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diff --git a/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml b/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml new file mode 100644 index 0000000..b8aadf8 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml @@ -0,0 +1,139 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Das infernalische Abendmahl</title> +</head> +<body> + +<div class="poem"> + +<h3>DAS INFERNALISCHE ABENDMAHL</h3> + +<p> +<span class="vers">Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich,</span><br /> +<span class="vers">Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast,</span><br /> +<span class="vers">Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich,</span><br /> +<span class="vers">Ihr, deren Auge Kummer schon verglast,</span></p> + +<p> +<span class="vers">Ihr, denen auf der jungen Schläfe brennt</span><br /> +<span class="vers">Wie Aussatz schon das große Totenmal,</span><br /> +<span class="vers">Tretet heran, empfangt das Sakrament</span><br /> +<span class="vers">Verfluchter Hostien in dem Haus der Qual.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß,</span><br /> +<span class="vers">Darüber wallet der Verfluchten Schar.</span><br /> +<span class="vers">Und dunkel grüßt Euch groß der Portikus,</span><br /> +<span class="vers">Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Nachtschwarze Wolken drängen in den Dom</span><br /> +<span class="vers">Voll Sturm und Blitzen durch das große Tor.</span><br /> +<span class="vers">Ein Wetter tost. Im schwarzen Regenstrom</span><br /> +<span class="vers">Versinkt der Orgel Ton im fernen Chor.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Die Gräber springen auf. Der Toten Hand</span><br /> +<span class="vers">Streckt weiß und kalt die Knochenfinger aus.</span><br /> +<span class="vers">Sie winken Euch aus ihrem dunklen Land.</span><br /> +<span class="vers">Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braust</span><br /> +<span class="vers">Tief unten über einen Wasserfall.</span><br /> +<span class="vers">Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saust</span><br /> +<span class="vers">Von ungeheurer Stürme weitem Hall.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Hoch wo das Dunkel seine Schatten türmt</span><br /> +<span class="vers">Durch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual,</span><br /> +<span class="vers">Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt,</span><br /> +<span class="vers">Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Die weiten Kirchen füllt der Sphären Traum</span><br /> +<span class="vers">Voll Schweigen, das wie leise Harfen klingt,</span><br /> +<span class="vers">Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum</span><br /> +<span class="vers">Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht,</span><br /> +<span class="vers">Sein Blut ist wie der Wein, langsam und schwer.</span><br /> +<span class="vers">Auf seiner Lippen dunkelroter Bucht</span><br /> +<span class="vers">Wiegt blaue Glut von fernem Sommermeer.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart,</span><br /> +<span class="vers">Wie eines jungen Sternes goldne Nacht,</span><br /> +<span class="vers">Zittert sein Mund in seinem goldnen Bart,</span><br /> +<span class="vers">Wie Chrysolyth in einem tiefen Schacht.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Tretet heran. Wie einer Schlange Haut</span><br /> +<span class="vers">So kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid,</span><br /> +<span class="vers">Wie Abendrot, so sanft, das übergraut</span><br /> +<span class="vers">Brennender Liebe wildes Herzeleid.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum,</span><br /> +<span class="vers">Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron,</span><br /> +<span class="vers">Wie Schläfer traurig, denen floh zum Saum</span><br /> +<span class="vers">Des blassen Morgens ihre Vision.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Tiefer als tausend leere Himmel tief</span><br /> +<span class="vers">Ist seine Schwermut, wie die Hölle schön,</span><br /> +<span class="vers">Wo in den roten Abgrund sich verlief</span><br /> +<span class="vers">Ein bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht,</span><br /> +<span class="vers">Scheuet die Flamme, die sein Haupt umloht</span><br /> +<span class="vers">Und doppelhörnig in der düstren Pracht</span><br /> +<span class="vers">Aus seinem Lockenwald ins Dunkel droht.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die Schrift</span><br /> +<span class="vers">Der Kabbalisten brennt durch Dunkelheit,</span><br /> +<span class="vers">Ein Eiland, dem vorbei ein Segler schifft,</span><br /> +<span class="vers">Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Sein Leid trägt eines Schattenwaldes Duft,</span><br /> +<span class="vers">Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn,</span><br /> +<span class="vers">Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft</span><br /> +<span class="vers">Nachdenklich geht in weißem Hermelin.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Tretet heran, entflammt von seinem Gram.</span><br /> +<span class="vers">Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis,</span><br /> +<span class="vers">Der über tausend Paradiese kam,</span><br /> +<span class="vers">Voll Duft, der jeden Kummer weiß.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Er lächelt, seht. Und Eurer Seele Bild</span><br /> +<span class="vers">Wird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt,</span><br /> +<span class="vers">Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt,</span><br /> +<span class="vers">Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt,</span><br /> +<span class="vers">Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar.</span><br /> +<span class="vers">Der große Adler seines Schweigens senkt</span><br /> +<span class="vers">Auf Eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar.</span></p> + +<p> +<span class="vers">Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streift</span><br /> +<span class="vers">Euch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind,</span><br /> +<span class="vers">Darauf des falschen Kusses Blume reift,</span><br /> +<span class="vers">Wie Meltau giftig, gelb wie Hyacinth.</span></p> + +</div> + +</body> +</html> |