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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2024-03-24 19:00:42 +0100 |
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diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..2b3ab48 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,17 @@ +E. T. A. Hoffmann - Das Fräulein von Scuderi +============================================ + +Das git-Repository enthält die Quelldateien im Format reStructuredText. Sie bilden die Grundlage für die Ausgabe des [Fräuleins von Scuderi](https://in-transit.cc/buecher/eta-hoffmann-das-fraeulein-von-scuderi) als EPUB, HTML und PDF. + +Eine Kopie des Repositorys kann mittels git gezogen werden: +```` +git clone git://in-transit.cc/eta-hoffmann-das-fraeulein-von-scuderi +```` + +Download Links für zip- oder tar-Archive stehen auf der [commit-Seite](https://in-transit.cc/cgit/eta-hoffmann-das-fraeulein-von-scuderi/commit/) zur Verfügung. + +Aus den Quellen des Repositorys können verschiedene Formate mittels [Docutils](https://docutils.sourceforge.io/) oder, wie hier, mit [Sphinx](https://www.sphinx-doc.org/) generiert werden. + +Grundlage des Textes sind Scans des Erstdrucks im »Taschenbuch für das Jahr 1820. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.«, die von der [Bayerischen Staatsbibliothek München}(https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10925308) zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis wurde eine OCR-Fassung erstellt, die mit der Vorlage abgeglichen und in einer zweiten Korrektur-Schleife mit der [Fassung des Deutschen Textarchivs](https://www.deutschestextarchiv.de/book/show/hoffmann_scuderi_1910) abgeglichen wurde. + + diff --git a/anhang.rst b/anhang.rst new file mode 100644 index 0000000..e05bc0c --- /dev/null +++ b/anhang.rst @@ -0,0 +1,3 @@ +Anhang +====== + diff --git a/das-fraeulein-von-scuderi.rst b/das-fraeulein-von-scuderi.rst new file mode 100644 index 0000000..5383e02 --- /dev/null +++ b/das-fraeulein-von-scuderi.rst @@ -0,0 +1,2764 @@ +Das Fräulein von Scuderi +======================== + +In der Straße St. Honoree war das kleine Haus gelegen, +welches Magdaleine von Scuderi, bekannt durch ihre +anmuthigen Verse, durch die Gunst Ludwig des XIV. und der +Maintenon, bewohnte. + +Spät um Mitternacht – es mochte im Herbste des Jahres 1680. +seyn – wurde an dieses Haus hart und heftig angeschlagen, +daß es im ganzen Flur laut wiederhallte. – Baptiste, der in +des Fräuleins kleinem Haushalt Koch, Bedienten und +Thürsteher zugleich vorstellte, war mit Erlaubniß seiner +Herrschaft über Land gegangen zur Hochzeit seiner Schwester, +und so kam es, daß die Martiniere, des Fräuleins Kammerfrau, +allein im Hause noch wachte. Sie hörte die wiederholten +Schläge, es fiel ihr ein, daß Baptiste fortgegangen, und sie +mit dem Fräulein ohne weitern Schutz im Hause geblieben sey; +aller Frevel von Einbruch, Diebstahl und Mord, wie er jemals +in Paris verübt worden, kam ihr in den Sinn, es wurde ihr +gewiß, daß irgend ein Haufen Meuter, von der Einsamkeit des +Hauses unterrichtet, da draußen tobe, und eingelassen ein +böses Vorhaben gegen die Herrschaft ausführen wolle, und so +blieb sie in ihrem Zimmer zitternd und zagend, und den +Baptiste verwünschend sammt seiner Schwester Hochzeit. +Unterdessen donnerten die Schläge immer fort, und es war +ihr, als rufe eine Stimme dazwischen: So macht doch nur auf +um Christuswillen, so macht doch nur auf! Endlich in +steigender Angst ergriff die Martiniere schnell den Leuchter +mit der brennenden Kerze, und rannte hinaus auf den Flur; da +vernahm sie ganz deutlich die Stimme des Anpochenden: Um +Christuswillen, so macht doch nur auf! »In der That, dachte +die Martiniere, so spricht doch wohl kein Räuber; wer weiß, +ob nicht gar ein Verfolgter Zuflucht sucht bei meiner +Herrschaft, die ja geneigt ist zu jeder Wohlthat. Aber laßt +uns vorsichtig seyn!« – Sie öffnete ein Fenster und rief +hinab, wer denn da unten in später Nacht so an der Hausthür +tobe, und alles aus dem Schlafe wecke, indem sie ihrer +tiefen Stimme so viel Männliches zu geben sich bemühte, als +nur möglich. In dem Schimmer der Mondesstrahlen, die eben +durch die finstern Wolken brachen, gewahrte sie eine lange, +in einen hellgrauen Mantel gewickelte Gestalt, die den +breiten Hut tief in die Augen gedrückt hatte. Sie rief nun +mit lauter Stimme, so, daß es der unten vernehmen konnte: +Baptiste, Claude, Pierre, steht auf, und seht einmal zu, +welcher Taugenichts uns das Haus einschlagen will! Da sprach +es aber mit sanfter, beinahe klagender Stimme von unten +herauf: Ach! la Martiniere, ich weiß ja, daß ihr es seyd, +liebe Frau, so sehr ihr Eure Stimme zu verstellen trachtet, +ich weiß ja, daß Baptiste über Land gegangen ist, und ihr +mit Eurer Herrschaft allein im Hause seyd. Macht mir nur +getrost auf, befürchtet nichts. Ich muß durchaus mit Eurem +Fräulein sprechen, noch in dieser Minute. »Wo denkt ihr hin, +erwiederte die Martiniere, mein Fräulein wollt ihr sprechen +mitten in der Nacht? Wißt ihr denn nicht, daß sie längst +schläft, und daß ich sie um keinen Preis wecken werde aus +dem ersten süßesten Schlummer, dessen sie in ihren Jahren +wohl bedarf.« »Ich weiß, sprach der Untenstehende, ich weiß, +daß Euer Fräulein so eben das Manuscript ihres Romans, +Clelia geheißen, an dem sie rastlos arbeitet, bei Seite +gelegt hat, und jetzt noch einige Verse aufschreibt, die sie +morgen bey der Marquise de Maintenon vorzulesen gedenkt. Ich +beschwöre Euch Frau Martiniere, habt die Barmherzigkeit, und +öffnet mir die Thüre. Wißt, daß es darauf ankommt, einen +Unglücklichen vom Verderben zu retten, wißt, daß Ehre, +Freiheit, ja das Leben eines Menschen abhängt von diesem +Augenblick, in dem ich Euer Fräulein sprechen muß. Bedenkt, +daß Eurer Gebieterin Zorn ewig auf Euch lasten würde, wenn +Sie erführe, daß Ihr es waret, die den Unglücklichen, +welcher kam, ihre Hülfe zu erflehen, hartherzig von der +Thüre wieset.« »Aber warum sprecht ihr denn meines Fräuleins +Mitleid an in dieser ungewöhnlichen Stunde, kommt morgen zu +guter Zeit wieder«, so sprach die Martiniere herab; da +erwiederte der unten: »Kehrt sich denn das Schicksal, wenn +es verderbend wie der tödtende Blitz einschlägt, an Zeit und +Stunde? Darf, wenn nur ein Augenblick Rettung noch möglich +ist, die Hülfe aufgeschoben werden? Oeffnet mir die Thüre, +fürchtet doch nur nichts von einem Elenden, der schutzlos, +verlassen von aller Welt, verfolgt, bedrängt von einem +ungeheuern Geschick Euer Fräulein um Rettung anflehen will +aus drohender Gefahr!« Die Martiniere vernahm, wie der +Untenstehende bei diesen Worten vor tiefem Schmerz stöhnte +und schluchzte; dabei war der Ton von seiner Stimme der +eines Jünglings, sanft und eindringend tief in die Brust. +Sie fühlte sich im Innersten bewegt, ohne sich weiter lange +zu besinnen, holte sie die Schlüssel herbei. + +So wie sie die Thüre kaum geöffnet, drängte sich ungestüm +die im Mantel gehüllte Gestalt hinein und rief, der +Martiniere vorbeischreitend in den Flur, mit wilder Stimme: +»Führt mich zu Euerm Fräulein!« Erschrocken hob die +Martiniere den Leuchter in die Höhe, und der Kerzenschimmer +fiel in ein todbleiches, furchtbar entstelltes +Jünglingsantlitz. Vor Schrecken hätte die Martiniere zu +Boden sinken mögen, als nun der Mensch den Mantel +auseinanderschlug, und der blanke Griff eines Stilets aus +dem Brustlatz hervorragte. Es blitzte der Mensch sie an mit +funkelnden Augen und rief noch wilder als zuvor: »Führt mich +zu Euerm Fräulein, sage ich Euch!« Nun sah' die Martiniere +ihr Fräulein in der dringendsten Gefahr, alle Liebe zu der +theuren Herrschaft, in der sie zugleich die fromme, treue +Mutter ehrte, flammte stärker auf im Innern, und erzeugte +einen Muth, dessen sie wohl selbst sich nicht fähig geglaubt +hätte. Sie warf die Thüre ihres Gemachs, die sie offen +gelassen, schnell zu, trat vor dieselbe und sprach stark und +fest: »In der That, Euer tolles Betragen hier im Hause paßt +schlecht zu Euern kläglichen Worten da draußen, die, wie ich +nun wohl merke, mein Mitleiden sehr zu unrechter Zeit +erweckt haben. Mein Fräulein sollt und werdet ihr jetzt +nicht sprechen. Habt Ihr nichts Böses im Sinn, dürft ihr den +Tag nicht scheuen, so kommt morgen wieder, und bringt Eure +Sache an! – jetzt schert Euch aus dem Hause! Der Mensch +stieß einen dumpfen Seufzer aus, blickte die Martiniere +starr an mit entsetzlichem Blick, und griff nach dem Stilet. +Die Martiniere befahl im Stillen ihre Seele dem Herrn, doch +blieb sie standhaft, und sah dem Menschen keck ins Auge +indem sie sich fester an die Thüre des Gemachs drückte, +durch welches der Mensch gehen mußte, um zu dem Fräulein zu +gelangen. »Laßt mich zu Euerm Fräulein, sage ich Euch, rief +der Mensch nochmals.« »Thut was ihr wollt, erwiederte die +Martiniere, ich weiche nicht von diesem Platz, vollendet nur +die böse That, die ihr begonnen, auch ihr werdet den +schmachvollen Tod finden auf dem Greveplatz, wie Eure +verruchten Spießgesellen.« »Ha, schrie der Mensch auf, ihr +habt recht, la Martiniere! ich sehe aus, ich bin bewaffnet +wie ein verruchter Räuber und Mörder, aber meine +Spießgesellen sind nicht gerichtet, sind nicht gerichtet! – +Und damit zog er, giftige Blicke schießend auf die zum Tode +geängstete Frau, das Stilet heraus. Jesus! rief sie, den +Todesstoß erwartend, aber in dem Augenblick ließ sich auf +der Straße das Geklirr von Waffen, der Huftritt von Pferden +hören. »Die Marechaussee – die Marechaussee. Hülfe, Hülfe!« +– schrie die Martiniere. »Entsetzliches Weib, du willst mein +Verderben – nun ist Alles aus, alles aus! – nimm! – nimm; +gib das dem Fräulein heute noch – morgen wenn du willst – +dieß leise murmelnd hatte der Mensch der Martiniere den +Leuchter weggerissen, die Kerzen verlöscht und ihr ein +Kästchen in die Hände gedrückt. Um deiner Seligkeit willen, +gib das Kästchen dem Fräulein, rief der Mensch und sprang +zum Hause hinaus. Die Martiniere war zu Boden gesunken, mit +Mühe stand sie auf, und tappte sich in der Finsterniß zurück +in ihr Gemach, wo sie ganz erschöpft, keines Lautes mächtig, +in den Lehnstuhl sank. Nun hörte sie die Schlüssel klirren, +die sie im Schloß der Hausthüre hatte stecken lassen. Das +Haus wurde zugeschlossen und leise unsichere Tritte nahten +sich dem Gemach. Fest gebannt, ohne Kraft sich zu regen, +erwartete sie das Gräßliche; doch wie geschah ihr, als die +Thüre aufging und sie bei dem Scheine der Nachtlampe auf den +ersten Blick den ehrlichen Baptiste erkannte; der sah +leichenblaß aus und ganz verstört. »Um aller Heiligen +willen, fing er an, um aller Heiligen willen, sagt mir Frau +Martiniere, was ist geschehen? Ach die Angst! die Angst! – +Ich weiß nicht was es war, aber fortgetrieben hat es mich +von der Hochzeit gestern Abend mit Gewalt! – Und nun komme +ich in die Straße. Frau Martiniere, denk' ich, hat einen +leisen Schlaf, die wird's wohl hören, wenn ich leise und +säuberlich anpoche an die Hausthüre, und mich hineinlassen. +Da kommt mir eine starke Patrouille entgegen, Reuter, +Fußvolk bis an die Zähne bewaffnet, und hält mich an und +will mich nicht fortlassen. Aber zum Glück ist Desgrais +dabei, der Marechaussee-Lieutnant, der mich recht gut kennt; +der spricht, als sie mir die Laterne unter die Nase halten: +Ei Baptiste, wo kommst du her des Wegs in der Nacht? Du mußt +fein im Hause bleiben und es hüten. Hier ist es nicht +geheuer, wir denken noch in dieser Nacht einen guten Fang zu +machen. Ihr glaubt gar nicht, Frau Martiniere, wie mir diese +Worte auf's Herz fielen. Und nun trete ich auf die Schwelle, +und da stürzt ein verhüllter Mensch aus dem Hause, das +blanke Stilet in der Faust, und rennt mich um und um – das +Haus ist offen, die Schlüssel stecken im Schlosse – sagt, +was hat das Alles zu bedeuten?« Die Martiniere, von ihrer +Todesangst befreit, erzählte, wie sich Alles begeben. Beide, +sie und Baptiste, gingen in den Hausflur, sie fanden den +Leuchter auf dem Boden, wo der fremde Mensch ihn im +Entfliehen hingeworfen. »Es ist nur zu gewiß, sprach +Baptiste, daß unser Fräulein beraubt und wohl gar ermordet +werden sollte. Der Mensch wußte, wie ihr erzählt, daß ihr +allein wart mit dem Fräulein, ja sogar, daß sie noch wachte +bei ihren Schriften; gewiß war es einer von den verfluchten +Gaunern und Spitzbuben, die bis ins Innere der Häuser +dringen, alles listig auskundschaftend, was ihnen zur +Ausführung ihrer teuflischen Anschläge dienlich. Und das +kleine Kästchen, Frau Martiniere, das, denk' ich, werfen wir +in die Seine, wo sie am tiefsten ist. Wer steht uns dafür, +daß nicht irgend ein verruchter Unhold unserm guten Fräulein +nach dem Leben trachtet, daß sie, das Kästchen öffnend, +nicht todt niedersinkt, wie der alte Marquis von Tournay, +als er den Brief aufmachte, den er von unbekannter Hand +erhalten! –« Lange rathschlagend, beschlossen die Getreuen +endlich, dem Fräulein am andern Morgen Alles zu erzählen und +ihr auch das geheimnißvolle Kästchen einzuhändigen, das ja +mit gehöriger Vorsicht geöffnet werden könne. Beide, +erwägten sie genau jeden Umstand der Erscheinung des +verdächtigen Fremden, meinten, daß wohl ein besonderes +Geheimniß im Spiele seyn könne, über das sie eigenmächtig +nicht schalten dürften, sondern die Enthüllung ihrer +Herrschaft überlassen müßten. – + +------------ + +Baptiste's Besorgnisse hatten ihren guten Grund. Gerade zu +der Zeit war Paris der Schauplatz der verruchtesten +Greuelthaten, gerade zu der Zeit bot die teuflische +Erfindung der Hölle die leichtesten Mittel dazu dar. + +Glaser, ein teutscher Apotheker, der beste Chemiker seiner +Zeit, beschäftigte sich, wie es bei Leuten von seiner +Wissenschaft wohl zu geschehen pflegt, mit alchymistischen +Versuchen. Er hatte es darauf abgesehen, den Stein der +Weisen zu finden. Ihm gesellte sich ein Italiener zu, Namens +Exili. Diesem diente aber die Goldmacherkunst nur zum +Vorwande. Nur das Mischen, Kochen, Sublimiren der +Giftstoffe, in denen Glaser sein Heil zu finden hoffte, +wollt' er erlernen, und es gelang ihm endlich, jenes feine +Gift zu bereiten, das ohne Geruch, ohne Geschmack, entweder +auf der Stelle oder langsam tödtend, durchaus keine Spur im +menschlichen Körper zurückläßt, und alle Kunst, alle +Wissenschaft der Aerzte täuscht, die, den Giftmord nicht +ahnend, den Tod immer einer natürlichen Ursache zuschreiben +müssen. So vorsichtig Exili auch zu Werke ging, so kam er +doch in den Verdacht des Giftverkaufs, und wurde nach der +Bastille gebracht. In dasselbe Zimmer sperrte man bald +darauf den Hauptmann Godin de Sainte Croix ein. Dieser hatte +mit der Marquise de Brinvillier lange Zeit in einem +Verhältnisse gelebt, welches Schande über die ganze Familie +brachte, und endlich, da der Marquis unempfindlich blieb für +die Verbrechen seiner Gemahlin, ihren Vater, Dreux d'Aubray, +Zivillieutnant zu Paris, nöthigte, das verbrecherische Paar, +durch einen Verhaftsbefehl zu trennen, den er wider den +Hauptmann auswirkte. Leidenschaftlich, ohne Charakter, +Frömmigkeit heuchelnd und zu Lastern aller Art geneigt von +Jugend auf, eifersüchtig, rachsüchtig bis zur Wuth, konnte +dem Hauptmann nichts willkommner seyn als Exilis teuflisches +Geheimniß, das ihm die Macht gab, alle seine Feinde zu +vernichten. Er wurde Exilis eifriger Schüler, und that es +bald seinem Meister gleich, so daß er, aus der Bastille +entlassen, allein fortzuarbeiten im Stande war. + +Die Brinvillier war ein entartetes Weib, durch Sainte Croix +wurde sie zum Ungeheuer. Er vermochte sie nach und nach, +erst ihren eignen Vater, bei dem sie sich befand, ihn mit +verruchter Heuchelei im Alter pflegend, dann ihre beiden +Brüder, und endlich ihre Schwester zu vergiften; den Vater +aus Rache, die andern der reichen Erbschaft wegen. Die +Geschichte mehrerer Giftmörder gibt das entsetzliche +Beispiel, daß Verbrechen der Art zur unwiderstehlichen +Leidenschaft werden. Ohne weitern Zweck, aus reiner Lust +daran, wie der Chemiker Experimente macht zu seinem +Vergnügen, haben oft Giftmörder Personen gemordet, deren +Leben oder Tod ihnen völlig gleich seyn konnte. Das +plötzliche Hinsterben mehrerer Armen im Hotel Dieu erregte +später den Verdacht, daß die Brodte, welche die Brinvillier +dort wöchentlich auszutheilen pflegte, um als Meister der +Frömmigkeit und des Wohlthuns zu gelten, vergiftet waren. +Gewiß ist es aber, daß sie Taubenpasteten vergiftete, und +sie den Gästen, die sie geladen, vorsetzte. Der Chevalier du +Guet und mehrere andere Personen fielen als Opfer dieser +höllischen Mahlzeiten. Sainte Croix, sein Gehülfe la +Chaussee, die Brinvillier wußten lange Zeit hindurch ihre +gräßliche Unthaten in undurchdringliche Schleier zu hüllen; +doch welche verruchte List verworfener Menschen vermag zu +bestehen, hat die ewige Macht des Himmels beschlossen, schon +hier auf Erden die Frevler zu richten! – Die Gifte, welche +Sainte Croix bereitete, waren so fein, daß, lag das Pulver +(poudre de succession nannten es die Pariser) bei der +Bereitung offen, ein einziger Athemzug hinreichte, sich +augenblicklich den Tod zu geben. Sainte Croix trug deßhalb +bei seinen Operationen eine Maske von feinem Glase. Diese +fiel eines Tags, als er eben ein fertiges Giftpulver in eine +Phiole schütten wollte, herab, und er sank, den feinen Staub +des Giftes einathmend, augenblicklich todt nieder. Da er +ohne Erben verstorben, eilten die Gerichte herbei, um den +Nachlaß unter Siegel zu nehmen. Da fand sich in einer Kiste +verschlossen das ganze höllische Arsenal des Giftmords, das +dem verruchten Sainte Croix zu Gebote gestanden, aber auch +die Briefe der Brinvillier wurden aufgefunden, die über ihre +Unthaten keinen Zweifel ließen. Sie floh nach Lüttich in ein +Kloster. Desgrais, ein Beamter der Marechaussee, wurde ihr +nachgesendet. Als Geistlicher verkleidet erschien er in dem +Kloster, wo sie sich verborgen. Es gelang ihm, mit dem +entsetzlichen Weibe einen Liebeshandel anzuknüpfen, und sie +zu einer heimlichen Zusammenkunft in einen einsamen Garten +vor der Stadt zu verlocken. Kaum dort angekommen wurde sie +aber von Desgrais Häschern umringt, der geistliche Liebhaber +verwandelte sich plötzlich in den Beamten der Marechaussee, +und nöthigte sie in den Wagen zu steigen, der vor dem Garten +bereit stand, und von den Häschern umringt gerades Wegs nach +Paris abfuhr. La Chaussee war schon früher enthauptet +worden, die Brinvillier litt denselben Tod, ihr Körper wurde +nach der Hinrichtung verbrannt, und die Asche in die Lüfte +zerstreut. + +Die Pariser athmeten auf, als das Ungeheuer von der Welt +war, das die heimliche mörderische Waffe ungestraft richten +konnte gegen Feind und Freund. Doch bald that es sich kund, +daß des verruchten la Croix entsetzliche Kunst sich fort +vererbt hatte. Wie ein unsichtbares tückisches Gespenst +schlich der Mord sich ein in die engsten Kreise, wie sie +Verwandschaft – Liebe – Freundschaft nur bilden können, und +erfaßte sicher und schnell die unglücklichen Opfer. Der, den +man heute in blühender Gesundheit gesehen, wankte morgen +krank und siech umher, und keine Kunst der Aerzte konnte ihn +vor dem Tode retten. Reichthum – ein einträgliches Amt – ein +schönes, vielleicht zu jugendliches Weib – das genügte zur +Verfolgung auf den Tod. Das grausamste Mißtrauen trennte die +heiligsten Bande. Der Gatte zitterte vor der Gattin – der +Vater vor dem Sohn – die Schwester vor dem Bruder. – +Unberührt blieben die Speisen, blieb der Wein bei dem Mahl, +das der Freund den Freunden gab, und wo sonst Lust und +Scherz gewaltet, spähten verwilderte Blicke nach dem +verkappten Mörder. Man sah Familienväter ängstlich in +entfernten Gegenden Lebensmittel einkaufen, und in dieser, +jener schmutzigen Garküche selbst bereiten, in ihrem eigenen +Hause teuflischen Verrath fürchtend. Und doch war manchmal +die größte, bedachteste Vorsicht vergebens. + +Der König, dem Unwesen, das immer mehr überhand nahm, zu +steuern, ernannte einen eigenen Gerichtshof, dem er +ausschließlich die Untersuchung und Bestrafung dieser +heimlichen Verbrechen übertrug. Das war die sogenannte +Chambre ardente, die ihre Sitzungen unfern der Bastille +hielt, und welcher la Regnie als President vorstand. Mehrere +Zeit hindurch blieben Regnies Bemühungen, so eifrig sie auch +seyn mochten, fruchtlos, dem verschlagenen Desgrais war es +vorbehalten, den geheimsten Schlupfwinkel des Verbrechens zu +entdecken. – In der Vorstadt St. Germain wohnte ein altes +Weib, la Voisin geheißen, die sich mit Wahrsagen und +Geisterbeschwören abgab, und mit Hülfe ihrer Spießgesellen, +le Sage und le Vigoureux, auch selbst Personen, die eben +nicht schwach und leichtgläubig zu nennen, in Furcht und +Erstaunen zu setzen wußte. Aber sie that mehr als dieses. +Exilis Schülerin wie la Croix, bereitete sie wie dieser, das +feine, spurlose Gift, und half auf diese Weise ruchlosen +Söhnen zur frühen Erbschaft, entarteten Weibern zum andern +jüngern Gemahl. Desgrais drang in ihr Geheimniß ein, sie +gestand alles, die Chambre ardente verurtheilte sie zum +Feuertode, den sie auf dem Greveplatze erlitt. Man fand bei +ihr eine Liste aller Personen, die sich ihrer Hülfe bedient +hatten; und so kam es, daß nicht allein Hinrichtung auf +Hinrichtung folgte, sondern auch schwerer Verdacht selbst +auf Personen von hohem Ansehen lastete. So glaubte man, daß +der Cardinal Bonzy bei der la Voisin das Mittel gefunden, +alle Personen, denen er als Erzbischof von Narbonne +Pensionen bezahlen mußte, in kurzer Zeit hinsterben zu +lassen. So wurden die Herzogin von Bouillon, die Gräfin von +Soißons, deren Namen man auf der Liste gefunden, der +Verbindung mit dem teuflischen Weibe angeklagt, und selbst +Francois Henri de Montmorencie, Boudebelle, Herzog von +Luxemburg, Pair und Marschall des Reichs, blieb nicht +verschont. Auch ihn verfolgte die furchtbare Chambre +ardente. Er stellte sich selbst zum Gefängniß in der +Bastille, wo ihn Louvois und la Regnies Haß in ein sechs Fuß +langes Loch einsperren ließ. Monathe vergingen, ehe es sich +vollkommen ausmittelte, daß des Herzogs Verbrechen keine +Rüge verdienen konnte. Er hatte sich einmal von le Sage das +Horoskop stellen lassen. + +Gewiß ist es, daß blinder Eifer den Präsidenten la Regnie zu +Gewaltstreichen und Grausamkeiten verleitete. Das Tribunal +nahm ganz den Character der Inquisition an, der +geringfügigste Verdacht reichte hin zu strenger +Einkerkerung, und oft war es dem Zufall überlassen, die +Unschuld des auf den Tod Angeklagten darzuthun. Dabei war +Regnie von garstigem Ansehen und heimtückischem Wesen, so +daß er bald den Haß derer auf sich lud, deren Rächer oder +Schützer zu seyn er berufen wurde. Die Herzogin von +Bouillon, von ihm im Verhöre gefragt, ob sie den Teufel +gesehen? erwiederte: mich dünkt, ich sehe ihn in diesem +Augenblick! + +Während nun auf dem Greveplatz das Blut Schuldiger und +Verdächtiger in Strömen floß, und endlich der heimliche +Giftmord seltner und seltner wurde, zeigte sich ein Unheil +andrer Art, welches neue Bestürzung verbreitete. Eine +Gaunerbande schien es darauf angelegt zu haben, alle Juwelen +in ihren Besitz zu bringen. Der reiche Schmuck, kaum +gekauft, verschwand auf unbegreifliche Weise, mochte er +verwahrt seyn wie er wollte. Noch viel ärger war es aber, +daß Jeder, der es wagte, zur Abendzeit Juwelen bei sich zu +tragen, auf offener Straße oder in finstern Gängen der +Häuser beraubt, ja wohl gar ermordet wurde. Die mit dem +Leben davon gekommen, sagten aus, ein Faustschlag auf den +Kopf habe sie wie ein Wetterstrahl niedergestürzt, und aus +der Betäubung erwacht hätten sie sich beraubt, und am ganz +andern Orte als da, wo sie der Schlag getroffen, wieder +gefunden. Die Ermordeten, wie sie beinahe jeden Morgen auf +der Straße oder in den Häusern lagen, hatten alle dieselbe +tödtliche Wunde. Einen Dolchstich ins Herz, nach dem Urtheil +der Aerzte so schnell und sicher tödtend, daß der Verwundete +keines Lautes mächtig zu Boden sinken mußte. Wer war an dem +üppigen Hofe Ludwig des XIV., der nicht in einen geheimen +Liebeshandel verstrickt, spät zur Geliebten schlich, und +manchmal ein reiches Geschenk bei sich trug? – Als stünden +die Gauner mit Geistern im Bunde, wußten sie genau, wenn +sich so etwas zutragen sollte. Oft erreichte der +Unglückliche nicht das Haus, wo er Liebesglück zu genießen +dachte, oft fiel er auf der Schwelle, ja vor dem Zimmer der +Geliebten, die mit Entsetzen den blutigen Leichnam fand. + +Vergebens ließ Argenson, der Polizeiminister, Alles +aufgreifen in Paris, was von dem Volk nur irgend verdächtig +schien, vergebens wüthete la Regnie, und suchte Geständnisse +zu erpressen, vergebens wurden Wachen, Patrouillen +verstärkt, die Spur der Thäter war nicht zu finden. Nur die +Vorsicht, sich bis an die Zähne zu bewaffnen, und sich eine +Leuchte vortragen zu lassen, half einigermaßen, und doch +fanden sich Beispiele, daß der Diener mit Steinwürfen +geängstet, und der Herr in demselben Augenblick ermordet und +beraubt wurde. + +Merkwürdig war es, daß aller Nachforschungen auf allen +Plätzen, wo Juwelenhandel nur möglich war, unerachtet, nicht +das mindeste von den geraubten Kleinodien zum Vorschein kam, +und also auch hier keine Spur sich zeigte, die hätte +verfolgt werden können. + +Desgrais schäumte vor Wuth, daß selbst seiner List die +Spitzbuben zu entgehen wußten. Das Viertel der Stadt, in dem +er sich gerade befand, blieb verschont, während den dem +andern, wo Keiner Böses geahnt, der Raubmord seine reichen +Opfer erspähte. + +Desgrais besann sich auf das Kunststück, mehrere Desgrais zu +schaffen, sich untereinander so ähnlich an Gang, Stellung, +Sprache, Figur, Gesicht, daß selbst die Häscher nicht +wußten, wo der rechte Desgrais stecke. Unterdessen lauschte +er, sein Leben wagend, allein in den geheimsten +Schlupfwinkeln, und folgte von weitem diesem oder jenem, der +auf seinen Anlaß einen reichen Schmuck bei sich trug. Der +blieb unangefochten; also auch von dieser Maaßregel waren +die Gauner unterrichtet. Desgrais gerieth in Verzweiflung. + +Eines Morgens kommt Desgrais zu dem Präsidenten la Regnie, +blaß, entstellt, ausser sich. – Was habt ihr, was für +Nachrichten? – Fandet ihr die Spur? ruft ihm der Präsident +entgegen. »Ha – gnädiger Herr, fängt Desgrais an, vor Wuth +stammelnd, ha gnädiger Herr – gestern in der Nacht – unfern +des Louvres ist der Marquis de la Fare angefallen worden in +meiner Gegenwart. Himmel und Erde, jauchzt la Regnie auf vor +Freude – wir haben sie! – O hört nur, fällt Desgrais mit +bitterm Lächeln ein, o hört nur erst, wie sich Alles +begeben. – Am Louvre steh' ich also, und passe, die ganze +Hölle in der Brust, auf die Teufel, die meiner spotten. Da +kommt mit unsicherm Schritt immer hinter sich schauend eine +Gestalt dicht bei mir vorüber, ohne mich zu sehen. Im +Mondesschimmer erkenne ich den Marquis de la Fare. Ich +konnt' ihn da erwarten, ich wußte, wo er hinschlich. Kaum +ist er zehn – zwölf Schritte bei mir vorüber, da springt wie +aus der Erde herauf eine Figur, schmettert ihn nieder und +fällt über ihn her. Unbesonnen, überrascht von dem +Augenblick, der den Mörder in meine Hand liefern konnte, +schrie ich laut auf, und will mit einem gewaltigen Sprunge +aus meinem Schlupfwinkel heraus auf ihn zusetzen; da +verwickle ich mich in den Mantel und falle hin. Ich sehe den +Menschen wie auf den Flügeln des Windes forteilen, ich +rapple mich auf, ich renne ihm nach – laufend stoße ich in +mein Horn – aus der Fern antworten die Pfeifen der Häscher – +es wird lebendig – Waffengeklirr, Pferdegetrappel von allen +Seiten. – Hierher – hierher – Desgrais – Desgrais! schrie +ich, daß es durch die Straßen hallt. – Immer sehe ich den +Menschen vor mir im hellen Mondschein, wie er, mich zu +täuschen, da – dort – einbiegt; – wir kommen in die Straße +Nicaise, da scheinen seine Kräfte zu sinken, ich streng die +meinigen doppelt an – noch fünfzehn Schritte höchstens hat +er Vorsprung – »Ihr holt ihn ein – ihr packt ihn, die +Häscher kommen« – schreit la Regnie mit blitzenden Augen, +indem er Desgrais beim Arm ergreift, als sey der der +fliehende Mörder selbst. – »Fünfzehn Schritte, fährt +Desgrais mit dumpfer Stimme und mühsam athmend fort, +fünfzehn Schritte vor mir springt der Mensch auf die Seite +in den Schatten und verschwindet durch die Mauer. +»Verschwindet? – durch die Mauer! – Seyd ihr rasend,« ruft +la Regnie, indem er zwei Schritte zurück tritt und die Hände +zusammenschlägt. »Nennt mich, fährt Desgrais fort, sich die +Stirne reibend wie einer, den böse Gedanken plagen, nennt +mich, gnädiger Herr, immerhin einen Rasenden, einen +thörichten Geisterseher, aber es ist nicht anders, als wie +ich es Euch erzähle. Erstarrt stehe ich vor der Mauer, als +mehrere Häscher athemlos herbeikommen; mit ihnen der Marquis +de la Fare, der sich aufgerafft, den bloßen Degen in der +Hand. Wir zünden die Fackeln an, wir tappen an der Mauer hin +und her; keine Spur einer Thüre, eines Fensters, einer +Oeffnung. Es ist eine starke steinerne Hofmauer, die sich an +ein Haus lehnt, in dem Leute wohnen, gegen die auch nicht +der leiseste Verdacht aufkommt. Noch heute habe ich Alles in +genauen Augenschein genommen. – Der Teufel selbst ist es, +der uns foppt.« – Desgrais Geschichte wurde in Paris +bekannt. Die Köpfe waren erfüllt von den Zaubereien, +Geisterbeschwörungen, Teufelsbündnissen der Voisin, des +Vigoureux, des berüchtigten Priesters le Sage; und wie es +denn nun in unserer ewigen Natur liegt, daß der Hang zum +Uebernatürlichen, zum Wunderbaren alle Vernunft überbietet, +so glaubte man bald nichts Geringeres, als daß, wie Desgrais +nur im Unmuth gesagt, wirklich der Teufel selbst die +Verruchten schütze, die ihm ihre Seelen verkauft. Man kann +es sich denken, daß Desgrais Geschichte mancherlei tollen +Schmuck erhielt. Die Erzählung davon mit einem Holzschnitt +darüber, eine gräßliche Teufelsgestalt vorstellend, die vor +dem erschrockenen Desgrais in die Erde versinkt, wurde +gedruckt und an allen Ecken verkauft. Genug, das Volk +einzuschüchtern, und selbst den Häschern allen Muth zu +nehmen, die nun zur Nachtzeit mit Zittern und Zagen die +Straßen durchirrten, mit Amuletten behängt, und eingeweicht +in Weihwasser. + +Argenson sah die Bemühungen der Chambre ardente scheitern, +und ging den König an, für das neue Verbrechen einen +Gerichtshof zu ernennen, der mit noch ausgedehnterer Macht +den Thätern nachspüre und sie strafe. Der König, überzeugt, +schon der Chambre ardente zuviel Gewalt gegeben zu haben, +erschüttert von dem Greuel unzähliger Hinrichtungen, die der +blutgierige la Regnie veranlaßt, wies den Vorschlag gänzlich +von der Hand. + +Man wählte ein anderes Mittel, den König für die Sache zu +beleben. + +In den Zimmern der Maintenon, wo sich der König Nachmittags +aufzuhalten, und wohl auch mit seinen Ministern bis in die +späte Nacht hinein zu arbeiten pflegte, wurde ihm ein +Gedicht überreicht im Namen der gefährdeten Liebhaber, +welche klagen, daß, gebiete ihnen die Galanterie, der +Geliebten ein reiches Geschenk zu bringen, sie allemal ihr +Leben daran setzen müßten. Ehre und Lust sey es, im +ritterlichen Kampf sein Blut für die Geliebte zu +verspritzen; anders verhalte es sich aber mit dem +heimtückischen Anfall des Mörders, wider den man sich nicht +wappnen könne. Ludwig, der leuchtende Polarstern aller Liebe +und Galanterie, der möge hellaufstrahlend die finstre Nacht +zerstreuen und so das schwarze Geheimniß, das darin +verborgen, enthüllen. Der göttliche Held, der seine Feinde +niedergeschmettert, werde nun auch sein siegreich funkelndes +Schwert zücken, und wie Herkules die Lernäische Schlange, +wie Theseus den Minotaur, das bedrohliche Ungeheuer +bekämpfen, das alle Liebeslust wegzehre, und alle Freude +verdüstre in tiefes Leid, in trostlose Trauer. + +So ernst die Sache auch war, so fehlte es diesem Gedicht +doch nicht, vorzüglich in der Schilderung, wie die Liebhaber +auf dem heimlichen Schleichwege zur Geliebten sich ängstigen +müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne +Abentheuer der Galanterie im Aufkeimen tödte, an +geistreichwitzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu, daß beim +Schluß Alles in einen hochtrabenden Panegyrikus auf Ludwig +den XIV. ausging, so konnt es nicht fehlen, daß der König +das Gedicht mit sichtlichem Wohlgefallen durchlas. Damit zu +Stande gekommen drehte er sich, die Augen nicht wegwendend +von dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch +einmal mit lauter Stimme ab, und fragte dann anmuthig +lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdeten Liebhaber +halte? Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in +der Farbe einer gewissen Frömmigkeit, erwiederte, daß +geheime verbotene Wege eben keines besondern Schutzes +würdig, die entsetzlichen Verbrecher aber wohl besonderer +Maaßregeln zu ihrer Vertilgung werth wären. Der König, mit +dieser schwankenden Antwort unzufrieden, schlug das Papier +zusammen, und wollte zurück zu dem Staatssekretair, der in +dem andern Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er +seitwärts warf, die Scuderi ins Auge fiel, die zugegen war, +und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel +Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das +anmuthige Lächeln, das erst um Mund und Wangen spielte, und +das verschwunden, gewann wieder Oberhand, und dicht vor dem +Fräulein stehend und das Gedicht wieder auseinander faltend +sprach er sanft: Die Marquise mag nun einmal von den +Galanterien unserer verliebten Herren nichts wissen, und +weicht mir aus auf Wegen, die nichts weniger als verboten +sind. Aber Ihr, mein Fräulein, was haltet Ihr von dieser +dichterischen Supplik? – Die Scuderi stand ehrerbietig auf +von ihrem Lehnsessel, ein flüchtiges Roth überflog wie +Abendpurpur die blassen Wangen der alten würdigen Dame, sie +sprach, sich leise verneigend, mit niedergeschlagenen Augen: + + | *Un amant qui craint les voleurs* + | *n'est point digne d'amour.* + +Der König, ganz erstaunt über den ritterlichen Geist dieser +wenigen Worte, die das ganze Gedicht mit seinen ellenlangen +Tiraden zu Boden schlugen, rief mit blitzenden Augen: Beim +heiligen Dionys, Ihr habt Recht, Fräulein! Keine blinde +Maaßregel, die den Unschuldigen trifft mit dem Schuldigen, +soll die Freiheit schützen; mögen Argenson und la Regnie das +Ihrige thun! – + +------------ + +Alle die Greuel der Zeit schilderte nun die Martiniere mit +den lebhaftesten Farben, als sie am andern Morgen ihrem +Fräulein erzählte, was sich in voriger Nacht zugetragen, und +übergab ihr zitternd und zagend das geheimnißvolle Kästchen. +Sowohl sie als Baptiste, der ganz verblaßt in der Ecke +stand, und vor Angst und Beklommenheit die Nachtmütze in den +Händen knetend kaum sprechen konnte, baten das Fräulein auf +das wehmütigste um aller Heiligen willen, doch nur mit +möglichster Behutsamkeit das Kästchen zu öffnen. Die +Scuderi, das verschlossene Geheimniß in der Hand wiegend und +prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht Beide Gespenster! – Daß +ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes +werth, zu holen sind, das wissen die verruchten +Meuchelmörder da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das +Innerste der Häuser erspähen, wohl eben so gut als ich und +ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen seyn? Wem kann was an +dem Tode liegen einer Person von drei und siebzig Jahren, +die niemals andere verfolgte als die Bösewichter und +Friedenstörer in den Romanen, die sie selbst schuf, die +mittelmäßige Verse macht, welche niemandes Neid erregen +können, die nichts hinterlassen wird, als den Staat des +alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar +Dutzend gut eingebundene Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und +du, Martiniere! du magst nun die Erscheinung des fremden +Menschen so schreckhaft beschreiben wie du willst, doch kann +ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen. + +Also! – + +Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank +mit einem dumpfen Ach! halb in die Knie, als das Fräulein +nun an einen hervorragenden stählernen Knopf drückte und der +Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang. + +Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Kästchen ein +Paar goldne, reich mit Juwelen besetzte Armbänder, und eben +ein solcher Halsschmuck entgegen funkelten. Sie nahm das +Geschmeide heraus, und indem sie die wundervolle Arbeit des +Halsschmucks lobte, beäugelte die Martiniere die reichen +Armbänder, und rief einmal über das andere, daß ja selbst +die eitle Montespan nicht solchen Schmuck besitze. Aber was +soll das, was hat das zu bedeuten, sprach die Scuderi. In +dem Augenblick gewahrte sie auf dem Boden des Kästchens +einen kleinen zusammengefalteten Zettel. Mit Recht hoffte +sie den Aufschluß des Geheimnisses darin zu finden. Der +Zettel, kaum hatte sie, was er enthielt, gelesen, entfiel +ihren zitternden Händen. Sie warf einen sprechenden Blick +zum Himmel, und sank dann wie halb ohnmächtig in den +Lehnsessel zurück. Erschrocken sprang die Martiniere, sprang +Baptiste ihr bei. »O, rief sie nun mit von Thränen halb +erstickter Stimme, o der Kränkung, o der tiefen Beschämung! +Muß mir das noch geschehen im hohen Alter! Hab ich denn im +thörichten Leichtsinn gefrevelt, wie ein junges, +unbesonnenes Ding? – O Gott, sind Worte, halb im Scherz +hingeworfen, solcher gräßlichen Deutung fähig! – Darf dann +mich, die ich der Tugend getreu und der Frömmigkeit tadellos +blieb von Kindheit an, darf dann mich das Verbrechen des +teuflischen Bündnisses zeihen? + +Das Fräulein hielt das Schnupftuch vor die Augen und weinte +und schluchzte heftig, so daß die Martiniere und Baptiste +ganz verwirrt und beklommen nicht wußten, wie ihrer guten +Herrschaft beistehen in ihrem großen Schmerz. + +Die Martiniere hatte den verhängnißvollen Zettel von der +Erde aufgehoben. Auf demselben stand: + + | *Un amant qui craint les voleurs* + | *n'est point digne d'amour.* + +.. epigraph:: + + »Euer scharfsinniger Geist, hochgeehrte Dame, hat uns, + die wir an der Schwäche und Feigheit das Recht des + Stärkern üben, und uns Schätze zueignen, die auf + unwürdige Weise vergeudet werden sollten, von großer + Verfolgung errettet. Als einen Beweis unserer + Dankbarkeit nehmet gütig diesen Schmuck an. Es ist das + Kostbarste, was wir seit langer Zeit haben auftreiben + können, wiewohl Euch, würdige Dame! viel schöneres + Geschmeide zieren sollte, als dieses nun eben ist. Wir + bitten, daß Ihr uns Eure Freundschaft und Euer + huldvolles Andenken nicht entziehen möget.« + + -- Die Unsichtbaren. + +Ist es möglich, rief die Scuderi, als sie sich einigermaßen +erholt hatte, ist es möglich, daß man die schamlose +Frechheit, den verruchten Hohn so weit treiben kann? – Die +Sonne schien hell durch die Fenstergardinen von hochrother +Seide, und so kam es, daß die Brillanten, welche auf dem +Tische neben dem offenen Kästchen lagen, in röthlichem +Schimmer aufblitzten. Hinblickend verhüllte die Scuderi voll +Entsetzen das Gesicht, und befahl der Martiniere, das +fürchterliche Geschmeide, an dem das Blut der Ermordeten +klebe, augenblicklich fortzuschaffen. Die Martiniere, +nachdem sie Halsschmuck und Armbänder sogleich in das +Kästchen verschlossen, meinte, daß es wohl und am +gerathensten seyn würde, die Juwelen dem Polizeiminister zu +übergeben, und ihm zu vertrauen, wie sich alles mit der +beängstigenden Erscheinung des jungen Menschen, und der +Einhändigung des Kästchens zugetragen. + +Die Scuderi stund auf und schritt schweigend langsam im +Zimmer auf und nieder, als sinne sie erst nach, was nun zu +thun sey. Dann befahl sie dem Baptiste, einen Tragsessel zu +holen, der Martiniere aber, sie anzukleiden, weil sie auf +der Stelle hin wolle zur Marquise de Maintenon. + +Sie ließ sich hintragen zur Marquise gerade zu der Stunde, +wenn diese, wie die Scuderi wußte, sich allein in ihren +Gemächern befand. Das Kästchen mit den Juwelen nahm sie mit +sich. + +Wohl mußte die Marquise sich hochverwundern, als sie das +Fräulein, sonst die Würde, ja trotz ihrer hohen Jahre, die +Liebenswürdigkeit, die Anmuth selbst, eintreten sah blaß, +entstellt, mit wankenden Schritten. »Was um aller Heiligen +willen ist Euch widerfahren?« rief sie der armen, +beängsteten Dame entgegen, die, ganz ausser sich selbst, +kaum im Stande, sich aufrecht zu erhalten, nur schnell den +Lehnsessel zu erreichen suchte, den ihr die Marquise +hinschob. Endlich des Wortes wieder mächtig, erzählte das +Fräulein, welche tiefe, nicht zu verschmerzende Kränkung ihr +jener unbedachtsame Scherz, mit dem sie die Supplik der +gefährdeten Liebhaber beantwortet, zugezogen habe. Die +Marquise, nachdem sie Alles von Moment zu Moment erfahren, +urtheilte, daß die Scuderi sich das sonderbare Ereigniß viel +zu sehr zu Herzen nehme, daß der Hohn verruchten Gesindels +nie ein frommes, edles Gemüth treffen könne, und verlangte +zuletzt den Schmuck zu sehen. + +Die Scuderi gab ihr das geöffnete Kästchen, und die Marquise +konnte sich, als sie das köstliche Geschmeide erblickte, des +lauten Ausrufs der Verwunderung nicht erwehren. Sie nahm den +Halsschmuck, die Armbänder heraus und trat damit an das +Fenster, wo sie bald die Juwelen an der Sonne spielen ließ, +bald die zierliche Goldarbeit ganz nahe vor den Augen hielt, +um nur recht zu erschauen, mit welcher wundervollen Kunst +jedes kleine Häkchen der verschlungenen Ketten gearbeitet +war. + +Auf einmal wandte sich die Marquise rasch um nach dem +Fräulein und rief: »Wißt ihr wohl, Fräulein! daß diese +Armbänder, diesen Halsschmuck niemand anders gearbeitet +haben kann, als René Cardillac? – René Cardillac war damals +der geschickteste Goldarbeiter in Paris, einer der +kunstreichsten und zugleich sonderbarsten Menschen seiner +Zeit. Eher klein als groß, aber breitschultrig und von +starkem, muskulösem Körperbau hatte Cardillac, hoch in die +fünfziger Jahre vorgerückt, noch die Kraft, die +Beweglichkeit des Jünglings. Von dieser Kraft, die +ungewöhnlich zu nennen, zeugte auch das dicke, krause, +röthliche Haupthaar und das gedrungene, gleißende Antlitz. +Wäre Cardillac nicht in ganz Paris als der rechtlichste +Ehrenmann, uneigennützig, offen, ohne Hinterhalt, stets zu +helfen bereit, bekannt gewesen, sein ganz besonderer Blick +aus kleinen, tiefliegenden, grün funkelnden Augen hätten ihn +in den Verdacht heimlicher Tücke und Bosheit bringen können. +Wie gesagt, Cardillac war in seiner Kunst der Geschickteste +nicht sowohl in Paris, als vielleicht überhaupt seiner Zeit. +Innig vertraut mit der Natur der Edelsteine, wußte er sie +auf eine Art zu behandeln und zu fassen, daß der Schmuck, +der erst für unscheinbar gegolten, aus Cardillacs Werkstatt +hervorging in glänzender Pracht. Jeden Auftrag übernahm er +mit brennender Begierde und machte einen Preis, der, so +geringe war er, mit der Arbeit in keinem Verhältniß zu +stehen schien. Dann ließ ihm das Werk keine Ruhe, Tag und +Nacht hörte man ihn in seiner Werkstatt hämmern und oft, war +die Arbeit beinahe vollendet, mißfiel ihm plötzlich die +Form, er zweifelte an der Zierlichkeit irgend einer Fassung +der Juwelen, irgend eines kleinen Häkchens – Anlaß genug, +die ganze Arbeit wieder in den Schmelztiegel zu werfen und +von neuem anzufangen. So wurde jede Arbeit ein reines, +unübertreffliches Meisterwerk, das den Besteller in +Erstaunen setzte. Aber nun war es kaum möglich, die fertige +Arbeit von ihm zu erhalten. Unter tausend Vorwänden hielt er +den Besteller hin von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. +Vergebens bot man ihm das Doppelte für die Arbeit, nicht +einen Louis mehr als den bedungenen Preis wollte er nehmen. +Mußte er dann endlich dem Andringen des Bestellers weichen, +und den Schmuck herausgeben, so konnte er sich aller Zeichen +des tiefsten Verdrusses, ja einer innern Wuth, die in ihm +kochte, nicht erwehren. Hatte er ein bedeutenderes, +vorzüglich reiches Werk, vielleicht viele Tausende an Werth, +bei der Kostbarkeit der Juwelen, bei der überzierlichen +Goldarbeit abliefern müssen, so war er im Stande, wie +unsinnig umherzulaufen, sich, seine Arbeit, Alles um sich +her verwünschend. Aber so wie einer hinter ihm herrannte und +laut schrie: »René Cardillac, möchtet ihr nicht einen +schönen Halsschmuck machen für meine Braut – Armbänder für +mein Mädchen u. s. w.« dann stand er plötzlich still, +blitzte den an mit seinen kleinen Augen und fragte, die +Hände reibend: »Was habt ihr denn?« Der zieht nun ein +Schächtelchen hervor und spricht: »Hier sind Juwelen, viel +Sonderliches ist es nicht, gemeines Zeug, doch unter euern +Händen« – Cardillac läßt ihn nicht ausreden, reißt ihm das +Schächtelchen aus den Händen, nimmt die Juwelen heraus, die +wirklich nicht viel werth sind, hält sie gegen das Licht und +ruft voll Entzücken: »Ho ho – gemeines Zeug? – mit nichten! +– hübsche Steine – herrliche Steine, laßt mich nur machen! – +und wenn es Euch auf eine Handvoll Louis nicht ankommt, so +will ich noch ein paar Steinchen hineinbringen, die Euch in +die Augen funkeln sollen wie die liebe Sonne selbst –« Der +spricht: »Ich überlasse Euch Alles, Meister René, und zahle, +was ihr wollt!« Ohne Unterschied, mag er nun ein reicher +Bürgersmann oder ein vornehmer Herr vom Hofe seyn, reißt ihn +Cardillac ungestüm an seinen Hals, und drückt und küßt ihn +und spricht, nun sey er wieder ganz glücklich und in acht +Tagen werde die Arbeit fertig seyn. Er rennt über Hals und +Kopf nach Hause, hinein in die Werkstatt, und hämmert drauf +los, und in acht Tagen ist ein Meisterwerk zu Stande +gebracht. Aber so wie der, der es bestellte, kommt, mit +Freuden die geforderte geringe Summe bezahlen, und den +fertigen Schmuck mitnehmen will, wird Cardillac verdrüßlich, +grob, trotzig. – Aber Meister Cardillac, bedenkt, morgen ist +meine Hochzeit. Was schert mich Eure Hochzeit, fragt in +vierzehn Tagen wieder nach. – Der Schmuck ist fertig, hier +liegt das Geld, ich muß ihn haben. – Und ich sage Euch, daß +ich noch manches an dem Schmuck ändern muß, und ihn heute +nicht heraus geben werde. – Und ich sage Euch, daß wenn ihr +mir den Schmuck, den ich Euch allenfalls doppelt bezahlen +will, nicht herausgebt im Guten, ihr mich gleich mit +Argensons dienstbaren Trabanten anreuten sehen sollt. Nun so +quäle Euch der Satan mit hundert glühenden Kneipzangen, und +hänge drei Centner an den Halsschmuck, damit er Eure Braut +erdroßle! – Und damit steckt Cardillac dem Bräutigam den +Schmuck in die Busentasche, ergreift ihn beim Arm, wirft ihn +zur Stubenthür hinaus, daß er die ganze Treppe hinabpoltert, +und lacht wie der Teufel zum Fenster hinaus, wenn er sieht, +wie der arme junge Mensch, das Schnupftuch vor der blutigen +Nase, aus dem Hause hinaus hinkt. – Gar nicht zu erklären +war es auch, daß Cardillac oft, wenn er mit Enthusiasmus +eine Arbeit übernahm, plötzlich den Besteller mit allen +Zeichen des im Innersten aufgeregten Gemüths, mit den +erschütterndsten Betheurungen, ja unter Schluchzen und +Thränen, bei der Jungfrau und allen Heiligen beschwor, ihm +das unternommene Werk zu erlassen. Manche der von dem +Könige, von dem Volke hochgeachtetsten Personen hatten +vergebens große Summen geboten, um nur das kleinste Werk von +Cardillac zu erhalten. Er warf sich dem Könige zu Füßen und +flehte um die Huld, nichts für ihn arbeiten zu dürfen. Eben +so verweigerte er der Maintenon jede Bestellung, ja mit dem +Ausdruck des Abscheues und Entsetzens verwarf er den Antrag +derselben, einen kleinen, mit den Emblemen der Kunst +verzierten Ring zu fertigen, den Racine von ihr erhalten +sollte. + +»Ich wette, sprach daher die Maintenon, ich wette, daß +Cardillac, schicke ich auch hin zu ihm, um wenigstens zu +erfahren, für wen er diesen Schmuck fertigte, sich weigert +herzukommen, weil er vielleicht eine Bestellung fürchtet und +doch durchaus nichts für mich arbeiten will. Wiewohl er seit +einiger Zeit abzulassen scheint von seinem starren +Eigensinn, denn wie ich höre, arbeitet er jetzt fleißiger +als je, und liefert seine Arbeit ab auf der Stelle, jedoch +noch immer mit tiefem Verdruß und weggewandtem Gesicht.« Die +Scuderi, der auch viel daran gelegen, daß, sey es noch +möglich, der Schmuck bald in die Hände des rechtmäßigen +Eigenthümers komme, meinte, daß man dem Meister Sonderlich +ja gleich sagen lassen könne, wie man keine Arbeit, sondern +nur sein Urtheil über Juwelen verlange. Das billigte die +Marquise. Es wurde nach Cardillac geschickt, und, als sey er +schon auf dem Wege gewesen, trat er nach Verlauf weniger +Zeit in das Zimmer. + +Er schien, als er die Scuderi erblickte, betreten und wie +einer, der, von dem Unerwarteten plötzlich getroffen, die +Ansprüche des Schicklichen, wie sie der Augenblick +darbietet, vergißt, neigte er sich zuerst tief und +ehrfurchtsvoll vor dieser ehrwürdigen Dame, und wandte sich +dann erst zur Marquise. Die frug ihn hastig, indem sie auf +das Geschmeide wies, das auf dem dunkelgrün behängten Tisch +funkelte, ob das seine Arbeit sey? Cardillac warf kaum einen +Blick darauf und packte, der Marquise ins Gesicht starrend, +Armbänder und Halsschmuck schnell ein in das Kästchen, das +daneben stand, und das er mit Heftigkeit von sich weg schob. +Nun sprach er, indem ein häßliches Lächeln auf seinem rothen +Antlitz gleißte: »In der That, Frau Marquise, man muß René +Cardillac's Arbeit schlecht kennen, um nur einen Augenblick +zu glauben, daß irgend ein anderer Goldschmidt in der Welt +solchen Schmuck fassen könne. Freilich ist das meine +Arbeit.« So sagt denn, fuhr die Marquise fort, für wen Ihr +diesen Schmuck gefertigt habt. Für mich ganz allein, +erwiederte Cardillac, ja Ihr möget, fuhr er fort, als beide, +die Maintenon und die Scuderi ihn ganz verwundert +anblickten, jene voll Mißtrauen, diese voll banger +Erwartung, wie sich nun die Sache wenden würde, ja ihr möget +das nun seltsam finden, Frau Marquise, aber es ist dem so. +Bloß der schönen Arbeit willen suchte ich meine besten +Steine zusammen, und arbeitete aus Freude daran fleißiger +und sorgfältiger als jemals. Vor weniger Zeit verschwand der +Schmuck aus meiner Werkstatt auf unbegreifliche Weise. »Dem +Himmel sey es gedankt«, rief die Scuderi, indem ihr die +Augen vor Freude funkelten, und sie rasch und behende wie +ein junges Mädchen von ihrem Lehnsessel aufsprang, auf den +Cardillac losschritt, und beide Hände auf seine Schultern +legte, »empfangt, sprach sie dann, empfangt, Meister René, +das Eigenthum, das Euch verruchte Spitzbuben raubten, wieder +zurück.« Nun erzählte sie ausführlich, wie sie zu dem +Schmuck gekommen. Cardillac hörte alles schweigend mit +niedergeschlagenen Augen an. Nur mitunter sties er ein +unvernehmliches Hm! – So! – Ey! – Hoho! – aus und warf bald +die Hände auf den Rücken, bald streichelte er leise Kinn und +Wange. Als nun die Scuderi geendet, war es, als kämpfe +Cardillac mit ganz besondern Gedanken, die während dessen +ihm gekommen, und als wolle irgend ein Entschluß sich nicht +fügen und fördern. Er rieb sich die Stirne, er seufzte, er +fuhr mit der Hand über die Augen, wohl gar um +hervorbrechenden Thränen zu steuern. Endlich ergriff er das +Kästchen, das ihm die Scuderi darbot, ließ sich auf ein Knie +langsam nieder und sprach: »Euch, edles, würdiges Fräulein! +hat das Verhängniß diesen Schmuck bestimmt. Ja nun weiß ich +es erst, daß ich während der Arbeit an Euch dachte, ja für +Euch arbeitete. Verschmäht es nicht, diesen Schmuck als das +Beste, was ich wohl seit langer Zeit gemacht, von mir +anzunehmen und zu tragen.« Ey, ey, erwiederte die Scuderi +anmuthig scherzend, wo denkt ihr hin, Meister René, steht es +mir denn an, in meinen Jahren mich noch so herauszuputzen +mit blanken Steinen? – Und wie kömmt Ihr denn dazu, mich so +überreich zu beschenken? Geht, geht, Meister René, wär' ich +schön wie die Marquise de Fontange und reich, in der That, +ich ließe den Schmuck nicht aus den Händen, aber was soll +diesen welken Armen die eitle Pracht, was soll diesem +verhüllten Hals der glänzende Putz? Cardillac hatte sich +indessen erhoben und sprach, wie ausser sich, mit +verwildertem Blick, indem er fortwährend das Kästchen der +Scuderi hinhielt: »Thut mir die Barmherzigkeit, Fräulein, +und nehmt den Schmuck. Ihr glaubt es nicht, welche tiefe +Verehrung ich für Eure Tugend, für Eure hohe Verdienste im +Herzen trage! Nehmt doch mein geringes Geschenk nur für das +Bestreben an, Euch recht meine innerste Gesinnung zu +beweisen.« – Als nun die Scuderi immer noch zögerte und +zögerte, nahm die Maintenon das Kästchen aus Cardillac's +Händen, sprechend: »Nun beim Himmel, Fräulein, immer redet +Ihr von Euern hohen Jahren, was haben wir, ich und Ihr mit +den Jahren zu schaffen und ihrer Last! – Und thut Ihr denn +nicht eben wie ein junges verschämtes Ding, das gern +zulangen möchte nach der dargebotnen süßen Frucht, könnte +das nur geschehen ohne Hand und ohne Finger. – Schlagt dem +wackern Meister René nicht ab, das freiwillig als Geschenk +zu empfangen, was tausend Andere nicht erhalten können, +alles Goldes, alles Bittens und Flehens unerachtet. –« + +Die Maintenon hatte der Scuderi das Kästchen während dessen +aufgedrungen und nun stürzte Cardillac nieder auf die Knie – +küßte der Scuderi den Rock – die Hände – stöhnte – seufzte – +weinte – schluchzte – sprang auf – rannte wie unsinnig, +Sessel – Tische umstürzend, daß Porzellain, Gläser +zusammenklirten, in toller Hast von dannen. – + +Ganz erschrocken rief die Scuderi: Um aller Heiligen willen, +was widerfährt dem Menschen! Doch die Marquise, in +besonderer heiterer Laune bis zu sonst ihr ganz fremdem +Muthwillen, schlug eine helle Lache auf und sprach: »Da +haben wir's Fräulein, Meister René ist in Euch sterblich +verliebt, und beginnt nach richtigem Brauch und bewährter +Sitte ächter Galanterie Euer Herz zu bestürmen mit reichen +Geschenken.« Die Maintenon führte diesen Scherz weiter aus, +indem sie die Scuderi ermahnte, nicht zu grausam zu seyn +gegen den verzweifelten Liebhaber, und diese wurde, Raum +gebend angeborner Laune, hingerissen in den sprudelnden +Strom tausend lustiger Einfälle. Sie meinte, daß sie, +stünden die Sachen nun einmal so, endlich besiegt wohl nicht +werde umhin können der Welt das unerhörte Beispiel einer +drei und siebzig jährigen Goldschmidts-Braut von untadeligem +Adel aufzustellen. Die Maintenon erbot sich, die Brautkrone +zu flechten und sie über die Pflichten einer guten Hausfrau +zu belehren, wovon freilich so ein kleiner Kick in der Welt +von Mädchen nicht viel wissen könne. + +Da nun endlich die Scuderi aufstand, um die Marquise zu +verlassen, wurde sie alles lachenden Scherzes ungeachtet +doch wieder sehr ernst, als ihr das Schmuckkästchen zur Hand +kam. Sie sprach: Doch, Frau Marquise! werde ich mich dieses +Schmuckes niemals bedienen können. Er ist, mag es sich nun +zugetragen haben wie es will, einmal in den Händen jener +höllischen Gesellen gewesen, die mit der Frechheit des +Teufels, ja wohl gar in verdammtem Bündniß mit ihm, rauben +und morden. Mir graußt vor dem Blute, das an dem funkelnden +Geschmeide zu kleben scheint. – Und nun hat selbst +Cardillacs Betragen, ich muß es gestehen, für mich etwas +sonderbar Aengstliches und Unheimliches. Nicht erwehren kann +ich mir einer dunklen Ahnung, daß hinter diesem allem irgend +ein grauenvolles, entsetzliches Geheimniß verborgen, und +bringe ich mir die ganze Sache recht deutlich vor Augen mit +jedem Umstande, so kann ich doch wieder gar nicht auch nur +ahnen, worin das Geheimniß bestehe, und wie überhaupt der +ehrliche, wackere Meister René, das Vorbild eines guten, +frommen Bürgers, mit irgend etwas Bösem, Verdammlichen zu +thun haben soll. So viel ist aber gewiß, daß ich niemals +mich unterstehen werde, den Schmuck anzulegen. + +Die Marquise meinte, das hieße die Scrupel zu weit treiben; +als nun aber die Scuderi sie auf ihr Gewissen fragte, was +sie in ihrer, der Scuderi Lage, wohl thun würde, antwortete +sie ernst und fest: weit eher den Schmuck in die Seine +werfen, als ihn jemals tragen. + +Den Auftritt mit dem Meister René brachte die Scuderi in gar +anmuthige Verse, die sie den folgenden Abend in den +Gemächern der Maintenon dem Könige vorlas. Wohl mag es seyn, +daß sie auf Kosten Meister René's, alle Schauer unheimlicher +Ahnung besiegend, das ergötzliche Bild der drei und siebzig +jährigen Goldschmidts-Braut von uraltem Adel mit lebendigen +Farben darzustellen gewußt. Genug, der König lachte bis ins +Innerste hinein und schwur, daß Boileau Despreux seinen +Meister gefunden, weshalb der Scuderi Gedicht für das +Witzigste galt, das jemals geschrieben. + +Mehrere Monate waren vergangen, als der Zufall es wollte, +daß die Scuderi in der Glaskutsche der Herzogin von +Montansier über den Pontneuf fuhr. Noch war die Erfindung +der zierlichen Glaskutschen so neu, daß das neugierige Volk +sich zudrängte, wenn ein Fuhrwerk der Art auf den Straßen +erschien. So kam es denn auch, daß der gaffende Pöbel auf +dem Pontneuf die Kutsche der Montansier umringte, beinahe +den Schritt der Pferde hemmend. Da vernahm die Scuderi +plötzlich ein Geschimpfe und Gefluche und gewahrte, wie ein +Mensch mit Faustschlägen und Rippenstößen sich Platz machte +durch die dickste Masse. Und wie er näher kam, trafen sie +die durchbohrenden Blicke eines todtbleichen, durch Gram +verstörten Jünglings Antlitzes. Unverwandt schaute der junge +Mensch sie an, während er mit Ellbogen und Fäusten rüstig +vor sich wegarbeitete, bis er an den Schlag des Wagens kam, +den er mit stürmender Hastigkeit aufriß, der Scuderi einen +Zettel in den Schoß warf, und Stöße, Faustschläge +austheilend und empfangend verschwand wie er gekommen. Mit +einem Schrei des Entsetzens war, so wie der Mensch am +Kutschenschlage erschien, die Martiniere, die sich bei der +Scuderi befand, entseelt in die Wagenkissen zurück gesunken. +Vergebens riß die Scuderi an der Schnur, rief dem Kutscher +zu, der, wie vom bösen Geiste getrieben, peitschte auf die +Pferde los, die den Schaum von den Mäulern wegspritzend, um +sich schlugen, sich bäumten, endlich in scharfem Trab +fortdonnerten über die Brücke. Die Scuderi goß ihr +Riechfläschchen über die ohnmächtige Frau aus, die endlich +die Augen aufschlug und zitternd und bebend, sich krampfhaft +festklammernd an die Herrschaft, Angst und Entsetzen im +bleichen Antlitz, mühsam stöhnte: Um der heiligen Jungfrau +willen! was wollte der fürchterliche Mensch? – Ach! er war +es ja, er war es, derselbe, der Euch in jener schauervollen +Nacht das Kästchen brachte! – Die Scuderi beruhigte die +Arme, indem sie ihr vorstellte, daß ja durchaus nichts Böses +geschehen, und daß es nur darauf ankomme, zu wissen, was der +Zettel enthalte. Sie schlug das Blättchen auseinander und +fand die Worte: + +.. epigraph:: + + Ein böses Verhängniß, das Ihr abwenden konntet, stößt + mich in den Abgrund! – Ich beschwöre Euch, wie der Sohn + die Mutter, von der er nicht lassen kann, in der vollsten + Glut kindlicher Liebe, den Halsschmuck und die Armbänder, + die Ihr durch mich erhieltet, unter irgend einem Vorwand + – um irgend etwas daran bessern – ändern zu lassen, zum + Meister René Cardillac zu schaffen; Euer Wohl, Euer Leben + hängt davon ab. Thut Ihr es nicht bis übermorgen, so + dringe ich in Eure Wohnung und ermorde mich vor Euern + Augen! – + +Nun ist es gewiß, sprach die Scuderi, als sie dies gelesen, +daß, mag der geheimnißvolle Mensch auch wirklich zu der +Bande verruchter Diebe und Mörder gehören, er doch gegen +mich nichts Böses im Schilde führt. Wäre es ihm gelungen, +mich in jener Nacht zu sprechen, wer weiß, welches +sonderbare Ereigniß, welch dunkles Verhältniß der Dinge mir +klar worden, von dem ich jetzt auch nur die leiseste Ahnung +vergebens in meiner Seele suche. Mag aber auch die Sache +sich nun verhalten, wie es will, das was mir in diesem Blatt +geboten wird, will ich thun, und geschähe es auch nur um den +unseligen Schmuck los zu werden, der mir ein höllischer +Talismann des Bösen selbst dünkt. Cardillac wird ihn doch +wohl nun, seiner alten Sitte getreu, nicht so leicht wieder +aus den Händen geben wollen. + +Schon andern Tages gedachte die Scuderi, sich mit dem +Schmuck zu dem Goldschmidt zu begeben. Doch war es, als +hätten alle schönen Geister von ganz Paris sich verabredet, +gerade an dem Morgen das Fräulein mit Versen, Schauspielen, +Anekdoten zu bestürmen. Kaum hatte la Chapelle die Szene +eines Trauerspiels geendet, und schlau versichert, daß er +nun wohl Racine zu schlagen gedenke, als dieser selbst +eintrat, und ihn mit irgend eines Königs pathetischer Rede +zu Boden schlug, bis Boileau seine Leuchtkugeln in den +schwarzen tragischen Himmel steigen ließ, um nur nicht ewig +von der Colonnade des Louvre schwatzen zu hören, in die ihn +der architektische Doktor Perrault hineingemengt. + +Hoher Mittag war geworden, die Scuderi mußte zur Herzogin +Montansier, und so blieb der Besuch bei Meister René +Cardillac bis zum andern Morgen verschoben. + +Die Scuderi fühlte sich von einer besonderen Unruhe +gepeinigt. Beständig vor Augen stand ihr der Jüngling und +aus dem tiefsten Innern wollte sich eine dunkle Erinnerung +aufregen, als habe sie dies Antlitz, diese Züge schon +gesehen. Den leisesten Schlummer störten ängstliche Träume, +es war ihr, als habe sie leichtsinnig, ja strafwürdig +versäumt, die Hand hülfreich zu erfassen, die der +Unglückliche, in den Abgrund versinkend, nach ihr +emporgestreckt, ja als sey es an ihr gewesen, irgend einem +verderblichen Ereigniß, einem heillosen Verbrechen zu +steuern! – So wie es nur hoher Morgen, ließ sie sich +ankleiden, und fuhr, mit dem Schmuckkästchen versehen, zu +dem Goldschmidt hin. + +Nach der Straße Nicaise, dorthin, wo Cardillac wohnte, +strömte das Volk, sammelte sich vor der Hausthüre – schrie, +lärmte, tobte – wollte stürmend hinein, mit Mühe abgehalten +von der Marechaussee, die das Haus umstellt. Im wilden, +verwirrten Getöse riefen zornige Stimmen: Zerreißt, zermalmt +den verfluchten Mörder! – Endlich erscheint Desgrais mit +zahlreicher Mannschaft, die bildet durch den dicksten Haufen +eine Gasse. Die Hausthüre springt auf, ein Mensch mit Ketten +belastet wird hinausgebracht und unter den greulichsten +Verwünschungen des wüthenden Pöbels fortgeschleppt. – In dem +Augenblick, als die Scuderi halb entseelt vor Schreck und +furchtbarer Ahnung dies gewahrt, dringt ein gellendes +Jammergeschrei ihr in die Ohren. »Vor! – weiter vor! ruft +sie ganz ausser sich dem Kutscher zu, der mit einer +geschickten, raschen Wendung den dicken Haufen +auseinanderstäubt und dicht vor Cardillacs Hausthüre hält. +Da sieht die Scuderi Desgrais und zu seinen Füßen ein junges +Mädchen, schön wie der Tag, mit aufgelösten Haaren, halb +entkleidet, wilde Angst, trostlose Verzweiflung im Antlitz, +die hält seine Knie umschlungen und ruft mit dem Ton des +entsetzlichsten, schneidendsten Todesschmerzes: Er ist ja +unschuldig! – er ist unschuldig! Vergebens sind Desgrais, +vergebens seiner Leute Bemühungen, sie loszureissen, sie vom +Boden aufzurichten. Ein starker, ungeschlachter Kerl +ergreift endlich mit plumpen Fäusten die Arme, zerrt sie mit +Gewalt weg von Desgrais, strauchelt ungeschickt, läßt das +Mädchen fahren, die hinabschlägt die steinernen Stufen, und +lautlos – todt auf der Straße liegen bleibt. Länger kann die +Scuderi sich nicht halten. In Christus Namen, was ist +geschehen, was geht hier vor? ruft sie, öffnet rasch den +Schlag, steigt aus. – Ehrerbietig weicht das Volk der +würdigen Dame, die, als sie sieht, wie ein paar mitleidige +Weiber das Mädchen aufgehoben, auf die Stufen gesetzt haben, +ihr die Stirne mit starkem Wasser reiben, sich dem Desgrais +nähert, und mit Heftigkeit ihre Frage wiederholt. Es ist das +Entsetzliche geschehen, spricht Desgrais, René Cardillac +wurde heute Morgen durch einen Dolchstich ermordet gefunden. +Sein Geselle Olivier Brußon ist der Mörder. Eben wurde er +fortgeführt ins Gefängniß. Und das Mädchen, ruft die +Scuderi? ist, fällt Desgrais ein, ist Madelon, Cardillacs +Tochter. Der verruchte Mensch war ihr Geliebter. Nun weint +und heult sie, und schreit einmal übers andere, daß Olivier +unschuldig sey, ganz unschuldig. Am Ende weiß sie von der +That und ich muß sie auch nach der Conciergerie bringen +lassen.« Desgrais warf, als er dies sprach, einen +tückischen, schadenfrohen Blick auf das Mädchen, vor dem die +Scuderi erbebte. Eben begann das Mädchen leise zu athmen, +doch keines Lauts, keiner Bewegung mächtig, mit +geschlossenen Augen lag sie da, und man wußte nicht, was zu +thun, sie ins Haus bringen, oder ihr noch länger beistehen +bis zum Erwachen. Tief bewegt, Thränen in den Augen blickte +die Scuderi den unschuldsvollen Engel an, ihr graute vor +Desgrais und seinen Gesellen. Da polterte es dumpf die +Treppe herab, man brachte Cardillacs Leichnam. Schnell +entschlossen rief die Scuderi laut: »Ich nehme das Mädchen +mit mir, ihr möget für das Uebrige sorgen, Desgrais! Ein +dumpfes Murmeln des Beifalls lief durch das Volk. Die Weiber +hoben das Mädchen in die Höhe, alles drängte sich hinzu, +hundert Hände mühten sich, ihnen beizustehen, und wie in den +Lüften schwebend wurde das Mädchen in die Kutsche getragen +indem Segnungen der würdigen Dame, die die Unschuld dem +Blutgericht entrissen, von allen Lippen strömten. + +Serons, des berühmtesten Arztes in Paris, Bemühungen gelang +es endlich, Madelon, die stundenlang in starrer +Bewußtlosigkeit gelegen, wieder zu sich selbst zu bringen. +Die Scuderi vollendete, was der Arzt begonnen, indem sie +manchen milden Hoffnungsstrahl leuchten ließ in des Mädchens +Seele, bis ein heftiger Thränenstrom, der ihr aus den Augen +stürzte, ihr Luft machte. Sie vermochte, indem nur dann und +wann die Uebermacht des durchbohrendsten Schmerzes die Worte +in tiefem Schluchzen erstickte, zu erzählen, wie sich alles +begeben. + +Um Mitternacht war sie durch leises Klopfen an ihrer +Stubenthüre geweckt worden, und hatte Oliviers Stimme +vernommen, der sie beschworen, doch nur gleich aufzustehen, +weil der Vater im Sterben liege. Entsetzt sey sie +aufgesprungen und habe die Thüre geöffnet. Olivier, bleich +und entstellt, von Schweiß triefend sey, das Licht in der +Hand, mit wankenden Schritten nach der Werkstatt gegangen, +sie ihm gefolgt. Da habe der Vater gelegen mit starren Augen +und geröchelt im Todeskampfe. Jammernd habe sie sich auf ihn +gestürzt und nun erst sein blutiges Hemde bemerkt. Olivier +habe sie sanft weggezogen und sich dann bemüht, eine Wunde +auf der linken Brust des Vaters mit Wundbalsam zu waschen +und zu verbinden. Während dessen sey des Vaters Besinnung +zurückgekehrt, er habe zu röcheln aufgehört, und sie, dann +aber Olivier mit seelenvollem Blick angeschaut, ihre Hand +ergriffen, sie in Oliviers Hand gelegt und beide hastig +gedrückt. Beide, Olivier und sie, wären bei dem Lager des +Vaters auf die Knie gefallen, er habe sich mit einem +schneidenden Laut in die Höhe gerichtet, sey aber gleich +wieder zurückgesunken und mit einem tiefen Seufzer +verschieden. Nun hätten sie Beide laut gejammert und +geklagt. Olivier habe erzählt, wie der Meister auf einem +Gange, den er mit ihm auf sein Geheiß in der Nacht habe +machen müssen, in seiner Gegenwart ermordet worden, und wie +er mit der größten Anstrengung den schweren Mann, den er +nicht auf den Tod verwundet gehalten, nach Hause getragen. +So wie der Morgen angebrochen, wären die Hausleute, denen +das Gepolter, das laute Weinen und Jammern in der Nacht +aufgefallen, heraufgekommen und hätten sie noch ganz +trostlos bei der Leiche des Vaters kniend gefunden. Nun sey +Lärm entstanden; die Marechaussee eingedrungen und Olivier +als Mörder seines Meisters ins Gefängniß geschleppt worden. +Madelon fügte nun die rührendste Schilderung von der Tugend, +der Frömmigkeit, der Treue ihres geliebten Oliviers hinzu. +Wie er den Meister, als sey er sein eigener Vater, hoch in +Ehren gehalten, wie dieser seine Liebe in vollem Maaß +erwiedert, wie er ihn trotz seiner Armuth zum Eidam +erkohren, weil seine Geschicklichkeit seiner Treue, seinem +edlen Gemüth gleichgekommen. Das Alles erzählte Madelon aus +dem innersten Herzen heraus und schloß damit, daß, wenn +Olivier in ihrem Beiseyn dem Vater den Dolch in die Brust +gestoßen hätte, sie dies eher für ein Blendwerk des Satans +halten, als daran glauben würde, daß Olivier eines solchen +entsetzlichen, grauenvollen Verbrechens fähig seyn könne. + +Die Scuderi, von Madelons namenlosen Leiden auf das tiefste +gerührt und ganz geneigt, den armen Olivier für unschuldig +zu halten, zog Erkundigungen ein, und fand Alles bestätigt, +was Madelon über das häusliche Verhältniß des Meisters mit +seinem Gesellen erzählt hatte. Die Hausleute, die Nachbaren +rühmten einstimmig den Olivier als das Muster eines +sittigen, frommen, treuen, fleißigen, Betragens, niemand +wußte Böses von ihm und doch, war von der gräßlichen That +die Rede, zuckte jeder die Achseln und meinte, darin liege +etwas Unbegreifliches. + +Olivier, vor die Chambre ardente gestellt, läugnete, wie die +Scuderi vernahm, mit der größten Standhaftigkeit, mit dem +hellsten Freimuth die ihm angeschuldigte That, und +behauptete, daß sein Meister in seiner Gegenwart auf der +Straße angefallen und niedergestoßen worden, daß er ihn aber +noch lebendig nach Hause geschleppt, wo er sehr bald +verschieden sey. Auch dies stimmte also mit Madelons +Erzählung überein. + +Immer und immer wieder ließ sich die Scuderi die kleinsten +Umstände des schrecklichen Ereignisses wiederholen. Sie +forschte genau, ob jemals ein Streit zwischen Meister und +Gesellen vorgefallen, ob vielleicht Olivier nicht ganz frei +von jenem Jähzorn sey, der oft wie ein blinder Wahnsinn die +gutmüthigsten Menschen überfällt und zu Thaten verleitet, +die alle Willkühr des Handelns auszuschließen scheinen. Doch +je begeisterter Madelon von dem ruhigen häuslichen Glück +sprach, in dem die drei Menschen in innigster Liebe +verbunden lebten, desto mehr verschwand jeder Schatten des +Verdachts wider den auf den Tod angeklagten Olivier. – Genau +alles prüfend, davon ausgehend, daß Olivier unerachtet alles +dessen, was laut für seine Unschuld spräche, dennoch +Cardillacs Mörder gewesen, fand die Scuderi im Reich der +Möglichkeit keinen Beweggrund zu der entsetzlichen That, die +in jedem Fall Oliviers Glück zerstören mußte. – Er ist arm, +aber geschickt. – Es gelingt ihm, die Zuneigung des +berühmtesten Meisters zu gewinnen, er liebt die Tochter, der +Meister begünstigt seine Liebe, Glück, Wohlstand für sein +ganzes Leben wird ihm erschlossen! – Sey es aber nun, daß, +Gott weiß, auf welche Weise gereizt, Olivier vom Zorn +übermannt seinen Wohlthäter, seinen Vater mörderisch anfiel, +welche teuflische Heuchelei gehört dazu, nach der That sich +so zu betragen, als es wirklich geschah! – Mit der festen +Ueberzeugung von Oliviers Unschuld faßte die Scuderi den +Entschluß, den unschuldigen Jüngling zu retten, koste es, +was es wolle. + +Es schien ihr, ehe sie die Huld des Königs selbst vielleicht +anrufe, am gerathensten, sich an den Präsidenten la Regnie +zu wenden, ihn auf alle Umstände, die für Oliviers Unschuld +sprechen mußten, aufmerksam zu machen, und so vielleicht in +des Präsidenten Seele eine innere, dem Angeklagten günstige +Ueberzeugung zu erwecken, die sich wohlthätig den Richtern +mittheilen sollte. + +La Regnie empfing die Scuderi mit der hohen Achtung, auf die +die würdige Dame, von dem Könige selbst hoch geehrt, +gerechten Anspruch machen konnte. Er hörte richtig alles an, +was sie über die entsetzliche That, über Oliviers +Verhältnisse, über seinen Charakter vorbrachte. Ein feines, +beinahe hämisches Lächeln war indessen Alles, womit er +bewies, daß die Betheurungen, die von häufigen Thränen +begleiteten Ermahnungen, wie jeder Richter nicht der Feind +des Angeklagten seyn, sondern auch auf Alles achten müsse, +was zu seinen Gunsten spräche, nicht an gänzlich tauben +Ohren vorüber glitten. Als das Fräulein nun endlich ganz +erschöpft, die Thränen von den Augen wegtrocknend, schwieg, +fing Regnie an: Es ist ganz Eures vortrefflichen Herzens +würdig, mein Fräulein, daß Ihr, gerührt von den Thränen +eines jungen, verliebten Mädchens, alles glaubt, was sie +vorbringt, ja daß Ihr nicht fähig seyd, den Gedanken einer +entsetzlichen Unthat zu fassen, aber anders ist es mit dem +Richter, der gewohnt ist, frecher Heuchelei die Larve +abzureissen. Wohl mag es nicht meines Amts seyn, jedem, der +mich frägt, den Gang eines Kriminalprozesses zu entwickeln. +Fräulein! ich thue meine Pflicht, wenig kümmert mich das +Urtheil der Welt. Zittern sollen die Bösewichter vor der +Chambre ardente, die keine Strafe kennt als Blut und Feuer. +Aber vor Euch, mein würdiges Fräulein, möcht' ich nicht für +ein Ungeheuer gehalten werden an Härte und Grausamkeit, +darum vergönnt mir, daß ich Euch mit wenigen Worten die +Blutschuld des jungen Bösewichts, der, dem Himmel sey es +gedankt! der Rache verfallen ist, klar vor Augen lege. Euer +scharfsinniger Geist wird dann selbst die Gutmüthigkeit +verschmähen, die Euch Ehre macht, mir aber gar nicht +anstehen würde. – Also! – Am Morgen wird René Cardillac +durch einen Dolchstoß ermordet gefunden. Niemand ist bei +ihm, als sein Geselle Olivier Brußon und die Tochter. In +Oliviers Kammer, unter allem Greuel, findet man einen Dolch +von frischem Blute gefärbt, der genau in die Wunde paßt. +»Cardillac ist, spricht Olivier, in der Nacht vor meinen +Augen niedergestoßen worden. – Man wollte ihn berauben? Das +weiß ich nicht! – Du gingst mit ihm, und es war dir nicht +möglich, dem Mörder zu wehren? – ihn fest zu halten? um +Hülfe zu rufen? Fünfzehn, wohl zwanzig Schritte vor mir ging +der Meister, ich folgte ihm. Warum in aller Welt so +entfernt? – Der Meister wollt' es so. Was hatte überhaupt +Meister Cardillac so spät auf der Straße zu thun? – Das kann +ich nicht sagen. Sonst ist er aber doch niemals nach neun +Uhr Abends aus dem Hause gekommen? – Hier stockt Olivier, er +ist bestürzt, er seufzt, er vergießt Thränen, er betheuert +bei allem, was heilig, daß Cardillac wirklich in jener Nacht +ausgegangen sey, und seinen Tod gefunden habe.« Nun merkt +aber wohl auf, mein Fräulein. Erwiesen ist es bis zur +vollkommensten Gewißheit, daß Cardillac in jener Nacht das +Haus nicht verließ, mithin Oliviers Behauptung, er sey mit +ihm wirklich ausgegangen, eine freche Lüge ist. Die +Hausthüre ist mit einem schweren Schloß versehen, welches +bei dem Auf- und Zuschließen ein durchdringendes Geräusch +macht, dann aber bewegt sich der Thürflügel widrig knarrend +und heulend in den Angeln, so daß, wie es angestellte +Versuche bewährt haben, selbst im obersten Stock des Hauses +das Getöse wiederhallt. Nun wohnt in dem untersten Stock, +also dicht neben der Hausthüre, der alte Meister Claude +Patru mit seiner Aufwärterin, einer Person von beinahe +achtzig Jahren, aber noch munter und rührig. Diese beiden +Personen hörten, wie Cardillac nach seiner gewöhnlichen +Weise an jenem Abend Punkt neun Uhr die Treppe hinab kam, +die Thüre mit vielem Geräusch verschloß und verrammelte, +dann wieder hinauf stieg, den Abendsegen laut las und dann, +wie man es an dem Zuschlagen der Thüre vernehmen konnte, in +sein Schlafzimmer ging. Meister Claude leidet an +Schlaflosigkeit, wie es allen alten Leuten wohl zu gehen +pflegt. Auch in jener Nacht konnte er kein Auge zuthun. Die +Aufwärterin schlug daher, es mochte halb zehn Uhr seyn, in +der Küche, in die sie über den Hausflur gehend gelangt, +Licht an und setzte sich zum Meister Claude an den Tisch mit +einer alten Chronik, in der sie las, während der Alte seinen +Gedanken nachhängend bald sich in den Lehnstuhl setzte, bald +wieder aufstand und um Müdigkeit und Schlaf zu gewinnen im +Zimmer leise und langsam auf und abschritt. Es blieb alles +still und ruhig bis nach Mitternacht. Da hörte sie über sich +scharfe Tritte, einen harten Fall, als stürze eine schwere +Last zu Boden, und gleich darauf ein dumpfes Stöhnen. In +Beide kam eine seltsame Angst und Beklommenheit. Die Schauer +der entsetzlichen That, die eben begangen, gingen bei ihnen +vorüber. – Mit dem hellen Morgen trat dann ans Licht, was in +der Finsterniß begonnen. – Aber, fiel die Scuderi ein, aber +um aller Heiligen willen, könnt ihr bei allen Umständen, die +ich erst weitläuftig erzählte, Euch denn irgend einen Anlaß +zu dieser That der Hölle denken? – Hm, erwiederte la Regnie, +Cardillac war nicht arm – im Besitz vortrefflicher Steine. +Bekam, fuhr die Scuderi fort, bekam denn nicht alles die +Tochter? – Ihr vergeßt, daß Olivier Cardillacs Schwiegersohn +werden sollte. Er mußte vielleicht theilen oder gar nur für +Andere morden, sprach la Regnie. Theilen, für Andere morden? +fragte die Scuderi in vollem Erstaunen. Wißt, fuhr der +Präsident fort, wißt mein Fräulein! daß Olivier schon längst +geblutet hätte auf dem Greveplatz, stünde seine That nicht +in Beziehung mit dem dicht verschleierten Geheimniß, das +bisher so bedrohlich über ganz Paris waltete. Olivier gehört +offenbar zu jener verruchten Bande, die alle Aufmerksamkeit, +alle Mühe, alles Forschen der Gerichtshöfe verspottend ihre +Streiche sicher und ungestraft zu führen wußte. Durch ihn +wird – muß Alles klar werden. Die Wunde Cardillacs ist denen +ganz ähnlich, die alle auf der Straße, in den Häusern +Ermordete und Beraubte trugen. Dann aber das +Entscheidendste, seit der Zeit, daß Olivier Brußon verhaftet +ist, haben alle Mordthaten, alle Beraubungen aufgehört. +Sicher sind die Straßen zur Nachtzeit wie am Tage. Beweis +genug, daß Olivier vielleicht an der Spitze jener Mordbande +stand. Noch will er nicht bekennen, aber es gibt Mittel, ihn +sprechen zu machen wider seinen Willen. Und Madelon, rief +die Scuderi, und Madelon, die treue, unschuldige Taube – Ei, +sprach la Regnie mit einem giftigen Lächeln, ei wer steht +mir dafür, daß sie nicht mit im Complott ist. Was ist ihr an +dem Vater gelegen, nur dem Mordbuben gelten ihre Thränen. +Was sagt ihr, schrie die Scuderi, es ist nicht möglich; den +Vater! dieses Mädchen! – O! fuhr la Regnie fort, o! denkt +doch nur an die Brinvillier! Ihr möget es mir verzeihen, +wenn ich mich vielleicht bald genöthigt sehe, Euch Euern +Schützling zu entreissen und in die Conciergerie werfen zu +lassen. – Der Scuderi ging ein Graußen an bei diesem +entsetzlichen Verdacht. Es war ihr, als könne vor diesem +schrecklichen Manne keine Treue, keine Tugend bestehen, als +spräche er in den tiefsten, geheimsten Gedanken Mord und +Blutschuld. Sie stand auf. Seyd menschlich, das war Alles, +was sie beklommen, mühsam athmend hervorbringen konnte. +Schon im Begriff, die Treppe hinabzusteigen, bis zu der der +Präsident sie mit zeremoniöser Artigkeit begleitet hatte, +kam ihr, selbst wußte sie nicht wie, ein seltsamer Gedanke. +»Würd' es mir wohl erlaubt seyn, den unglücklichen Olivier +Brußon zu sehen?« So fragte sie den Präsidenten sich rasch +umwendend. Dieser schaute sie mit bedenklicher Miene an, +dann verzog sich sein Gesicht in jenes widrige Lächeln, das +ihm eigen. »Gewiß, sprach er, gewiß wollt Ihr nun, mein +würdiges Fräulein, Euerm Gefühl, der innern Stimme mehr +vertrauend als dem, was vor unsern Augen geschehen, selbst +Oliviers Schuld oder Unschuld prüfen. Scheut ihr nicht den +düstern Aufenthalt des Verbrechens, ist es Euch nicht +gehässig, die Bilder der Verworfenheit in allen Abstufungen +zu sehen, so sollen für Euch in zwei Stunden die Thore der +Conciergerie offen seyn. Man wird Euch diesen Olivier, +dessen Schicksal Eure Theilnahme erregt, vorstellen.« + +In der That konnte sich die Scuderi von der Schuld des +jungen Menschen nicht überzeugen. Alles sprach wider ihn, ja +kein Richter in der Welt hätte anders gehandelt, wie la +Regnie, bei solch entscheidenden Thatsachen. Aber das Bild +häuslichen Glücks, wie es Madelon mit den lebendigsten Zügen +der Scuderi vor Augen gestellt, überstrahlte jeden bösen +Verdacht, und so mochte sie lieber ein unerklärliches +Geheimniß annehmen, als daran glauben, wogegen ihr ganzes +Inneres sich empörte. + +Sie gedachte, sich von Olivier noch einmal Alles, wie es +sich in jener verhängnißvollen Nacht begeben, erzählen zu +lassen, und so viel möglich in ein Geheimniß zu dringen, das +vielleicht den Richtern verschlossen geblieben, weil es +werthlos schien, sich weiter darum zu bekümmern. + +In der Conciergerie angekommen, führte man die Scuderi in +ein großes helles Gemach. Nicht lange darauf vernahm sie +Kettengerassel. Olivier Brußon wurde gebracht. Doch so wie +er in die Thüre trat, sank auch die Scuderi ohnmächtig +nieder. Als sie sich erholt hatte, war Olivier verschwunden. +Sie verlangte mit Heftigkeit, daß man sie nach dem Wagen +bringe, fort, augenblicklich fort wollte sie aus den +Gemächern der frevelnden Verruchtheit. Ach! – auf den ersten +Blick hatte sie in Olivier Brußon den Jungen Menschen +erkannt, der auf dem Pontneuf jenes Blatt ihr in den Wagen +geworfen, der ihr das Kästchen mit den Juwelen gebracht +hatte. – Nun war ja jeder Zweifel gehoben, la Regnies +schreckliche Vermuthung ganz bestättigt. Olivier Brußon +gehört zu der fürchterlichen Mordbande, gewiß ermordete er +auch den Meister! – Und Madelon? – So bitter noch nie vom +innern Gefühl getäuscht, auf den Tod angepackt von der +höllischen Macht auf Erden, an deren Daseyn sie nicht +geglaubt, verzweifelte die Scuderi an aller Wahrheit. Sie +gab Raum dem entsetzlichen Verdacht, daß Madelon mit +verschworen seyn und Theil haben könne an der gräßlichen +Blutschuld. Wie es denn geschieht, daß der menschliche +Geist, ist ihm ein Bild aufgegangen, ämsig Farben sucht und +findet, es greller und greller auszumahlen, so fand auch die +Scuderi, jeden Umstand der That, Madelons Betragen in den +kleinsten Zügen erwägend, gar Vieles, jenen Verdacht zu +nähren. So wurde Manches, was ihr bisher als Beweis der +Unschuld und Reinheit gegolten, sicheres Merkmal frevelicher +Bosheit, studierter Heuchelei. Jener herzzerreißende Jammer, +die blutigen Thränen konnten wohl erpreßt seyn von der +Todesangst, nicht den Geliebten bluten zu sehen, nein – +selbst zu fallen unter der Hand des Henkers. Gleich sich die +Schlange, die sie im Busen nähre, vom Halse zu schaffen; mit +diesem Entschluß stieg die Scuderi aus dem Wagen. In ihr +Gemach eingetreten warf Madelon sich ihr zu Füßen. Die +Himmelsaugen, ein Engel Gottes hat sie nicht treuer, zu ihr +emporgerichtet, die Hände vor der wallenden Brust +zusammengefaltet, jammerte und flehte sie laut um Hülfe und +Trost. Die Scuderi sich mühsam zusammenfassend sprach, indem +sie dem Ton ihrer Stimme so viel Ernst und Ruhe zu geben +suchte, als ihr möglich: Geh' – geh' – tröste dich nur über +den Mörder, den die gerechte Strafe seiner Schandthaten +erwartet – Die heilige Jungfrau möge verhüten, daß nicht auf +dir selbst eine Blutschuld schwer laste. »Ach nun ist alles +verloren!« – Mit diesem gellenden Ausruf stürzte Madelon +ohnmächtig zu Boden. Die Scuderi überließ die Sorge um das +Mädchen der Martiniere und entfernte sich in ein anderes +Gemach. – + +Ganz zerrissen im Innern, entzweit mit allem Irdischen +wünschte die Scuderi, nicht mehr in einer Welt voll +höllischen Truges zu leben. Sie klagte das Verhängniß an, +das in bitterm Hohn ihr so viele Jahre vergönnt, ihren +Glauben an Tugend und Treue zu stärken, und nun in ihrem +Alter das schöne Bild vernichte, welches ihr im Leben +geleuchtet. + +Sie vernahm, wie die Martiniere Madelon fortbrachte, die +leise seufzte und jammerte: Ach! – auch sie – auch sie haben +die Grausamen bethört. – Ich Elende – armer, unglücklicher +Olivier! – Die Töne drangen der Scuderi ins Herz, und aufs +neue regte sich aus dem tiefsten Innern heraus die Ahnung +eines Geheimnisses, der Glaube an Oliviers Unschuld. +Bedrängt von den widersprechenden Gefühlen, ganz ausser sich +rief die Scuderi: Welcher Geist der Hölle hat mich in die +entsetzliche Geschichte verwickelt, die mir das Leben kosten +wird! – In dem Augenblick trat Baptiste hinein, bleich und +erschrocken, mit der Nachricht, daß Desgrais draussen sey. +Seit dem abscheulichen Prozeß der la Voisin war Desgrais +Erscheinung in einem Hause der gewiße Vorbote irgend einer +peinlichen Anklage, daher kam Baptiste's Schreck, deshalb +fragte ihn das Fräulein mit mildem Lächeln: Was ist dir +Baptiste? – Nicht wahr! – der Name Scuderi befand sich auf +der Liste der la Voisin? Ach um Christus willen, erwiederte +Baptiste, am ganzen Leibe zitternd, wie möget Ihr nur so +etwas aussprechen, aber Desgrais – der entsetzliche +Desgrais, thut so geheimnißvoll, so dringend, er scheint es +gar nicht erwarten zu können, Euch zu sehen! – Nun, sprach +die Scuderi, nun Baptiste, so führt ihn nur gleich herein +den Menschen, der Euch so fürchterlich ist, und der mir +wenigstens keine Besorgniß erregen kann. – Der Präsident, +sprach Desgrais, als er ins Gemach getreten, der Präsident +la Regnie schickt mich zu Euch, mein Fräulein, mit einer +Bitte, auf deren Erfüllung er gar nicht hoffen würde, kennte +er nicht Euere Rechtschaffenheit, Euern Muth, läge nicht das +letzte Mittel, eine böse Blutschuld an den Tag zu bringen, +in Euern Händen, hättet Ihr nicht selbst schon Theil +genommen an dem bösen Prozeß, der die Chambre ardente, uns +alle in Athem hält. Olivier Brußon, seit dem er Euch gesehen +hat, ist halb rasend. So sehr er schon zum Bekenntniß sich +zu neigen schien, so schwört er doch jetzt aufs neue bei +Christus und allen Heiligen, daß er an dem Morde Cardillacs +ganz unschuldig sey, wiewohl er den Tod gern leiden wolle, +den er verdient habe. Bemerkt, mein Fräulein, daß der letzte +Zusatz offenbar auf andere Verbrechen deutet, die auf ihm +lasten. Doch vergebens ist alle Mühe, nur ein Wort weiter +herauszubringen, selbst die Drohung mit der Tortur hat +nichts gefruchtet. Er fleht, er beschwört uns, ihm eine +Unterredung mit Euch zu verschaffen, Euch nur, Euch allein +will er Alles gestehen. Laßt Euch herab, mein Fräulein, +Brußons Bekenntniß zu hören. Wie! rief die Scuderi ganz +entrüstet, soll ich dem Blutgericht zum Organ dienen, soll +ich das Vertrauen des unglücklichen Menschen mißbrauchen, +ihn aufs Blutgerüst zu bringen? – Nein Desgrais! – mag +Brußon auch ein verruchter Mörder seyn, nie wär' es mir doch +möglich, ihn so spitzbübisch zu hintergehen. Nichts mag ich +von seinen Geheimnissen erfahren, die wie eine heilige +Beichte in meiner Brust verschlossen bleiben würden. +Vielleicht, versetzte Desgrais mit einem feinen Lächeln, +vielleicht, mein Fräulein, ändert sich Eure Gesinnung, wenn +Ihr Brußon gehört habt. Batet Ihr den Präsident nicht +selbst, er sollte menschlich seyn? Er thut es, indem er dem +thörichten Verlangen Brußons nachgibt, und so das letzte +Mittel versucht, ehe er die Tortur verhängt, zu der Brußon +längst reif ist. Die Scuderi schrack unwillkührlich +zusammen. Seht, fuhr Desgrais fort, seht, würdige Dame, man +wird Euch keineswegs zumuthen, noch einmal in jene finstere +Gemächer zu treten, die Euch mit Grausen und Abscheu +erfüllen. In der Stille der Nacht, ohne alles Aufsehen +bringt man Olivier Brußon wie einen freien Menschen zu Euch +in Euer Haus. Nicht einmal belauscht, doch wohl bewacht mag +er Euch dann zwanglos Alles bekennen, was auf ihm lastet. +Daß Ihr für Euch selbst nichts von dem Elenden zu fürchten +habt, dafür stehe ich Euch mit meinem Leben ein. Er spricht +von Euch mit inbrünstiger Verehrung. Er schwört, daß nur das +düstre Verhängniß, welches ihm verwehrt habe, Euch früher zu +sehen, ihn in den Tod gestürzt. Und dann steht es ja bei +Euch, von dem, was Euch Brußon entdeckt, so viel zu sagen, +als Euch beliebt. Kann man Euch zu mehrerem zwingen? + +Die Scuderi sah tief sinnend vor sich nieder. Es war ihr, +als müsse sie der höheren Macht gehorchen, die den Aufschluß +irgend eines entsetzlichen Geheimnisses von ihr verlange, +als könne sie sich nicht mehr den wunderbaren +Verschlingungen entziehen, in die sie willenlos gerathen. +Plötzlich entschlossen sprach sie mit Würde: Gott wird mir +Fassung und Standhaftigkeit geben; führt den Brußon her, ich +will ihn sprechen. + +So wie damals, als Brußon das Kästchen brachte, wurde um +Mitternacht an die Hausthüre der Scuderi gepocht. Baptiste, +von dem nächtlichen Besuch unterrichtet, öffnete. Eiskalter +Schauer überlief die Scuderi, als sie an den leisen Tritten, +an dem dumpfen Gemurmel wahrnahm, daß die Wächter, die den +Brußon gebracht, sich in den Gängen des Hauses vertheilten. + +Endlich ging leise die Thüre des Gemachs auf. Desgrais trat +herein, hinter ihm Olivier Brußon, fesselfrei, in +anständigen Kleidern. Hier ist, sprach Desgrais, sich +ehrerbietig verneigend, hier ist Brußon, mein würdiges +Fräulein! und verließ das Zimmer. + +Brußon sank vor der Scuderi nieder auf beide Knie, flehend +erhob er die gefalteten Hände, indem häufige Thränen ihm aus +den Augen rannen. + +Die Scuderi schaute erblaßt, keines Wortes mächtig, auf ihn +herab. Selbst bei dem entstellten, ja durch Gram, durch +grimmen Schmerz verzerrten Zügen strahlte der reine Ausdruck +des treusten Gemüths aus dem Jünglingsantlitz. Je länger die +Scuderi ihre Augen auf Brußons Gesicht ruhen ließ, desto +lebhafter trat die Erinnerung an irgend eine geliebte Person +hervor, auf die sie sich nur nicht deutlich zu besinnen +vermochte. Alle Schauer wichen von ihr, sie vergaß, daß +Cardillacs Mörder vor ihr knie, sie sprach mit dem +anmuthigen Tone des ruhigen Wohlwollens, der ihr eigen: Nun +Brußon, was habt ihr mir zu sagen? Dieser, noch immer +kniend, seufzte auf vor tiefer, inbrünstiger Wehmuth und +sprach dann: O mein würdiges, mein hochverehrtes Fräulein, +ist denn jede Spur der Erinnerung an mich verflogen? Die +Scuderi, ihn noch aufmerksamer betrachtend, erwiederte, daß +sie allerdings in seinen Zügen die Aehnlichkeit mit einer +von ihr geliebden Person gefunden, und daß er nur dieser +Aehnlichkeit es verdanke, wenn sie den tiefen Abscheu vor +dem Mörder überwinde und ihn ruhig anhöre. Brußon, schwer +verletzt durch diese Worte, erhob sich schnell und trat, den +finstern Blick zu Boden gesenkt, einen Schritt zurück. Dann +sprach er mit dumpfer Stimme: Habt ihr denn Anne Guiot ganz +vergessen? – ihr Sohn Olivier – der Knabe, den Ihr oft auf +Euern Knien schaukeltet, ist es, der vor Euch steht. »O um +aller Heiligen willen!« rief die Scuderi, indem sie mit +beiden Händen das Gesicht bedeckend in die Polster +zurücksank. Das Fräulein hatte wohl Ursache genug, sich auf +diese Weise zu entsetzen. Anne Guiot, die Tochter eines +verarmten Bürgers, war von klein auf bei der Scuderi, die +sie, wie die Mutter das liebe Kind, erzog mit aller Treue +und Sorgfalt. Als sie nun herangewachsen, fand sich ein +hübscher sittiger Jüngling, Claude Brußon geheißen, ein, der +um das Mädchen warb. Da er nun ein grundgeschickter +Uhrmacher war, der sein reichliches Brod in Paris finden +mußte, Anne ihn auch herzlich lieb gewonnen hatte, so trug +die Scuderi gar kein Bedenken, in die Heirath ihrer +Pflegetochter zu willigen. Die jungen Leute richteten sich +ein, lebten in stiller, glücklicher Häuslichkeit, und was +den Liebesbund noch fester knüpfte, war die Geburt eines +wunderschönen Knaben, der holden Mutter treues Ebenbild. + +Einen Abgott machte die Scuderi aus dem kleinen Olivier, den +sie Stunden, Tage lang der Mutter entriß, um ihn zu +liebkosen, zu hätscheln. Daher kam es, daß der Junge sich +ganz an sie gewöhnte, und eben so gern bei ihr war, als bei +der Mutter. Drei Jahre waren vorüber, als der Brodneid der +Kunstgenossen Brußons es dahin brachte, daß seine Arbeit mit +jedem Tage abnahm, so daß er zuletzt kaum sich kümmerlich +ernähren konnte. Dazu kam die Sehnsucht nach seinem schönen +heimatlichen Genf, und so geschah es, daß die kleine Familie +dorthin zog, des Widerstrebens der Scuderi, die alle nur +mögliche Unterstützung versprach, unerachtet. Noch ein +paarmal schrieb Anne an ihre Pflegmutter, dann schwieg sie, +und diese mußte glauben, daß das glückliche Leben in Brußons +Heimat das Andenken an die früher verlebten Tage nicht mehr +aufkommen lasse. + +Es waren jetzt gerade drei und zwanzig Jahre her, als Brußon +mit seinem Weibe und Kinde Paris verlassen und nach Genf +gezogen. + +O entsetzlich, rief die Scuderi, als sie sich einigermaßen +wieder erholt hatte, o entsetzlich! – Olivier bist du? – der +Sohn meiner Anne! – Und jetzt! – »Wohl, versetzte Olivier +ruhig und gefaßt, wohl, mein würdiges Fräulein, hättet Ihr +nimmer mehr ahnen können, daß der Knabe, den Ihr wie die +zärtlichste Mutter hätscheltet, dem Ihr, auf Euerm Schooß +ihn schaukelnd, Näscherei auf Näscherei in den Mund +stecktet, dem Ihr die süßesten Namen gabt, zum Jünglinge +gereift dereinst vor Euch stehen würde, gräßlicher +Blutschuld angeklagt! – Ich bin nicht vorwurfsfrei, die +Chambre ardente kann mich mit Recht eines Verbrechens +zeihen; aber, so wahr ich selig zu sterben hoffe, sey es +auch durch des Henkers Hand, rein bin ich von jeder +Blutschuld, nicht durch mich, nicht durch mein Verschulden +fiel der unglückliche Cardillac!« – Olivier gerieth bei +diesen Worten in ein Zittern und Schwanken. Stillschweigend +wies die Scuderi auf einen kleinen Sessel, der Olivier zur +Seite stand. Er ließ sich langsam nieder. + +Ich hatte Zeit genug, fieng er an, mich auf die Unterredung +mit Euch, die ich als die letzte Gunst des versöhnten +Himmels betrachte, vorzubereiten, und so viel Ruhe und +Fassung zu gewinnen als nöthig, Euch die Geschichte meines +entsetzlichen, unerhörten Mißgeschicks zu erzählen. Erzeigt +mir die Barmherzigkeit, mich ruhig anzuhören, so sehr Euch +auch die Entdeckung eines Geheimnisses, das Ihr gewiß nicht +geahnet, überraschen, ja mit Grausen erfüllen mag. – Hätte +mein armer Vater Paris doch niemals verlassen! – So weit +meine Erinnerung an Genf reicht, finde ich mich wieder, von +den trostlosen Eltern mit Thränen benetzt, von ihren Klagen, +die ich nicht verstand, selbst zu Thränen gebracht. Später +kam mir das deutliche Gefühl, das volle Bewußtseyn des +drückendsten Mangels, des tiefen Elends, in dem meine Eltern +lebten. Mein Vater fand sich in allen seinen Hoffnungen +getäuscht. Von tiefem Gram niedergebeugt, erdrückt, starb er +in dem Augenblick, als es ihm gelungen war, mich bei einem +Goldschmid als Lehrjunge unterzubringen. Meine Mutter sprach +viel von Euch, sie wollte Euch Alles klagen, aber dann +überfiel sie die Muthlosigkeit, welche vom Elend erzeugt +wird. Das und auch wohl falsche Scham, die oft an dem +todtwunden Gemüthe nagt, hielt sie von ihrem Entschluß +zurück. Wenige Monden nach dem Tod meines Vaters folgte ihm +meine Mutter ins Grab.« Arme Anne! arme Anne! rief die +Scuderi von Schmerz überwältigt. »Dank und Preis der ewigen +Macht des Himmels, daß sie hinüber ist, und nicht fallen +sieht den geliebten Sohn unter der Hand des Henkers, mit +Schande gebranntmarkt.« So schrie Olivier laut auf, indem er +einen wilden, entsetzlichen Blick in die Höhe warf. Es wurde +draussen unruhig, man ging hin und her. »Ho ho, sprach +Olivier mit einem bittern Lächeln, Desgrais weckt seine +Spießgesellen, als ob ich hier entfliehen könnte. – Doch +weiter! – Ich wurde von meinem Meister hart gehalten, +unerachtet ich bald am besten arbeitete, ja wohl endlich den +Meister weit übertraf. Es begab sich, daß einst ein Fremder +in unsere Werkstatt kam, um einiges Geschmeide zu kaufen. +Als der nun einen schönen Halsschmuck sah, den ich +gearbeitet, klopfte er mir mit freundlicher Miene auf die +Schultern, indem er, den Schmuck beäugelnd, sprach: Ei ei! +mein junger Freund, das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. +Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders +übertreffen sollte, als René Cardillac, der mir freilich der +erste Goldschmid ist, den es auf der Welt gibt. Zu dem +solltet Ihr hingehen; mit Freuden nimmt er Euch in seine +Werkstatt, denn nur Ihr könnt ihm beistehen in seiner +kunstvollen Arbeit, und nur von ihm allein könnt Ihr dagegen +noch lernen. Die Worte des Fremden waren tief in meine Seele +gefallen. Ich hatte keine Ruhe mehr in Genf, mich zog es +fort mit Gewalt. Endlich gelang es mir, mich von meinem +Meister los zu machen. Ich kam nach Paris. René Cardillac +empfing mich kalt und barsch. Ich ließ nicht nach, er mußte +mir Arbeit geben, so geringfügig sie auch seyn mochte. Ich +sollte einen kleinen Ring fertigen. Als ich ihm die Arbeit +brachte, sah er mich starr an mit seinen funkelnden Augen, +als wollt' er hineinschauen in mein Innerstes. Dann sprach +er: Du bist ein tüchtiger, wackerer Geselle, Du kannst zu +mir ziehen und mir helfen in der Werkstatt. Ich zahle Dir +gut, Du wirst mit mir zufrieden seyn. Cardillac hielt Wort. +Schon mehrere Wochen war ich bei ihm, ohne Madelon gesehen +zu haben, die, irr' ich nicht, auf dem Lande bei irgend +einer Muhme Cardillacs damals sich aufhielt. Endlich kam +sie. O du ewige Macht des Himmels, wie geschah mir, als ich +das Engelsbild sah'! – Hat je ein Mensch so geliebt als ich! +Und nun! – O Madelon!« + +Olivier konnte vor Wehmuth nicht weiter sprechen. Er hielt +beide Hände vors Gesicht und schluchzte heftig. Endlich mit +Gewalt den wilden Schmerz, der ihn erfaßt, niederkämpfend +sprach er weiter. + +»Madelon blickte mich an mit freundlichen Augen. Sie kam +öfter und öfter in die Werkstatt. Mit Entzücken gewahrte ich +ihre Liebe. So streng der Vater uns bewachte, mancher +verstohlne Händedruck galt als Zeichen des geschlossenen +Bundes, Cardillac schien nichts zu merken. Ich gedachte, +hätte ich erst seine Gunst gewonnen, und konnte ich die +Meisterschaft erlangen, um Madelon zu werben. Eines Morgens, +als ich meine Arbeit beginnen wollte, trat Cardillac vor +mich hin, Zorn und Verachtung im finstern Blick. Ich bedarf +Deiner Arbeit nicht mehr, fing er an, fort aus dem Hause +noch in dieser Stunde, und laß Dich nie mehr vor meinen +Augen sehen. Warum ich Dich hier nicht mehr dulden kann, +brauche ich Dir nicht zu sagen. Für Dich armen Schlucker +hängt die süße Frucht zu hoch, nach der Du trachtest! Ich +wollte reden, er packte mich aber mit starker Faust und warf +mich zur Thüre hinaus, daß ich niederstürzte und mich hart +verwundete an Kopf und Arm. – Empört, zerrissen vom grimmen +Schmerz verließ ich das Haus, und fand endlich am äussersten +Ende der Vorstadt St. Martin einen gutmüthigen Bekannten, +der mich aufnahm in seine Bodenkammer. Ich hatte keine Ruhe, +keine Rast. Zur Nachtzeit umschlich ich Cardillacs Haus, +wähnend, daß Madelon meine Seufzer, meine Klage vernehmen, +daß es ihr vielleicht gelingen werde, mich vom Fenster herab +unbelauscht zu sprechen. Allerlei verwogene Pläne kreuzten +in meinem Gehirn, zu deren Ausführung ich sie zu bereden +hoffte. An Cardillacs Haus in der Straße Nicaise schließt +sich eine hohe Mauer mit Blenden und alten, halb +zerstückelten Steinbildern darin. Dicht bei einem solchen +Steinbilde stehe ich in einer Nacht und sehe hinauf nach den +Fenstern des Hauses, die in den Hof gehen, den die Mauer +einschließt. Da gewahre ich plötzlich Licht in Cardillacs +Werkstatt. Es ist Mitternacht, nie war sonst Cardillac zu +dieser Stunde wach, er pflegte sich auf den Schlag neun Uhr +zur Ruhe zu begeben. Mir pocht das Herz vor banger Ahnung, +ich denke an irgend ein Ereigniß, das mir vielleicht den +Eingang bahnt. Doch gleich verschwindet das Licht wieder. +Ich drücke mich an das Steinbild, in die Blende hinein, doch +entsetzt pralle ich zurück, als ich einen Gegendruck fühle, +als sey das Bild lebendig worden. In dem dämmernden Schimmer +der Nacht gewahre ich nun, daß der Stein sich langsam dreht, +und hinter demselben eine finstere Gestalt hervorschlüpft, +die leisen Trittes die Straße hinabgeht. Ich springe an das +Steinbild hinan, es steht wie zuvor dicht an der Mauer. +Unwillkührlich, wie von einer innern Macht getrieben, +schleiche ich hinter der Gestalt her. Gerade bei einem +Marienbild schaut die Gestalt sich um, der volle Schein der +hellen Lampe, die vor dem Bilde brennt, fällt ihr ins +Antlitz. Es ist Cardillac! Eine unbegreifliche Angst, ein +unheimliches Grauen überfällt mich. Wie durch Zauber fest +gebannt muß ich fort – nach – dem gespenstischen +Nachtwanderer. Dafür halte ich den Meister, unerachtet nicht +die Zeit des Vollmonds ist, in der solcher Spuck die +Schlafenden bethört. Endlich verschwindet Cardillac +seitwärts in den tiefen Schatten. An einem kleinen, wiewohl +bekannten Räuspern gewahre ich indessen, daß er in die +Einfahrt eines Hauses getreten ist. Was bedeutet das, was +wird er beginnen? – So frage ich mich selbst voll Erstaunen, +und drücke mich dicht an die Häuser. Nicht lange dauerts, so +kommt singend und trillerirend ein Mann daher mit +leuchtendem Federbusch und klirrenden Sporen. Wie ein Tiger +auf seinen Raub, stürzt sich Cardillac aus seinem +Schlupfwinkel auf den Mann, der in demselben Augenblick +röchelnd zu Boden sinkt. Mit einem Schrei des Entsetzens +springe ich heran, Cardillac ist über den Mann, der zu Boden +liegt, her. Meister Cardillac, was thut ihr, rufe ich laut. +»Vermaledeiter!« brüllt Cardillac, rennt mit Blitzesschnelle +bei mir vorbei und verschwindet. Ganz ausser mir, kaum der +Schritte mächtig, nähere ich mich dem Niedergeworfenen. Ich +knie bei ihm nieder, vielleicht, denk' ich, ist er noch zu +retten, aber keine Spur des Lebens ist mehr in ihm. In +meiner Todesangst gewahre ich kaum, daß mich die +Marechaussee umringt hat. »Schon wieder einer von den +Teufeln niedergestreckt – he he – junger Mensch, was machst +du da – bist einer von der Bande? – fort mit dir!« So +schrien sie durcheinander und packen mich an. Kaum vermag +ich zu stammeln, daß ich solche gräßliche Unthat ja gar +nicht hätte begehen können, und daß sie mich im Frieden +ziehen lassen möchten. Da leuchtet mir einer ins Gesicht und +ruft lachend: Das ist Olivier Brußon der Goldschmidsgeselle, +der bei unserm ehrlichen, braven Meister René Cardillac +arbeitet! – ja – der wird die Leute auf der Straße morden! – +sieht mir recht darnach aus – ist recht nach der Art der +Mordbuben, daß sie beim Leichnam lamentiren und sich fangen +lassen werden. – Wie war's Junge? – erzähle dreist. »Dicht +vor mir, sprach ich, sprang ein Mensch auf den dort los, +stieß ihn nieder und rannte blitzschnell davon, als ich laut +aufschrie. Ich wollt' doch sehen, ob der Niedergeworfene +noch zu retten wäre.« Nein, mein Sohn, ruft einer von denen, +die den Leichnam aufgehoben, der ist hin, durchs Herz, wie +gewöhnlich, geht der Dolchstich. Teufel, spricht ein +anderer, kamen wir doch wieder zu spät wie vorgestern; damit +entfernen sie sich mit dem Leichnam. + +Wie mir zu Muthe war, kann ich gar nicht sagen; ich fühlte +mich an, ob nicht ein böser Traum mich necke, es war mir, +als müßt ich nun gleich erwachen und mich wundern über das +tolle Trugbild. – Cardillac – der Vater meiner Madelon, ein +verruchter Mörder! – Ich war kraftlos auf die steinerne +Stufen eines Hauses gesunken. Immer mehr und mehr dämmerte +der Morgen herauf, ein Offizierhut, reich mit Federn +geschmückt, lag vor mir auf dem Pflaster. Cardillacs blutige +That, auf der Stelle begangen, wo ich saß, ging vor mir hell +auf. Entsetzt rannte ich von dannen. + +Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos sitze ich in meiner +Dachkammer, da geht die Thür auf und René Cardillac tritt +herein. Um Christus willen! was wollt ihr? schrie ich ihm +entgegen. Er, das gar nicht achtend, kommt auf mich zu und +lächelt mich an mit einer Ruhe und Leutseligkeit, die meinen +innern Abscheu vermehrt. Er rückt sich einen alten, +gebrechlichen Schemmel heran und setzt sich zu mir, der ich +nicht vermag, mich von dem Strohlager zu erheben, auf das +ich mich geworfen. »Nun Olivier, fängt er an, wie geht es +dir, armer Junge? Ich habe mich in der That garstig +übereilt, als ich dich aus dem Hause stieß, du fehlst mir an +allen Ecken und Enden. Eben jetzt habe ich ein Werk vor, das +ich ohne deine Hülfe gar nicht vollenden kann. Wie wär's, +wenn du wieder in meiner Werkstatt arbeitetest? – Du +schweigst? – Ja ich weiß, ich habe dich beleidigt. Nicht +verheelen wollt' ich's dir, daß ich auf dich zornig war, +wegen der Liebelei mit meiner Madelon. Doch recht überlegt +habe ich mir das Ding nachher, und gefunden, daß bei deiner +Geschicklichkeit, deinem Fleiß, deiner Treue ich mir keinen +bessern Eidam wünschen kann als eben dich. Komm also mit mir +und siehe zu, wie du Madelon zur Frau gewinnen magst.« + +Cardillacs Worte durchschnitten mir das Herz, ich erbebte +vor seiner Bosheit, ich konnte kein Wort hervorbringen. »Du +zauderst, fuhr er nun fort mit scharfem Ton, indem seine +funkelnden Augen mich durchbohren, du zauderst? – du kannst +vielleicht heute noch nicht mit mir kommen, du hast andere +Dinge vor! – du willst vielleicht Desgrais besuchen, oder +dich gar einführen lassen bei d'Argenson oder la Regnie. +Nimm dich in Acht, Bursche, daß die Krallen, die du +hervorlocken willst zu anderer Leute Verderben, dich nicht +selbst fassen und zerreissen.« Da macht sich mein tief +empörtes Gemüth plötzlich Luft. Mögen die, rufe ich, mögen +die, die sich gräßlicher Unthat bewußt sind, jene Namen +fühlen, die Ihr eben nanntet, ich darf das nicht – ich habe +nichts mit ihnen zu schaffen. »Eigentlich, spricht Cardillac +weiter, eigentlich, Olivier, machte es dir Ehre, wenn du bei +mir arbeitest, bei mir, dem berühmtesten Meister seiner +Zeit, überall hochgeachtet wegen seiner Treue und +Rechtschaffenheit, so daß jede böse Verläumdung schwer +zurückfallen würde auf das Haupt des Verläumders. – Was nun +Madelon betrifft, so muß ich dir nur gestehen, daß du meine +Nachgiebigkeit ihr allein verdankest. Sie liebt dich mit +einer Heftigkeit, die ich dem zarten Kinde gar nicht +zutrauen konnte. Gleich als du fort warst, fiel sie mir zu +Füßen, umschlang meine Knie und gestand unter tausend +Thränen, daß sie ohne dich nicht leben könne. Ich dachte, +sie bilde sich das nur ein, wie es denn bei jungen +verliebten Dingern zu geschehen pflegt, daß sie gleich +sterben wollen, wenn das erste Milchgesicht sie freundlich +angeblickt. Aber in der That, meine Madelon wurde siech und +krank, und wie ich ihr denn das tolle Zeug ausreden wollte, +rief sie hundertmal deinen Namen. Was konnt' ich endlich +thun, wollt' ich sie nicht verzweifeln lassen. Gestern Abend +sagt' ich ihr, ich willige in Alles und werde dich heute +holen. Da ist sie über Nacht aufgeblüht wie eine Rose, und +harrt nun auf dich ganz ausser sich vor Liebessehnsucht.« – +Mag es mir die ewige Macht des Himmels verzeihen, aber +selbst weiß ich nicht, wie es geschah, daß ich plötzlich in +Cardillacs Hause stand, daß Madelon laut aufjauchzend: +Olivier – mein Olivier – mein Geliebter – mein Gatte auf +mich gestürzt, mich mit beiden Armen umschlang, mich fest an +ihre Brust drückte, daß ich im Uebermaaß des höchsten +Entzückens bei der Jungfrau und allen Heiligen schwor, sie +nimmer, nimmer zu verlassen!« + +Erschüttert von dem Andenken an diesen entscheidenden +Augenblick mußte Olivier innehalten. Die Scuderi, von +Grausen erfüllt über die Unthat eines Mannes, den sie für +die Tugend, die Rechtschaffenheit selbst gehalten, rief: +Entsetzlich! – René Cardillac gehört zu der Mordbande, die +unsere gute Stadt so lange zur Räuberhöhle machte? »Was sagt +ihr, mein Fräulein, sprach Olivier, zur Bande? Nie hat es +eine solche Bande gegeben. Cardillac allein war es, der mit +verruchter Thätigkeit in der ganzen Stadt seine +Schlachtopfer suchte und fand. Daß er es allein war, darin +liegt die Sicherheit, womit er seine Streiche führte, die +unüberwundene Schwürigkeit, dem Mörder auf die Spur zu +kommen. – Doch laßt mich fortfahren, der Verfolg wird Euch +die Geheimnisse des verruchtesten und zugleich +unglücklichsten aller Menschen aufklären. – Die Lage, in der +ich mich nun bei dem Meister befand, jeder mag die sich +leicht denken. Der Schritt war geschehen, ich konnte nicht +mehr zurück. Zuweilen war es mir, als sey ich selbst +Cardillacs Mordgehülfe geworden, nur in Madelons Liebe +vergaß ich die innere Pein, die mich quälte, nur bei ihr +konnt' es mir gelingen, jede äussere Spur namenlosen Grams +weg zu tilgen. Arbeitete ich mit dem Alten in der Werkstatt, +nicht ins Antlitz vermochte ich ihm zu schauen, kaum ein +Wort zu reden vor dem Grausen, das mich durchbebte in der +Nähe des entsetzlichen Menschen, der alle Tugenden des +treuen, zärtlichen Vaters, des guten Bürgers erfüllte, +während die Nacht seine Unthaten verschleierte. Madelon, das +fromme, engelsreine Kind, hing an ihm mit abgöttischer +Liebe. Das Herz durchbohrt' es mir, wenn ich daran dachte, +daß, träfe einmal die Rache den verlarvten Bösewicht, sie +ja, mit aller höllischen List des Satans getäuscht, der +gräßlichsten Verzweiflung unterliegen müsse. Schon das +verschloß mir den Mund, und hätt' ich den Tod des +Verbrechers darum dulden müßen. Unerachtet ich aus den Reden +der Marechaussee genug entnehmen konnte, waren mir +Cardillacs Unthaten, ihr Motiv, die Art, sie auszuführen, +ein Räthsel: die Aufklärung blieb nicht lange aus. Eines +Tages war Cardillac, der sonst meinen Abscheu erregend, bei +der Arbeit in der heitersten Laune, scherzte und lachte, +sehr ernst in sich gekehrt. Plötzlich warf er das +Geschmeide, woran er eben arbeitete, bei Seite, daß Stein +und Perlen auseinander rollten, stand heftig auf und sprach: +Olivier! – es kann zwischen uns Beiden nicht so bleiben, +dies Verhältniß ist mir unerträglich. – Was der feinsten +Schlauigkeit Desgrais und seiner Spießgesellen nicht gelang +zu entdecken, das spielte dir der Zufall in die Hände. Du +hast mich geschaut in der nächtlichen Arbeit, zu der mich +mein böser Stern treibt, kein Widerstand ist möglich. – Auch +dein böser Stern war es, der dich mir folgen ließ, der dich +in undurchdringliche Schleier hüllte, der deinem Fußtritt +die Leichtigkeit gab, daß du unhörbar wandeltest wie das +kleinste Thier, so daß ich, der ich in der tiefsten Nacht +klar schaue wie der Tiger, der ich Straßen weit das kleinste +Geräusch, das Sumsen der Mücke vernehme, dich nicht +bemerkte. Dein böser Stern hat dich, meinen Gefährten, mir +zugeführt. An Verrath ist, so wie du jetzt stehst, nicht +mehr zu denken. Darum magst du Alles wissen. »Nimmermehr +werd' ich dein Gefährte seyn, heuchlerischer Bösewicht.« So +wollt' ich aufschreien, aber das innere Entsetzen, das mich +bei Cardillacs Worten erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. +Statt der Worte vermochte ich nur einen unverständigen Laut +auszustossen. Cardillac setzte sich wieder in seinen +Arbeitsstuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. +Er schien, von der Erinnerung des Vergangenen hart berührt, +sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an: Weise Männer +sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frauen in +guter Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren Einfluß solch +lebhaften, willenlosen Eindrucks von aussen her auf das +Kind. Von meiner Mutter erzählte man mir eine wunderliche +Geschichte. Als die mit mir im ersten Monat schwanger ging, +schaute sie mit andern Weibern einem glänzenden Hoffest zu, +das in Trianon gegeben wurde. Da fiel ihr Blick auf einen +Cavalier in spanischer Kleidung mit einer blitzenden +Juwelenkette um den Hals, von der sie die Augen gar nicht +mehr abwenden konnte. Ihr ganzes Wesen war Begierde nach den +funkelnden Steinen, die ihr ein überirdisches Gut dünkten. +Derselbe Cavalier hatte vor mehreren Jahren, als meine +Mutter noch nicht verheirathet, ihrer Tugend nachgestellt, +war aber mit Abscheu zurückgewiesen worden. Meine Mutter +erkannte ihn wieder, aber jetzt war es ihr, als sey er im +Glanz der strahlenden Diamanten ein Wesen höherer Art, der +Inbegriff aller Schönheit. Der Cavalier bemerkte die +sehnsuchtsvollen, feurigen Blicke meiner Mutter. Er glaubte +jetzt glücklicher zu seyn als vormals. Er wußte sich ihr zu +nähern, noch mehr, sie von ihren Bekannten fort an einen +einsamen Ort zu locken. Dort schloß er sie brünstig in seine +Arme, meine Mutter faßte nach der schönen Kette, aber in +demselben Augenblick sank er nieder und riß meine Mutter mit +sich zu Boden. Sey es, daß ihn der Schlag plötzlich +getroffen, oder aus einer andern Ursache; genug, er war +todt. Vergebens war das Mühen meiner Mutter, sich den im +Todeskrampf erstarrten Armen des Leichnams zu entwinden. Die +hohlen Augen, deren Sehkraft erloschen, auf sie gerichtet, +wälzte der Todte sich mit ihr auf dem Boden. Ihr gellendes +Hülfsgeschrei drang endlich bis zu in der Ferne +Vorübergehenden, die herbeieilten und sie retteten aus den +Armen des grausigen Liebhabers. Das Entsetzen warf meine +Mutter auf ein schweres Krankenlager. Man gab sie, mich +verloren, doch sie gesundete und die Entbindung war +glücklicher, als man je hatte hoffen können. Aber die +Schrecken jenes fürchterlichen Augenblicks hatten mich +getroffen. Mein böser Stern war aufgegangen und hatte den +Funken hinabgeschossen, der in mir eine der seltsamsten und +verderblichsten Leidenschaften entzündet. Schon in der +frühesten Kindheit gingen mir glänzende Diamanten, goldenes +Geschmeide über Alles. Man hielt das für gewöhnliche +kindische Neigung. Aber es zeigte sich anders, denn als +Knabe stahl ich Gold und Juwelen, wo ich sie habhaft werden +konnte. Wie der geübteste Kenner unterschied ich aus +Instinkt unächtes Geschmeide von ächtem. Nur dieses lockte +mich, unächtes so wie gemeinnütziges Gold ließ ich +unbeachtet liegen. Den grausamsten Züchtigungen des Vaters +mußte die angeborne Begierde weichen. Um nur mit Gold und +edlen Steinen handthieren zu können, wandte ich mich zur +Goldschmids-Profession. Ich arbeitete mit Leidenschaft und +wurde bald der erste Meister dieser Art. Nun begann eine +Periode, in der der angeborne Trieb, so lange +niedergedrückt, mit Gewalt empordrang und mit Macht wuchs, +Alles um sich her wegzehrend. So wie ich ein Geschmeide +gefertigt und abgeliefert, fiel ich in eine Unruhe, in eine +Trostlosigkeit, die mir Schlaf, Gesundheit – Lebensmuth +raubte. – Wie ein Gespenst stand Tag und Nacht die Person, +für die ich gearbeitet, mir vor Augen, geschmückt mit meinem +Geschmeide, und eine Stimme raunte mir in die Ohren: Es ist +ja dein – es ist ja dein – nimm es doch – was sollen die +Diamanten dem Todten! – Da legt' ich mich endlich auf +Diebeskünste. Ich hatte Zutritt in den Häusern der Großen, +ich nützte schnell jede Gelegenheit, kein Schloß widerstand +meinem Geschick und bald war der Schmuck, den ich +gearbeitet, wieder in meinen Händen. – Aber nun vertrieb +selbst das nicht meine Unruhe. Jene unheimliche Stimme ließ +sich dennoch vernehmen und höhnte mich und rief: Ho ho, dein +Geschmeide trägt ein Todter! – Selbst wußte ich nicht, wie +es kam, daß ich einen unaussprechlichen Haß auf die warf, +denen ich Schmuck gefertigt. Ja! im tiefsten Innern regte +sich eine Mordlust gegen sie, vor der ich selbst erbebte. – +In dieser Zeit kaufte ich dieses Haus. Ich war mit dem +Besitzer Handels einig worden, hier in diesem Gemach saßen +wir erfreut über das geschlossene Geschäft beisammen, und +tranken eine Flasche Wein. Es war Nacht worden, ich wollte +aufbrechen, da sprach mein Verkäufer: Hört, Meister René, +ehe Ihr fortgeht, muß ich Euch mit einem Geheimniß dieses +Hauses bekannt machen. Darauf schloß er jenen in die Mauer +eingeführten Schrank auf, schob die Hinterwand fort, trat in +ein kleines Gemach, bückte sich nieder, hob eine Fallthür' +auf. Eine steile, schmale Treppe stiegen wir hinab, kamen an +ein schmales Pförtchen, das er aufschloß, traten hinaus in +den freien Hof. Nun schritt der alte Herr, mein Verkäufer, +hinan an die Mauer, schob an einem nur wenig hervorragenden +Eisen, und alsbald drehte sich ein Stück Mauer los, so daß +ein Mensch bequem durch die Oeffnung schlüpfen und auf die +Straße gelangen konnte. Du magst einmal das Kunststück +sehen, Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des +Klosters, welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um +heimlich aus- und einschlüpfen zu können. Es ist ein Stück +Holz, nur von aussen gemörtelt und getüncht, in das von +aussenher eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie +Stein, eingefügt ist, welches sich mit sammt der Bildsäule +auf verborgenen Angeln dreht. – Dunkle Gedanken stiegen in +mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sey +vorgearbeitet solchen Thaten, die mir selbst noch Geheimniß +blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom Hofe einen reichen +Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer Operntänzerin +bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht aus – das Gespenst +hing sich an meine Schritte – der lispelnde Satan an mein +Ohr! – Ich zog ein in das Haus. In blutigem Angstschweiß +gebadet wälzte ich mich schlaflos auf dem Lager! Ich seh' im +Geiste den Menschen zu der Tänzerin schleichen mit meinem +Schmuck. Voller Wuth springe ich auf – werfe den Mantel um – +steige herab die geheime Treppe – fort durch die Mauer nach +der Straße Nicaise. – Er kommt, ich falle über ihn her, er +schreit auf, doch von hinten festgepackt stoße ich ihm den +Dolch ins Herz – der Schmuck ist mein! – Dies gethan fühlte +ich eine Ruhe, eine Zufriedenheit in meiner Seele, wie sonst +niemals. Das Gespenst war verschwunden, die Stimme des +Satans schwieg. Nun wußte ich, was mein böser Stern wollte, +ich mußt' ihm nachgeben oder untergehen! – Du begreifst +jetzt mein ganzes Thun und Treiben, Olivier! – Glaube nicht, +daß ich darum, weil ich thun muß, was ich nicht lassen kann, +jenem Gefühl des Mitleids, des Erbarmes, was in der Natur +des Menschen bedingt seyn soll, rein entsagt habe. Du weißt, +wie schwer es mir wird, einen Schmuck abzuliefern; wie ich +für manche, deren Tod ich nicht will, gar nicht arbeite, ja +wie ich sogar, weiß ich, daß am morgenden Tage Blut mein +Gespenst verbannen wird, heute es bei einem tüchtigen +Faustschlage bewenden lasse, der den Besitzer meines +Kleinods zu Boden streckt, und mir dieses in die Hand +liefert. –« Dies alles gesprochen, führte mich Cardillac in +das geheime Gewölbe und gönnte mir den Anblick seines +Juwelen-Kabinets. Der König besitzt es nicht reicher. Bei +jedem Schmuck war auf einem kleinen, daran gehängten Zettel +genau bemerkt, für wen es gearbeitet, wann es durch +Diebstahl, Raub oder Mord genommen worden. »An deinem +Hochzeitstage, sprach Cardillac dumpf und feierlich, an +deinem Hochzeitstage, Olivier, wirst du mir, die Hand gelegt +auf des gekreuzigten Christus Bild, einen heiligen Eid +schwören, so wie ich gestorben, alle diese Reichthümer in +Staub zu vernichten durch Mittel, die ich dir dann bekannt +machen werde. Ich will nicht, daß irgend ein menschlich +Wesen, und am wenigsten Madelon und Du, in dem Besitz des +mit Blut erkauften Horts komme.« Gefangen in diesem +Labyrinth des Verbrechens, zerrissen von Liebe und Abscheu, +von Wonne und Entsetzen, war ich dem Verdammten zu +vergleichen, dem ein holder Engel mild lächelnd hinaufwinkt, +aber mit glühenden Krallen festgepackt hält ihn der Satan, +und des frommen Engels Liebeslächeln, in dem sich alle +Seligkeit des hohen Himmels abspiegelt, wird ihm zur +grimmigsten seiner Qualen. – Ich dachte an Flucht – ja an +Selbstmord – aber Madelon! – Tadelt mich, tadelt mich, mein +würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine +Leidenschaft niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen +fesselte; aber büße ich nicht dafür mit schmachvollem Tode? +– Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. +Er liebkoste Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, +trank bei Tische eine Flasche edlen Weins, wie er es nur an +hohen Fest- und Feiertagen zu thun pflegte, sang und +jubilirte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die +Werkstatt: »Bleib sitzen, Junge, rief Cardillac, heut' keine +Arbeit mehr, laß uns noch eins trinken auf das Wohl der +allerwürdigsten, vortrefflichsten Dame in Paris.« Nachdem +ich mit ihm angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, +sprach er: Sag' an, Olivier! wie gefallen dir die Verse: + + | Un amant qui craint les voleurs + | n'est point digne d'amour ! + +Er erzählte nun, was sich in den Gemächern der Maintenon mit +Euch und dem Könige begeben und fügte hinzu, daß er Euch von +jeher verehrt habe, wie sonst kein menschliches Wesen, und +daß Ihr, mit solch hoher Tugend begabt, vor der der böse +Stern kraftlos erbleiche, selbst den schönsten von ihm +gefertigten Schmuck tragend, niemals ein böses Gespenst, +Mordgedanken in ihm erregen würdet. »Höre, Olivier, sprach +er, wozu ich entschlossen. Vor langer Zeit sollt' ich +Halsschmuck und Armbänder fertigen für Henriette von England +und selbst die Steine dazu liefern. Die Arbeit gelang mir +wie keine andere, aber es zerriß mir die Brust, wenn ich +daran dachte, mich von dem Schmuck, der mein Herzenskleinod +geworden, trennen zu müssen. Du weißt der Prinzessin +unglücklichen Tod durch Meuchelmord. Ich behielt den Schmuck +und will ihn nun als ein Zeichen meiner Ehrfurcht, meiner +Dankbarkeit dem Fräulein von Scuderi senden im Namen der +verfolgten Bande. – Ausserdem, daß die Scuderi das +sprechende Zeichen ihres Triumphs erhält, verhöhne ich auch +Desgrais und seine Gesellen, wie sie es verdienen. – Du +sollst ihr den Schmuck hintragen.« So wie Cardillac Euern +Namen nannte, Fräulein, war es, als würden schwarze Schleier +weggezogen, und das schöne, lichte Bild meiner glücklichen +frühen Kinderzeit ginge wieder auf in bunten, glänzenden +Farben. Es kam ein wunderbarer Trost in meine Seele, ein +Hoffnungsstrahl, vor dem die finstern Geister schwanden. +Cardillac mochte den Eindruck, den seine Worte auf mich +gemacht, wahrnehmen und nach seiner Art deuten. »Dir +scheint, sprach er, mein Vorhaben zu behagen. Gestehen kann +ich wohl, daß eine tief' innere Stimme, sehr verschieden von +der, welche Blutopfer verlangt wie ein gefräßiges Raubthier, +mir befohlen hat, daß ich solches thue. – Manchmal wird mir +wunderlich im Gemüthe – eine innere Angst, die Furcht vor +irgend etwas Entsetzlichem, dessen Schauer aus einem fernen +Jenseits herüber wehen in die Zeit, ergreift mich gewaltsam. +Es ist mir dann sogar, als ob das, was der böse Stern +begonnen durch mich, meiner unsterblichen Seele, die daran +keinen Theil hat, zugerechnet werden könne. In solcher +Stimmung beschloß ich, für die heilige Jungfrau in der +Kirche St. Eustache eine schöne Diamanten-Krone zu fertigen. +Aber jene unbegreifliche Angst überfiel mich stärker, so oft +ich die Arbeit beginnen wollte, da unterließ ich's ganz. +Jetzt ist es mir, als wenn ich der Tugend und Frömmigkeit +selbst demuthsvoll ein Opfer bringe und wirksame Fürsprache +erflehe, indem ich der Scuderi den schönsten Schmuck sende, +den ich jemals gearbeitet. –« Cardillac, mit Eurer ganzen +Lebensweise, mein Fräulein, auf das genaueste bekannt, gab +mir nun Art und Weise so wie die Stunde an, wie und wann ich +den Schmuck, den er in ein sauberes Kästchen schloß, +abliefern solle. Mein ganzes Wesen war Entzücken, denn der +Himmel selbst zeigte mir durch den frevelichen Cardillac den +Weg, mich zu retten aus der Hölle, in der ich, ein +verstoßener Sünder, schmachte. So dacht' ich. Ganz gegen +Cardillacs Willen wollt' ich bis zu Euch dringen. Als Anne +Brußons Sohn, als Euer Pflegling gedacht ich, mich Euch zu +Füßen zu werfen und Euch Alles – Alles zu entdecken. Ihr +hättet, gerührt von dem namenlosen Elend, das der armen, +unschuldigen Madelon drohte bei der Entdeckung, das +Geheimniß beachtet, aber Euer hoher, scharfsinniger Geist +fand gewiß sichre Mittel, ohne jener Entdeckung der +verruchten Bosheit Cardillacs zu steuern. Fragt mich nicht, +worin diese Mittel hätten bestehen sollen, ich weiß es nicht +– aber daß Ihr Madelon und mich retten würdet, davon lag die +Ueberzeugung fest in meiner Seele, wie der Glaube an die +trostreiche Hülfe der heiligen Jungfrau. - Ihr wißt, +Fräulein, daß meine Absicht in jener Nacht fehlschlug. Ich +verlor nicht die Hoffnung, ein andermal glücklicher zu seyn. +Da geschah es, daß Cardillac plötzlich alle Munterkeit +verlor. Er schlich trübe umher, starrte vor sich hin, +murmelte unverständliche Worte, focht mit den Händen, +Feindliches von sich abwehrend, sein Geist schien gequält +von bösen Gedanken. So hatte er es einen ganzen Morgen +getrieben. Endlich setzte er sich an den Werktisch, sprang +unmuthig wieder auf, schaute durch's Fenster, sprach ernst +und düster: Ich wollte doch, Henriette von England hätte +meinen Schmuck getragen! – Die Worte erfüllten mich mit +Entsetzen. Nun wußt ich, daß sein irrer Geist wieder erfaßt +war von dem abscheulichen Mordgespenst, daß des Satans +Stimme wieder laut worden vor seinen Ohren. Ich sah Euer +Leben bedroht von dem verruchten Mordteufel. Hatte Cardillac +nur seinen Schmuck wieder in Händen, so war't Ihr gerettet. +Mit jedem Augenblick wuchs die Gefahr. Da begegnete ich Euch +auf dem Pontneuf, drängte mich an Eure Kutsche, warf Euch +jenen Zettel zu, der Euch beschwor, doch nur gleich den +erhaltenen Schmuck in Cardillacs Hände zu bringen. Ihr kommt +nicht. Meine Angst stieg bis zur Verzweiflung, als andern +Tages Cardillac von nichts anderm sprach, als von dem +köstlichen Schmuck, der ihm in der Nacht vor Augen gekommen. +Ich konnte das nur auf Euern Schmuck deuten, und es wurde +mir gewiß, daß er über irgend einen Mordanschlag brüte, den +er gewiß schon in der Nacht auszuführen sich vorgenommen. +Euch retten mußt' ich, und soll' es Cardillacs Leben kosten. +So wie Cardillac nach dem Abendgebet sich wie gewöhnlich +eingeschlossen, stieg ich durch ein Fenster in den Hof, +schlüpfte durch die Oeffnung in der Mauer und stellte mich +unfern in den tiefen Schatten. Nicht lange dauerte es, so +kam Cardillac heraus und schlich leise durch die Straße +fort. Ich hinter ihm her. Es ging nach der Straße St. +Honorée, mir bebte das Herz. Cardillac war mit einemmal mir +entschwunden. Ich beschloß, mich an Euere Hausthüre zu +stellen. Da kommt singend und trillernd, wie damals, als der +Zufall mich zum Zuschauer von Cardillacs Mordthat machte, +ein Offizier bei mir vorüber, ohne mich zu gewahren. Aber in +demselben Augenblick springt eine schwarze Gestalt hervor +und fällt über ihn her. Es ist Cardillac. Diesen Mord will +ich hindern, mit einem lauten Schrei bin ich in zwei – drei +Sätzen zur Stelle – Nicht der Offizier – Cardillac sinkt zum +Tode getroffen röchelnd zu Boden. Der Offizier läßt den +Dolch fallen, reißt den Degen aus der Scheide, stellt sich, +wähnend ich sey des Mörders Geselle, kampffertig mir +entgegen, eilt aber schnell davon, als er gewahrte, daß ich, +ohne mich um ihn zu kümmern, nur den Leichnam untersuche. +Cardillac lebte noch. Ich lud ihn, nachdem ich den Dolch, +den der Offizier hatte fallen lassen, zu mir gesteckt, auf +die Schultern und schleppe ihn mühsam fort nach Hause, und +durch den geheimen Gang hinauf in die Werkstatt. – Das +Uebrige ist Euch bekannt. Ihr seht, mein würdiges Fräulein, +daß mein einziges Verbrechen nur darin besteht, daß ich +Madelons Vater nicht den Gerichten verrieth und so seinen +Unthaten ein Ende machte. Rein bin ich von jeder Blutschuld. +– Keine Marter wird mir das Geheimniß von Cardillacs +Unthaten abzwingen. Ich will nicht, daß der ewigen Macht, +die der tugendhaften Tochter des Vaters gräßliche Blutschuld +verschleierte, zum Trotz, das ganze Elend der Vergangenheit, +ihres ganzen Seyns noch jetzt tödtend auf sie einbreche, daß +noch jetzt die weltliche Rache den Leichnam aufwühle aus der +Erde, die ihn deckt, daß noch jetzt der Henker die +vermoderten Gebeine mit Schande brandmarke. – Nein! – mich +wird die Geliebte meiner Seele beweinen als den unschuldig +Gefallenen, die Zeit wird ihren Schmerz lindern, aber +unüberwindlich würde der Jammer seyn über des geliebten +Vaters entsetzliche Thaten der Hölle! –« + +Olivier schwieg, aber nun stürzte plötzlich ein Thränenstrom +aus seinen Augen, er warf sich der Scuderi zu Füßen und +flehte: »Ihr seyd von meiner Unschuld überzeugt – gewiß Ihr +seyd es! – Habt Erbarmen mit mir, sagt, wie steht es um +Madelon? –« Die Scuderi rief der Martiniere, und nach +wenigen Augenblicken flog Madelon an Oliviers Hals. »Nun ist +alles gut, da du hier bist – ich wußt' es ja, daß die +edelmüthigste Dame dich retten würde!« So rief Madelon +einmal über das andere, und Olivier vergaß sein Schicksal, +alles was ihm drohte, er war frei und selig. Auf das +rührendste klagten Beide sich, was sie um einander gelitten, +und umarmten sich dann aufs neue und weinten vor Entzücken, +daß sie sich wieder gefunden. + +Wäre die Scuderi nicht von Oliviers Unschuld schon überzeugt +gewesen, der Glaube daran müßte ihr jetzt gekommen seyn, da +sie die Beiden betrachtete, die in der Seligkeit des +innigsten Liebesbündnisses die Welt vergaßen und ihr Elend +und ihr namenloses Leiden. »Nein, rief sie, solch seliger +Vergessenheit ist nur ein reines Herz fähig.« + +Die hellen Strahlen des Morgens brachen durch die Fenster. +Desgrais klopfte leise an die Thüre des Gemachs und +erinnerte, daß es Zeit sey, Olivier Brußon fortzuschaffen, +da ohne Aufsehen zu erregen das später nicht geschehen +könne. Die Liebenden mußten sich trennen. – + +Die dunklen Ahnungen, von denen der Scuderi Gemüth befangen +seit Brußons erstem Eintritt in ihr Haus, hatten sich nun +zum Leben gestaltet auf furchtbare Weise. Den Sohn ihrer +geliebten Anne sah sie schuldlos verstrickt auf eine Art, +daß ihn vom schmachvollen Tod zu retten kaum denkbar schien. +Sie ehrte des Jünglings Heldensinn, der lieber schuldbeladen +sterben, als ein Geheimniß verrathen wollte, das seiner +Madelon den Tod bringen mußte. Im ganzen Reiche der +Möglichkeit fand sie kein Mittel, den Aermsten dem grausamen +Gerichtshofe zu entreissen. Und doch stand es fest in ihrer +Seele, daß sie kein Opfer scheuen müsse, das +himmelschreiende Unrecht abzuwenden, das man zu begehen im +Begriffe war. – Sie quälte sich ab mit allerlei Entwürfen +und Plänen, die bis an das Abentheuerliche streiften, und +die sie eben so schnell verwarf als auffaßte. Immer mehr +verschwand jeder Hoffnungsschimmer, so daß sie verzweifeln +wollte. Aber Madelons unbedingtes, frommes kindliches +Vertrauen, die Verklärung, mit der sie von dem Geliebten +sprach, der nun bald, freigesprochen von jeder Schuld, sie +als Gattin umarmen werde, richtete die Scuderi in eben dem +Grad wieder auf, als sie davon bis tief ins Herz gerührt +wurde. + +Um nun endlich etwas zu thun, schrieb die Scuderi an la +Regnie einen langen Brief, worin sie ihm sagte, daß Olivier +Brußon ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige +Unschuld an Cardillacs Tode dargethan habe, und daß nur der +heldenmüthige Entschluß, ein Geheimniß in das Grab zu +nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und Tugend selbst +verderben würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständniß +abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Verdacht nicht +allein, daß er Cardillac ermordet, sondern daß er auch zur +Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müße. Alles was +glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte +die Scuderi aufgeboten, la Regnie hartes Herz zu erweichen. +Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es ihn +herzlich freue, wenn Olivier Brußon sich bei seiner hohen, +würdigen Gönnerin gänzlich gerechtfertigt habe. Was Oliviers +heldenmüthigen Entschluß betreffe, ein Geheimniß, das sich +auf die That beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so thue +es ihm leid, daß die Chambre ardente dergleichen Heldenmuth +nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten +Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffte er in +dem Besitz des seltsamen Geheimnisses zu seyn, das +wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringen werde. + +Nur zu gut wußte die Scuderi, was der fürchterliche la +Regnie mit jenen Mitteln, die Brußons Heldenmuth brechen +sollen, meinte. Nun war es gewiß, daß die Tortur über den +Unglücklichen verhängt war. In der Todesangst fiel der +Scuderi endlich ein, daß, um nur Aufschub zu erlangen, der +Rath eines Rechtsverständigen dienlich seyn könne. Pierre +Arnaud d'Andilly war damals der berühmteste Advokat in +Paris. Seiner tiefen Wissenschaft, seinem umfassenden +Verstande war seine Rechtschaffenheit, seine Tugend gleich. +Zu dem begab sich die Scuderi und sagte ihm Alles, so weit +es möglich war, ohne Brußons Geheimniß zu verletzen. Sie +glaubte, daß d'Andilly mit Eifer sich des Unschuldigen +annehmen werde, ihre Hoffnung wurde aber auf das bitterste +getäuscht. D'Andilly hatte ruhig alles angehört und +erwiederte dann lächelnd mit Boileaus Worten: *Le vrai peut +quelque fois n'etre pas vraisemblable.* – Er bewies der +Scuderi, daß die auffallendsten Verdachtsgründe wider Brußon +sprächen, daß la Regnies Verfahren keineswegs grausam und +übereilt zu nennen, vielmehr ganz gesetzlich sey, ja daß er +nicht anders handeln könne, ohne die Pflichten des Richters +zu verletzen. Er, d'Andilly, selbst getraue sich nicht durch +die geschickteste Vertheidigung Brußon von der Tortur zu +retten. Nur Brußon selbst könne das entweder durch +aufrichtiges Geständniß oder wenigstens durch die genaueste +Erzählung der Umstände bei dem Morde Cardillacs, die dann +vielleicht erst zu neuen Ausmittlungen Anlaß geben würden. +»So werfe ich mich dem Könige zu Füßen, und flehe um Gnade,« +sprach die Scuderi ganz ausser sich mit von Thränen halb +erstickter Stimme. »Thut das, rief d'Andilly, thut das um +des Himmels willen nicht, mein Fräulein! – Spart Euch dieses +letzte Hülfsmittel auf, das, schlug es einmal fehl, Euch für +immer verloren ist. Der König wird nimmer einen Verbrecher +der Art begnadigen, der bitterste Vorwurf des gefährdeten +Volks würde ihn treffen. Möglich ist es, daß Brußon durch +Entdeckung seines Geheimnisses oder sonst Mittel findet, den +wider ihn streitenden Verdacht aufzuheben. Dann ist es Zeit, +des Königs Gnade zu erflehen, der nicht darnach fragen, was +vor Gericht bewiesen ist, oder nicht, sondern seine innere +Ueberzeugung zu Rathe ziehen wird. – Die Scuderi mußte dem +tief erfahrnen d'Andilly nothgedrungen beipflichten. – In +tiefen Kummer versenkt, sinnend und sinnend, was um der +Jungfrau und aller Heiligen willen sie nun anfangen solle, +um den unglücklichen Brußon zu retten, saß sie am späten +Abend in ihrem Gemach, als die Martiniere eintrat und den +Grafen von Miossens, Obristen von der Garde des Königs, +meldete, der dringend wünsche, das Fräulein zu sprechen. + +»Verzeiht, sprach Miossens, indem er sich mit soldatischem +Anstande verbeugte, verzeiht, mein Fräulein, wenn ich Euch +so spät, so zu ungelegener Zeit überlaste. Wir Soldaten +machen es nicht anders, und zu dem bin ich mit zwei Worten +entschuldigt. – Olivier Brußon führt mich zu Euch.« Die +Scuderi, hochgespannt, was sie jetzt wieder erfahren werde, +rief laut: Olivier Brußon? der Unglücklichste aller +Menschen? – was habt ihr mit dem? – Dacht' ich's doch, +sprach Miossens lächelnd weiter, daß Eures Schützlings Namen +hinreichen würde, mir bei Euch ein geneigtes Ohr zu +verschaffen. Die ganze Welt ist von Brußons Schuld +überzeugt. Ich weiß, daß Ihr eine andere Meinung hegt, die +sich freilich nur auf die Betheurungen des Angeklagten +stützen soll, wie man gesagt hat. Mit mir ist es anders. +Niemand als ich kann besser überzeugt seyn von Brußons +Unschuld an dem Tode Cardillacs. »Redet, o redet, rief die +Scuderi, indem ihr die Augen glänzten vor Entzücken. »Ich, +sprach Miossens mit Nachdruck, ich war es selbst, der den +alten Goldschmid niederstiß in der Straße St. Honorée unfern +Eurem Hause.« Um aller Heiligen willen, Ihr – Ihr! rief die +Scuderi. »Und, fuhr Miossens fort, und ich schwöre es Euch, +mein Fräulein, daß ich stolz bin auf meine That. Wisset, daß +Cardillac der verruchteste, heuchlerischte Bösewicht, daß er +es war, der in der Nacht heimtückisch mordete und raubte, +und so lange allen Schlingen entging. Ich weiß selbst nicht, +wie es kam, daß ein innerer Verdacht sich in mir gegen den +alten Bösewicht regte, als er voll sichtlicher Unruhe den +Schmuck brachte, den ich bestellt, als er sich genau +erkundigte, für wen ich den Schmuck bestimmt, und als er auf +recht listige Art meinen Kammerdiener ausgefragt hatte, wenn +ich eine gewisse Dame zu besuchen pflege. – Längst war es +mir aufgefallen, daß die unglücklichen Schlachtopfer der +abscheulichsten Raubgier alle dieselbe Todeswunde trugen. Es +war mir gewiß, daß der Mörder auf den Stoß, der +augenblicklich tödten mußte, eingeübt war und darauf +rechnete. Schlug der fehl, so galt es den gleichen Kampf. + +.. figure:: _static/images/scene.png + +Dies ließ mich eine Vorsichtsmaßregel brauchen, die so +einfach ist, daß ich nicht begreife, wie andere nicht längst +darauf fielen und sich retteten von dem bedrohlichen +Mordwesen. Ich trug einen leichten Brustharnisch unter der +Weste. Cardillac fiel mich von hinten an. Er umfaßte mich +mit Riesenkraft, aber der sicher geführte Stoß glitt ab an +dem Eisen. In demselben Augenblick entwandt ich mich ihm und +stieß ihm den Dolch, den ich in Bereitschaft hatte, in die +Brust.« »Und Ihr schweigt, fragte die Scuderi, Ihr zeigtet +den Gerichten nicht an, was geschehen?« »Erlaubt, sprach +Miossens weiter, erlaubt, mein Fräulein, zu bemerken, daß +eine solche Anzeige mich, wo nicht gerade zu ins Verderben, +doch in den abscheulichsten Prozeß verwickeln konnte. Hätte +la Regnie, überall Verbrechen witternd, mir's denn geradehin +geglaubt, wenn ich den rechtschaffenen Cardillac, das Muster +aller Frömmigkeit und Tugend, des versuchten Mordes +angeklagt? Wie wenn das Schwert der Gerechtigkeit seine +Spitze wider mich selbst gewandt?« »Das war nicht möglich, +rief die Scuderi, Eure Geburt – Euer Stand –« »O, fuhr +Miossens fort, denkt doch an den Marschall von Luxemburg, +den der Einfall, sich von le Sage das Horoskop stellen zu +lassen, in den Verdacht des Giftmordes und in die Bastille +brachte. Nein, beim St Dionys, nicht eine Stunde Freiheit, +nicht meinen Ohrzipfel geb ich Preis dem rasenden la Regnie, +der sein Messer gern an unsere alten Kehlen setzte.« »Aber +so bringt Ihr ja den unschuldigen Brußon auf's Schaffott?« +fiel ihm die Scuderi ins Wort. »Unschuldig, erwiederte +Miossens, unschuldig, mein Fräulein, nennt Ihr des +verruchten Cardillacs Spießgesellen? – der ihm beistand in +seinen Thaten? der den Tod hundertmal verdient hat? – Nein +in der That, der blutet mit Recht, und daß ich Euch, mein +hochverehrtes Fräulein, den wahren Zusammenhang der Sache +entdeckte, geschah in der Voraussetzung, daß Ihr, ohne mich +in die Hände der Chambre ardente zu liefern, doch mein +Geheimniß auf irgend eine Weise für Euren Schützling zu +nützen verstehen würdet.« + +Die Scuderi, im Innersten entzückt, ihre Ueberzeugung von +Brußons Unschuld auf solch entscheidende Weise bestättigt zu +sehen, nahm gar keinen Anstand, dem Grafen, der Cardillacs +Verbrechen ja schon kannte, alles zu entdecken und ihn +aufzufordern, sich mit ihr zu d'Andilly zu begeben. Dem +sollte unter dem Siegel der Verschwiegenheit Alles entdeckt +werden, der solle dann Rath ertheilen, was nun zu beginnen. + +D'Andilly, nachdem die Scuderi ihm Alles auf das genaueste +erzählt hatte, erkundigte sich nochmals nach den +geringfügigsten Umständen. Insbesondere fragte er den Grafen +Miossens, ob er auch die feste Ueberzeugung habe, daß er von +Cardillac angefallen, und ob er Olivier Brußon als +denjenigen würde wieder erkennen können, der den Leichnam +fortgetragen. Ausserdem, erwiederte Miossens, daß ich in der +mondhellen Nacht den Goldschmid recht gut erkannte, habe ich +auch bei la Regnie selbst den Dolch gesehen, mit dem +Cardillac niedergestoßen wurde. Es ist der meinige, +ausgezeichnet durch die zierliche Arbeit des Griff's. Nur +einen Schritt von ihm stehend gewahrte ich alle Züge des +Jünglings, dem der Hut vom Kopf gefallen, und würde ihn +allerdings wieder erkennen können.« + +D'Andilly sah schweigend einige Augenblicke vor sich nieder, +dann sprach er: »Auf gewöhnlichem Wege ist Brußon aus den +Händen der Justiz nun ganz und gar nicht zu retten. Er will +Madelons halber Cardillac nicht als Mordräuber nennen. Das +mag er thun, denn selbst, wenn es ihm gelingen müßte, durch +Entdeckung des heimlichen Ausgangs, des zusammengeraubten +Schatzes dies nachzuweisen, würde ihn doch als +Mitverbundenen der Tod treffen. Dasselbe Verhältniß bleibt +stehen, wenn der Graf Miossens die Begebenheit mit dem +Goldschmid, wie sie wirklich sich zutrug, den Richtern +entdecken sollte. Aufschub ist das Einzige, wornach +getrachtet werden muß. Graf Miossens begiebt sich nach der +Conciergerie, läßt sich Olivier Brußon vorstellen und +erkennt ihn für den, der den Leichnam Cardillacs +fortschaffte. Er eilt zu la Regnie und sagt: In der Straße +St. Honorée sah ich einen Menschen niederstoßen, ich stand +dicht neben dem Leichnam, als ein Anderer hinzusprang, sich +zum Leichnam niederbückte, ihn, da er noch Leben spürte, auf +die Schultern lud und forttrug. In Olivier Brußon habe ich +diesen Menschen erkannt. Diese Aussage veranlaßt Brußons +nochmalige Vernehmung, Zusammenstellung mit dem Grafen +Miossens. Genug, die Tortur unterbleibt und man forscht +weiter nach. Dann ist es Zeit, sich an den König selbst zu +wenden. Euerm Scharfsinn, mein Fräulein! bleibt es +überlassen, dies auf die geschickteste Weise zu thun. Nach +meinem Dafürhalten würd' es gut seyn, dem Könige das ganze +Geheimniß zu entdecken. Durch diese Aussage des Grafen +Miossens werden Brußons Geständnisse unterstützt. Dasselbe +geschieht vielleicht durch geheime Nachforschung in +Cardillacs Hause. Keinen Rathsspruch, aber des Königs +Entscheidung, auf inneres Gefühl, das da, wo der Richter +strafen muß, Gnade ausspricht, gestützt, kann das alles +begründen. –« Graf Miossens befolgte genau, was d'Andilly +gerathen, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen. + +Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der +schwürigste Punkt, da er gegen Brußon, den er allein für den +entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit +hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, +solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise erinnert an den +berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn gerieth. Die +Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen +Dingen zu reden, getreu, verwarf jede Vermittlung, und so +war Brußons Schicksal ganz in die Hand der Scuderi gelegt. +Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß eben so schnell +als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze +Farbe von schwerem Seidenzeug, schmückte sich mit Cardillacs +köstlichem Geschmeide, hing einen langen, schwarzen Schleier +über, und erschien so in den Gemächern der Maintenon zur +Stunde, da eben der König zugegen. Die edle Gestalt des +ehrwürdigen Fräuleins in diesem feierlichen Anzuge hatte +eine Majestät, die tiefe Ehrfurcht erwecken mußte selbst bei +dem losen Volk, das gewohnt ist, in den Vorzimmern sein +leichtsinnig nichts beachtendes Wesen zu treiben. Alles wich +scheu zur Seite, und als sie nun eintrat, stand selbst der +König ganz verwundert auf und kam ihr entgegen. Da blitzten +ihm die köstlichen Diamanten des Halsbands, der Armbänder +ins Auge und er rief: Beim Himmel, das ist Cardillacs +Geschmeide! Und dann sich zur Maintenon wendend fügte er mit +anmuthigem Lächeln hinzu: Seht Frau Marquise, wie unsere +schöne Braut um ihren Bräutigam trauert. »Ei gnädiger Herr, +fiel die Scuderi wie den Scherz fortsetzend ein, wie würd' +es ziemen einer Schmerz erfüllten Braut, sich so glanzvoll +zu schmücken? Nein, ich habe mich ganz losgesagt von diesem +Goldschmid, und dächte nicht mehr an ihn, träte mir nicht +manchmal das abscheuliche Bild, wie er ermordet dicht bei +mir vorübergetragen wurde, vor Augen. Wie, fragte der König, +wie! Ihr habt ihn gesehen, den armen Teufel? Die Scuderi +erzählte nun mit kurzen Worten, wie sie der Zufall (noch +erwähnte sie nicht der Einmischung Brußons) vor Cardillacs +Haus gebracht, als eben der Mord entdeckt worden. Sie +schilderte Madelons wilden Schmerz, den tiefen Eindruck, den +das Himmelskind auf sie gemacht, die Art, wie sie die Arme +unter Zujauchzen des Volks aus Desgrais Händen gerettet. Mit +immer steigendem und steigendem Interesse begannen nun die +Szenen mit la Regnie – mit Desgrais – mit Olivier Brußon +selbst. Der König, hingerissen von der Gewalt des +lebendigsten Lebens, das in der Scuderi Rede glühte, +gewahrte nicht, daß von dem gehäßigen Prozeß des ihm +abscheulichen Brußons die Rede war, vermochte nicht ein Wort +hervorzubringen, konnte nur dann und wann mit einem Ausruf +Luft machen der innern Bewegung. Ehe er sichs versah, ganz +ausser sich über das Unerhörte, was er erfahren und noch +nicht vermögend alles zu ordnen, lag die Scuderi schon zu +seinen Füßen und flehte um Gnade für Olivier Brußon. »Was +thut Ihr, brach der König los, indem er sie bei beiden +Händen faßte und in den Sessel nöthigte, was thut Ihr, mein +Fräulein! – Ihr überrascht mich auf seltsame Weise! – Das +ist ja eine entsetzliche Geschichte! – Wer bürgt für die +Wahrheit der abentheuerlichen Erzählung Brußons?« Darauf die +Scuderi: Miossens Aussage – die Untersuchung in Cardillacs +Hause – innere Ueberzeugung – ach! Madelons tugendhaftes +Herz, das gleiche Tugend in dem unglücklichen Brußon +erkannte! – Der König, im Begriff, etwas zu erwiedern, +wandte sich auf ein Geräusch um, das an der Thüre entstand. +Louvois, der eben im andern Gemach arbeitete, sah hinein mit +besorglicher Miene. Der König stand auf und verließ Louvois +folgend das Zimmer. Beide, die Scuderi, die Maintenon +hielten diese Unterbrechung für gefährlich, denn einmal +überrascht, mochte der König sich hüten, in die gestellte +Falle zum zweitenmal zu gehen. Doch nach einigen Minuten +trat der König wieder hinein, schritt rasch ein paarmal im +Zimmer auf und ab, stellte sich dann, die Hände über den +Rücken geschlagen, dicht vor der Scuderi hin und sprach, +ohne sie anzublicken, halb leise: Wohl möcht' ich Eure +Madelon sehen! – Darauf die Scuderi: O mein gnädiger Herr, +welches hohen – hohen Glücks würdigt Ihr das arme, +unglückliche Kind – ach, nur Eures Winks bedürft es ja, die +Kleine zu Euren Füßen zu sehen. Und trippelte dann, so +schnell sie es in den schweren Kleidern vermochte, nach der +Thür und rief hinaus, der König wolle Madelon Cardillac vor +sich lassen, und kam zurück und weinte und schluchzte vor +Entzücken und Rührung. Die Scuderi hatte solche Gunst +geahnet, und daher Madelon mitgenommen, die bei der Marquise +Kammerfrau wartete mit einer kurzen Bittschrift in den +Händen, die ihr d'Andilly aufgesetzt. In wenig Augenblicken +lag sie sprachlos dem Könige zu Füßen. Angst – Bestürzung – +scheue Ehrfurcht – Liebe und Schmerz – trieben der Armen +rascher und rascher das siedende Blut durch alle Adern. Ihre +Wangen glühten in hohem Purpur – die Augen glänzten von +hellen Thränenperlen, die dann und wann hinabfielen durch +die seidenen Wimpern auf den schönen Lilienbusen. Der König +schien betroffen über die wunderbare Schönheit des +Engelskinds. Er hob das Mädchen sanft auf, dann machte er +eine Bewegung, als wolle er ihre Hand, die er gefaßt, +küssen. Er ließ sie wieder und schaute das holde Kind an mit +thränenfeuchtem Blick, der von der tiefsten innern Rührung +zeugte. Leise lispelte die Maintenon der Scuderi zu: Sieht +sie nicht der la Valliere ähnlich auf ein Haar, das kleine +Ding? – Der König schwelgt in den süßesten Erinnerungen. +Euer Spiel ist gewonnen. – So leise dies auch die Maintenon +sprach, doch schien es der König vernommen zu haben. Eine +Röthe überflog sein Gesicht, sein Blick streifte bei der +Maintenon vorüber, er las die Supplik, die Madelon ihm +überreicht, und sprach dann mild und gütig: Ich will's wohl +glauben, daß du, mein liebes Kind, von deines Geliebten +Unschuld überzeugt bist, aber hören wir, was die Chambre +ardente dazu sagt! – Eine sanfte Bewegung mit der Hand +verabschiedete die Kleine, die in Thränen verschwimmen +wollte. – Die Scuderi gewahrte zu ihrem Schreck, daß die +Erinnerung an die Valliere, so ersprießlich sie anfangs +geschienen, des Königs Sinn geändert hatte, so wie die +Maintenon den Namen genannt. Mocht' es seyn, daß der König +sich auf unzarte Weise daran erinnert fühlte, daß er im +Begriff stehe, das strenge Recht der Schönheit aufzuopfern, +oder vielleicht ging es dem Könige wie dem Träumer, dem, +hart angerufen, die schönen Zauberbilder, die er zu umfassen +gedachte, schnell verschwinden. Vielleicht sah er nun nicht +mehr seine Valliere vor sich, sondern dachte nur an die +Soeur Louise de la misericorde (der Valliere Klostername bei +den Carmeliternonnen), die ihn peinigte mit ihrer +Frömmigkeit und Buße. – Was war jetzt anders zu thun, als +des Königs Beschlüsse ruhig abzuwarten. + +Des Grafen Miossens Aussage vor der Chambre ardente war +indessen bekannt geworden, und wie es zu geschehen pflegt, +daß das Volk leicht getrieben wird von einem Extrem zum +andern, so wurde derselbe, den man erst als den +verruchtesten Mörder verfluchte und den man zu zerreissen +drohte, noch ehe er die Blutbühne bestiegen, als +unschuldiges Opfer einer barbarischen Justiz beklagt. Nun +erst erinnerten sich die Nachbarsleute seines tugendhaften +Wandels, der großen Liebe zu Madelon, der Treue, der +Ergebenheit mit Leib und Seele, die er zu dem alten +Goldschmidt gehegt. – Ganze Züge des Volks erschienen oft +auf bedrohliche Weise vor la Regnies Pallast und schrien: +Gieb uns Olivier Brußon heraus, er ist unschuldig, und +warfen wohl gar Steine nach den Fenstern, so daß la Regnie +genöthigt war, bei der Marechaussee Schutz zu suchen vor dem +erzürnten Pöbel. + +Mehrere Tage vergingen, ohne daß der Scuderi von Olivier +Brußons Prozeß nur das mindeste bekannt wurde. Ganz trostlos +begab sie sich zur Maintenon, die aber versicherte, daß der +König über die Sache schweige, und es gar nicht gerathen +scheine, ihn daran zu erinnern. Fragte sie nun noch mit +sonderbarem Lächeln, was denn die kleine Valliere mache? so +überzeugte sich die Scuderi, daß tief im Innern der stolzen +Frau sich ein Verdruß über eine Angelegenheit regte, die den +reizbaren König in ein Gebiet locken konnte, auf dessen +Zauber sie sich nicht verstand. Von der Maintenon konnte sie +daher gar nichts hoffen. + +Endlich mit d'Andilly's Hülfe gelang es der Scuderi, +auszukundschaften, daß der König eine lange geheime +Unterredung mit dem Grafen Miossens gehabt. Ferner, daß +Bontems, des Königs vertrautester Kammerdiener und +Geschäftsträger in der Conciergerie gewesen, und mit Brußon +gesprochen, daß endlich in einer Nacht eben derselbe Bontems +mit mehreren Leuten in Cardillacs Hause gewesen und sich +lange darin aufgehalten. Claude Patru, der Bewohner des +untern Stocks, versicherte, die ganze Nacht habe es über +seinem Kopfe gepoltert, und gewiß sey Olivier dabei gewesen, +denn er habe seine Stimme genau erkannt. So viel war also +gewiß, daß der König selbst dem wahren Zusammenhange der +Sache nachforschen ließ, unbegreiflich blieb aber die lange +Verzögerung des Beschlusses. La Regnie mochte alles +aufbieten, das Opfer, das ihm entrissen werden sollte, +zwischen den Zähnen fest zu halten. Das verdarb jede +Hoffnung im Aufkeimen. + +Beinahe ein Monat war vergangen, da ließ die Maintenon der +Scuderi sagen, der König wünsche sie heute Abend in ihren, +der Maintenon, Gemächern zu sehen. + +Das Herz schlug der Scuderi hochauf, sie wußte, daß Brußons +Sache sich nun entscheiden würde. Sie sagt es der armen +Madelon, die zur Jungfrau, zu allen Heiligen inbrünstig +betete, daß sie doch nur in dem König die Ueberzeugung von +Brußons Unschuld erwecken möchten. + +Und doch schien es, als habe der König die ganze Sache +vergessen, denn wie sonst, weilend in anmuthigen Gesprächen +mit der Maintenon und der Scuderi, gedachte er nicht mit +einer Sylbe des armen Brußons. Endlich erschien Bontems, +näherte sich dem Könige und sprach einige Worte so leise, +daß beide Damen nichts davon verstanden. – Die Scuderi +erbebte im Innern. Da stand der König auf, schritt auf die +Scuderi zu und sprach mit leuchtenden Blicken: Ich wünsche +Euch Glück, mein Fräulein! – Euer Schützling, Olivier +Brußon, ist frei! – Die Scuderi, der die Thränen aus den +Augen stürzten, keines Wortes mächtig, wollte sich dem +Könige zu Füßen werfen. Der hinderte sie daran, sprechend: +Geht, geht! Fräulein, Ihr solltet Parlementsadvokat seyn und +meine Rechtshändel ausfechten, denn, beim heiligen Dionys, +Eurer Beredsamkeit widersteht Niemand auf Erden. – Doch, +fügte er ernster hinzu, doch, wen die Tugend selbst in +Schutz nimmt, mag der nicht sicher seyn vor jeder bösen +Anklage, vor der Chambre ardente und allen Gerichtshöfen in +der Welt! – Die Scuderi fand nun Worte, die sich in den +glühendsten Dank ergoßen. Der König unterbrach sie, ihr +ankündigend, daß in ihrem Hause sie selbst viel feurigerer +Dank erwarte, als er von ihr fordern könne, denn +wahrscheinlich umarme in diesem Augenblick der glückliche +Olivier schon seine Madelon. »Bontems, so schloß der König, +Bontems soll Euch tausend Louis auszahlen, die gebt in +meinem Namen der Kleinen als Brautschatz. Mag sie ihren +Brußon, der solch ein Glück gar nicht verdient, heurathen, +aber dann sollen Beide fort aus Paris. Das ist mein Wille. + +Die Martiniere kam der Scuderi entgegen mit raschen +Schritten, hinter ihr her Baptiste, Beide mit vor Freude +glänzenden Gesichtern, Beide jauchzend, schreiend: Er ist +hier – er ist frei! – o die lieben jungen Leute! Das selige +Paar stürzte der Scuderi zu Füßen. O ich habe es ja gewußt, +daß Ihr, Ihr allein mir den Gatten retten würdet, rief +Madelon. Ach der Glaube an Euch, meine Mutter, stand ja fest +in meiner Seele, rief Olivier, und Beide küßten der würdigen +Dame die Hände und vergoßen tausend heiße Thränen. Und dann +umarmten sie sich wieder und betheuerten, daß die +überirdische Seligkeit dieses Augenblicks alle namenlose +Leiden der vergangenen Tage aufwiege; und schworen, nicht +voneinander zu lassen bis in den Tod. + +Nach wenigen Tagen wurden sie verbunden durch den Segen des +Priesters. Wäre es auch nicht des Königs Wille gewesen, +Brußon hätte doch nicht in Paris bleiben können, wo ihn +Alles an jene entsetzliche Zeit der Unthaten Cardillacs +erinnerte, wo irgend ein Zufall das böse Geheimniß, nun noch +mehreren Personen bekannt worden, feindselig enthüllen und +sein friedliches Leben auf immer verstören konnte. Gleich +nach der Hochzeit zog er, von den Segnungen der Scuderi +begleitet, mit seinem jungen Weibe nach Genf. Reich +ausgestattet durch Madelons Brautschatz, begabt mit seltner +Geschicklichkeit in seinem Handwerk, mit jeder bürgerlichen +Tugend, ward ihm dort ein glückliches, sorgenfreies Leben. +Ihm wurden die Hoffnungen erfüllt, die den Vater getäuscht +hatten bis in das Grab hinein. + +Ein Jahr war vergangen seit der Abreise Brußons, als eine +öffentliche Bekanntmachung erschien, gezeichnet von Harloy +de Chamvalon, Erzbischof von Paris, und von dem +Parlaments-Advokaten Pierre Arnaud d'Andilly, des Inhalts, +daß ein reuiger Sünder unter dem Siegel der Beichte der +Kirche einen reichen geraubten Schatz an Juwelen und +Geschmeide übergeben. Jeder, dem etwa bis zum Ende des +Jahres 1680 vorzüglich durch mörderischen Anfall auf +öffentlicher Straße ein Schmuck geraubt worden, sollte sich +bei d'Andilly melden, und werde, treffe die Beschreibung des +ihm geraubten Schmucks mit irgend einem vorgefundenen +Kleinod genau überein, und finde sonst kein Zweifel gegen +die Rechtmäßigkeit des Anspruchs statt, den Schmuck wieder +erhalten. – Viele, die in Cardillacs Liste als nicht +ermordet, sondern bloß durch einen Faustschlag betäubt +aufgeführt waren, fanden sich nach und nach bei dem +Parlamentsadvokaten ein, und erhielten zu ihrem nicht +geringen Erstaunen das ihnen geraubte Geschmeide zurück. Das +Uebrige fiel dem Schatz der Kirche zu St. Eustache anheim. diff --git a/index.rst b/index.rst new file mode 100644 index 0000000..0644984 --- /dev/null +++ b/index.rst @@ -0,0 +1,12 @@ +.. toctree:: + :maxdepth: 1 + :titlesonly: + :hidden: + + index.rst + titel.rst + titelblatt.rst + das-fraeulein-von-scuderi.rst + anhang.rst + inhalt.rst + textnachweis.rst diff --git a/inhalt.rst b/inhalt.rst new file mode 100644 index 0000000..5b47a2b --- /dev/null +++ b/inhalt.rst @@ -0,0 +1,13 @@ +Inhalt +====== + +.. toctree:: + :maxdepth: 1 + :titlesonly: + + titel.rst + titelblatt.rst + das-fraeulein-von-scuderi.rst + anhang.rst + inhalt.rst + textnachweis.rst diff --git a/textnachweis.rst b/textnachweis.rst new file mode 100644 index 0000000..482daa2 --- /dev/null +++ b/textnachweis.rst @@ -0,0 +1,32 @@ +Textnachweis und Lizenz +======================= + +Textnachweis +------------ + +Grundlage des Textes sind Scans des Erstdrucks im +»Taschenbuch für das Jahr 1820. Der Liebe und Freundschaft +gewidmet.«, die von der Bayerischen Staatsbibliothek München +`zur Verfügung gestellt werden <https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10925308>`_. + +Auf dieser Basis wurde eine OCR-Fassung erstellt, die mit +der Vorlage abgeglichen und in einer zweiten +Korrektur-Schleife mit der +`Fassung des Deutschen Textarchivs <https://www.deutschestextarchiv.de/book/show/hoffmann_scuderi_1910>`_ abgeglichen wurde. + + +Lizenz +------ + +Für E-Book und HTML-Fassung gilt die Creative Commons Lizenz +für öffentliches Eigentum (Public Domain) (s. ccpd_). + +.. _ccpd: https://creativecommons.org/publicdomain/mark/1.0/deed.de + + +Rückmeldung +----------- + +Sollten Sie Anmerkungen haben oder Ihnen Fehler aufgefallen +sein - also Abweichungen von der Druckvorlage - schicken Sie +bitte gerne eine Nachricht an buecher (at) in-transit.cc. diff --git a/titel.rst b/titel.rst new file mode 100644 index 0000000..7445b00 --- /dev/null +++ b/titel.rst @@ -0,0 +1,25 @@ +.. cssclass:: titel + +Das Fräulein von Scuderi +======================== + +.. raw:: html + + <div class="t_title"> + Das Fräulein von Scuderi. + </div> + <div class="t_byline"> + Erzählung aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten + </div> + <div class="t_attrib"> + Von + </div> + <div class="t_author"> + E. T. Hoffmann, + </div> + <div class="t_refer"> + Verfasser der Phantasiestücke. + </div> + + +.. figure:: _static/images/title.png diff --git a/titelblatt.rst b/titelblatt.rst new file mode 100644 index 0000000..084e25b --- /dev/null +++ b/titelblatt.rst @@ -0,0 +1,5 @@ +Titelblatt +========== + +.. figure:: _static/images/titelblatt.png + |