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<title>Die Befreiung</title>
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<h3>Die Befreiung</h3>
<p>
<span class="indent">Da seine Gnade mir die Binde von den Augen schloß,</span><br />
<span class="indent">Troff Licht wie Regen brennend. Land lag da und blühte.</span><br />
<span class="indent">Ich schritt so wie im Tanz. Und was davor mich wie mit Knebeln mühte,</span><br />
<span class="indent">Fiel ab und war von mir getan. Mich überfloß</span><br />
<span class="indent">Das Gnadenwunder, unaufhörlich quellend – so wie junger Wein</span><br />
<span class="indent">Im Herbst, wenn sie auf allen goldnen Hügeln keltern,</span><br />
<span class="indent">Und rings die Hänge nieder Saft aufspritzt und flammt in den Behältern,</span><br />
<span class="indent">Flammte vor mir die Welt und ward nun ganz erst mein</span><br />
<span class="indent">Und meines Odems Odem. Jedes Ding war neu und gieng</span><br />
<span class="indent">In tiefer Herzenswallung mir entgegen, sich zu schenken, so wie am Altar,</span><br />
<span class="indent">Des Opfers freudig, ganz in Glück gekleidet. Und in jedem war</span><br />
<span class="indent">Der Gott. Und keines war, darauf nicht seine Güte so wie Hauch um reife Früchte hieng.</span><br />
<span class="indent">Mir aber brach die Liebe alle Türen auf, die Hochmut mir gesperrt:</span><br />
<span class="indent">In Not Gescharte, Bettler, Säufer, Dirnen und Verbannte</span><br />
<span class="indent">Wurden mein lieb Geschwister. Meine Demut kniete vor dem Licht, das fern in ihren Augen brannte,</span><br />
<span class="indent">Und ihre rauhen Stimmen schlossen sich zum himmlischen Konzert.</span><br />
<span class="indent">Ich selbst war dunkel ihrem Leid und ihrer Lust vermengt – Welle im Chor</span><br />
<span class="indent">Auffahrender Choräle. Meine Seele war die kleine Glocke, die im Dorfkirchhimmel der Gebete hieng</span><br />
<span class="indent">Und selig läutend in dem Überschwang der Stimmen sich verlor</span><br />
<span class="indent">Und ausgeschüttet in dem Tausendfachen untergieng.</span>
</p>
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