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diff --git a/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html b/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html new file mode 100644 index 0000000..e419497 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html @@ -0,0 +1,331 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Bergidylle.</title> +</head> + +<body> +<h4>Bergidylle.</h4> + +<h5>I.</h5> + +<p> +Auf dem Berge steht die Hütte,<br /> +Wo der alte Bergmann wohnt;<br /> +Dorten rauscht die grüne Tanne,<br /> +Und erglänzt der gold'ne Mond. +</p> +<p> +In der Hütte steht ein Lehnstuhl,<br /> +Reich geschnitzt und wunderlich,<br /> +Der darauf sitzt, der ist glücklich,<br /> +Und der Glückliche bin Ich! +</p> +<p> +Auf dem Schemel sitzt die Kleine,<br /> +Stützt den Arm auf meinen Schooß;<br /> +Aeuglein wie zwei blaue Sterne,<br /> +Mündlein wie die Purpurros'. +</p> +<p> +Und die lieben, blauen Sterne<br /> +Schau'n mich an so himmelgroß,<br /> +Und sie legt den Lilienfinger<br /> +Schalkhaft auf die Purpurros'. +</p> +<p> +Nein, es sieht uns nicht die Mutter,<br /> +Denn sie spinnt mit großem Fleiß,<br /> +Und der Vater spielt die Zitter,<br /> +Und er singt die alte Weis'. +</p> +<p> +Und die Kleine flüstert leise,<br /> +Leise, mit gedämpftem Laut;<br /> +Manches wichtige Geheimniß<br /> +Hat sie mir schon anvertaut. +</p> +<p> +»Aber seit die Muhme todt ist,<br /> +Können wir ja nicht mehr geh'n<br /> +Nach dem Schützenhof zu Goslar,<br /> +Und dort ist es gar zu schön. +</p> +<p> +»Hier dagegen ist es einsam,<br /> +Auf der kalten Bergeshöh',<br /> +Und des Winters sind wir gänzlich<br /> +Wie vergraben in dem Schnee. +</p> +<p> +»Und ich bin ein banges Mädchen,<br /> +Und ich fürcht' mich wie ein Kind<br /> +Vor den bösen Bergesgeistern,<br /> +Die des Nachts geschäftig sind.«; +</p> +<p> +Plötzlich schweigt die liebe Kleine,<br /> +Wie vom eignen Wort erschreckt,<br /> +Und sie hat mit beiden Händchen<br /> +Ihre Aeugelein bedeckt. +</p> +<p> +Lauter rauscht die Tanne draußen,<br /> +Und das Spinnrad schnarrt und brummt,<br /> +Und die Zither klingt dazwischen,<br /> +Und die alte Weise summt: +</p> +<p> +Fürcht' dich nicht, du liebes Kindchen,<br /> +Vor der bösen Geister Macht;<br /> +Tag und Nacht, du liebes Kindchen,<br /> +Halten Englein bei dir Wacht!«; +</p> + +<h5>II.</h5> + +<p> +Tannenbaum, mit grünen Fingern,<br /> +Pocht an's nied're Fensterlein,<br /> +Und der Mond, der gelbe Lauscher,<br /> +Wirft sein süßes Licht herein. +</p> +<p> +Vater, Mutter schnarchen leise<br /> +In dem nahen Schlafgemach,<br /> +Doch wir beide, selig schwatzend,<br /> +Halten uns einander wach. +</p> +<p> +»Daß du gar zu oft gebetet,<br /> +Das zu glauben wird mir schwer,<br /> +Jenes Zucken deiner Lippen<br /> +Kommt wohl nicht vom Beten her. +</p> +<p> +»Jenes böse, kalte Zucken,<br /> +Das erschreckt mich jedesmal,<br /> +Doch die dunkle Angst beschwichtigt<br /> +Deiner Augen frommer Strahl. +</p> +<p> +»Auch bezweifl' ich, daß du glaubest,<br /> +Was so rechter Glauben heißt,<br /> +Glaubst wohl nicht an Gott den Vater,<br /> +An den Sohn und heil'gen Geist?«; – +</p> +<p> +Ach, mein Kindchen, schon als Knabe,<br /> +Als ich saß auf Mutters Schooß,<br /> +Glaubte ich an Gott den Vater,<br /> +Der da waltet gut und groß; +</p> +<p> +Der die schöne Erd' erschaffen,<br /> +Und die schönen Menschen d'rauf,<br /> +Der den Sonnen, Monden, Sternen<br /> +Vorgezeichnet ihren Lauf. +</p> +<p> +Als ich größer wurde, Kindchen,<br /> +Noch viel mehr begriff ich schon,<br /> +Und begriff, und ward vernünftig,<br /> +Und ich glaub' auch an den Sohn; +</p> +<p> +An den lieben Sohn, der liebend<br /> +Uns die Liebe offenbart,<br /> +Und zum Lohne, wie gebräuchlich,<br /> +Von dem Volk gekreuzigt ward. +</p> +<p> +Jetzo, da ich ausgewachsen,<br /> +Viel gelesen, viel gereist,<br /> +Schwillt mein Herz, und ganz von Herzen<br /> +Glaub' ich an den heil'gen Geist. +</p> +<p> +Dieser that die größten Wunder,<br /> +Und viel größ're thut er noch;<br /> +Er zerbrach die Zwingherrnburgen,<br /> +Und zerbrach des Knechtes Joch. +</p> +<p> +Alte Todeswunden heilt er,<br /> +Und erneut das alte Recht:<br /> +Alle Menschen, gleichgeboren,<br /> +Sind ein adliges Geschlecht. +</p> +<p> +Er verscheucht die bösen Nebel,<br /> +Und das dunkle Hirngespinst,<br /> +Das uns Lieb' und Lust verleidet,<br /> +Tag und Nacht uns angegrinzt. +</p> +<p> +Tausend Ritter, wohlgewappnet,<br /> +Hat der heil'ge Geist erwählt,<br /> +Seinen Willen zu erfüllen,<br /> +Und er hat sie muthbeseelt. +</p> +<p> +Ihre theuern Schwerdter blitzen,<br /> +Ihre guten Banner weh'n!<br /> +Ei, du möchtest wohl, mein Kindchen,<br /> +Solche stolze Ritter seh'n? +</p> +<p> +Nun, so schau' mich an, mein Kindchen,<br /> +Küsse mich und schaue dreist;<br /> +Denn ich selber bin ein solcher<br /> +Ritter von dem heil'gen Geist. +</p> + +<h5>III.</h5> + +<p> +Still versteckt der Mond sich draußen<br /> +Hinter'm grünen Tannenbaum,<br /> +Und im Zimmer unsre Lampe<br /> +Flackert matt und leuchtet kaum. +</p> +<p> +Aber meine blauen Sterne<br /> +Strahlen auf in heller'm Licht,<br /> +Und es glühn die Purpurröslein,<br /> +Und das liebe Mädchen spricht: +</p> +<p> +»Kleines Völkchen, Wichtelmännchen,<br /> +Stehlen unser Brod und Speck,<br /> +Abends liegt es noch im Kasten,<br /> +Und des Morgens ist es weg. +</p> +<p> +»Kleines Völkchen, unsre Sahne<br /> +Nascht es von der Milch, und läßt<br /> +Unbedeckt die Schüssel stehen,<br /> +Und die Katze säuft den Rest. +</p> +<p> +»Und die Katz' ist eine Hexe,<br /> +Denn sie schleicht, bei Nacht und Sturm,<br /> +Drüben nach dem Geisterberge,<br /> +Nach dem altverfall'nen Thurm. +</p> +<p> +»Dort hat einst ein Schloß gestanden,<br /> +Voller Lust und Waffenglanz;<br /> +Blanke Ritter, Frau'n und Knappen<br /> +Schwangen sich im Fackeltanz. +</p> +<p> +»Da verwünschte Schloß und Leute<br /> +Eine böse Zauberin,<br /> +Nur die Trümmer blieben stehen,<br /> +Und die Eulen nisten d'rin. +</p> +<p> +»Doch die sel'ge Muhme sagte:<br /> +Wenn man spricht das rechte Wort,<br /> +Nächtlich zu der rechten Stunde,<br /> +Drüben an dem rechten Ort: +</p> +<p> +»So verwandeln sich die Trümmer<br /> +Wieder in ein helles Schloß,<br /> +Und es tanzen wieder lustig<br /> +Ritter, Frau'n und Knappentroß; +</p> +<p> +»Und wer jenes Wort gesprochen,<br /> +Dem gehören Schloß und Leut',<br /> +Pauken und Trompeten huld'gen<br /> +Seiner jungen Herrlichkeit.«; +</p> +<p> +Also blühen Mährchenbilder<br /> +Aus des Mundes Röselein,<br /> +Und die Augen gießen drüber<br /> +Ihren blauen Sternenschein. +</p> +<p> +Ihre gold'nen Haare wickelt<br /> +Mir die Kleine um die Händ',<br /> +Giebt den Fingern hübsche Namen,<br /> +Lacht und küßt, und schweigt am End'. +</p> +<p> +Und im stillen Zimmer Alles<br /> +Blickt mich an so wohlvertraut;<br /> +Tisch und Schrank, mir ist als hätt' ich<br /> +Sie schon früher mal geschaut. +</p> +<p> +Freundlich ernsthaft schwatzt die Wanduhr,<br /> +Und die Zither, hörbar kaum,<br /> +Fängt von selber an zu klingen,<br /> +Und ich sitze wie im Traum. +</p> +<p> +Jetzo ist die rechte Stunde,<br /> +Und es ist der rechte Ort;<br /> +Staunen würdest du, mein Kindchen,<br /> +Spräch' ich aus das rechte Wort. +</p> +<p> +Sprech' ich jenes Wort, so dämmert<br /> +Und erbebt die Mitternacht,<br /> +Bach und Tannen brausen lauter,<br /> +Und der alte Berg erwacht. +</p> +<p> +Zitherklang und Zwergenlieder<br /> +Tönen aus des Berges Spalt,<br /> +Und es sprießt, wie'n toller Frühling,<br /> +D'raus hervor ein Blumenwald; +</p> +<p> +Blumen, kühne Wunderblumen,<br /> +Blätter, breit und fabelhaft,<br /> +Duftig bunt und hastig regsam.<br /> +Wie gedrängt von Leidenschaft. +</p> +<p> +Rosen, wild wie rothe Flammen,<br /> +Sprüh'n aus dem Gewühl hervor;<br /> +Lilien, wie krystall'ne Pfeiler,<br /> +Schießen himmelhoch empor. +</p> +<p> +Und die Sterne, groß wie Sonnen,<br /> +Schau'n herab mit Sehnsuchtgluth;<br /> +In der Lilien Riesenkelche<br /> +Strömet ihre Strahlenfluth. +</p> +<p> +Doch wir selber, süßes Kindchen,<br /> +Sind verwandelt noch viel mehr;<br /> +Fackelglanz und Gold und Seide<br /> +Schimmern lustig um uns her. +</p> +<p> +Du, du wurdest zur Prinzessiin,<br /> +Diese Hütte ward zum Schloß,<br /> +Und da jubeln und da tanzen<br /> +Ritter, Frau'n und Knappentroß. +</p> +<p> +Aber Ich, ich hab' erworben<br /> +Dich und Alles, Schloß und Leut';<br /> +Pauken und Trompeten huld'gen<br /> +Meiner jungen Herrlichkeit! +</p> + +</body> +</html> |