.. include:: global.rst SÜDWESTEN ========= :centerblock:`\*` :initial:`I`\ m Südwesten sind Wilmersdorf und Schöneberg mit Berlin und Charlottenburg völlig verwachsen‘, lehrt Baedeker. Darum wollen wir nicht die genauen Grenzen suchen, sondern hinterm Bülow-Bogen die Potsdamerstraße hinauf unversehens in die Vorstadt gelangen. Erste Station: Der Sportpalast. Wer das Volk von Berlin im Fieber sehn will, versäume nicht, einen Teil der 144 Stunden zu erleben, in denen auf schräger Holzbahn die Fahrer des Sechstagerennens ihre Runden durch die Riesenhalle machen. Im Mittelraum und in den Logen wird er Gesellschaft sehn, ‚Köpfe,‘ Prominente, schöne Schultern in Zobel und Fuchs, Will er aber unter den wahren Kennern sitzen, unter denen, deren Anteil am unmittelbarsten und berlinischsten ist, muß er sich unter die Sweater und Windjacken auf der Galerie mischen. Da wird keine wichtige Wertung oder Überrundung unbeachtet gelassen, da wird strengste Kritik geübt und am heftigsten geklatscht. Ist gerade ‚nichts los‘, wird Karten gespielt. Dann wieder hallen und zischen die Vornamen der anzufeuernden Lieblinge, welche man hier oben kennt, ohne sich an Zahl und Trikotfarbe des sausenden Rückens orientieren zu müssen, durch den Dunst. Hier findest du auch einen gutmütigen Nachbarn, der dich über die Phasen des Kampfes, Jagden, Ablösungen, Strafrunden, Spurt belehrt und dir die Bedeutung der Lampensignale: grün = Wertung, blau = Prämie, rot = Neutralisation, erklärt. Gern sagt der Berliner dir Bescheid, so wunderlich ihm auch einer vorkommt, der von diesen wichtigsten Dingen nichts weiß, die er selbst schon als kleiner Junge gelernt hat. Wenn dann aber eine bemerkenswerte Nuance oder neue wichtige Etappe der geregelten Raserei da unten deutlich wird, wendet er sich von dir weg, ist ganz Auge und Ohr, beschimpft und bejubelt den oder die, auf die er mit seinen Kumpanen oder im eignen Herzen mit dem Schicksal gewettet hat. Er vergißt dich, die Freunde, Beruf und Liebe, Lust und Verdruß. Von den beiden großen Bedürfnissen des römischen Volkes, panis et circenses, beherrschen ihn nur noch die circenses. Londoner und Pariser in Sweater und Halstuch sind gewiß auch große Sportkenner und -enthusiasten, aber sie haben ältere Erfahrungen teils im Sport, teils in Weltstadtfreude überhaupt. Hier aber sitzest du neben dem jüngsten Großstädter. Der ist noch unblasiert, wenn er sich auch gelassen stellt mit seinem ‚Selbstredend‘ und ‚Kommt nich in Frage‘ (der neuen Form für das ältere ‚Ausjeschlossen‘). Er fiebert im Massenrausch. Er fährt wie aus tiefem Traum, wenn der Gongschlag den Beginn einer neuen Stunde verkündet. Einen Augenblick verläßt sein Blick die Spur seines Fahrers und streift den Apparat, der die geleisteten Kilometer anzeigt. Im Paroxysmus kannst du ihn sehn bei plötzlichen Jagden oder in der letzten Nacht, wenn sein Feuer noch geschürt wird durch die Zählapparate am Ziel, welche die noch zu fahrenden Minuten angeben. Doch auch in seinen gelinderen Momenten ist er unterhaltend. Da spielt zum Beispiel die Kapelle statt seiner Lieblingsmelodien irgend ein mondänes Stück, das ihn langweilt. Gleich geht’s los: »Wo bleibt denn der Sportpalastwalzer? Ihr Fettjemachten, ihr Volljefressnen! Andre Kapelle! Halt’t Schnauze mit eurem ‚Ich küsse Ihren . . . Madame‘.« Und als dann die Kapelle den gewünschten Walzer spielt, pfeifen die da oben mit durch die Finger und machen noch besondre Fiorituren um die Melodie herum. Dazwischen stößt die heisere Stimme des Kellners: ‚Wer wünscht noch Bier, Brause?‘ Ein witziger Zeitungsausrufer reimt: ‚Die Mottenpost, die bloß’n Jroschen kost’t.‘ Späte Nachzügler werden begrüßt: »Jetz kommt det Kind von der Post . . . Na, du oller Hundertfünfunsiebziger, wo hast de denn so lange jesteckt? Mensch, hast wohl zu lange jefastet, siehst ja aus wie ’ne Spiritusleiche.« Ein Schreck zuckt durch die Fladen des Rauchs, die Büschel der Scheinwerfer: es ist ein Fahrer gestürzt. Ist der Sturz schwer? Man weiß noch nicht. Die andern kreisen weiter. Man schleppt den blutenden in seine Koje am Innenbord der Bahn. Vielleicht kann schon der Masseur ihm helfen, und er braucht nicht zur Arztstation. Die seidnen Damen am nächsten Sekttisch beugen sich einen Augenblick über die Brüstung zu ihm. Dann wird er vergessen. So ist der Sportpalast in einer der oft und fachmännischer erzählten großen Nächte. Eine eigene Schönheit hat er während des Sechstagerennens auch in manchen stilleren Nachmittagstunden, wenn milchig blaues Tageslicht in die Bretterbahn fällt, auf der die Räder leise surren, und gelbe und blaue Reklameplakate bestrahlt. Das gibt dem hölzernen Raum eine Wärme und Dichtigkeit, wie sie sonst unser Berlin nur selten hat. Sport ist international und kennt keine politischen Parteien. Aber sein Palast hier steht auch der politischen Leidenschaft offen. Große Kundgebung der Nationalsozialisten wird angekündigt. Die Hallen füllen sich. Vor den Toren patrouilliert die Polizei, denn man rechnet mit Gegendemonstrationen der ‚Roten‘ draußen. Und vom Aneinandervorbei bis zum Prügeln ist der Weg nicht weiter als bei den Montecchi und Capuletti der vom ‚Eselbohren‘ bis zum Blankziehen. Mit einmal heißt es, die Kommunisten versuchen den Palast zu stürmen. Die Polizei bekommt Verstärkung. Gummiknüppel werden geschwungen. Wer angefangen hat, ist schwer festzustellen. Wenn sie nicht ihre Abzeichen trügen, Orden der Reaktion oder Revolution, sie wären kaum zu unterscheiden, die kecken Berliner Jungen aus beiden Lagern. Mitunter lauern auch draußen die vom Stahlhelm, während drinnen die Roten tagen. Dann ist der Saal mit breiten roten Spruchbändern behangen. Ordner müssen die Treppengänge immer wieder frei machen. Stühle werden hergeschleppt und nachgerückt im überfüllten Saal. Von den Schwalbennestern oben bis an die Türen unten ist alles voll. Gefügig drückt sich die Menge beiseite, wenn mit Musik die Rotfront einzieht. Kriegerisch ist die Musik, welche die Genossen begeistert, wie einst die, bei der sie Kameraden waren. Ganz junge Burschen ziehn beckenschlagend voran, Pfeifer folgen ihnen im Gleichschritt. Die geballte Faust der Männer, die offne Hand der Knaben grüßt die Fahnen. All das nimmt der Sportpalast mit einer Art riesenhafter Gutmütigkeit in seine runden Weiten. Mit unparteiischem Echo dröhnen seine Wände ‚Hakenkreuz am Stahlhelm‘ und ‚Auf zum letzten Gefechte‘ wieder wie die Zurufe der Sportfreunde. Es ist ja alles Überschwang derselben ungebrochnen Lebenslust. Zweite Station: Der Heinrich von Kleist-Park. Der hat einen besonderen Schmuck bekommen durch Gontards Königskolonnaden, die ehedem in der Gegend des heutigen Bahnhofs Alexanderplatz standen. Hier sind sie noch nicht ganz zu Hause, nicht so ins Stadtgefüge eingetan wie die Kolonnaden desselben Meisters am Ende der Leipziger Straße, deren Rundung in eine platzartige Erweiterung mitten in lauteste Geschäftsgegend ruhevolle Vergangenheit bannt. (Es ist, als könne man durch die Tore und Türen, welche sich hinter den Säulen öffnen, geradewegs in die Zimmer vergangener Zeiten dringen.) Die nach dem Kleistpark versetzten Kolonnaden müßten in diesem Parkrahmen Ruine sein oder wenigstens stärker verwittern. Man sollte wenigstens für Vogelnester sorgen . . . Immerhin erfreuen wir uns an den gemeißelten Gewinden um die Schneckenkapitelle der Säulen und an den Reliefs darunter, die wie Buchvignetten wirken. Unter den Statuen ist ein rundliches Nymphenmädchen, das bei all seiner Rokoko-Antike im Ausdruck etwas von einer Berliner ‚Nutte‘ hat. Das muß also wohl älter sein als der Begriff. Parkeinwärts zielt eine Bogenschützin so stilvoll wie möglich über den Mummelteich auf die kleine Restflora vom ehemaligen Botanischen Garten, der hier war, bevor er hinter Steglitz verlegt wurde. Was zwischen Steinchen gepflegt blüht, dem dürfen die Kinder sich nicht nähern, sie müssen auf den Sandplätzen bleiben oder ihre Roller auf die breiteren Wege lenken. Am glücklichsten unter den Kleinen sind vielleicht die, denen die herrlichen Sandschutthaufen drüben am Plankenzaun bei den freigelegten Wasserleitungsröhren als Rutschbahn dienen. Von den Erwachsnen interessiert uns am meisten die Gruppe Kartenspieler auf der Bank unterm Busch. Ich glaube, es sind Arbeitslose, wie wir sie im Friedrichshain gesehen haben. Sie vergessen für ein paar Stunden ihren Jammer. Angespannt sehen sie auf die Karten in der Hand dessen, der mischt, wie Rembrandts Mediziner auf den Leichnam unterm Messer des lehrenden Arztes in der Anatomie. Ein Gelähmter hat seinen Wagen an die Partie auf der Bank hingerollt und kiebitzt hingebungsvoll. Und nun hinein ins eigentliche Schöneberg. Da ist eine Hauptstraße, wo es alles gibt: zwiebelig getürmte Häuser mit Aufgängen nur für Herrschaften. Läden mit Duettbrennern und Proviantdosen mit verstellbarem Abteil und ähnlich praktisch heißendem Bedarf. Wir wollen nicht verweilen. Diese Gegend macht ungewöhnlich traurig. Dann lieber über den Kaiser Wilhelmsplatz — wie soll er auch sonst heißen? — ins sozusagen offiziell traurige Viertel von Schöneberg gehn, die ‚Insel‘, wie die Einwohner es nennen: Straßen, die den Schienensträngen der Ringbahn benachbart sind. Dort kann man morgens und abends zwischen den beiden Bahnhöfen Schöneberg und Großgörschenstraße, die nicht miteinander verbunden sind, eiliges armes Volk durch den ‚polnischen Korridor‘ laufen sehen. Hinter den traurigen Fassaden ahnt man die sonnenlosen Hinterhöfe, die ‚Rasenanlage‘, in der die Kinder nicht graben dürfen, Müllkästen und das ungewollte Duett eines Radiolautsprechers im Fenster und einer Drehorgel unten, keifende Nachbarinnen und die dünne Stimme des Bettelsängers. Das rotverhangene Gestell dort an der Ecke der absteigenden Nebenstraße, welches ein Werbebüro der KPD birgt, kann hier auf guten Zuspruch rechnen . . . Von Tempelhof kommt einen bergigen Weg den Bahnübergang her die Tram zwischen Güterbahnhof und Müllabfuhrschuppen gefahren. Sie bringt uns schnell ans andere Ende von Schöneberg, an die tiefe Mulde des Stadtparks. In dem könnte man im Notfall das Lied vom verliebten ‚Schöneberg im Monat Mai‘ lokalisieren, was in den übrigen Teilen dieses Orts mit dem verheißungsvollen Namen kaum möglich ist. Nördlich vom Stadtpark liegt das rühmlich bekannte ‚Bayrische Viertel‘. Wieviel davon man zu Berlin, zu Schöneberg oder zu Wilmersdorf rechnen soll, weiß ich nicht. Es ist nicht so rechtwinkelig und geradlinig angelegt wie Berlin W. Und statt uns darüber zu freuen, fluchen wir Undankbaren, daß wir uns in all diesem Heilbronn, Regensburg, Landshut und Aschaffenburg immer wieder verirren. Uns kann man’s nie recht machen. Auch die allerlei Brunnen- und Baumanlagen nehmen wir, ohne sie recht zu beachten, hin. In einigen Winkeln stoßen wir auf Versuche, altdeutsche Stadt nachzumachen, die rührend scheitern. Man muß nicht allzu streng mit dem Bayrischen Viertel sein. Als es gebaut wurde, gab es noch nicht unser gleich- und alleinseligmachendes Laufband. Durch Wilmersdorf und Friedenau führt die lange Kaiserallee, umgeben von Wohnvierteln, die sich aus alten Dörfern und Villenkolonien gebildet haben. Von Friedenau wird behauptet, daß es, wie auch gewisse Teile von Steglitz und Lichterfelde, Zufluchtstätte vieler ehemaliger königlicher Beamter und rentenlos gewordener Rentner alten Schlages sei. Gestalten mit chronisch entrüstetem Gesichtsausdruck über Bärten, die etwas Pensioniertes, etwas von Restbestand haben, sollen Geheimräte und Kanzleisekretäre sein; es begleiten sie Gattinnen, die oft richtige Federn auf dem Hut haben, wie in entschwundenen Zeiten die Damen von Welt es hatten. Diese würdigen Matronen wohnen in freundlichen etwas unmodernen Gartenhäusern. Man sollte glauben, daß sie in ihrem traulichen Heim lieblicher werden müßten, als sie es sind. Nun, wir wollen für ihre Kinder hoffen . . . Wo die Kaiserallee in die Schloßstraße mündet, fängt Steglitz an. Es beginnt hochmodern mit einem stolz ragenden Filmpalast, an dessen Flanken in strahlenden Röhren das Licht flutet, in dessen Innerm strenge Linien und kühne Wölbungen Zuschauer- und Bühnenraum umschweifen. Aber weiterhin ist das gute Steglitz eine der älteren berlinischen Kleinstädte und viele Häuser der Seitenstraßen, die zum Stadtpark führen, sind geblieben wie zur Zeit der Jahrhundertwende, da man hier Schul- und Studienfreunde besuchte, die Sonderlinge waren und zur bessern Erkenntnis der Weltstadt die kontrastierende Stille des abgelegenen Vororts brauchten. Das älteste hier ist wohl das Schloßrestaurant mit dem Theater, ein Gebäude, das bald nach 1800 von Gilly als Landhaus errichtet worden ist. Mit der Wannseebahn erreichen wir als nächste Station den Botanischen Garten, eine wunderbare Schöpfung von Wissenschaft und Geschmack. Da kann man durch die Flora der hohen Gebirge in winzigen Alpen und Kordilleren spazieren gehn. Die ganzen Karpathen sind in einer halben Minute durchstreift. Vom Mittelmeer ist es nicht weit zum Himalaya. Hinterm Palmenhaus aber steigt als heimischer Hügel der Dahlemer Fichtenberg an. Straßen und Plätze bei dem Garten haben hübsche Namen, einen Begonienplatz gibt es, einen Asternplatz und eine Malvenstraße. Schön gelegen wie die botanischen und pflanzenphysiologischen Museen am Gartenrand sind auch die wissenschaftlichen Institute im nahen Dahlem. Da hat die strenge Wissenschaft lauter licht und munter gebaute sommerliche Heime der Biologie, Entomologie, Völkerkunde, Chemie. Die landwirtschaftliche Hochschule wohnt breit und bequem in einer Art Gutshof. Sogar das Geheime Preußische Staatsarchiv, das hier haust, hat ländlich frische Farbe und ein lustig rotes Dach. Und selbst die Untergrundbahnhöfe in und bei Dahlem besitzen sommerliche Anmut. Dieser Vorort ist eine der Gegenden, wo die Berliner der kommenden Zeit wohnen, ein Menschenschlag, bei dem die Abgehetztheit der Väter, die ‚zu nichts kamen‘, weil sie zuviel zu tun hatten, in eine freie heitere Beweglichkeit sich umzuwandeln scheint. Nun, wir wollen mit Bestimmtheit nichts behaupten, aber immerhin hoffen. Vielleicht haben wir Glück und es begegnet uns eine der jungen Dahlemer Berlinerinnen. Sie läßt ihr Auto hier vor dem hübschen Café an der Station parken und geht mit uns zu Fuß waldeinwärts bis zur Krummen Lanke und dann wasserentlang nach Onkel Toms Hütte oder zum alten Jagdschloß Grunewald, das einst Kaspar Theyß für den Kurfürsten Joachim erbaut hat. Dort machen wir eine Weile vor dem kuriosen Steinrelief halt, das drei Personen um einen Tisch stehend versammelt, in der Mitte den Fürsten als Wirt oder Kellermeister mit aufgekrempelten Ärmeln und stattlichem Embonpoint, neben ihm den höfisch gekleideten Baumeister, dem sein Gebieter den Humpen kredenzt, während die dritte Gestalt einen Krug mit weiterem Trank bereit hält. Wir rätseln an den witzigen Versen, die in altem Deutsch darunterstehn. Bald aber haben wir genug von alter Zeit und sanftem Spazieren, und die gastliche Dahlemerin fährt uns im Eiltempo zur neuen Siedlung an der Riemeisterstraße, zu alten Lichterfelder Villenstraßen und nach Zehlendorf, wo wieder mitten im Neuen und Neueren die achteckige Dorfkirche mit dem spitzigen Dach für einen Augenblick fesselt, die aus den Zeiten des Großen Friedrich stammt. Dann geht es durch Schlachtensee und Nikolassee zum Wannsee. Unsern Tee nehmen wir in einem etwas abgelegenen Haus am See. Eine kleine Kapelle lockt zu ein wenig Tanz. Unsre Begleiterin kann uns an lebenden Beispielen über den Anteil des besten Berlin an den neuen Sommermoden belehren. Aber auch mit den Segelbooten weiß sie Bescheid. Sie kennt den Besitzer der hübschen Jacht, weiß, wem der eifrige Motor gehört. Vielleicht haben wir noch Zeit, an den Stölpchensee zu fahren und von der Terrasse auf die Paddelboote zu schauen, auf die jungen zartkräftigen Knie der Mädchen, die tief im Boot liegen, während der Gefährte oder die Gefährtin lenkt. Im Vorbeifahren sehn wir bei Schildhorn Volk vom Autobus hergebracht, das hier freibadet, Ball spielt und Hunde tummelt. Rührend ist das Stückchen dünenzarter Sand am Rande des Waldhangs, durch den Stolperwege zwischen Kaninchenlöchern führen. Vielleicht ist unsre Begleiterin Mitglied des Golfklubs und nimmt uns, wenn wir es verdienen, mit zu der schönsten Sportstätte. Sie zu beschreiben zitiere ich Worte des Dichters dieses lebendigsten, gegenwärtigsten Berlin, die Worte Wilhelm Speyers in seiner ‚Charlott etwas verrückt‘: »Unter den neuen Sportstätten im jungen Leben Berlins war keine schöner geworden als der zwischen Wannsee und Potsdam gelegene Golfplatz. Rasenflächen und Fichtenwälder mit vereinzelten seitwärts gelegenen Bungalos fielen in sanfter märkischer Schräge zu einem kleinen See oder zu neuen Wäldern und neuen Rasenflächen hinab. Stand man oben auf der Terrasse des Klubhauses, so wurden die über weite Räume verteilten Spieler und ihre buntbekleideten Caddies in der klaren, trockenen und reinen Luft der Mark vor dem Blickfeld des Betrachtenden eng zusammengezogen, als seien sie mit ihrem erhobenen oder gesenkten Spielgerät kostbar gebildete, in schwierigen Verkürzungen dargestellte Figuren eines japanischen Holzschnittes. Begleitet nur von den bags-tragenden Knaben, doch abgesondert von den andern Spielern, hatte der Spielende etwas in seiner Haltung von dem frommen, auf sich gestellten Eifer eines Eremiten der Thebais.« Von solchen Gestalten nennt uns unsre Protektorin einige bei Namen, während wir auf der schönen Gartenterrasse sitzen, und so lernen wir Berliner Gesellschaft kennen, dieses schwer darzustellende Gebilde, zu dessen Formung soviel verschiedene merkwürdige Ehrgeize beigetragen haben, daß die zugleich freieste und konventionellste Sozietät entstand. Man muß sich sehr zusammennehmen, um sich so gehen zu lassen, wie es den großen Berlinern gefällt. Durch unsre Athene (Athene ist Schutzgöttin der jungen Berlinerinnen mehr als Diana oder Venus, glaub' ich), durch diese unsre Athene werden wir auch den kennenlernen, der uns mitnimmt zum Polo in die Gartenstadt Frohnau, zum Trabrennen nach Mariendorf und auf die Rennbahn Grunewald usw. Nach alldem wird Athene uns, um ihre Güte vollzumachen, auch noch heimfahren, und zwar über die Avus, die berühmte Automobil-Verkehrs-und-Übungsstraße. Dort lernen wir, da wir in diesem Artikel noch nicht so erfahren sind wie hier jeder Junge von zehn Jahren, die verschiedenen berühmten Automobilmarken im Vorbeifahren unterscheiden, und von manchen wie jenem großen Hispano, diesem eleganten Buick, dem schlanken ganz roten, dem kleinen ganz weißen Wagen, nennt Athene den Besitzer oder die Dame am Steuer, während die kleinen Bäume hinter dem Zaun und die Reklameschilder am Straßenrand schräg in unsre rasche Fahrt sinken. Langsamer gleiten wir dann durchs nördliche Tor, und hinterm Funkturm geht es noch einmal mit achtzig oder mehr Kilometer die breite Straße auf den Tiergarten zu.