From b3fcd319115914c9579b752f668364293918221b Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:12:45 +0100 Subject: initial commit --- .../31-das-infernalische-abendmahl.xhtml | 139 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 139 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml b/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml new file mode 100644 index 0000000..b8aadf8 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/umbra-vitae/31-das-infernalische-abendmahl.xhtml @@ -0,0 +1,139 @@ + + + + + + + + Das infernalische Abendmahl + + + +
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DAS INFERNALISCHE ABENDMAHL

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+Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich,
+Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast,
+Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich,
+Ihr, deren Auge Kummer schon verglast,

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+Ihr, denen auf der jungen Schläfe brennt
+Wie Aussatz schon das große Totenmal,
+Tretet heran, empfangt das Sakrament
+Verfluchter Hostien in dem Haus der Qual.

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+Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß,
+Darüber wallet der Verfluchten Schar.
+Und dunkel grüßt Euch groß der Portikus,
+Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar.

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+Nachtschwarze Wolken drängen in den Dom
+Voll Sturm und Blitzen durch das große Tor.
+Ein Wetter tost. Im schwarzen Regenstrom
+Versinkt der Orgel Ton im fernen Chor.

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+Die Gräber springen auf. Der Toten Hand
+Streckt weiß und kalt die Knochenfinger aus.
+Sie winken Euch aus ihrem dunklen Land.
+Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus.

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+Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braust
+Tief unten über einen Wasserfall.
+Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saust
+Von ungeheurer Stürme weitem Hall.

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+Hoch wo das Dunkel seine Schatten türmt
+Durch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual,
+Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt,
+Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl.

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+Die weiten Kirchen füllt der Sphären Traum
+Voll Schweigen, das wie leise Harfen klingt,
+Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum
+Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt.

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+Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht,
+Sein Blut ist wie der Wein, langsam und schwer.
+Auf seiner Lippen dunkelroter Bucht
+Wiegt blaue Glut von fernem Sommermeer.

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+Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart,
+Wie eines jungen Sternes goldne Nacht,
+Zittert sein Mund in seinem goldnen Bart,
+Wie Chrysolyth in einem tiefen Schacht.

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+Tretet heran. Wie einer Schlange Haut
+So kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid,
+Wie Abendrot, so sanft, das übergraut
+Brennender Liebe wildes Herzeleid.

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+Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum,
+Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron,
+Wie Schläfer traurig, denen floh zum Saum
+Des blassen Morgens ihre Vision.

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+Tiefer als tausend leere Himmel tief
+Ist seine Schwermut, wie die Hölle schön,
+Wo in den roten Abgrund sich verlief
+Ein bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn.

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+Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht,
+Scheuet die Flamme, die sein Haupt umloht
+Und doppelhörnig in der düstren Pracht
+Aus seinem Lockenwald ins Dunkel droht.

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+Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die Schrift
+Der Kabbalisten brennt durch Dunkelheit,
+Ein Eiland, dem vorbei ein Segler schifft,
+Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit.

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+Sein Leid trägt eines Schattenwaldes Duft,
+Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn,
+Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft
+Nachdenklich geht in weißem Hermelin.

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+Tretet heran, entflammt von seinem Gram.
+Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis,
+Der über tausend Paradiese kam,
+Voll Duft, der jeden Kummer weiß.

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+Er lächelt, seht. Und Eurer Seele Bild
+Wird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt,
+Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt,
+Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt.

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+Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt,
+Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar.
+Der große Adler seines Schweigens senkt
+Auf Eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar.

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+Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streift
+Euch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind,
+Darauf des falschen Kusses Blume reift,
+Wie Meltau giftig, gelb wie Hyacinth.

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+ + + -- cgit v1.2.3