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diff --git a/OEBPS/Text/12.html b/OEBPS/Text/12.html new file mode 100644 index 0000000..5ddf47d --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/12.html @@ -0,0 +1,92 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>XII, 2. Dezember 1911</title> +</head> +<body> + +<h3>XII, 2. Dezember 1911</h3> + +<p> +Heute war der Bischof bei mir; wir flüstern bei jedem +Zusammensein leiser. Ich bin so empfindlich am Herzen, ich +höre mit meinem Herzen und das sanfte Sprechen tut ihm wohl. +Er saß an meinem Lager, (Du, Herwarth, ich habe mir direkt +ein Zelt eingerichtet mitten im Zimmer,) und spielte mit +seinem Muschelbleistift; ich zeichnete mit dem Kohinoor den +Mond auf, bis er schwebte – so: Zwischen</p> + +<p class="center"> +<img src="../Images/12-mond.png" alt="Mond" /></p> + +<p> +der weißen Pracht des Papiers ganz alleine ohne +Sterne und ohne Erde. Wie grausam man zeichnen kann, aber +ich bat den Bischof, mit seinem rauschenden Bleistift ein +Meer unter den Mond zu setzen. So geht es mir aber auch mit +Nasen, die ich hinsetze oder Mündern oder halben Gesichtern, +ich muß sie vervollständigen, damit ihnen nicht ein Sinn +fehlt und dabei versäumt man sich selbst so oft, und das +Herz liebt so selten bis zu Ende. Herwarth, Du mußt auch +flüstern lernen, man hört das Echo der Welt ganz deutlich. +Wenn der Bischof und ich flüstern, werden die Wände leise +und die Möbel erträglich, ihre Farben mild. Und die Spiegel +der Schränke sind Bäche, und unsere Liebe ist ein Heimchen +oder eine Grille, eine Pusteblume, daraus sich die Kinder +Ketten machen.</p> + +<p> +Liebe Jungens, heut bekam ich eine +Massenpostkarte aus dem Rheingold in Berlin: Liebe, beste +Frau L.-Sch., Sie werden von uns allen vermißt!!! Loos.</p> + +<p> +Liebe, unbekannte Frau! Herr Loos hat über Ihnen solche +Lobdudeleien gemacht, daß ich beinahe fürchte, Sie kennen zu +lernen. Keine Dichterin in ganz Deutschland schrieb Verse +wie die Frau L.Sch., das ist das wenigste, was er sagt, und +dann zitiert er den Tibet-Teppich von Morgen bis Abend. Aber +hoffentlich sind Sie doch, wie er sagt. Und einmal werden +wir uns doch begegnen. Viele Grüße Karin Michaelis.</p> + +<p> +Arnold Schönberg. Webern, Beste Grüße Ludwig Kainer. Ada +und Emil Nolde. Kurtchen. Bestens grüßt Albert Ehrenstein. +Herwarth Walden. Döblin – immer mal wieder. Erna Reiß. +Gustav Wallascheck. Hede von Trapp. Willam Wauer. Lene +Kainer.</p> + +<p> +Also seid Ihr beide doch wieder in Berlin; ich habe +das ganz vergessen, laßt Euch ja meine Briefe aus Norwegen +zurückschicken.</p> + +<p class="alignright">Else</p> + +<p> +Der Dalai Lama meint, einige meiner Modelle haben nicht den +Anspruch auf meine Kunst. Anders kann ich mir nicht des +Ministers Worte deuten. Aber es kommt ja nur darauf an, wie +ich die Modelle zum Ausdruck bringe. Ich habe weiter nichts +mit ihnen zu tun. Und meine Dichtung werde ich später +verkaufen, meine Seele an einen Verleger verschachern, und +dennoch hat der Dalai Lama mir die Augen geöffnet; ich +empfinde seitdem mein Dichterinnensein für ein Pfandleihtum, +immer bewerte ich die Menschen, fast ohne Ausnahme, zu hoch. +O, diese Verluste!</p> + +<p> +Lieber Herwarth, willst Du im Sturm veröffentlichen lassen, +daß sich alle Vertreter unseres gemeinschaftlichen Cafés +melden mögen, die den Wunsch hegen, nicht mehr in den +Briefen an Euch erwähnt zu werden. Ich gewähre ihnen freien +Abzug. +</p> + +</body> +</html> |