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+++ b/OEBPS/Text/der-aufbruch/04-die-rast/54-gratia.html
@@ -0,0 +1,44 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Gratia divinae pietatis adesto Savinae</title>
+</head>
+<body>
+
+<h3>Gratia divinae pietatis adesto Savinae<br />
+De petra dura perquam sum facta figura</h3>
+
+<p class="center">(Alte Inschrift am Straßburger Münster)</p>
+
+<p>
+ <span class="indent">Zuletzt, da alles Werk verrichtet, meinen Gott zu loben,</span><br />
+ <span class="indent">Hat meine Hand die beiden Frauenbilder aus dem Stein gehoben.</span><br />
+ <span class="indent">Die eine aufgerichtet, frei und unerschrocken &ndash;</span><br />
+ <span class="indent">Ihr Blick ist Sieg, ihr Schreiten glänzt Frohlocken.</span><br />
+ <span class="indent">Zu zeigen, wie sie freudig über allem Erdenmühsal throne,</span><br />
+ <span class="indent">Gab ich ihr Kelch und Kreuzesfahne und die Krone.</span><br />
+ <span class="indent">Aber meine Seele, Schönheit ferner Kindertage und mein tief verstecktes Leben</span><br />
+ <span class="indent">Hab ich der Besiegten, der Verstoßenen gegeben.</span><br />
+ <span class="indent">Und was ich in mir trug an Stille, sanfter Trauer und demütigem Verlangen</span><br />
+ <span class="indent">Hab ich sehnsüchtig über ihren Kinderleib gehangen:</span><br />
+ <span class="indent">Die schlanken Hüften ausgebuchtet, die der lockre Gürtel hält,</span><br />
+ <span class="indent">Die Hügel ihrer Brüste zärtlich aus dem Linnen ausgewellt,</span><br />
+ <span class="indent">Ließ ihre Haare über Schultern hin wie einen blonden Regen fließen,</span><br />
+ <span class="indent">Liebkoste ihre Hände, die das alte Buch und den zerknickten Schaft umschließen,</span><br />
+ <span class="indent">Gab ihren schlaffen Armen die gebeugte Schwermut gelber Weizenfelder, die in Julisonne schwellen,</span><br />
+ <span class="indent">Dem Wandeln ihrer Füße die Musik von Orgeln, die an Sonntagen aus Kirchentüren quellen.</span><br />
+ <span class="indent">Die süßen Augen mußten eine Binde tragen,</span><br />
+ <span class="indent">Daß rührender durch dünne Seide wehe ihrer Wimpern Schlagen.</span><br />
+ <span class="indent">Und Lieblichkeit der Glieder, die ihr weiches Hemd erfüllt,</span><br />
+ <span class="indent">Hab ich mit Demut ganz und gar umhüllt,</span><br />
+ <span class="indent">Daß wunderbar in Gottes Brudernähe</span><br />
+ <span class="indent">Von Niedrigkeit umglänzt ihr reines Bildnis stehe.</span>
+</p>
+
+</body>
+</html>