diff options
Diffstat (limited to 'OEBPS/Text/65.html')
-rw-r--r-- | OEBPS/Text/65.html | 325 |
1 files changed, 325 insertions, 0 deletions
diff --git a/OEBPS/Text/65.html b/OEBPS/Text/65.html new file mode 100644 index 0000000..63adb68 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/65.html @@ -0,0 +1,325 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Archipelagus.</title> +</head> + +<body> + +<h4>Der Archipelagus.</h4> + +<p>Kehren die Kraniche wieder zu dir? und suchen zu deinen<br /> +Ufern wieder die Schiffe den Lauf? umathmen erwünschte<br /> +Lüfte dir die beruhigte Flut, und sonnet der Delphin,<br /> +Aus der Tiefe gelockt, am neuen Lichte den Rücken?<br /> +Blüht Jonien? ist es die Zeit? denn immer im Frühling,<br /> +Wenn den Lebenden sich das Herz erneut und die erste<br /> +Liebe den Menschen erwacht, und goldner Zeiten Erinnrung,<br /> +Komm' ich zu dir, und grüß' in deiner Stille dich, Alter!</p> + +<p>Immer, Gewaltiger! lebst du noch und ruhest im Schatten<br /> +Deiner Berge, wie sonst; mit Jünglingsarmen umfängst du<br /> +Noch dein liebliches Land, und deiner Töchter, o Vater,<br /> +Deiner Inseln ist noch, der blühenden, keine verloren.<br /> +Kreta steht, und Salamis grünt, umdämmert von Lorbeern,<br /> +Rings von Stralen umblüht, erhebt zur Stunde des Aufgangs<br /> +Delos ihr begeistertes Haupt, und Cenos und Chios<br /> +Haben der purpurnen Früchte genug, von trunkenen Hügeln<br /> +Quillt der Cypriertrank, und von Kalauria fallen<br /> +Silberne Bäche, wie einst, in die alten Wasser des Vaters.<br /> +Alle leben sie noch, die Heroenmütter, die Inseln,<br /> +Blühend von Jahr zu Jahr, und wenn zu Zeiten, vom Abgrund<br /> +Losgelassen, die Flamme der Nacht, das untre Gewitter,<br /> +Eine der Holden ergriff und die Sterbende dir in den Schooß sank,<br /> +Göttlicher! du, du dauertest aus, denn über den dunkeln<br /> +Tiefen ist Manches schon dir auf und untergegangen.</p> + +<p>Auch die Himmlischen, sie , die Kräfte der Höhe die stillen,<br /> +Die den heiteren Tag und süßen Schlummer und Ahnung<br /> +Fernher bringen über das Haupt der fühlenden Menschen<br /> +Aus der Fülle der Macht, auch sie, die alten Gespielen,<br /> +Wohnen, wie einst, mit dir, und oft am dämmernden Abend,<br /> +Wenn von Asiens Bergen herein das heilige Mondlicht<br /> +Kömmt und die Sterne sich in deiner Woge begegnen,<br /> +Leuchtest du von himmlischem Glanz, und so, wie sie wandeln,<br /> +Wechseln die Wasser dir, es tönt die Weise der Brüder<br /> +Droben, ihr Nachtgesang im liebenden Busen dir wieder.<br /> +Wenn die allverklärende dann, die Sonne des Tages,<br /> +Sie, des Orients Kind, die Wunderthätige, da ist,<br /> +Dann die Lebenden all im goldenen Traume beginnen,<br /> +Den die Dichtende stets des Morgens ihnen bereitet,<br /> +Dir, dem trauernden Gott, dir sendet sie froheren Zauber,<br /> +Und ihr eigen freundliches Licht ist selber so schön nicht,<br /> +Denn das Liebeszeichen, der Kranz, den immer, wie vormals,<br /> +Deiner gedenk, doch sie um die graue Locke dir windet.<br /> +Und umfängt der Aether dich nicht, und kehren die Wolken,<br /> +Deine Boten, von ihm mit dem Göttergeschenke, dem Strale<br /> +Aus der Höhe dir nicht? Dann sendest du über das Land sie,<br /> +Daß am heißen Gestad die gewittertrunkenen Wälder<br /> +Rauschen und wogen mit dir, daß bald, dem wandernden Sohn gleich,<br /> +Wenn der Vater ihn ruft, mit den tausend Bächen Mäander<br /> +Seinen Irren enteilt, und aus der Ebne Kayster<br /> +Dir entgegen frohlockt, und der Erstgeborne, der Alte,<br /> +Der zu lange sich barg, dein majestätischer Nil itzt<br /> +Hochherschreitend aus fernem Gebirg, wie im Klange der Waffen,<br /> +Siegreich kömmt und die offenen Arme der sehnende reichet.</p> + +<p>Dennoch einsam dünkest du dir, in schweigender Nacht hört<br /> +Deine Weheklage der Fels, und öfters entflieht dir<br /> +Zürnend von Sterblichen weg die geflügelte Woge zum Himmel.<br /> +Denn es leben mit dir die edlen Lieblinge immer,<br /> +Die dich geehrt, die einst mit den schönen Tempeln und Städten<br /> +Deine Gestade bekränzt, und immer suchen und missen,<br /> +Immer bedürfen ja, wie Heroen den Kranz, die geweihten<br /> +Elemente zum Ruhme das Herz der fühlenden Menschen.</p> + +<p>Sage, wo ist Athen? ist über den Urnen der Meister<br /> +Deine Stadt, die geliebteste dir, an den heiligen Ufern<br /> +Trauernder Gott, dir ganz in Asche zusammen gesunken?<br /> +Oder ist noch ein Zeichen von ihr, daß etwa der Schiffer,<br /> +Wenn er vorüber kömmt, sie nenn' und ihrer gedenke?<br /> +Stiegen dort die Säulen empor und leuchteten dort nicht<br /> +Sonst vom Dache der Burg herab die Göttergestalten?<br /> +Rauschte dort die Stimme des Volks, die stürmischbewegte,<br /> +Aus der Agora nicht her, und eilt' es aus freudigen Pforten<br /> +Dort die Gassen dir nicht zu gesegnetem Hafen herunter?<br /> +Siehe! da löste sein Schiff der fernhinsinnende Kaufmann,<br /> +Froh, denn es wehet' ihm auch die beflügelnde Luft und die Götter<br /> +Liebten so, wie den Dichter, auch ihn, dieweil er die guten<br /> +Gaben der Erd' ausglich und Fernes Nahem vereinte.<br /> +Fern nach Eypros ziehet er hin und ferne nach Tyros,<br /> +Strebt nach Kolchis hinauf und hinab zum alten Aegyptos,<br /> +Daß er Purpur und Wein und Korn und Vliesse gewinne<br /> +Für die eigene Stadt, und öfters über des kühnen<br /> +Herkules Säulen hinaus, zu neuen seligen Inseln<br /> +Tragen die Hoffnungen ihn und des Schiffes Flügel, indessen,<br /> +Anders bewegt, am Gestade der Stadt ein einsamer Jüngling<br /> +Weilt, und die Woge belauscht, und Großes ahnet der Ernste,<br /> +Wenn er zu Füßen so des erderschütternden Meisters<br /> +Lauschet und sitzt, und nicht umsonst erzog ihn der Meergott.</p> + +<p>Denn des Genius Feind, der vielgebietende Perse,<br /> +Jahrlang zählt' er sie schon, der Waffen Menge, der Knechte,<br /> +Spottend des griechischen Lands und seiner wenigen Inseln,<br /> +Und sie däuchten dem Herrscher ein Spiel, und noch wie ein Traum war<br /> +Ihm das innige Volk, vom Göttergeiste gerüstet.<br /> +Leicht aus spricht er das Wort, und schnell, wie der flammende Bergquell,<br /> +Wenn er, fruchtbar umher vom gährenden Aetna gegossen,<br /> +Städte begräbt in der purpurnen Flut und blühende Gärten,<br /> +Bis der brennende Strom im heiligen Meere sich kühlet,<br /> +So mit dem Könige nun, versengend, städteverwüstend,<br /> +Stürzt von Ekbatana daher sein prächtig Getümmel;<br /> +Weh! und Athene, die Herrliche, fällt; wohl schauen und ringen<br /> +Vom Gebirg, wo das Wild ihr Geschrei hört, fliehende Greise<br /> +Nach den Wohnungen dort zurück und den rauchenden Tempeln;<br /> +Aber es weckt der Söhne Gebet die heilige Asche<br /> +Nun nicht mehr, im Thal ist der Tod, und die Wolke des Brandes<br /> +Schwindet am Himmel dahin, und weiter im Lande zu ernten,<br /> +Zieht, vom Frevel erhitzt, mit der Beute der Perse vorüber.</p> + +<p>Aber an Salamis Ufern o Tag! an Salamis Ufern,<br /> +Harrend des Endes stehn die Athenerinnen, die Jungfraun,<br /> +Stehn die Mütter, wiegend im Arm das gerettete Söhnlein,<br /> +Aber den Horchenden schallt aus Tiefen die Stimme des Meergotts<br /> +Heilweissagend herauf, es schaun die Götter des Himmels<br /> +Wägend und richtend herab, denn dort an den bebenden Ufern<br /> +Wankt seit Tagesbeginn, wie langsam wandelnd Gewitter,<br /> +Dort auf schäumenden Wassern die Schlacht, und es glühet der Mittag<br /> +Unbemerket im Zorn, schon über dem Haupte den Kämpfern.<br /> +Aber die Männer des Volks, die Heroenenkel, sie walten<br /> +Helleren Auges jetzt, die Götterlieblinge denken<br /> +Des beschiedenen Glücks, es zähmen die Kinder Athenes<br /> +Ihren Genius, ihn, den todverachtenden, jetzt nicht.<br /> +Denn wie aus rauchendem Blut das Wild der Wüste noch einmal<br /> +Sich zuletzt verwandelt erhebt, der edleren Kraft gleich,<br /> +Und den Jäger erschreckt, kehrt jetzt im Glanze der Waffen,<br /> +Bei der Herrscher Gebot furchtbargesammelt den Wilden<br /> +Mitten im Untergang, die ermattete Seele noch einmal.<br /> +Und entbrannter beginnt's; wie Paare ringender Männer,<br /> +Fassen die Schiffe sich an, in die Woge taumelt das Steuer,<br /> +Unter den Streitern bricht der Boden und Schiffer und Schiff sinkt.</p> + +<p>Aber in schwindelnden Traum vom Liede des Tages gesungen,<br /> +Rollt der König den Blick; irrlächelnd über den Ausgang,<br /> +Droht er und fleht und frohlockt, und sendet, wie Blitze, die Boten;<br /> +Doch er sendet umsonst, es kehret keiner ihm wieder.<br /> +Blutige Boten, Erschlagne des Heers, und berstende Schiffe,<br /> +Wirft die Rächerin ihm zahllos, die donnernde Woge,<br /> +Vor den Thron, wo er sitzt am bebenden Ufer, der Arme,<br /> +Schauend die Flucht, und fort in die fliehende Menge gerissen,<br /> +Eilt er, ihn treibt der Gott, es treibt sein irrend Geschwader<br /> +Ueber die Fluten der Gott, der spottend sein eitel Geschmeid ihm<br /> +Endlich zerschlug und den Schwachen erreicht' in der drohenden Rüstung.</p> + +<p>Aber liebend zurück zum einsam harrenden Strome<br /> +Kommt der Athener Volk, und von den Bergen der Heimath<br /> +Wogen, freudig gemischt, die glänzenden Schaaren herunter<br /> +Ins verlassene Thal, ach! gleich der gealterten Mutter,<br /> +Wenn nach Jahren das Kind, das verloren geachtete, wieder<br /> +Lebend ihr an den Busen kehrt, ein erwachsener Jüngling.<br /> +Aber im Gram ist ihr die Seele gewelkt, und die Freude<br /> +Kömmt der Hoffnungsmüden zu spät und mühsam vernimmt sie,<br /> +Was der liebende Sohn in seinem Danke geredet;<br /> +So erscheint den Kommenden dort der Boden der Heimath.<br /> +Denn es fragen umsonst nach ihren Hainen die Frommen,<br /> +Und die Sieger empfängt die freundliche Pforte nicht wieder,<br /> +Wie den Wanderer sonst sie empfieng, wenn er froh von den Inseln<br /> +Wiederkehrt', und die selige Burg der Mutter Athene<br /> +Ueber sehnendem Haupt ihm fernherglänzend heraufgieng.<br /> +Aber wohl sind ihnen bekannt die verödeten Gassen<br /> +Und die trauernden Gärten umher und auf der Agora,<br /> +Wo des Portikus Säulen gestürzt, und die göttlichen Bilder<br /> +Liegen, da reicht, in der Seele bewegt, und der Treue sich freuend,<br /> +Jetzt das liebende Volk zum Bunde die Hände sich wieder.<br /> +Bald auch suchet und sieht den Ort des eigenen Hauses<br /> +Unter dem Schutte der Mann; ihm weint am Halse, der trauten<br /> +Schlummerstätte gedenk, sein Weib, es fragen die Kindlein<br /> +Nach dem Tische, wo sonst in lieblicher Reihe sie saßen,<br /> +Von den Vätern gesehn, den lächelnden Göttern des Hauses.<br /> +Aber Gezelte bauet das Volk, es schließen die alten<br /> +Nachbarn wieder sich an, und nach des Herzens Gewohnheit<br /> +Ordnen die lüftigen Wohnungen sich umher an den Hügeln.<br /> +So indessen wohnen sie nun, wie die Freien, die Alten,<br /> +Die, der Stärke gewiß und dem kommenden Tage vertrauend,<br /> +Wandernden Vögeln gleich, mit Gesange von Berge zu Berg einst,<br /> +Zogen, die Fürsten des Forsts und des weitumirrenden Stromes.<br /> +Doch umfängt noch, wie sonst, die Muttererde, die treue,<br /> +Wieder ihr edel Volk, und unter heiligem Himmel<br /> +Ruhen sie sanft, wenn milde, wie sonst die Lüfte der Jugend<br /> +Um die Schlafenden wehn und aus Platanen Ilissus<br /> +Ihnen herüberrauscht und, neue Tage verkündend,<br /> +Lockend zu neuen Thaten, bei Nacht die Woge des Meergotts<br /> +Fernher tönt und fröhliche Träume den Lieblingen sendet.<br /> +Schon auch sprossen und blühn die Blumen mählig, die goldnen,<br /> +Auf zertretenem Feld, von frommen Händen gewartet,<br /> +Grünet der Oelbaum auf, und auf Kolonos Gefilden<br /> +Nähren friedlich, wie sonst, die athenischen Rosse sich wieder.</p> + +<p>Aber der Muttererd' und dem Gott der Woge zu Ehren,<br /> +Blühet die Stadt jetzt auf, ein herrlich Gebild, dem Gestirn gleich<br /> +Sicher gegründet, des Genius Werk, denn Fesseln der Liebe<br /> +Schafft er gerne sich so, so hält in großen Gestalten,<br /> +Die er selbst sich erbaut, der Immerrege sich bleibend.<br /> +Sieh! und dem Schaffenden dienet der Wald, ihm reicht mit den andern<br /> +Bergen nahe zur Hand der Pentele Marmor und Erze.<br /> +Aber lebend, wie er, und froh und herrlich entquillt es<br /> +Seinen Händen, und leicht, wie der Sonne, gedeiht das Geschäft ihm.<br /> +Brunnen steigen empor, und über die Hügel in reinen<br /> +Bahnen gelenkt, ereilt der Quell das glänzende Becken;<br /> +Und umher an ihnen erglänzt, gleich festlichen Helden,<br /> +Am gemeinsamen Kelch, die Reihe der Wohnungen, hoch ragt<br /> +Der Prytanen Gemach, es stehn Gymnasien offen,<br /> +Göttertempel entstehn, ein heiligkühner Gedanke,<br /> +Steigt, Unsterblichen nah, das Olympion auf in den Aether<br /> +Aus dem seligen Hain; noch manche der himmlischen Hallen!<br /> +Mutter Athene, dir auch, dir wuchs dein herrlicher Hügel<br /> +Stolzer aus der Trauer empor und blühte noch lange,<br /> +Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge sangen<br /> +Frohversammelt noch oft am Vorgebirge den Dank dir.</p> + +<p>O die Kinder des Glücks, die frommen! wandeln sie fern nun<br /> +Bei den Vätern daheim, und der Schicksalstage vergessen,<br /> +Drüben am Lethestrom, und bringt kein Sehnen sie wieder?<br /> +Sieht mein Auge sie nie? ach! findet über den tausend<br /> +Pfaden der grünenden Erd', ihr göttergleichen Gestalten!<br /> +Euch das suchende nie, und vernahm ich darum die Sprache,<br /> +Darum die Sage von euch, daß immertrauernd die Seele<br /> +Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten entfliehe?<br /> +Aber näher zu euch, wo eure Haine noch wachsen,<br /> +Wo sein einsames Haupt in Wolken der heilige Berg hüllt,<br /> +Zum Parnassos will ich, und wenn im Dunkel der Eiche<br /> +Schimmernd, mir Irrenden dort Kastalias Quelle begegnet,<br /> +Will ich, mit Thränen gemischt, aus blütheumdufteter Schale<br /> +Dort auf keimendes Grün das Wasser gießen, damit doch,<br /> +O ihr Schlafenden all' ein Todtenopfer euch werde.<br /> +Dort im schweigenden Thal, an Tempe's hangenden Felsen,<br /> +Will ich wohnen mit euch, dort oft, ihr herrlichen Namen!<br /> +Her euch rufen bei Nacht, und wenn ihr zürnend erscheinet,<br /> +Weil der Pflug die Gräber entweiht, mit der Stimme des Herzens<br /> +Will ich, mit frommem Gesang, euch sühnen, heilige Schatten!<br /> +Bis, zu leben mit euch, sich ganz die Seele gewöhnet.<br /> +Fragen wird der Geweihtere dann euch Manches, ihr Todten!<br /> +Euch, ihr Lebenden, auch, ihr hohen Kräfte des Himmels,<br /> +Wenn ihr über dem Schutt mit euren Jahren vorbeigeht,<br /> +Ihr in der sicheren Bahn! denn oft ergreifet das Irrsal<br /> +Unter den Sternen mir, wie schaurige Lüfte, den Busen,<br /> +Daß ich spähe nach Rath, und lang schon reden sie nimmer<br /> +Trost den Bedürftigen zu, die prophetischen Haine Dodona's,<br /> +Stumm ist der delphische Gott, und einsam liegen und öde<br /> +Längst die Pfade, wo einst, von Hoffnungen leise geleitet,<br /> +Fragend der Mann zur Stadt des redlichen Sehers heraufstieg.<br /> +Aber droben das Licht, es spricht noch heute zu Menschen,<br /> +Schöner Deutungen voll, und des großen Donnerers Stimme,<br /> +Ruft es: Denket ihr mein? und die trauernde Woge des Meergotts<br /> +Hallt es wieder: gedenkt ihr nimmer meiner, wie vormals?<br /> +Denn es ruhn die Himmlischen gern am fühlenden Herzen,<br /> +Immer, wie sonst, geleiten sie noch, die begeisternden Kräfte,<br /> +Gerne den strebenden Mann, und über den Bergen der Heimath<br /> +Ruht und waltet und lebt allgegenwärtig der Aether,<br /> +Daß ein liebendes Volk, in des Vaters Armen gesammelt,<br /> +Menschlich freudig, wie sonst, und Ein Geist allen gemein sey.<br /> +Aber weh! es wandelt in Nacht, es wohnt, wie im Orkus,<br /> +Ohne Göttliches unser Geschlecht. An's eigene Treiben<br /> +Sind sie geschmiedet allein, und sich in der tosenden Werkstatt<br /> +Höret jeglicher nur und viel arbeiten die Wilden<br /> +Mit gewaltigem Arm, rastlos, doch immer und immer<br /> +Unfruchtbar, wie die Furien, bleibt die Mühe der Armen.<br /> +Bis, erwacht vom ängstigen Traum, die Seele den Menschen<br /> +Aufgeht, jugendlich froh, und der Liebe segnender Odem<br /> +Wieder, wie vormals oft, bei Hellas blühenden Kindern,<br /> +Wehet in neuer Zeit, und über freierer Stirne<br /> +Uns der Geist der Natur, der fernherwandelnde, wieder<br /> +Stilleweilend der Gott in goldnen Wolken erscheinet.<br /> +Ach und säumest du noch? und jene, die göttlich gebornen,<br /> +Wohnen immer, o Tag! noch als in den Tiefen der Erde<br /> +Einsam unten, indeß ein immerlebender Frühling<br /> +Unbesungen über dem Haupt den Schlafenden dämmert?<br /> +Aber länger nicht mehr! schon hör' ich ferne des Festtags<br /> +Chorgesang auf grünem Gebirg, und das Echo der Haine,<br /> +Wo der Jünglinge Brust sich hebt, wo die Seele des Volks sich<br /> +Still vereint in freierem Lied, zur Ehre des Gottes,<br /> +Dem die Höhe gebührt, doch auch die Thale sind heilig;<br /> +Denn, wo fröhlich der Strom in wachsender Jugend hinauseilt,<br /> +Unter Blumen des Lands, und wo auf sonnigen Ebnen<br /> +Edles Korn und der Obstwald reift, da kränzen am Feste<br /> +Gerne die Frommen sich auch, und auf dem Hügel der Stadt glänzt,<br /> +Menschlicher Wohnung gleich, die himmlische Helle der Freude.<br /> +Denn voll göttlichen Sinns ist alles Leben geworden,<br /> +Und vollendend, wie sonst, erscheinst du wieder den Kindern<br /> +Ueberall, o Natur! und, wie vom Quellengebirg, rinnt<br /> +Segen von da und dort in die keimende Seele dem Volke.<br /> +Dann, dann, o ihr Freuden Athens! ihr Thaten in Sparta!<br /> +Köstliche Frühlingszeit im Griechenlande! wenn unser<br /> +Herbst kömmt, wenn ihr, gereift, ihr Geister alle der Vorwelt!<br /> +Wiederkehret und siehe! des Jahrs Vollendung ist nahe!<br /> +Dann erhalte das Fest auch euch, vergangene Tage!<br /> +Hin nach Hellas schaue das Volk, und weinend und dankend<br /> +Sänftige sich in Erinnerungen der stolze Triumphtag!</p> + +<p>Aber blühet indeß, bis unsre Früchte beginnen,<br /> +Blüht, ihr Gärten Joniens, nur, und die an Athens Schutt<br /> +Grünen, ihr Holden! verbergt dem schauenden Tage die Trauer!<br /> +Kränzt mit ewigem Laub, ihr Lorberwälder! die Hügel<br /> +Eurer Todten umher, bei Marathon dort, wo die Knaben<br /> +Siegend starben, ach! dort auf Chäroneas Gefilden,<br /> +Wo mit Waffen hinaus die letzten Athener enteilten,<br /> +Fliehend vor dem Tage der Schmach, dort, dort von den Bergen<br /> +Klagt in's Schlachtthal täglich herab, dort singet von Oetas<br /> +Gipfeln das Schicksalslied, ihr wandelnden Wasser, herunter!<br /> +Aber du, unsterblich, wenn auch der Griechengesang schon<br /> +Dich nicht feiert, wie sonst, aus deinen Wogen, o Meergott!<br /> +Töne mir in die Seele noch oft, daß über den Wassern<br /> +Furchtlos rage der Geist, dem Schwimmer gleich, in der Starken<br /> +Frischem Glücke sich üb', und die Göttersprache das Wechseln<br /> +Und das Werden versteh'; und wenn die reißende Zeit mir<br /> +Zu gewaltig das Haupt ergreift, und die Noth und das Irrsaal<br /> +Unter Sterblichen mir mein sterblich Leben erschüttert,<br /> +Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken!</p> + +</body> +</html> |