From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html | 149 ++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 149 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html (limited to 'OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html') diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html new file mode 100644 index 0000000..e7a5a8e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html @@ -0,0 +1,149 @@ + + + + + + + + II. + + + +

II.

+ +

+Ein Traum, gar seltsam schauerlich,
+Ergötzte und erschreckte mich.
+Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,
+Und in dem Herzen wogt's mir wild. +

+

+Da war ein Garten, wunderschön,
+Da wollt' ich lustig mich ergehn;
+Viel schöne Blumen sahn mich an,
+Ich hatte meine Freude dran. +

+

+Es zwitscherten die Vögelein
+Viel muntre Liebesmelodei'n;
+Die Sonne war von Gold umstrahlt,
+Die Blumen lustig bunt bemalt. +

+

+Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,
+Die Lüfte wehen lieb und lind;
+Und Alles schimmert, Alles lacht,
+Und zeigt mir freundlich seine Pracht. +

+

+Inmitten in dem Blumenland
+Ein klarer Marmorbrunnen stand;
+Da schaut' ich eine schöne Maid,
+Die emsig wusch ein weißes Kleid. +

+

+Die Wänglein süß, die Aeuglein mild,
+Ein blondgelocktes Heil'genbild;
+Und wie ich schau, die Maid ich fand
+So fremd und doch so wohl bekannt. +

+

+Die schöne Maid, die sputet sich,
+Sie summt ein Lied gar wunderlich:
+»Rinne, rinne, Wässerlein,
+»Wasche, wasche Hemde rein.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr,
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wunderschöne, süße Maid!
+Für wen ist dieses weiße Kleid? +

+

+Da sprach sie schnell: Sey bald bereit,
+Ich wasche dir dein Todtenkleid!
+Und als sie dieß gesprochen kaum,
+Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. – +

+

+Schnell fortgezaubert stand ich bald
+In einem düstern, wilden Wald.
+Die Bäume ragten himmelan;
+Ich stand erstaunt und sann und sann. +

+

+Und horch! welch dumpfer Wiederhall!
+Wie ferner Aextenschläge Schall;
+Ich eil' durch Busch und Wildniß fort,
+Und komm' an einen freien Ort. +

+

+Inmitten in dem grünen Raum,
+Da stand ein großer Eichenbaum;
+Und sieh! mein Mägdlein wundersam
+Haut mit dem Beil den Eichenstamm. +

+

+Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil',
+Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:
+»Eisen blink, Eisen blank,
+»Zimmre hurtig Eichenschrank.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr,
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wundersüßes Mägdelein,
+Wem zimmerst du den Eichenschrein? +

+

+Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg,
+Ich zimmre deinen Todtensarg!
+Und als sie dieß gesprochen kaum,
+Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. – +

+

+Es lag so bleich, es lag so weit
+Ringsum nur kahle, kahle Heid;
+Ich wußte nicht wie mir geschah,
+Und heimlich schauernd stand ich da. +

+

+Und nun ich eben fürder schweif',
+Gewahr' ich einen weißen Streif;
+Ich eilt' drauf zu, und eilt' und stand,
+Und sieh! die schöne Maid ich fand. +

+

+Auf weiter Heid stand weiße Maid,
+Grub tief die Erd' mit Grabescheit.
+Kaum wagt ich noch sie anzuschau'n,
+Sie war so schön und doch ein Grau'n. +

+

+Die schöne Maid, die sputet sich,
+Sie summt ein Lied gar wunderlich:
+»Spaten, Spaten, scharf und breit,
+»Schaufle Grube tief und weit.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wunderschöne, süße Maid,
+Was diese Grube hier bedeut't? +

+

+Da sprach sie schnell: Sey still, mein Knab',
+Ich schaufle dir ein kühles Grab.
+Und als so sprach die schöne Maid,
+Da öffnet sich die Grube weit; +

+

+Und als ich in die Grube schaut',
+Ein kalter Schauer mich durchgraut;
+Und in die dunkle Grabesnacht
+Stürzt' ich hinein, – und bin erwacht. +

+ + + -- cgit v1.2.3