From 7c749e36d04ed9c5175d00aa3029d2f70ccca45f Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 16:18:38 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/70.html | 853 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 853 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/70.html (limited to 'OEBPS/Text/70.html') diff --git a/OEBPS/Text/70.html b/OEBPS/Text/70.html new file mode 100644 index 0000000..969655e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/70.html @@ -0,0 +1,853 @@ + + + + + + + + Der Tod des Empedokles. + + + + +

Der Tod des Empedokles.

+ +
Fragmente eines Trauerspiels.
+ +

Mekades. Hermokrates.

+ +
Mekades.
+

Hörst du das trunk'ne Volk?

+ +
Hermokrates.
+

Sie suchen ihn.

+ +
Mekades.
+

Der Geist des Manns
+Ist mächtig unter ihnen.

+ +
Hermokrates.
+

Ich weiß, wie dürres Gras
+Entzünden sich die Menschen.

+ +
Mekades.
+

Daß Einer so die Menge bewegt, mir ist's,
+Als wie wenn Jovis Blitz den Wald
+Ergreift, und furchtbarer.

+ +
Hermokrates.
+

Drum binden wir den Menschen auch
+Das Band um's Auge, daß sie nicht
+Zu kräftig sich am Lichte nähren.
+Nicht gegenwärtig werden
+Darf Göttliches vor ihnen,
+Es darf ihr Herz
+Lebendiges nicht finden.
+Kennst du die Alten nicht,
+Die Lieblinge des Himmels man nennt?
+Sie nährten die Brust
+An Kräften der Welt
+Und den Hellaufblickenden war
+Unsterbliches nahe,
+Drum beugten die Stolzen
+Das Haupt auch nicht,
+Und vor den Gewaltigen konnt'
+Ein Anderes nicht bestehn,
+Es ward verwandelt vor ihnen.

+ +
Mekades.
+

Und er?

+ +
Hermokrates.
+

Das hat zu mächtig ihn
+Gemacht, daß er vertraut
+Mit Göttern worden ist.
+Es tönt sein Wort dem Volk'
+Als käm es vom Olymp;
+Sie danken's ihm,
+Daß er vom Himmel raubet
+Die Lebensflamm' und sie
+Verräth den Sterblichen.

+ +
Mekades.
+

Sie wissen nichts, denn ihn,
+Er soll ihr Gott
+Er soll ihr König seyn.
+Sie sagen, es hab' Apoll
+Die Stadt gebaut den Trojern,
+Doch besser sey, es helf'
+Ein hoher Mann durch's Leben.
+Noch sprechen sie viel Unverständiges
+Von ihm und achten kein Gesetz
+Und keine Noth und keine Sitte.
+Ein Irrgestirn ist unser Volk
+Geworden und ich fürcht',
+Es deute dieses Zeichen
+Zukünft'ges noch, das er
+Im stillen Sinne brütet.

+ +
Hermokrates.
+

Sey ruhig, Mekades!
+Er wird nicht.

+ +
Mekades.
+

Bist du denn mächtiger?

+ +
Hermokrates.
+

Der sie versteht,
+Ist stärker, denn die Starken,
+Und wohlbekannt ist dieser Seltne mir.
+Zu glücklich wuchs er auf;
+Ihm ist von Anbeginn
+Der eigne Sinn verwöhnt, daß ihn
+Geringes irrt; er wird es büßen,
+Daß er zu sehr geliebt die Sterblichen.

+ +
Mekades.
+

Mir ahndet selbst,
+Es wird mit ihm nicht lange dauern,
+Doch ist es lang genug,
+So er erst fällt, wenn ihm's gelungen ist.

+ +
Hermokrates.
+

Und schon ist er gefallen.

+ +
Mekades.
+

Was sagst du?

+ +
Hermokrates.
+

Siehst du denn nicht? es haben
+Den hohen Geist die Geistesarmen
+Geirrt, die Blinden den Verführer.
+Die Seele warf er vor das Volk, verrieth
+Der Götter Gunst gutmüthig den Gemeinen,
+Doch rächend äffte leeren Wiederhall's
+Genug denn auch aus todter Brust den Thoren.
+Und eine Zeit ertrug er's, grämte sich
+Geduldig, wußte nicht,
+Wo es gebrach; indessen wuchs
+Die Trunkenheit dem Volke; schaudernd
+Vernahmen sie's, wenn ihm vom eignen Wort
+Der Busen bebt', und sprachen:
+So hören wir nicht die Götter!
+Und Namen, so ich dir nicht nenne, gaben
+Die Knechte dann dem stolzen Trauernden.
+Und endlich nimmt der Durstige das Gift,
+Der Arme, der mit seinem Sinn nicht
+Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet,
+Er tröstet mit der rasenden
+Anbetung sich, verblindet, wird wie sie,
+Die seelenlosen Aberglaubigen;
+Die Kraft ist ihm entwichen,
+Er geht in einer Nacht, und weiß sich nicht
+Herauszuhelfen und wir helfen ihm.

+ +
Mekades.
+

Deß bist du so gewiß?

+ +
Hermokrates.
+

Ich kenn' ihn.

+ +
Mekades.
+

Ein übermüthiges Gerede fällt
+Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt
+Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,
+Was ihm das Volk zuvor gesagt; ich kam
+Nur eben, stand von fern; ihr ehret mich,
+Antwortet' er, und thuet recht daran;
+Denn stumm ist die Natur,
+Es leben Sonn' und Luft und Erd' und ihre Kinder
+Fremd um einander,
+Die Einsamen, als gehörten sie sich nicht.
+Wohl wandeln immer kräftig
+Im Göttergeiste die freien
+Unsterblichen Mächte der Welt
+Rings um der andern
+Vergänglich Leben,
+Doch wilde Pflanzen
+Auf wilden Grund
+Sind in den Schooß der Götter
+Die Sterblichen alle gesäet,
+Die Kärglichgenährten, und todt
+Erschiene der Boden, wenn Einer nicht
+Deß wartete, lebenerweckend,
+Und mein ist das Feld. Mir tauschen
+Die Kraft und Seele zu Einem
+Die Sterblichen und die Götter.
+Und wärmer umfangen die ewigen Mächte
+Das strebende Herz und kräft'ger gedeihn
+Vom Geiste der Freien die fühlenden Menschen,
+Und wach ist's! denn ich
+Geselle das Fremde,
+Das Unbekannte nennet mein Wort,
+Und die Liebe der Lebenden trag'
+Ich auf und nieder; was Einem gebricht,
+Ich bring es vom andern, und binde
+Beseelend und wandle verjüngend die zögernde Welt
+Und gleiche Keinem und Allen.
+So sprach der Uebermüthige.

+ +
Hermokrates.
+

Das ist noch wenig. Aergers schläft in ihm.
+Ich kenn' ihn, kenne sie, die überglücklichen
+Verwöhnten Söhne des Himmels,
+Die anders nicht, denn ihre Seele, fühlen.
+Stört einmal sie der Augenblick heraus —
+Und leicht zerstörbar sind die Zärtlichen —
+Dann stillet nichts sie wieder, brennend
+Treibt eine Wunde sie, unheilbar gährt
+Die Brust. Auch er! so still er scheint,
+So glüht ihm doch, seit ihm das arme Volk
+Den hohen Geist — —

+

Empedokles. Pausanias.

+ +
Empedokles.
+

— — — — — — O jene Zeit!
+Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir
+Von Göttern, wie Endymion, geweckt,
+Die kindlich schlummernde, sich öffnete,
+Lebendig sie, die Immerjugendlichen,
+Des Lebens große Genien
+Erkannte — schöne Sonne! Menschen hatten mich
+Es nicht gelehrt, mich trieb mein eigen Herz
+Unsterblichliebend zu Unsterblichen,
+Zu dir, zu dir, ich konnte Göttlichers
+Nicht finden, stilles Licht! und so wie du
+Das Leben nicht an deinem Tage sparst
+Und sorgenfrei der goldnen Fülle dich
+Entledigest, so gönnt' auch ich, der deine,
+Den Sterblichen die beste Seele gern
+Und furchtlos offen gab
+Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich,
+Der schicksalvollen, ihr in Jünglingsfreude
+Das Leben so zu eignen bis zuletzt;
+Ich sagt' ihr's oft in trauter Stunde zu,
+Band so den theuern Todesbund mit ihr.
+Da rauscht' es anders, denn zuvor, im Hain,
+Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen —
+All' deine Freuden, Erde! wahr, wie sie,
+Und warm und voll, aus Müh' und Liebe reifen,
+Sie alle gabst du mir. Und wenn ich oft
+Auf stiller Bergeshöhe saß und staunend
+Der Menschen Irrsal übersann,
+Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen,
+Und nah mein eignes Welken ahnete,
+Dann athmete der Aether, so wie dir,
+Mir heilend um die liebeswunde Brust,
+Und, wie Gewölk der Flamme, löseten
+Im hohen Blau die Sorgen mir sich auf.

+ +
Pausanias.
+

O Sohn des Himmels!

+
(Auf dem Aetna.)
+ +
Empedokles, vom + Schlaf erwachend; dann
+ +
Pausanias.
+

Euch ruf' ich über das Gefild herein
+Vom langsamen Gewölk, ihr heißen Stralen
+Des Mittags, ihr gereiftesten, daß ich
+An euch den neuen Lebenstag erkenne.
+Denn anders ists, wie sonst! vorbei, vorbei
+Das menschliche Bekümmerniß! als wüchsen
+Mir Schwingen an, so ist mir wohl und leicht
+Hier oben, hier, und reich genug und froh
+Und herrlich wohn' ich, wo den Feuerkelch,
+Mit Geist gefüllt bis an den Rand, bekränzt
+Mit Blumen, die er selber sich erzog,
+Gastfreundlich mir der Vater Aetna beut.
+Und wenn das unterirdische Gewitter
+Itzt festlich auferwacht, zum Wolkensitz
+Des nahverwandten Donners fliegt hinauf
+Und zu den Sternen tönt, da wächst das Herz mir auch.
+Mit Adlern sing' ich hier Naturgesang.
+Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir
+Ein andres Leben blühte, da er mich
+Mit Schmach hinweg aus unsrer Stadt verwies,
+Mein königlicher Bruder. Ach! er weiß es nicht,
+Der kluge, welchen Segen er bereitete,
+Da er von Menschenbande los, da er mich frei
+Erklärte, frei, wie Fittige des Himmels.
+Drum galt es auch! drum waffnete das Volk,
+Das mein war, gegen meine Seele sich
+Mit Hohn und Fluch.
+Und stieß mich aus; und nicht vergebens gellt
+Im Ohre mir das hundertstimmige
+Gelächter, da der fromme Träumer,
+Der närrische, des Weges weinend gieng.
+Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient!
+Und heilsam wars; die Kranken heilt das Gift,
+Und eine Sünde straft die anderen.
+Denn viel gesündiget von Jugend auf,
+Geliebt hab' ich die Menschen ohne Maaß,
+Gedient, wie Wasser nur dem Feuer dient.
+Darum begegneten auch menschlich sie
+Mir nicht, o darum schändeten sie mir
+Mein Angesicht, und hielten mich, wie dich,
+Allduldende Natur! du hast mich nun,
+Du hast mich, und es dämmert zwischen dir
+Und mir die alte Liebe wieder auf.
+Du rufst, du ziehst mich nah und näher an,
+Und hier ist kein Bedenken mehr. Es ruft
+Der Gott —
+(Da er den Pausanias gewahr wird:)
+und diesen Allzutreuen muß
+Ich auch befrein, mein Pfad ist seiner nicht.

+

Pausanias. Empedokles.

+ +
Pausanias.
+

Du scheinest freudig auferwacht, mein Wandrer!

+ +
Empedokles.
+

Schon hab' ich, Lieber, und vergebens nicht,
+Mich in der neuen Heimath umgesehn.
+Die Wildniß ist mir hold.

+ +
Pausanias.
+

Sie haben uns verbannt, sie haben dich,
+Du Gütiger! verschmäht, und glaub' es mir,
+Unleidlich warst du ihnen längst und innig.
+In ihre Trümmer schien, in ihre Nacht,
+Zu helle den Verzweifelten das Licht.

+ +
Empedokles.
+

Nun mögen sie vollenden ungestört!
+Vergessenheit! o wie ein glücklich Segel,
+Bin ich vom Ufer los, —
+— — — — — — — — — — —
+— — — — — — — — — — —

+ +
Pausanias.
+

Nun! lass' sie nur! sie mögen ungestalt
+Lichtscheu am Boden taumeln, der sie trägt,
+Und allbegehrend, allgeängstiget,
+Sich müde rennen. Brennen mag der Brand,
+Bis er erlischt; wir wohnen ruhig hier!

+ +
Empedokles.
+

Ja! ruhig wohnen wir! es öffnen groß
+Sich hier vor uns die heil'gen Elemente.
+Die Mühelosen regen immergleich
+In ihrer Kraft sich freudig hier um uns.
+An seinen festen Ufern wacht und ruft
+Das alte Meer; und das Gebirge steigt
+Mit seiner Ströme Klang; es wogt und rauscht
+Sein grüner Wald von Thal zu Thal hinunter
+Und oben weilt das Licht, der Aether stillt
+Den Tapfern das geheimere Verlangen.

+ +
Pausanias.
+

So bleibst du wohl und bleibst in deiner Welt.
+Doch hab' ich schon ein wenig vorgesorgt,
+Ich diene dir und sehe, was uns noth ist.

+ +
Empedokles.
+

Nur weniges ist noth — — —
+— — — — — — — — — — —

+ +
Pausanias.
+

Indeß du gut auf kahler Erde hier
+In heißer Sonne schliefst, gedacht' ich doch
+Ein weicher Boden und die kühle Nacht
+In einer sichern Halle wäre besser.
+Auch sind wir hier, die Allverdächtigen,
+Den Wohnungen der andern fast zu nah,
+Nicht lange wollt' ich ferne seyn von dir
+Und eilt' hinauf und glücklich fand ich bald,
+Für dich und mich gebaut, ein ruhig Haus,
+Ein tiefer Fels von Eichen dicht umschirmt,
+Dort in der dunkeln Seite des Gebirgs,
+Und nah entspringt ein Quell, es grünt umher
+Die Fülle guter Pflanzen, und zum Bett
+Ist Ueberfluß von Laub und Gras bereitet.
+Da lassen sie dich ungeschmäht, und tief und still
+Ists, wenn du sinnst, und wenn du schläfst, um dich.
+Ein Heiligthum ist mir mit dir die Grotte.
+Komm, siehe selbst, und sage nicht, ich tauge
+Dir künftig nicht, wem taugt' ich anders denn?

+ +
Empedokles.
+

Du taugst zu gut.

+ +
Pausanias.
+

Wie könnt' ich dieß?

+ +
Empedokles.
+

Auch du
+Bist allzutreu, du bist ein thöricht Kind.

+ +
Pausanias.
+

Das sagst du wohl, doch klügers weiß ich nicht,
+Wie deß zu seyn, dem ich geboren bin.

+ +
Empedokles.
+

Wie bist du sicher?

+ +
Pausanias.
+

Und ich sollte nicht?
+Wofür denn hättest du mir einst, da ich,
+Der Waise gleich, am heldenarmen Ufer
+Mir einen Schutzgott sucht' und traurig irrte,
+Du Gütiger, die Hände mir gereicht?
+Wofür mit deinem Auge wärest du
+Auf deiner stillen Bahn, du edles Licht,
+In meiner Dämmerung mir aufgegangen?
+Seitdem bin ich ein anderer,
+Und näher dir und einsamer mit dir,
+Wächst früher nur die Seele mir und freier.

+ +
Empedokles.
+

O still davon!

+ +
Pausanias.
+

Was ists? Warum? Wie kann
+Ein freundlich Wort dich irren, theurer Mann?

+ +
Empedokles.
+

Geh. Folge mir, und schweig' und schone mich,
+Und rege du nicht auch das Herz mir auf,
+Für mich ist, was vorüber ist, nicht mehr.

+ +
Pausanias.
+

Ich weiß es nicht, was dir vorüber ist,
+Doch du und ich, wir sind uns ja geblieben!

+ +
Empedokles.
+

Sprich lieber mir von anderem, mein Sohn!
+Habt ihr zum Dolche die Erinnerung
+Nicht mir gemacht? — Nun wundern sie sich noch,
+Und treten vor das Auge mir und fragen —
+Nein! du bist ohne Schuld, — nur kann ich, Sohn!
+Was mir zu nahe kömmt, nicht wohl ertragen.

+ +
Pausanias.
+

Und mich, mich stößest du von dir? — — — —
+— — — — — — — — — — —

+ +
Empedokles.
+

Verstehest du mich auch? Hinweg. Ich hab'
+Es dir gesagt: es ist nicht schön, daß du
+So ungefragt mir an die Seele dringest,
+An meine Seite stets, als wüßtest du
+Nichts andres mehr, mit armer Angst dich hängst,
+Du mußt es wissen: dir gehör' ich nicht,
+Und du nicht mir, und deine Pfade sind
+Die meinen nicht; mir blüht es anderswo,
+Und was ich mein' es ist von heute nicht,
+Da ich geboren wurde, war's beschlossen.
+Sieh auf und wag's! was Eines ist, zerbricht,
+Die Liebe stirbt in ihrer Knospe nicht
+Und überall in freier Freude theilt
+Des Lebens luft'ger Baum sich auseinander.
+Kein zeitlich Bündniß bleibet, wie es ist;
+Wir müssen scheiden, Kind! und halte nur
+Mein Schicksal mir nicht auf und zaudre nicht.
+O sieh! es glänzt der Erde trunknes Bild,
+Das Göttliche, dir gegenwärtig, Jüngling!
+Es rauscht und regt durch alle Lande sich
+Und wechselt, jung und leicht, mit frommem Ernst
+Den luft'gen Reigentanz, womit den Geist
+Die Sterblichen, den alten Vater, feyern.
+Da gehe du und wandle taumellos
+Und menschlich mit und denk' am Abend mein.
+Mir aber ziemt die stille Halle, mir
+Die hochgelegene, geräumige,
+Denn Ruhe brauch' ich wohl, zu träge sind
+Die Glieder mir geworden — —
+— — — — und hab' ich sonst
+Ein feiernd Lied in Jugendlust gesungen,
+Zersprungen ist das zarte Saitenspiel.
+— — — — — — — — — — —
+— — — — — — — — — — —

+ +
Pausanias.
+

Das hofft' ich nicht, wenn wir Geächteten
+Den Wohnungen der Menschen — —
+— — — — — — — — — — —
+— — — wenn mit den Thränen dir
+Vom Angesichte trof des Himmels Regen,
+Wenn lächelnd du das rauhe Sklavenkleid
+Mittags an heißer Sonne trocknetest
+Auf schattenlosem Sand, wenn du die Spuren
+Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild,
+Mit deinem Blute zeichnetest, das auf
+Den Felsenpfad von nackter Sohle rann.
+Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud
+Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf:
+Daß du mich, wo du wohnen willst und ruhn,
+Wie ein verbraucht Gefäß, bei Seite werfest! — —
+Ich wandre mit; zwar steh' ich nicht, wie du
+Mit Kräften der Natur im trauten Bunde,
+Mir steht, wie dir, Zukünftiges nicht offen.
+Doch freudig in der Götter Nacht hinaus
+Schwingt seine Fittige mein Geist —
+Ja, wär' ich auch ein Schwacher, dennoch wär'
+Ich, weil ich so dich liebe, stark, wie du.
+Beim göttlichen Herakles! stiegst du auch
+Um die Gewaltigen, die drunten sind,
+Versöhnend, die Titanen heimzusuchen,
+Ins bodenlose Thal, vom Gipfel dort
+Und wagtest dich ins Heiligthum des Abgrunds,
+Wo duldend vor dem Tage sich das Herz
+Der Erde birgt und ihre Schmerzen dir
+Die dunkle Mutter sagt — o du der Nacht,
+Des Aethers Sohn! ich folgte dir hinunter!

+ +
Empedokles.
+

So bleib!

+ +
Pausanias.
+

Wie meinst du dieß?

+ +
Empedokles.
+

Du giebst
+Dich mir; bist mein: so frage nicht!

+ +
Pausanias.
+

Es sey!

+ +
Empedokles.
+

Und sagst du mirs noch einmal, Sohn? und giebst
+Dein Blut und deine Seele mir für immer?

+ +
Pausanias.
+

Als hätt' ich so ein loses Wort gesagt,
+Und zwischen Schlaf und Wachen dir's versprochen.
+Unglaubiger! ich sag's und wiederhol' es.
+Auch dieß, auch dieß — es ist von heute nicht:
+Da ich geboren wurde, war's beschlossen.

+ +
Empedokles.
+

Ich bin nicht, der ich bin, Pausanias
+— — — — — — — — — — —
+Ein Schimmer nur, der bald vorübergeht,
+Im Saitenspiel ein Ton —

+ +
Pausanias.
+

So tönen sie,
+So schwinden sie zusammen in die Luft!
+Und freundlich spricht der Wiederhall von ihnen.
+Versuche nun mich länger nicht und laß'
+Und gönne du die Ehre mir, die mein ist.
+Hab' ich nicht Leid genug, wie du, in mir?
+Wie möchtest du mich noch beleidigen?

+ +
Empedokles.
+

O alles opfernd Herz! und dieser giebt
+Schon mir zu lieb die goldne Jugend hin.
+Noch bist du nah, indeß die Stunde flieht,
+Und blühest mir, du Freude meiner Augen!
+Noch ist's, wie sonst, ich halt' im Arme dich
+Und mich bethaut der holde Traum noch einmal.
+So Arm in Arm, statt Eines Einsamen
+Ein festlich Paar, am Tagesende —
+Und gerne nähm' ich, was ich hier geliebt,
+Wie seine Quellen all ein edler Strom.
+— — — — — — — — — — —
+— — — — — — — — — — —
+Doch besser ist's, es gehe seinen Pfad
+Ein Jeder, wie der Gott es ihm beschieden,
+Und billig ist's, und recht, daß überall
+Des Menschen Sinn sich eigen angehöre,
+Und leichter trägt der Mann die eigne Bürde.
+So wachsen ja des Waldes Eichen auch,
+Und Keines kennt, so alt sie sind, das Andre.

+ +
Pausanias.
+

Du sagst es mir, und wahr ists wohl, und lieb
+Ist billig mir dieß letzte Wort von dir.
+So geh' ich denn! ich störe deine Ruhe
+Dir künftig nicht, auch meinest du es gut,
+Daß meinem Sinne nicht die Stille tauge.

+ +
Empedokles.
+

Doch, Lieber! zürnst du nicht?

+ +
Pausanias.
+

Mit dir? mit dir?

+ +
Empedokles.
+

Was ist es denn? ja! weißst du nun, wohin?

+ +
Pausanias.
+

Gebiet' es mir!

+ +
Empedokles.
+

Es war mein letzt Gebot
+Pausanias! die Herrschaft ist zu Ende.

+ +
Pausanias.
+

Mein Vater! rathe mir!

+ +
Empedokles.
+

Wohl manches sollt'
+Ich sagen, doch verschweig' ichs,
+Es will zu sterblichem Gespräche mir
+Und eitlem Wort die Zunge nimmer dienen.
+Sieh! Liebster! anders ist mir schon, und leichter
+Und freier athm' ich auf, und wie der Schnee
+Des hohen Aetna, der am Sonnenlichte
+Erwarmt und schimmert und vom Gipfel wogt,
+Und über den entstürzenden Gewässern
+Sich blühend Iris stiller Bogen schwingt:
+So rinnt und reißt vom Herzen mir sich los,
+So rauscht es weg, was mir die Zeit gehäuft,
+Und freier blüht das Leben mir darüber.
+Nun! wandre muthig, Sohn! ich geb' und küsse
+Verheissungen dir auf die reine Stirn:
+Es dämmert dort Italiens Gebirg;
+Das Römerland, das thatenreiche, winkt;
+Dort wirst du wohl gedeihn, dort, wo sich froh
+Die Männer in der Kämpferbahn begegnen.
+O Heldenstädte dort, und du Tarent!
+Ihr brüderlichen Hallen, wo ich oft
+Frohsinnend einst mit meinem Plato ging,
+Und immer neu uns Jünglingen das Jahr
+Und jeder Tag erschien in heil'ger Schule.
+Besuch' ihn auch, o Sohn! und grüss' ihn mir,
+Den alten Freund, an seiner Heimat Strömen,
+Am blumigen Ilissus, wo er wohnt;
+Und will die Seele dir nicht ruhn, so geh'
+Zum andern Strande, — — —
+Dort hörest du das ernste Saitenspiel,
+Dort wird dir vieles heller seyn und offner
+— — — — — — — — — — —

+

Empedokles. Der Greis. (Manes.)

+ +
Der Greis.
+

Willkommen hier! was suchst du, Empedokles?

+ +
Empedokles.
+

Wer bist du, Mann?

+ +
Greis.
+

Ein Sterblicher, wie du.
+Zu rechter Zeit gesandt, dir, der du dich
+Des Himmels Liebling dünkst, des Himmels Zorn,
+Des Gottes, der nicht müßig ist, zu sagen.

+ +
Empedokles.
+

Ha! kennst du den?

+ +
Greis.
+

Ich habe manches dir
+Am fernen Nil gesagt.

+ +
Empedokles.
+

Und du? du hier?
+Kein Wunder ist's! Seit ich den Lebenden
+Gestorben, stehen mir die Schatten auf!

+ +
Greis.
+

Die Schatten reden nicht, wo du sie fragst.
+Doch, wenn du eines Worts bedarfst, vernimm!

+ +
Empedokles.
+

Die Stimme, die mich ruft, vernehm' ich selbst.

+ +
Greis.
+

So wird es mit dir? — sprich!

+ +
Empedokles.
+

Was soll die Rede, Fremder?

+ +
Greis.
+

Ja! fremde bin ich hier, und unter Kindern!
+Das seyd ihr Griechen all! Ich hab' es oft
+Vormals gesagt. Doch wolltest du mir nicht
+Wie dirs ergieng bei deinem Volke, sagen?

+ +
Empedokles.
+

Was mahnst du mich, was rufst mir noch einmal —
+Mir ging es, wie es soll.

+ +
Greis.
+

Ich wußt' es auch
+Schon längst voraus, ich hab' es dir geweissagt.

+ +
Empedokles.
+

Nun denn! was hältst du es noch auf? was drohst
+Du mit der Flamme mir des Gottes, den
+Ich kenne, dem ich gern zum Spiele diene;
+Und richtest mir mein heilig Recht, du Blinder!

+ +
Greis.
+

Was dir begegnen muß, ich ändr' es nicht.

+ +
Empedokles.
+

So kamst du her, zu sehen, wie es wird?

+ +
Greis.
+

O scherze nicht, und ehre doch dein Fest,
+Umkränze dir dein Haupt, und schmück' es aus,
+Das Opferthier, das nicht vergebens fällt.
+Der jähe Tod, er ist von Anbeginn,
+Das weißt du wohl, den Unverständigen
+Die deinesgleichen sind, zuvor beschieden.
+Du willst es, und so sey's, doch sollst du mir
+Nicht unbesonnen, wie du bist, hinab,
+Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner!
+Nur Einer darfs in dieser Zeit, nur Einer,
+Nur Einen adelt' sie, die schwarze Stunde,
+Ein Größrer ists, denn ich! denn wie die Rebe
+Von Erd' und Himmel zeugt, wenn sie getränkt
+Von hoher Sonn' aus dunklem Boden steigt,
+So wächst er auf, aus Licht und Nacht geboren:
+Es gährt um ihn die Welt, was irgend nur
+Beweglich und verderbend ist im Busen
+Der Sterblichen, ist aufgeregt von Grund aus,
+Der Herr der Zeit, um seine Herrschaft bang,
+Thront finster blickend über der Empörung,
+Sein Tag erlischt, und seine Blitze rauchen.
+Doch was von oben flammt, entzündet nur,
+Und was von unten strebt, die wilde Zwietracht.
+Der Eine doch, der neue Retter, faßt
+Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend
+Nimmt er, was sterblich ist, an seinen Busen,
+Und milde wird in ihm der Streit der Welt,
+Die Menschen und die Götter söhnt er aus,
+Und näher wieder leben sie, wie vormals.
+Und daß, wenn er erschienen ist, der Sohn
+Nicht größer, denn die Eltern sey, und nicht
+Der heil'ge Lebensgeist gefesselt bleibe,
+Vergessen über ihm, dem Einzigen,
+So lenkt er aus, der Abgott seiner Zeit,
+Zerbricht, er selbst, damit durch seine Hand
+Dem Reinen das Nothwendige geschehe,
+Sein eigen Glück, das ihm zu glücklich ist,
+Und giebt, was er besaß, dem Element,
+Das ihn verherrlichte, geläutert wieder. —

+

Bist du der Mann? derselbe? bist du der?

+ +
Empedokles.
+

Ich kenne dich im finstern Wort, und du,
+Du Alles Wissender! erkennst mich auch.
+O sage, wer du bist! und wer bin ich?
+— — — — — — — — — — —
+— — — — — — — — — — —
+Ein Knabe war ich, wußte nicht, was mir
+Ums Auge fremd am Tage sich bewegt',
+Und wunderbar umfiengen mir die großen
+Gestalten dieser Welt, die freudigen,
+Mein unerfahren schlummernd Herz im Busen.
+Und staunend hört' ich oft die Wasser gehn,
+Und sah die Sonne blühn, und sich an ihr
+Den Jugendtag der stillen Erd' entzünden.
+Da ward in mir Gesang, und helle ward
+Mein dämmernd Herz im dichtenden Gebet, —
+Wenn ich die Fremdlinge, die gegenwärt'gen,
+Die Götter der Natur, mit Namen nannte,
+Und mir der Geist im Wort — — —
+Im seligen, des Lebens Räthsel lös'te.
+So wuchs ich still herauf und anderes
+War schon bereitet. Denn gewaltsamer
+Wie Wasser, schlug die wilde Menschenwelle
+Mir an die Brust, und aus dem Irrsal kam
+Des armen Volkes Stimme mir zum Ohre.
+Und wenn, indeß ich in der Halle schwieg,
+Um Mitternacht der Aufruhr weheklagt',
+Und durchs Gefilde stürzt', und lebensmüd
+Mit eigner Hand sein eignes Haus zerbrach — —
+Wenn sich die Brüder flohn, und sich die Liebsten
+Vorüber eilten, und der Vater nicht
+Den Sohn erkannt' und Menschenwort nicht mehr
+Verständlich war und menschliches Gesetz:
+Da faßte mich die Deutung schaudernd an,
+Es war der scheidende Gott meines Volks!
+Den hört' ich, und zum schweigenden Gestirn
+Sah' ich hinauf, wo er herabgekommen.
+Und ihn zu sühnen ging ich hin. Noch wurden uns
+Der schönen Tage viel. Noch schien es sich
+Am Ende zu verjüngen; und es wich, —
+Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
+Des hellen, kräft'gen Morgens eingedenk, —
+Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke,
+Und freie, feste Bande knüpften wir.
+Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekränzte,
+Wenn näher immer mir, und mir allein,
+Des Volkes Seele kam, befiel es mich.
+Denn wo ein Land ersterben soll, da wählt
+Der Geist noch Einen sich am End', durch den
+Sein Schwanensang, das letzte Leben tönet.
+Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm.

+

Es ist geschehn, den Sterblichen gehör' ich
+Nun nimmer an.

+

O Ende meiner Zeit!
+O Geist, der uns erzog, der du geheim
+Am hellen Tag und in der Wolke waltest,
+Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde!
+Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein
+Die längstbereitete, die neue Stunde,
+Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie sonst,
+Bei Sterblichen, im kurzen Glück, — ich find',
+Im Tode find' ich den Lebendigen,
+Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute
+Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
+Zum Zeichen ein Gewitter mir und sich.
+Kennst du die Stille rings? kennst du das Schweigen
+Des schlummerlosen Gotts? erwart' ihn hier!
+Um Mitternacht wird er es uns vollenden.
+Und wenn du, wie du sagst, des Donnerers
+Vertrauter bist, und, Eines Sinns mit ihm,
+Dein Geist mit ihm, der Pfade kundig, wandelt,
+So komm mit mir, wenn jetzt zu einsam sich
+Das Herz der Erde klagt und eingedenk
+Der alten Einigkeit die dunkle Mutter
+Zum Aether aus die Feuerarme breitet,
+Und ißt der Herrscher kömmt in seinem Stral,
+Dann folgen wir, zum Zeichen, daß wir ihm
+Verwandte sind, hinab in heil'ge Flammen.
+Doch wenn du lieber ferne bleibst, für dich:
+Was gönnst du mir es nicht? wenn dir es nicht
+Beschieden ist zum Eigenthum, was nimmst,
+Und störst du mir's! O euch, ihr Genien!
+Die ihr, da ich begann, mir nahe waret,
+Ihr waltenden! euch dank' ich, daß ihr mir's
+Gegeben habt, die lange Zahl der Leiden
+Zu enden hier, befreit von andrer Pflicht,
+In freiem Tod, nach göttlichem Gesetze!
+Dir ists verbotne Frucht! drum laß und geh,
+Und kannst du mir nicht nach, so richte nicht!

+ +
Manes.
+

Dir hat der Schmerz den Geist entzündet, Armer!

+ +
Empedokles.
+

Was heilst du denn, Unmächtiger, ihn nicht?

+ +
Manes.
+

Wie ist's mit uns? siehst du es so gewiß?

+ +
Empedokles.
+

Das sage du mir, der du Alles siehst!

+ +
Manes.
+

Laß still uns seyn, o Sohn! und immer lernen.

+ +
Empedokles.
+

Du lehrtest mich; heut lerne du von mir.

+ +
Manes.
+

Hast du nicht alles mir gesagt?

+ +
Empedokles.
+

O nein!

+ +
Manes.
+

So gehst du nun?

+ +
Empedokles.
+

Noch geh' ich nicht, o Alter!
+Von dieser grünen, guten Erde soll
+Mein Auge mir nicht ohne Freude scheiden.
+Und denken möcht ich noch vergangner Zeit,
+Der Freunde meiner Jugend noch, der theuern,
+Die fern in Hellas frohen Städten sind,
+Des Bruders auch, der mir geflucht — so mußt'
+Es werden. — Laß mich izt; wenn dort der Tag
+Hinunter ist, so siehest du mich wieder.

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