From 7090a54beef98ac34b42301ac95e96dd930081b8 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 17:30:28 +0100 Subject: initial commit --- .../07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml | 80 ++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 80 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/wueste/07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/wueste/07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/wueste/07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml b/OEBPS/Text/wueste/07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml new file mode 100644 index 0000000..59afed5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/wueste/07-sie-stehen-hoch-oben-auf-dem-geruest.xhtml @@ -0,0 +1,80 @@ + + + + + + + + Sie stehen hoch oben auf dem Gerüst + + + +
+ +

+Sie stehen hoch oben auf dem Gerüst. —
+Es ist zwölf Uhr und Mittagsruh. —
+Sie fluchen und schreien. — Der eine schmeißt
+Dem andern lachend die Flasche zu,
+Die heizend von Mund zu Munde reist, —
+Und keiner weiß es, wie arm er ist. —
+Ich komme des Weges. Und einer erblickt
+Den lässigen Gang, die groteske Gestalt:
+»Halloh! ein Kerl, dem es oben tickt!« —
+Und wildes Gelächter ans Ohr mir schallt.
+Ich sehe nicht auf. — Die wissen ja nicht,
+Daß dem, um den ihre Rohheit lacht,
+Ihr Schicksal klagend zum Herzen spricht, —
+Sie fragen auch nicht, ob er Verse macht. +

+ +

+Und ich geh' weiter. Da kommen mir zwei
+Verlebte Dirnen kreischend vorbei.
+Aus ihren Augen starrt freudlose Gier,
+Am Munde frißt wüster Nächte Lust, —
+Nur Leiber, nur seelenloses Geschlecht, —
+Die armen Wesen, die nie gewußt,
+Daß sie arm und verlassen sind, — und nicht schlecht. —
+Da stößt eine die andere an: »Du, hier!
+Der dürfte mir nicht für ein Goldstück ins Bett!«
+Und sie kichern frech. — Sie können nicht wissen,
+Daß ich mein Herzblut gegeben hätt',
+Wüßt' ich sie in treuer sorgender Hut —
+Wüßt' ich ihrem Frieden ein weiches Kissen, —
+Auch nicht, wie weh ihr Lachen tut.
+

+ +

+Und ich geh' meines Wegs. Aus der Schule kommen
+Erblühende Mädchen, halbwüchsige Knaben,
+Die eben vom schrulligen Lehrer die frommen
+Gelehrsamkeiten empfangen haben,
+Mit denen die Menschen die knospenden Seelen
+Verkümmern, unmerklich zu Tode quälen.
+Doch mit der Jugend schnellem Erspähn
+Hat mich ein Dutzend Augen gesehn.
+Da machen sie höhnisch die Zungen breit
+Und richten spottend auf mich die Finger. —
+Ahnen sie denn, daß ein Mensch in der Näh',
+Der sinnt, wie man aus dem Geisteszwinger
+Die werdenden jungen Geschlechter befreit? —
+Fragen sie: tut unser Spott nicht weh? — —
+Und endlich bin ich, wohin ich gewollt:
+Am Kinderspielplatz — bei den Kleinen.
+Hei, wie es mir da entgegen tollt!
+Es hängt mir am Hals, an den Armen, den Beinen.
+Ach — hier sind doch Menschen, die menschlich fühlen,
+Die kleinen Kinder, die sorglos spielen,
+Die wissen, wer ihnen Freund, wer Feind,
+Wer mit ihnen lacht und mit ihnen weint.
+Hier bin ich glücklich — hier wo ich fand
+Die ich suchte, die Heimat: mein Kinderland! +

+ + + +
+ + + -- cgit v1.2.3