From 7c749e36d04ed9c5175d00aa3029d2f70ccca45f Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 16:18:38 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/59.html | 181 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 181 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/59.html (limited to 'OEBPS/Text/59.html') diff --git a/OEBPS/Text/59.html b/OEBPS/Text/59.html new file mode 100644 index 0000000..fd90256 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/59.html @@ -0,0 +1,181 @@ + + + + + + + + Menons Klage um Diotima. + + + + +

Menons Klage um Diotima.

+ + + +
1.
+ +

Täglich geh' ich heraus und such' ein Anderes immer,
+Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
+Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch' ich,
+Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
+Ruh' erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
+Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
+Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm,
+Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher.
+Nicht die Wärme des Lichts, und nicht die Kühle der Nacht hilft,
+Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
+Und wie ihm vergebens die Erd' ihr fröhliches Heilkraut
+Reicht, und das gährende Blut keiner der Zephyre stillt,
+So, ihr Lieben, auch mir, so will es scheinen, und Niemand
+Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum?

+ +
2.
+ +

Ja! es frommet auch nicht, ihr Todesgötter! wenn einmal
+Ihr ihn haltet, und fest habt den bezwungenen Mann,
+Wenn ihr Bösen hinab in die schaurige Nacht ihn genommen,
+Dann zu suchen, zu flehn, oder zu zürnen mit euch,
+Oder geduldig auch wohl im furchtsamen Banne zu wohnen,
+Und mit Lächeln von euch hören das nüchterne Lied.
+Soll es seyn, so vergiß dein Heil, und schlummere klanglos!
+Aber doch quillt ein Laut hoffend im Busen Dir auf,
+Immer kannst Du noch nicht, o meine Seele, noch kannst Du's
+Nicht gewohnen, und träumst mitten im eisernen Schlaf!
+Festzeit hab' ich nicht, doch möcht' ich die Locke bekränzen;
+Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches muß
+Fernher nahe mir seyn, und lächeln muß ich und staunen,
+Wie so selig doch auch mitten im Leide mir ist.

+ + +
3.
+ +

Licht der Liebe! scheinest du denn auch Todten, du goldnes!
+Bilder aus hellerer Zeit leuchtet ihr mir in die Nacht?
+Liebliche Gärten, seyd, ihr abendröthlichen Berge,
+Seyd willkommen, und ihr, schweigende Pfade des Hains,
+Zeugen himmlischen Glücks, und ihr, hochschauende Sterne,
+Die mir damals oft segnende Blicke gegönnt!
+Euch, ihr Liebenden, auch, ihr schönen Kinder des Maitags,
+Stille Rosen und euch, Lilien, nenn' ich noch oft!
+Ihr Vertrauten! ihr Lebenden all' einst nahe dem Herzen,
+Einst wahrhaftiger, einst heller und schöner gesehn.
+Wohl gehn Frühlinge fort, ein Jahr verdränget das andre,
+Wechselnd und streitend, so tost droben vorüber die Zeit
+Ueber sterblichem Haupt, doch nicht vor seligen Augen,
+Und den Liebenden ist anderes Leben geschenkt.
+Denn sie alle, die Tag' und Jahre der Sterne, sie waren
+Diotima! um uns innig und ewig vereint.

+ +
4.
+ +

Aber wir, zufrieden gesellt, wie die liebenden Schwäne,
+Wenn sie ruhen am See, oder auf Wellen gewiegt,
+Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln,
+Und ätherisches Blau unter den Schiffenden wallt,
+So auf Erden wandelten wir. Und drohte der Nord auch,
+Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und fiel
+Von den Aesten das Laub, und flog im Winde der Regen,
+Ruhig lächelten wir, fühlten den eigenen Gott
+Unter trautem Gespräch, in Einem Seelengesange,
+Ganz in Frieden mit uns kindlich und freudig allein.
+Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge
+Mir genommen, auch mich hab' ich verloren mit ihr.
+Darum irr' ich umher und wohl, wie die Schatten, so muß ich
+Leben, und sinnlos dünkt lange das Uebrige mir.

+ +
6.
+ +

Feiern möcht' ich, aber wofür? und singen mit Andern,
+Aber so einsam fehlt jegliches Göttliche mir.
+Dieß ist's, dieß mein Gebrechen, ich weiß, es lähmet ein Fluch mir
+Darum die Sehnen, und wirft, wo ich beginne, mich hin,
+Daß ich fühllos sitze den Tag und stumm, wie die Kinder,
+Nur vom Auge mir kalt öfters die Thräne noch schleicht,
+Und die Pflanze des Felds, und der Vögel Singen mich trüb macht,
+Weil mit Freuden auch sie Boten des Himmlischen sind,
+Aber mir in schaudernder Brust die beseelende Sonne,
+Kühl und fruchtlos mir dämmert, wie Stralen der Nacht,
+Ach! und nichtig und leer, wie Gefängnißwände, der Himmel,
+Eine beugende Last, über dem Haupte mir hängt!

+ +
6.
+ +

Sonst mir anders bekannt! o Jugend! und bringen Gebete,
+Dich nicht wieder, Dich nie? führet kein Pfad mich zurück?
+Soll es werden auch mir, wie den Götterlosen, die vormals
+Glänzenden Auges doch auch saßen am seligen Tisch,
+Aber übersättiget bald, die schwärmenden Gäste,
+Nun verstummet, und nun, unter der Lüste Gesang,
+Unter blühender Erd' entschlafen sind, bis dereinst sie
+Eines Wunders Gewalt, sie, die Versunkenen, zwingt,
+Wiederzukehren und neu auf grünendem Boden zu wandeln. —
+Heiliger Odem durchströmt göttlich die lichte Gestalt,
+Wenn das Fest sich beseelt, und Fluten der Liebe sich regen,
+Und vom Himmel getränkt, rauscht der lebendige Strom,
+Wenn es drunten ertönt, und ihre Schätze die Nacht zollt,
+Und aus Bächen herauf glänzt das begrabene Gold.

+ +
7.
+ +

Aber o Du, die schon am Scheidewege mir damals,
+Da ich versank vor Dir, tröstend ein Schöneres wies,
+Du, die, Großes zu sehn und froher die Götter zu singen,
+Schweigend, wie sie, mich einst stille begeisternd, gelehrt,
+Götterkind! erscheinest Du mir, und grüßest, wie einst, mich,
+Redest wieder, wie einst, höhere Dinge mir zu?
+Siehe! weinen vor Dir und klagen muß ich, wenn schon noch
+Denkend edlerer Zeit, dessen die Sele sich schämt.
+Denn so lange, so lang' auf matten Pfaden der Erde
+Hab' ich, Deiner gewohnt, Dich in der Irre gesucht,
+Freudiger Schutzgeist! aber umsonst, und Jahre zerrannen,
+Seit wir ahnend um uns glänzen die Abende sahn.

+ +
8.
+ +

Dich nur, Dich erhält Dein Licht, o Heldin! im Lichte,
+Und Dein Dulden erhält liebend, o Gütige! Dich;
+Und nicht einmal bist Du allein, Gespielen genug sind,
+Wo blühest und ruhst unter den Rosen des Jahrs;
+Und der Vater, er selbst, durch sanft muthathmende Musen
+Sendet die zärtlichen Wiegengesänge Dir zu.
+Ja! noch ist sie es ganz! noch schwebt vom Haupte zur Sohle,
+Still herwandelnd, wie sonst, mir die Athenerin vor.
+Und wie, freundlicher Geist! von heitersinnender Stirne
+Segnend und sicher Dein Stral unter die Sterblichen fällt,
+So bezeugest Du mir's, und sagst mir's, daß ich es Andern
+Wiedersage, denn auch Andere glauben es nicht,
+Daß unsterblicher doch, denn Sorg' und Zürnen, die Freude
+Und ein goldener Tag täglich am Ende noch ist.

+ +
9.
+ +

So will ich, ihr Himmlischen! denn euch danken und endlich
+Athmet aus leichter Brust, wieder des Sängers Gebet.
+Und wie, wenn ich mit ihr, auf sonniger Höhe mit ihr stand,
+Spricht belebend ein Gott innen im Tempel mich an.
+Leben will ich denn auch! schon grünt's! wie von heiliger Leier
+Ruft es von silbernen Bergen Appollons voran!
+Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden Fittige sind ja
+Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all!
+Großes zu finden, ist viel, ist viel noch übrig, und wer so
+Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn.
+Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,
+Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr,
+Fromme Bitten, und ihr, Begeisterungen, und all ihr
+Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind,
+Bleibt so lange mit uns, bis wir mit gemeinsamem Boden,
+Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,
+Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters,
+Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind,
+Dort uns, oder auch hier, auf thauender Insel begegnen,
+Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt,
+Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind,
+Und von neuem ein Jahr unserer Sele beginnt!

+ + + + + -- cgit v1.2.3