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diff --git a/OEBPS/Text/03_die_heimkehr/93.html b/OEBPS/Text/03_die_heimkehr/93.html new file mode 100644 index 0000000..17c8e35 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/03_die_heimkehr/93.html @@ -0,0 +1,145 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Wallfahrt nach Kevlaar.</title> +</head> + +<body> +<h4>Die Wallfahrt nach Kevlaar.</h4> + +<h5>I.</h5> + +<p> +Am Fenster stand die Mutter,<br /> +Im Bette lag der Sohn.<br /> +»Willst du nicht aufstehn, Wilhelm,<br /> +Zu schau'n die Prozession?«; – +</p> +<p> +»Ich bin so krank, o Mutter,<br /> +Daß ich nicht hör' und seh';<br /> +Ich denk' an das todte Gretchen,<br /> +Da thut das Herz mir weh.«; – +</p> +<p> +»Steh' auf, wir wollen nach Kevlaar,<br /> +Nimm Buch und Rosenkranz;<br /> +Die Mutter Gottes heilt dir<br /> +Dein krankes Herze ganz.«; +</p> +<p> +Es flattern die Kirchenfahnen,<br /> +Es singt im Kirchenton;<br /> +Das ist zu Cölln am Rheine,<br /> +Da geht die Prozession. +</p> +<p> +Die Mutter folgt der Menge,<br /> +Den Sohn, den führet sie,<br /> +Sie singen beide im Chore:<br /> +Gelobt sey'st du Marie! +</p> + +<h5>II.</h5> + +<p> +Die Mutter Gottes zu Kevlaar<br /> +Trägt heut' ihr bestes Kleid;<br /> +Heut' hat sie viel zu schaffen,<br /> +Es kommen viel' kranke Leut'. +</p> +<p> +Die kranken Leute bringen<br /> +Ihr dar, als Opferspend',<br /> +Aus Wachs gebildete Glieder,<br /> +Viel wächserne Füß' und Händ'. +</p> +<p> +Und wer eine Wachshand opfert,<br /> +Dem heilt an der Hand die Wund';<br /> +Und wer einen Wachsfuß opfert,<br /> +Dem wird der Fuß gesund. +</p> +<p> +Nach Kevlaar ging Mancher auf Krücken,<br /> +Der jetzo tanzt auf dem Seil',<br /> +Gar Mancher spielt jetzt die Bratsche,<br /> +Dem dort kein Finger war heil. +</p> +<p> +Die Mutter nahm ein Wachslicht,<br /> +Und bildete d'raus ein Herz.<br /> +»Bring das der Mutter Gottes,<br /> +Dann heilt sie deinen Schmerz.«; +</p> +<p> +Der Sohn nahm seufzend das Wachsherz<br /> +Ging seufzend zum Heiligenbild;<br /> +Die Thräne quillt aus dem Auge,<br /> +Das Wort aus dem Herzen quillt: +</p> +<p> +»Du Hochgebenedeite,<br /> +Du reine Gottesmagd,<br /> +Du Königin des Himmels,<br /> +Dir sey mein Leid geklagt! +</p> +<p> +»Ich wohnte mit meiner Mutter<br /> +Zu Cöllen in der Stadt,<br /> +Der Stadt, die viele hundert<br /> +Kapellen und Kirchen hat. +</p> +<p> +»Und neben uns wohnte Gretchen,<br /> +Doch die ist todt jetzund –<br /> +Marie, dir bring' ich ein Wachsherz,<br /> +Heil' du meine Herzenswund'. +</p> +<p> +»Heil' Du mein krankes Herze,<br /> +Ich will auch spät und früh'<br /> +Inbrünstiglich beten und singen:<br /> +Gelobt seyst du, Marie!«; +</p> + +<h5>III.</h5> + +<p> +Der kranke Sohn und die Mutter,<br /> +Die schliefen im Kämmerlein;<br /> +Da kam die Mutter Gottes<br /> +Ganz leise geschritten herein. +</p> +<p> +Sie beugte sich über den Kranken,<br /> +Und legte ihre Hand<br /> +Ganz leise auf sein Herze,<br /> +Und lächelte mild und schwand. +</p> +<p> +Die Mutter schaut Alles im Traume,<br /> +Und hat noch mehr geschaut;<br /> +Sie erwachte aus dem Schlummer,<br /> +Die Hunde bellten zu laut. +</p> +<p> +Da lag dahingestrecket<br /> +Ihr Sohn, und der war todt;<br /> +Es spielt auf den bleichen Wangen<br /> +Das lichte Morgenroth. +</p> +<p> +Die Mutter faltet die Hände,<br /> +Ihr war, sie wußte nicht wie;<br /> +Andächtig sang sie leise:<br /> +Gelobt sey'st du, Marie! +</p> + +</body> +</html> |