From 7c749e36d04ed9c5175d00aa3029d2f70ccca45f Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 16:18:38 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/50.html | 746 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 746 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/50.html (limited to 'OEBPS/Text/50.html') diff --git a/OEBPS/Text/50.html b/OEBPS/Text/50.html new file mode 100644 index 0000000..a92b4d1 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/50.html @@ -0,0 +1,746 @@ + + + + + + + + Emilie vor ihrem Brauttag. + + + +

Emilie

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vor ihrem Brauttag.
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Emilie an Klara.
+ +

Ich bin im Walde mit dem Vater draus
+Gewesen, diesen Abend, auf dem Pfade,
+Du kennest ihn, vom vor'gen Frühlinge.
+Es blühten wilde Rosen nebenan,
+Und von der Felswand überschattet' uns
+Der Eichenbüsche sonnenhelles Grün;
+Und oben durch der Buchen Dunkel quillt
+Das klare flüchtige Gewässer nieder.
+Wie oft, du Liebe! stand ich dort und sah
+Ihm nach aus seiner Bäume Dämmerung
+Hinunter in die Ferne, wo zum Bach
+Es wird, zum Strome, sehnte mich mit ihm
+Hinaus — wer weiß wohin?

+ +

Das hast du oft
+Mir vorgeworfen, daß ich immerhin
+Abwesend bin mit meinem Sinne, hast
+Mir's oft gesagt, ich habe bei den Menschen
+Kein friedlich Bleiben nicht, verschwende
+Die Seele an die Lüfte, lieblos sey
+Ich öfters bei den Meinen. Gott! ich lieblos?

+ +

Wohl mag es freudig seyn und schön, zu bleiben,
+Zu ruhn in einer lieben Gegenwart,
+Wenn eine große Seele, die wir kennen,
+Vertraulich nahe waltet über uns,
+Sich um uns schließt, daß wir, die Heimatlosen,
+Doch wissen, wo wir wohnen.

+ +

Gute! Treue!
+Doch hast Du recht. Bist denn Du nicht mir eigen?
+Und hab' ich ihn den theuern Vater nicht,
+Den Heiligjugendlichen, Vielerfahrnen,
+Der, wie ein stiller Gott auf dunkler Wolke,
+Verborgenwirkend über seiner Welt
+Mit freiem Auge ruht? und wenn er schon
+Ein Höher's weiß, und ich des Mannes Geist
+Nur ahnen kann, doch ehrt er liebend mich,
+Und nennt mich seine Freude, ja! und oft
+Giebt eine neue Seele mir sein Wort.

+ +

Dann möcht' ich wohl den Segen, den er gab,
+Mit Einem, das ich liebte, gerne theilen.
+Und bin allein — ach! ehmals war ich's nicht!

+ +

Mein Eduard! mein Bruder! denkst du sein
+Und denkst du noch der frommen Abende,
+Wenn wir im Garten oft zusammensaßen
+Nach schönem Sommertage, wenn die Luft
+Um unsre Stille freundlich athmete,
+Und über uns des Aethers Blumen glänzten?
+Wenn von den Alten er, den Hohen! uns
+Erzählte, wie in Freude sie und Freiheit
+Aufstrebten, seine Meister? Tönender
+Hub dann aus seiner Brust die Stimme sich,
+Und zürnend war und liebend oft voll Thränen
+Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten
+Der Abende, wie nun, da Großes ihm
+Bevorstand, ruhiger der Jüngling war,
+Noch mit Gesängen, die wir gerne hörten,
+Und mit der Zither uns die Trauernden
+Vergnügt'!

+ +

Ich seh' ihn immer, wie er gieng.
+Nie war er schöner kühn, die Seele glänzt'
+Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat
+Er vor den alten Vater. Kann ich Glück
+Von dir empfangen! sprach er, heil'ger Mann!
+So wünsche lieber mir das größte, denn
+Ein anderes! und betroffen schien der Vater.
+Wenn's seyn soll, wünsch' ich dir's, antwortet' er.
+Ich stand beiseit, und wehemüthig sah
+Der Scheidende mich an und rief mich laut;
+Mir bebt' es durch die Glieder, und er hielt
+Mich zärtlich fest, in seinen Armen stärkte
+Der Starke mir das Herz, und da ich aufsah
+Nach meinem Lieben, war er fortgeeilt.

+ +

»Ein edel Volk ist hier auf Korsika;«
+Schrieb freudig er im letzten Briefe mir,
+»Wie wenn ein zahmer Hirsch zum Walde kehrt
+»Und seine Brüder trifft, so bin ich hier,
+»Und mir bewegt im Männerkriege sich
+»Die Brust, daß ich von allem Weh genese.

+ +

»Wie lebst Du, theure Seele! und der Vater?
+»Hier unter frohem Himmel, wo zu schnell
+»Die Frühlinge nicht altern, und der Herbst
+»Aus lauer Luft die goldnen Früchte streut.
+»Auf dieser guten Insel werden wir
+»Uns wiedersehen; dieß ist meine Hoffnung.

+ +

»Ich lobe mir den Feldherrn. Oft im Traum'
+»Hab' ich ihn fast gesehen, wie er ist,
+»Mein Paoli, noch eh' er freundlich mich
+»Empfing und zärtlich vorzog, wie der Vater
+»Den Jüngstgebornen, der es mehr bedarf.

+ +

»Und schämen muß ich vor den andern mich,
+»Den furchtbarstillen, ernsten Jünglingen.
+»Sie dünken traurig dir bei Ruh und Spiel;
+»Unscheinbar sind sie, wie die Nachtigall,
+»Wenn von Gesang sie ruht; am Ehrentag'
+»Erkennst Du sie. Ein eigen Leben ist's! —
+»Wenn mit der Sonne wir, mit heil'gem Lied'
+»Heraufgehn übern Hügel, und die Fahnen
+»In's Thal hinab im Morgenwinde wehn,
+»Und drunten auf der Ebne fernher sich,
+»Ein gährend Element, entgegen uns
+»Die Menge regt und treibt, da fühlen wir
+»Frohlockender, wie wir uns herrlich lieben;
+»Denn unter unsern Zelten und auf Wogen
+»Der Schlacht begegnet uns der Gott, der uns
+»Zusammenhält.

+ +

»Wir thun, was sich gebührt,
+»Und führen wohl das edle Werk hinaus.
+»Dann küßt ihr noch den heimathlichen Boden,
+»Den trauernden, und kommt und lebt mit uns,
+»Emilie! — Wie wird's dem alten Vater
+»Gefallen, bei den Lebenden noch Einmal
+»Zum Jüngling aufzuleben und zu ruhn
+»In unentweihter Erde, wenn er stirbt.

+ +

»Denkst du des tröstenden Gesanges noch,
+»Emilie, den seiner theuern Stadt
+»In ihrem Fall der stille Römer sang, *)
+»Noch hab' ich Einiges davon im Sinne.

+ +

»Klagt nicht mehr! kommt in neues Land! so sagt' er.
+»Der Ocean, der die Gefild' umschweift,
+»Erwartet uns. Wir suchen selige
+»Gefilde, reiche Inseln, wo der Boden
+»Noch ungepflügt die Früchte jährlich giebt,
+»Und unbeschnitten noch der Weinstock blüht,
+»Wo der Olivenzweig nach Wunsche wächst,
+»Und ihren Baum die Feige keimend schmückt,
+»Wo Honig rinnt aus hohler Eich' und leicht
+»Gewässer rauscht von Bergeshöhe. Noch Manches
+»Bewundern werden wir, die Glücklichen.
+»Es sparte für ein frommes Volk Saturnus Sohn
+»Dieß Ufer auf, da er die goldne Zeit
+»Mit Erze mischte. — Lebe wohl, du Liebe!«

+ +

Der Edle fiel des Tags darauf im Treffen
+Mit seiner Liebsten Einem, ruht mit ihm
+In Einem Grab!

+ +

In deinem Schoose ruht
+Er, schönes Korsika! und deine Wälder
+Umschatten ihn, und deine Lüfte wehn
+Am milden Herbsttag freundlich über ihm,
+Dein Abendlicht vergoldet seinen Hügel.

+ +

Ach! dorthin möcht' ich wohl, doch hälf' es nicht.
+Ich sucht' ihn, so wie hier. Ich würde fast
+Dort weniger, wie hier, mich sein entwöhnen.
+So wuchs ich auf mit ihm, und weinen muß ich
+Und lächeln, denk' ich, wie mir's ehmals oft
+Beschwerlich ward, dem Wilden nachzukommen,
+Wenn nirgend er beim Spiele bleiben wollte.
+Nun bist du dennoch fort und lässest mich
+Allein, du Lieber! und ich habe nun
+Kein Bleiben auch, und meine Augen sehn
+Das Gegenwärtige nicht mehr, o Gott!
+Und mit Phantomen peiniget und tröstet
+Nun meine Seele sich, die einsame.
+Das weißt du, gutes Mädchen! nicht, wie sehr
+Ich unvernünftig bin. Ich will dir's all'
+Erzählen. Morgen! Mich besucht doch immer
+Der süße Schlaf, und wie die Kinder bin ich,
+Die besser schlummern, wenn sie ausgeweint.

+ +
*) Horaz Epod. 16, v. 39 sqq.
+ + + +
Emilie an Klara.
+ +

Der Vater schwieg im Leide tagelang,
+Da er's erfuhr; und scheuen mußt' ich mich,
+Mein Weh ihm sehn zu lassen; lieber gieng
+Ich dann hinaus zum Hügel und das Herz
+Gewöhnte mir zum freien Himmel sich.
+Ich tadelt' oft ein wenig mich darüber,
+Daß nirgend mehr im Hause mirs gefiel.
+Vergnügt mit Allem war ich ehmals da,
+Und leicht war Alles mir. Nun ängstigt es
+Mich oft; noch trieb ich mein Geschäft, doch leblos,
+Bis in die Seele stumm in meiner Trauer.

+ +

Es war, wie in der Schattenwelt, im Hause.
+Der stille Vater und das stumme Kind!

+ +

Wir wollen fort auf eine Reise, Tochter!
+Sagt' eines Tags mein Vater und wir giengen,
+Und kamen dann zu Dir. In diesem Land',
+An deines Nekars friedlichschönen Ufern,
+Da dämmert eine stille Freude mir
+Zum erstenmale wieder auf. Wie oft
+Im Abendlichte stand ich auf dem Hügel
+Mit dir, und sah das grüne Thal hinauf,
+Wo zwischen Bergen, da die Rebe wächst,
+An manchem Dorf vorüber, durch die Wiesen
+Zu uns herab, von luft'ger Weid' umkränzt,
+Das goldne ruhige Gewässer wallte!
+Mir bleibt die Stelle lieb, wo ich gelebt.

+ +

Ihr heiter freien Ebenen des Mains,
+Ihr reichen, blühenden! wo nahe bald
+Der frohe Strom, des stolzen Vaters Liebling,
+Mit offnem Arm' ihn grüßt, den alten Rhein!

+ +

Auch ihr! Sie sind wie Freunde mir geworden,
+Und aus der Seele mir vergehen soll
+Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Busen,
+So soll mir auch die Freude lebend bleiben.

+ +

Erzählen wollt' ich dir, doch hell ist nie
+Das Auge mir, wenn dessen ich gedenke;
+Vor seinen kindischen, geliebten Träumen
+Bebt immer mir das Herz.

+ +

Wir reisten dann
+Hinein in andre Gegenden, ins Land
+Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten
+Der wilden, heil'gen Berge lebten wir,
+Die Sommertage durch, und sprachen gern
+Von Helden, die daselbst gewohnt, und Göttern.

+ +

Noch giengen wir des Tages, ehe wir
+Vom Orte schieden, in den Eichenwald
+Des herrlichen Gebirgs hinaus, und standen
+In kühler Luft auf hoher Heide nun.

+ +

»Hier unten in dem Thale schlafen sie
+»Zusammen, sprach mein Vater, lange schon,
+»Die Römer mit den Deutschen, und es haben
+»Die Freigebornen sich, die stolzen, stillen,
+»Im Tode mit den Welteroberern
+»Versöhnt, und Großes ist und Größeres
+»Zusammen in der Erde Schoos gefallen.
+»Wo seyd ihr, meine Todten all'? Es lebt
+»Der Menschengenius, der Sprache Gott,
+»Der alte Braga noch, und Hertha grünt
+»Noch immer ihren Kindern, und Walhalla
+»Blaut über uns, der heimathliche Himmel;
+»Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.«

+ +

Ich sah hinab und leise schauerte
+Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn,
+Den Guten, die hier unten vormals lebten.

+ +

Jetzt stand ein Jüngling, der, uns ungesehen,
+Am einsamen Gebüsch beiseit gesessen,
+Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt'
+Ich rufen, das ist Eduard! — Du bist
+Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und sah
+Den Jüngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen,
+Er faßte schnell mich bei der Hand und zog
+Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umsehn.
+Derselbe wars und nicht derselbe! Stolz und groß,
+Und Aug' und Stirn' und Locke; schärfer blickt'
+Er nur, und um die seelenvolle Miene
+War, wie ein Schleier, ihm ein stiller Ernst
+Gebreitet. Und er sah mich an. Es war,
+Als sagt' er, gehe nur auch du, so geht
+Mir alles hin, doch duld' ich aus und bleibe.

+ +

Wir reisten noch desselben Abends ab,
+Und langsamtraurig fuhr der Wagen weiter
+Und weiter durchs unwegsame Gebirg.
+Es wechselten in Nebel und in Regen
+Der Bäum' und des Gebüsches dunkle Bilder
+Im Walde nebenan. Der Vater schlief,
+In dumpfem Schmerze träumt' ich hin, und kaum
+Nur eben noch, die lange Zeit zu zählen,
+War mir die Seele wach.

+ +

Ein schöner Strom
+Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es standen
+Im breiten Boot die Schiffer am Gestad';
+Die Pferde traten folgsam in die Fähre,
+Und ruhig schifften wir. Erheitert war
+Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet'
+Und Hütten, wo der fromme Landmann schlief,
+Aus blauer Luft das stille Mondlicht nieder;
+Und alles dünkte friedlich mir und sorglos,
+In Schlaf gesungen von des Himmels Sternen.

+ +

Und ich sollt' ohne Ruhe seyn von nun an.
+Verloren ohne Hoffnung mir an Fremdes
+Die Seele meiner Jugend! Ach! ich fühlt'
+Es jetzt, wie es geworden war mit mir.
+Dem Adler gleich, der in der Wolke fliegt,
+Erschien und schwand mir aus dem Auge wieder,
+Und wieder mir des hohen Fremdlings Bild,
+Daß mir das Herz erbebt' und ich umsonst
+Mich fassen wollte. Schliefst du gut, mein Kind!
+Begrüßte nun der gute Vater mich,
+Und gerne wollt' ich auch ein Wort ihm sagen.
+Die Thränen doch erstickten mir die Stimme,
+Und in den Strom' hinunter mußt' ich sehn,
+Und wußte nicht, wo ich mein Angesicht
+Verbergen sollte.

+ +

Glückliche! die du
+Dieß nie erfahren, überhebe mein
+Dich nicht. Auch du, und wer von allen mag
+Sein eigen bleiben unter dieser Sonne?
+Oft meint' ich schon, wir leben nur, zu sterben,
+Uns opfernd hinzugeben für ein Anders.
+O schön zu sterben, edel sich zu opfern,
+Und nicht so fruchtlos, so vergebens, Liebe!
+Das mag die Ruhe der Unsterblichen
+Dem Menschen seyn.

+ +

Bedaure du mich nur!
+Doch tadeln, Gute, sollst du mir es nicht!
+Nennst du sie Schatten, jene, die ich liebe?
+Da ich kein Kind mehr war, da ich ins Leben
+Erwachte, da aufs neu mein Auge sich
+Dem Himmel öffnet' und dem Licht, da schlug
+Mein Herz dem Schönen; und ich fand es noch;
+Wie soll ichs nennen, nun es nicht mehr ist
+Für mich? O laßt! Ich kann die Todten lieben,
+Die Fernen; und die Zeit bezwingt mich nicht.
+Mein oder nicht! du bist doch schön, ich diene
+Nicht Einem, was der Stunde nur gefällt,
+Dem Täglichen gehör ich nicht; es ist
+Ein Anders, was ich lieb'; unsterblich
+Ist, was du bist, und du bedarfst nicht meiner,
+Damit du groß und gut und liebenswürdig
+Und herrlich seyst, du edler Genius!

+ +

Laßt nur mich stolz in meinem Leide seyn,
+Und zürnen, wenn ich ihn verläugnen soll;
+Bin ich doch sonst geduldig, und nicht oft
+Aus meinem Munde kömmt ein Männerwort.
+Demüthigt michs doch schon genug, daß ich,
+Was ich dir lang verborgen, nun gesagt.

+ + + +
Emilie an Klara.
+ +

Wie dank' ich dir, du Liebe, daß du mir
+Vertrauen abgewonnen, daß ich dir
+Mein still Geheimniß ausgesprochen.

+ +

Ich bin nun ruhiger — wie nenn' ichs dir?
+Und an die schönen Tage denk' ich, wenn ich oft
+Hinaus ging mit dem Bruder, und wir oben
+Auf unserm Hügel beieinander saßen,
+Und ich den Lieben bei den Händen hielt,
+Und mirs gefallen ließ am offnen Feld'
+Und an der Straß', und ins Gewölb' hinauf
+Des grünen Ahorns staunt', an dem wir lagen.
+Ein Sehnen war in mir, doch war ich still.
+Es blühten uns der ersten Hoffnung Tage,
+Die Tage des Erwachens.

+ +

Holde Dämm'rung!
+So schön ists, wenn die gütige Natur
+Ins Leben lockt ihr Kind. Es singen nur
+Den Schlummersang am Abend unsre Mütter.
+Sie brauchen nie das Morgenlied zu singen.
+Dieß singt die andre Mutter uns, die gute;
+Die wunderbare, die uns Lebenslust
+In unsern Busen athmet, uns mit süßen
+Verheißungen erweckt.

+ +

Wie ist mir, Liebe!
+Ich kann an Jugend heute nur, und nur
+An Jugend denken.

+ +

Sieh! ein heitrer Tag
+Ists eben auch. Seit frühem Morgen sitz' ich
+Am lieben Fenster, und es wehn die Lüfte,
+Die zärtlichen, herein, mir blickt das Licht
+Durch meine Bäume, die zu nahe mir
+Gewachsen sind, und mählig mit den Blüthen
+Das ferne Land verhüllen, daß ich mich
+Bescheiden muß, und hie und da noch kaum
+Hinaus mich find' aus diesem freundlichen
+Gefängniß! und es fliegen über ihnen
+Die Schwalben und die Lerchen, und es singen
+Die Stunde durch genug die Nachtigallen,
+Und wie sie heißen, all die Lieblinge
+Der schönen Jahrszeit; eigne Namen möcht'
+Ich ihnen geben, und den Blumen auch,
+Den stillen, die aus dunklem Beete duften,
+Zu mir herauf wie junge Sterne glänzend.

+ +

Und wie es lebt und glücklich ist im Wachsthum,
+Und seiner Reise sich entgegen freut!

+ +

Es findet jedes seine Stelle doch,
+Sein Haus, die Speise, die das Herz ihm sättigt,
+Und jedes segnest du mit eignem Segen,
+Natur! und giebst dich ihnen zum Geschäft,
+Und trägst und nährst zu ihrer Blüthenfreud'
+Und ihrer Frucht sie fort, du gütige!

+ +

Und klagtest du doch öfters, trauernd Herz!
+Vergaßest mir den Glauben, danktest nicht,
+Und dachtest nicht, wenn dir dein Thun zu wenig
+Bedeuten wollt', es sey ein frommes Opfer,
+Das du, wie andre, vor das Leben bringest,
+Wohl meinend, wie der Lerche Lied, das sie
+Den Lüften singt, den freudegebenden. —

+ +

Nun geh' ich noch hinaus und hole Blumen,
+Dem Vater aus dem Feld', und bind' ihm sie
+In Einen Straus, die drunten in dem Garten,
+Und die der Bach erzog; ich wills schon richten,
+Daß ihm's gefallen soll. Und dir? dir bring' ich
+Genug des Neuen. Da ist's immer anders.
+Jetzt blühn die Weiden; jetzt vergolden sich
+Die Wiesen; jetzt beginnt der Buche Grün,
+Und jetzt der Eiche — nun! leb' wohl indessen!

+ +
Emilie an Klara.
+

Ihr Himmlischen! das war er. Kannst du mir
+Es glauben? — Beste! — wärst du bei mir! — Er!
+Der Hohe, der Gefürchtete, Geliebte! —
+Mein bebend Herz, hast du so viel gewollt?

+ +

Da gieng ich so zurück mit meinen Blumen,
+Sah auf den Pfad, den abendröthlichen,
+In meiner Stille nieder, und es schlief
+Mir sanft im Busen das Vergangene,
+Ein kindlich Hoffen athmete mir auf;
+Wie wenn uns zwischen süßem Schlaf und Wachen
+Die Augen halb geöffnet sind, so war
+Ich Blinde. Sieh! da stand er vor mir mein
+Heroe und ich Arme war, wie todt,
+Und ihm, dem Brüderlichen, überglänzte
+Das Angesicht, wie einem Gott, die Freude.

+ +

»Emilie!« — das war sein frommer Gruß,
+Ach! alles Sehnen weckte mir und all
+Das liebe Leiden, so ich eingewiegt,
+Der goldne Ton des Jünglings wieder auf!
+Nicht aufsehn durft' ich! keine Sylbe durft'
+Ich sagen! O, was hätt' ich ihm gesagt!

+ +

Was mein' ich denn, du Gute? — laß mich nur!
+Nun darf ich ja, nun ists so thöricht nimmer,
+Und schön ist's, wenn der Schmerz mit seiner Schwester
+Der Wonne sich versöhnt, noch eh' er weggeht.

+ +

O Wiedersehn! das ist noch mehr, du Liebe!
+Als wenn die Bäume wieder blühn, und Quellen
+Von neuem fröhlich rauschen —

+ +

Ja! ich hab'
+Ihn oft gesucht und ernstlich oft es mir
+Versagt, doch wollt' ich sein Gedächtniß ehren.

+ +

Die Bilder der Gespielen, die mit mir
+Auf grüner Erd' in stummer Kindheit saßen,
+Sie dämmern ja um meine Seele mir,
+Und dieser edle Schatte, sollt' er nicht?
+Das Herz im Busen, das unsterbliche,
+Kann nicht vergessen, sieh! und öfters bringt
+Ein guter Genius die Liebenden
+Zusammen, daß ein neuer Tag beginnt,
+Und ihren Mai die Seele wieder feiert.

+ +

O wunderbar ist mir! auch er! — daß du
+Hinunter mußtest, Lieber! ehe dir
+Das deine ward, und dich die frohe Braut
+Zum Männerruhme segnete! Doch starbst
+Du schön, und oft hab' ich gehört, es fallen
+Die Lieblinge des Himmels früh, damit
+Sie sterblich Glück und Leid und Alter nicht
+Erfahren. Nimmermehr vergess' ich dich,
+Und ehren soll er dich. Dein Bild will ich
+Ihm zeigen, wenn er kömmt; und wenn der Stolze
+Sich dann verwundert, daß er sich bei mir
+Gefunden, sag' ich ihm, es sey ein Andrer,
+Und den er lieben müsse. O er wirds!

+ + + +
Emilie an Klara.
+ +

Da schrieb er mir. Ja theures Herz! er ists,
+Den ich gesucht. Wie dieser Jüngling mich
+Demüthiget und hebt! Nun! lies es nur!
+»So bist du's wieder und ich habe dich
+»Gegrüßt, gefunden, habe dich noch Einmal
+»In deiner frommen Ruh' gestört, du Kind
+»Des Himmels! — Nein, Emilie! du kanntest
+»Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir sind's,
+»Die Längstverwandten, die der Gott getraut,
+»Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.
+»Ich bin voll Freude, schöne Seele! bin
+»Der neuen Melodien ungewohnt.
+»Es ist ein anders Lied, als jenes, so
+»Dem Jünglinge die Parze lehrend singt,
+»Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weise tönt;
+»Dann gönnt sie ihm, du Friedliche! von dir
+»Den süßern Ton, den liebsten, einzigen,
+»Zu hören. Mein? o sieh! du wirst in Lust
+»Die Mühe mir, und, was mein Herz gebeut,
+»Du wirst es all in heilge Liebe wandeln.
+»Und hab' ich mit Unmöglichem gerungen,
+»Und mir die Brust zu Treu und Ruh gehärtet,
+»Du wärmest sie mit frommer Hoffnung mir,
+»Daß sie vertrauter mit dem Siege schlägt.
+»Und wenn das Urbild, das, wie Morgenlicht,
+»Mir aus des Lebens dunkler Wolke stieg,
+»Das Himmlische, mir schwindet, seh' ich dich,
+»Und, eine schöne Götterbotin, mahnst
+»Du lächelnd mich an meinen Phöbus wieder;
+»Und wenn ich zürne, sänftigest du mich.
+»Dein Schüler bin ich dann, und lausch' und lerne.
+»Von deinem Munde nehm' ich, Zauberin
+»Des Ueberredens süße Gabe mir,
+»Daß sie die Geister freundlich mir bezwingt;
+»Und wenn ich ferne war von dir, und wund
+»Und müd dir wiederkehre, heilst du mich,
+»Und singst in Ruhe mich, du holde Muse!

+ +

»Emilie! daß wir uns wiedersahn!
+»Daß wir uns einst gefunden, und du nun
+»Mich nimmer fliehst, und nahe bist! Zu gern
+»Zu gern entwich dein stolzes Bild dem Wandrer,
+»Das zarte, reine, da du ferne warst,
+»Du Heiligschönes! doch ich sah dich oft,
+»Wenn ich des Tags allein die Pfade gieng,
+»Und Abends in der fremden Hütte schwieg.

+ +

»O heute! grüße, wenn du willst, den Vater!
+»Ich kenn' ihn wohl; auch meinen Namen kennt er;
+»Und seiner Freunde Freund bin ich. Ich wußte nicht,
+»Daß er es war, da wir zuerst einander
+»Begegneten, und lang erfuhr ich's nicht.
+»Bald grüß' ich schöner dich. — Armenion.«

+ + + +
Emilie an Klara.
+ +

Er woll' ihn morgen sprechen, sagte mir
+Mein Vater, morgen! und er schien nicht freundlich.
+Nun sitz' ich hier und meine Augen ruhn
+Und schlummern nicht; — ach! schämen muß ich mich,
+Es dir zu klagen, — will ich stille werden,
+So regt ein Laut mich auf; ich sinn' und bitte,
+Und weiß nicht, was? und sagen möcht' ich viel,
+Doch ist die Seele stumm; — o fragen möcht' ich
+Die sorgenfreien Bäume hier, die Stralen
+Der Nacht und ihre Schatten, wie es nun
+Mir endlich werden wird.

+ +

Zu still ist's mir
+In dieser schönen Nacht, und ihre Lüfte
+Sind mir nicht hold, wie sonst. Die Thörin!
+So lang er ferne war, so liebt' ich ihn;
+Nun bin ich kalt, und zag' und zürne mir
+Und andern. — Auch die Worte, so ich dir
+In dieser bösen Stunde schreibe, lieb'
+Ich nicht, und was ich sonst von ihm geschrieben,
+Unleidlich ist es mir. Was ist es denn?
+Ich wünsche fast, ich hätt' ihn nie gesehn.
+Mein Friede war doch schöner. Theures Herz!
+Ich bin betrübt, und anders, denn ichs war,
+Da ich um den Verlornen trauerte.
+Ich bin es nimmer, nein! ich bin es nicht,
+Ich bin nicht gut, und seellos bin ich auch.
+Mich läßt die Furcht, die häßliche, nicht ruhn.

+ +

O daß der goldne Tag die Ruhe mir,
+Mein eigen Leben wiederbrächt'! —

+ +

Ich will
+Geduldig seyn, und wenn der Vater ihn
+Nicht ehrt, mir ihn versagt, den Theuren,
+So schweig' ich lieber, und es soll mir nicht
+Zu sehr die Seele kränken; kann ich still
+Ihn ehren doch, und bleiben, wie ich bin.

+ + + +
Emilie an Klara.
+ +

Nun muß ich lächeln über alles Schlimme,
+Was ich die vor'ge Nacht geträumt; und hab'
+Ich dir es gar geschrieben? Anders bin
+Ich itzt gesinnt.

+ +

Er kam, und mir frohlokte
+Das Herz, wie er herab die Straße ging,
+Und mir das Volk den fremden Herrlichen
+Bestaunt'! und lobend über ihn geheim
+Die Nachbarn sich besprachen, und er jetzt
+Den Knaben, der an ihm vorüberging,
+Nach meinem Hause fragt'! ich sahe nicht
+Hinaus, ich konnt', an meinem Tische sitzend,
+Ihn ohne Scheue sehn — wie red' ich viel?
+Und da er nun herauf die Treppe kam,
+Und ich die Tritte hört' und seine Thüre
+Mein Vater öffnete, sie draußen sich
+Stillschweigend grüßten, daß ich nicht
+Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernünft'ge,
+Wie ward mir bange wieder? Und sie blieben
+Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,
+Daß ich es länger nicht erdulden konnt',
+Und dacht': ich könnte wohl den Vater fragen
+Um dieß und jenes, was ich wissen mußte.
+Dann hätt' ichs wohl gesehn in ihren Augen,
+Wie mir es werden sollte. Doch ich kam
+Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch
+In meinen Garten, wo die Pflanzen sonst,
+In andrer Zeit, die Stunde mir gekürzt.

+ +

Und fröhlich glänzten, von des Morgens Thau
+Gesättiget, im frischen Lichte sie
+Ins Auge mir, wie liebend sich das Kind
+An die betrübte Mutter drängt, so waren
+Die Blumen und die Blüthen um mich rings,
+Und schöne Pforten wölbten über mir
+Die Bäume.

+ +

Doch ich konnt' es jetzt nicht achten,
+Nur ernster ward und schwerer nur, und bänger
+Das Herz mir Armen immer, und ich sollte
+Wie eine Dienerinn von ferne lauschen,
+Ob sie vielleicht mich riefen, diese Männer!
+Ich wollte nun auch nimmer um mich sehn,
+Und barg in meiner Laube mich und weinte,
+Und hielt die Hände vor das Auge mir.

+ +

Da hört' ich sanft des Vaters Stimme nah,
+Und lächelnd traten, da ich noch die Thränen
+Mir trocknete, die beyden in die Laube:
+»Hast du dich so geängstiget, mein Kind!
+»Und zürnst du, sprach der Vater, daß ich erst
+»Für mich den edlen Gast behalten wollt'?
+»Ihn hast du nun. Er mag die Zürnende
+»Mit mir versöhnen, wenn ich Unrecht that.«

+ +

So sprach er; und wir reichten alle drey
+Die Händ' einander, und der Vater sah
+Mit stiller Freud' uns an. —

+ +

»Ein Trefflicher
+»Ist dein geworden, Tochter! sprach er jetzt,
+»Und dein, o Sohn! dieß heiligliebend Weib.
+»Ein freudig Wunder, daß die alten Augen
+»Mir übergehen, seyd ihr mir, und blüht,
+»Wie eine seltne Blume mir, ihr Beyden!

+ +

»Denn nicht gelingt es immerhin den Menschen,
+»Das Ihrige zu finden. Großes Glück
+»Zu tragen und zu opfern giebt der Gott
+»Den Einen, weniger gegeben ist
+»Den Andern; aber hoffend leben sie.

+ +

»Zwey Genien geleiten auf und ab
+»Uns Lebende, die Hoffnung und der Dank.
+»Mit Einsamen und Armen wandelt jene,
+»Die Immerwache; dieser führt aus Wonne
+»Die Glücklichen des Weges freundlich weiter,
+»Vor bösem Schiksal sie bewahrend. Oft,
+»Wenn er entfloh, erheben sich zu sehr
+»Die Freudigen, und rächend traf sie bald
+»Das ungebetne Weh.

+ +

»Doch gerne theilt
+»Das freie Herz von seinen Freuden aus,
+»Der Sonne gleich, die liebend ihre Stralen
+»An ihrem Tag' aus goldner Fülle giebt;
+»Und um die Guten dämmert oft und glänzt
+»Ein Kreis von Licht und Luft, so lang sie leben.

+ +

»O Frühling meiner Kinder, blühe nun
+»Und altre nicht zu bald, und reife schön!«

+ +

So sprach der gute Vater. Vieles wollt'
+Er wohl noch sagen, denn die Seele war
+Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.

+ +

Er gab ihn mir und segnet' uns + und gieng Hinweg

+ +

Ihr Himmelslüfte, die ihr oft
+Mich tröstend angeweht, nun athmetet
+Ihr heiligend um unser goldnes Glück!

+ +

Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,
+Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,
+Ich Freudige, zu unsrer Mutter auf,
+Zur schönen Sonne sah! nun dämmert es
+Im Auge nicht, wie sonst im sehnenden,
+Nun grüßt' ich helle dich, du stolzes Licht!
+Und lächelnd weiltest du, und kamst und schmücktest
+Den Lieben mir, und kränztest ihm mit Rosen
+Die Schläfe, Freundliches!

+ +

Und meine Bäume,
+Sie streuten auch ein hold Geschenk herab,
+Zu meinem Fest, vom Ueberfluß der Blüthen!

+ +

Da ging ich sonst; ach! zu den Pflanzen flüchtet'
+Ich oft mein Herz, bey ihnen weilt' ich oft,
+Und hing an ihnen; dennoch ruht' ich nie,
+Und meine Seele war nicht gegenwärtig.

+ +

Wie eine Quelle, wenn die jugendliche
+Dem heimathlichen Berge nun entwich,
+Die Pfade bebend sucht, und flieht und zögert,
+Und durch die Wiesen irrt und bleiben möcht',
+Und sehnend, hoffend immer doch enteilt.
+So war ich; aber liebend hat der stolze,
+Der schöne Strom die flüchtige genommen,
+Und ruhig wall' ich nun, wohin der sichre
+Mich bringen will, hinab am heitern Ufer.

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