +wertvoller sei, als eine unendliche Welt. Es ging mir auch +das Infinitesimale, das Wunder der Qualität, auf, das weder +historisch, noch sonst wie aufgelöst werden kann. Jedenfalls +merkte ich mir, dass es lediglich auf eine möglichst +ungehinderte Bewegung ankomme. Ich gestehe zu, dass hier das +Logische nicht ausreicht, weil jedes Axiom das andere +widerlegt. Denken Sie daran, dass man mit dem Satze vom +kausalen Denken eben gerade auf das Unkausale kommt, aber +mit grüner Ergebung gehe ich auf die Hauptsache los. Ich +sagte mir, Böhm werde dich los. Alles Persönliche ist +unproduktiv. Sei Vorhang und zerreisse dich. Beschimpfe dich +so lange, bis du etwas anderes bist. Sei Vorhang und +Theaterstück zugleich. Wenn du eine Sehnsucht hast, dann +handle stets im umgekehrten Sinn; denn sonst steckst du zu +bald im Leim. Ich habe es stets gesagt, das Umgekehrte ist +genau so richtig. Aber gehen Sie nicht mehr auf zwei Beinen. +Warum amputieren Sie nicht eins heroisch unter der Bettdecke +weg?</p> + +<p> +Genuss verlangt Selbstbeherrschung und Qual. Grundsatz: +vermeiden Sie das Gleichgewicht.</p> + +<p> +Sie sehen, meine silberne Gehirnschale ist asymmetrisch. +Darin liegt meine Produktivität. Ueber den sich fortwährend +verändernden Kombinationen verlieren Sie das unglückselige +Gedächtnis für die Dinge und den peinlichen Hang zum +Endgültigen. Was Sie bisher nicht zu denken wagten. Die Welt +ist das Mittel zum Denken. Es handelt sich nicht um +Erkennen, das ist eine phantastische Tautologie. Hier geht +es um Denken, Denken. Dadurch ändert sich die ganze Affäre, +mein Herr. Genies handeln nie, oder sie handeln nur +scheinbar. Ihr Zweck ist ein Gedanke, ein neuer, neuester +Gedanke.</p> + +<p> +Mein Herr, verstehen Sie jetzt den grossen Napoleon? Der +Mann war nicht ehrgeizig. Das ist die Projektion der +Universitätsintriguen und der Dilettanten. Der Mann +versuchte immer neue Mittel, um denken zu können; aber er +war etwas Ideologe. Nur eines bitte ich mir aus: werfen Sie +mich nicht mit der haltlosen Gefühlsduselei eines +Pantheisten zusammen. Diese Leute haben nie ein gutes Bild +begriffen; da steckt ihr Fehler. Das sind unkonzentrierte +Gymnasiasten, die deswegen über einen Begriff nicht +hinauskommen, und gerade den leugne ich. Der Begriff ist +gerade so ein Nonsens, wie die Sache. Man wird nie die +Kombinaton los. Der Begriff will zu den Dingen, aber gerade +das Umgekehrte will ich. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf +den Genuss. Sie wissen nun, dass mein Ende fast als ein +tragisches zu bezeichnen ist. Ziehen Sie sich aber an. Wir +wollen einer hypothetischen Handlung beiwohnen, nämlich +meinem Seelenamt.«</p> + +</body> +</html> |