From 7c749e36d04ed9c5175d00aa3029d2f70ccca45f Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 16:18:38 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/62.html | 102 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 102 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/62.html (limited to 'OEBPS/Text/62.html') diff --git a/OEBPS/Text/62.html b/OEBPS/Text/62.html new file mode 100644 index 0000000..4e71b7a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/62.html @@ -0,0 +1,102 @@ + + + + + + + + Der Wanderer. + + + + +

Der Wanderer.

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Einsam stand ich und sah in die afrikanischen dürren
+Ebnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab.
+Fernhin schlich das hagre Gebirg, wie ein wandelnd Gerippe,
+Hohl und einsam und kahl blickt' aus der Höhe sein Haupt.
+Ach! nicht sprang, mit erfrischendem Grün, der schattende Wald hier
+In die säuselnde Luft üppig und herrlich empor,
+Bäche stürzten hier nicht in melodischem Fall vom Gebirge,
+Durch das blühende Thal schlingend den silbernen Strom,
+Keiner Heerde verging am plätschernden Brunnen der Mittag,
+Freundlich aus Bäumen hervor blickte kein wirthliches Dach.
+Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel gesanglos,
+Aengstig und eilend flohn wandernde Störche vorbei.
+Nicht um Wasser rief ich dich an, Natur, in der Wüste,
+Wassers bewahrte mir traulich das fromme Kamel,
+Um der Haine Gesang, um Gestalten und Farben des Lebens
+Bat ich, vom lieblichen Glanz heimischer Fluren verwöhnt.
+Aber ich bat umsonst; du erschienst mir feurig und herrlich,
+Aber ich hatte dich einst göttlicher, schöner gesehn.
+Auch den Eispol hab' ich besucht; wie ein starrendes Chaos
+Thürmte das Meer sich da schrecklich zum Himmel empor.
+Todt in der Hülle von Schnee schlief hier das gefesselte Leben,
+Und der eiserne Schlaf harrte des Tages umsonst.
+Ach! nicht schlang um die Erde den wärmenden Arm der Olymp hier,
+Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang.
+Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke den Busen,
+Und in Regen und Thau sprach er nicht freundlich zu ihr.
+Mutter Erde! rief ich, du bist zur Wittwe geworden,
+Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
+Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe,
+Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod.
+Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strale des Himmels,
+Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Odem dich auf;
+Und, wie ein Samenkorn, durchbrichst du die eherne Hülse,
+Und die knospende Welt windet sich schüchtern heraus.
+Deine gesparte Kraft flammt auf in üppigem Frühling,
+Rosen glühen und Wein sprudelt im kärglichen Nord.
+Aber jetzt kehr' ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimath,
+Und es wehen, wie einst, zärtliche Lüfte mich an.
+Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten
+Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt,
+Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen
+Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um.
+Alt bin ich geworden indeß, mich bleichte der Eispol,
+Und im Feuer des Süds fielen die Locken mir aus.
+Doch wie Aurora den Tithon, umfängst du in lächelnder Blüthe
+Warm und fröhlich, wie einst, Vaterlandserde, den Sohn.
+Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock,
+Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst.
+Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge,
+Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt.
+Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,
+Steigen am dunkeln Gebirg Vesten und Hütten hinauf.
+Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch an's freundliche Tagslicht;
+Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.
+Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt von der Quelle,
+Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiese sich aus.
+Still ists hier; kaum rauscht von fern die geschäftige Mühle,
+Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad.
+Lieblich tönt die gehämmerte Senf' und die Stimme des Landmanns,
+Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte gebeut,
+Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sitzt mit dem Söhnlein,
+Das die Sonne des Mais schmeichelt in lächelnden Schlaf.
+Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hofthor
+Uebergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht,
+Da umfängt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel,
+Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein Vater erzog,
+Wo ich froh, wie das Eichhorn, spielt' auf den lispelnden Aesten,
+Oder in's duftende Heu träumend die Stirne verbarg.
+Heimathliche Natur! wie bist du treu mir geblieben!
+Zärtlichpflegend, wie einst, nimmst du den Flüchtling noch auf.
+Noch gedeihn die Pfirsiche mir, noch wachsen gefällig
+Mir an's Fenster, wie sonst, köstliche Trauben herauf.
+Lockend röthen sich noch die süßen Früchte des Kirschbaums,
+Und der pflückenden Hand reichen die Zweige sich selbst.
+Schmeichelnd zieht mich, wie sonst, in des Walds unendliche Laube
+Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach,
+Und die Pfade röthest du mir, es wärmt mich und spielt mir
+Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne! dein Licht;
+Feuer trink' ich und Geist aus deinem freudigen Kelche,
+Schläfrig lässest du nicht werden mein alterndes Haupt.
+Die du einst mir die Brust erwecktest vom Schlafe der Kindheit,
+Und mit sanfter Gewalt höher und weiter mich triebst,
+Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiser,
+Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen zu ruhn.

+ + + -- cgit v1.2.3