From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/00.html | 17 ++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/01.html | 37 +++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html | 149 ++++++++++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/03.html | 33 +++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/04.html | 33 +++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/05.html | 83 +++++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/06.html | 107 +++++++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/07.html | 145 ++++++++++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/08.html | 271 ++++++++++++++++++++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/09.html | 59 +++++ OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/10.html | 59 +++++ 11 files changed, 993 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/00.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/01.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/03.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/04.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/05.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/06.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/07.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/08.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/09.html create mode 100644 OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/10.html (limited to 'OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder') diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/00.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/00.html new file mode 100644 index 0000000..593925c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/00.html @@ -0,0 +1,17 @@ + + + + + + + + Junge Leiden. + + + +

Junge Leiden.

+
1817-1821
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/01.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/01.html new file mode 100644 index 0000000..e40cebe --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/01.html @@ -0,0 +1,37 @@ + + + + + + + + Traumbilder I. + + + +

Traumbilder

+ +

I.

+ +

+Mir träumte einst von wildem Liebesglühen,
+Von hübschen Locken, Myrthen und Resede,
+Von süßen Lippen und von bittrer Rede,
+Von düstrer Lieder düstern Melodien. +

+

+Verblichen und verweht sind längst die Träume,
+Verweht ist gar mein liebstes Traumgebild!
+Geblieben ist mir nur, was glutherfüllt
+Ich einst gegossen hab' in weiche Reime. +

+

+Du bleibst, verwaistes Lied! Verweh' jetzt auch,
+Und such' das Traumbild, das mir längst entschwunden,
+Und grüß' es mir, wenn du es aufgefunden –
+Dem luft'gen Schatten send' ich luft'gen Hauch. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html new file mode 100644 index 0000000..e7a5a8e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/02.html @@ -0,0 +1,149 @@ + + + + + + + + II. + + + +

II.

+ +

+Ein Traum, gar seltsam schauerlich,
+Ergötzte und erschreckte mich.
+Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,
+Und in dem Herzen wogt's mir wild. +

+

+Da war ein Garten, wunderschön,
+Da wollt' ich lustig mich ergehn;
+Viel schöne Blumen sahn mich an,
+Ich hatte meine Freude dran. +

+

+Es zwitscherten die Vögelein
+Viel muntre Liebesmelodei'n;
+Die Sonne war von Gold umstrahlt,
+Die Blumen lustig bunt bemalt. +

+

+Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,
+Die Lüfte wehen lieb und lind;
+Und Alles schimmert, Alles lacht,
+Und zeigt mir freundlich seine Pracht. +

+

+Inmitten in dem Blumenland
+Ein klarer Marmorbrunnen stand;
+Da schaut' ich eine schöne Maid,
+Die emsig wusch ein weißes Kleid. +

+

+Die Wänglein süß, die Aeuglein mild,
+Ein blondgelocktes Heil'genbild;
+Und wie ich schau, die Maid ich fand
+So fremd und doch so wohl bekannt. +

+

+Die schöne Maid, die sputet sich,
+Sie summt ein Lied gar wunderlich:
+»Rinne, rinne, Wässerlein,
+»Wasche, wasche Hemde rein.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr,
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wunderschöne, süße Maid!
+Für wen ist dieses weiße Kleid? +

+

+Da sprach sie schnell: Sey bald bereit,
+Ich wasche dir dein Todtenkleid!
+Und als sie dieß gesprochen kaum,
+Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. – +

+

+Schnell fortgezaubert stand ich bald
+In einem düstern, wilden Wald.
+Die Bäume ragten himmelan;
+Ich stand erstaunt und sann und sann. +

+

+Und horch! welch dumpfer Wiederhall!
+Wie ferner Aextenschläge Schall;
+Ich eil' durch Busch und Wildniß fort,
+Und komm' an einen freien Ort. +

+

+Inmitten in dem grünen Raum,
+Da stand ein großer Eichenbaum;
+Und sieh! mein Mägdlein wundersam
+Haut mit dem Beil den Eichenstamm. +

+

+Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil',
+Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:
+»Eisen blink, Eisen blank,
+»Zimmre hurtig Eichenschrank.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr,
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wundersüßes Mägdelein,
+Wem zimmerst du den Eichenschrein? +

+

+Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg,
+Ich zimmre deinen Todtensarg!
+Und als sie dieß gesprochen kaum,
+Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. – +

+

+Es lag so bleich, es lag so weit
+Ringsum nur kahle, kahle Heid;
+Ich wußte nicht wie mir geschah,
+Und heimlich schauernd stand ich da. +

+

+Und nun ich eben fürder schweif',
+Gewahr' ich einen weißen Streif;
+Ich eilt' drauf zu, und eilt' und stand,
+Und sieh! die schöne Maid ich fand. +

+

+Auf weiter Heid stand weiße Maid,
+Grub tief die Erd' mit Grabescheit.
+Kaum wagt ich noch sie anzuschau'n,
+Sie war so schön und doch ein Grau'n. +

+

+Die schöne Maid, die sputet sich,
+Sie summt ein Lied gar wunderlich:
+»Spaten, Spaten, scharf und breit,
+»Schaufle Grube tief und weit.«; +

+

+Ich ging und nahete mich ihr
+Und flüsterte: O sage mir,
+Du wunderschöne, süße Maid,
+Was diese Grube hier bedeut't? +

+

+Da sprach sie schnell: Sey still, mein Knab',
+Ich schaufle dir ein kühles Grab.
+Und als so sprach die schöne Maid,
+Da öffnet sich die Grube weit; +

+

+Und als ich in die Grube schaut',
+Ein kalter Schauer mich durchgraut;
+Und in die dunkle Grabesnacht
+Stürzt' ich hinein, – und bin erwacht. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/03.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/03.html new file mode 100644 index 0000000..4a6075e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/03.html @@ -0,0 +1,33 @@ + + + + + + + + III. + + + +

III.

+ +

+Im nächt'gen Traum hab' ich mich selbst geschaut,
+Im schwarzen Gallafrack und seidner Weste,
+Manschetten an der Hand, als ging's zum Feste,
+Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.
+Ich beugte mich und sagte: »Sind Sie Braut?
+Ei! ei! so gratulir' ich, meine Beste!«;
+Doch fast die Kehle mir zusammenpreste
+Der langgezog'ne, vornehm kalte Laut.
+Und bitt're Thränen plötzlich sich ergossen
+Aus Liebchens Augen, und in Thränenwogen
+Ist mir das holde Bildniß fast zerflossen.
+O süße Augen, fromme Liebessterne,
+Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,
+Und auch im Traum, glaub' ich euch dennoch gerne! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/04.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/04.html new file mode 100644 index 0000000..f98b532 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/04.html @@ -0,0 +1,33 @@ + + + + + + + + IV. + + + +

IV.

+ +

+Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig,
+Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,
+Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,
+Inwendig aber war es grob und schmutzig.
+Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,
+Jedoch von außen voller Würdigkeit;
+Von der Courage sprach es lang und breit,
+Und that sogar recht trotzig und recht stutzig.
+»Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau'!«;
+So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau
+Die Bilderfluth in eines Spiegels Rahmen.
+Vor einem Altar stand das Männchen da,
+Mein Lieb daneben, Beide sprachen: Ja!
+Und tausend Teufel riefen lachend: Amen! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/05.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/05.html new file mode 100644 index 0000000..53eb22e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/05.html @@ -0,0 +1,83 @@ + + + + + + + + V. + + + +

V.

+ +

+Was treibt und tobt mein tolles Blut?
+Was flammt mein Herz in wilder Gluth?
+Es kocht mein Blut und zischt und gährt,
+Und grimme Gluth mein Herz verzehrt. +

+

+Das Blut ist toll, die Flamme wild,
+Weil zu mir kam ein Traumgebild;
+Es kam der finstre Sohn der Nacht,
+Und hat mich keuchend fortgebracht. +

+

+Er bracht' mich in ein helles Haus,
+Wo Harfenklang und Saus und Braus,
+Und Fackelglanz und Kerzenschein;
+Ich kam zum Saal, ich trat hinein. +

+

+Das war ein lustig Hochzeitfest;
+Zu Tafel saßen froh die Gäst'.
+Und wie ich nach dem Brautpaar schaut', –
+O weh! mein Liebchen war die Braut. +

+

+Das war mein Liebchen wunnesam,
+Ein fremder Mann war Bräutigam;
+Dicht hinter'm Ehrenstuhl der Braut,
+Da blieb ich stehn, gab keinen Laut. +

+

+Es rauscht Musik, – gar still stand ich;
+Der Freudenlärm betrübte mich.
+Der Bräutgam oft gar zärtlich blickt,
+Die Braut erwiedert's hold und nickt. +

+

+Der Bräutgam füllt den Becher sein,
+Und trinkt daraus, und reicht gar fein
+Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, –
+O Weh! mein rothes Blut sie trank. +

+

+Die Braut ein hübsches Nepflein nahm,
+Und reicht es hin dem Bräutigam.
+Der nahm sein Messer, schnitt hinein, –
+O Weh! das war das Herze mein. +

+

+Sie äugeln süß, sie äugeln lang,
+Der Bräut'gam kühn die Braut umschlang,
+Und küßt sie auf die Wangen roth, –
+O Weh! mich küßt der kalte Tod. +

+

+Wie Blei lag meine Zung' im Mund',
+Daß ich kein Wörtlein sprechen kunt.
+Da rauscht es auf, der Tanz begann;
+Das schmucke Brautpaar tanzt voran. +

+

+Und wie ich stand so leichenstumm,
+Die Tänzer schweben flink herum; –
+Ein leises Wort der Bräut'gam spricht,
+Die Braut wird roth, doch zürnt sie nicht. – – +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/06.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/06.html new file mode 100644 index 0000000..7e0b7c0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/06.html @@ -0,0 +1,107 @@ + + + + + + + + VI. + + + +

VI.

+ +

+Im süßen Traum bei stiller Nacht,
+Da kam zu mir, mit Zauberpracht,
+Die lang ersehnte Liebste mein,
+Und goß mir Gluth in's Herz hinein. +

+

+Und wie ich schau', erglüh ich wild
+Und wie ich schau, sie lächelt mild,
+Und lächelt bis das Herz mir schwoll,
+Und stürmisch kühn das Wort entquoll: +

+

+»Nimm hin, nimm alles was da mein,
+Mein Liebstes will ich gern dir weih'n,
+Dürft' ich dafür dein Buhle seyn,
+Von Mitternacht bis Hahnenschrei'n.«; +

+

+Da staunt' mich an gar seltsamlich,
+So lieb, so weh, und inniglich,
+Und sprach zu mir die schöne Maid:
+So gieb mir deine Seligkeit. +

+

+»Mein Leben süß, mein junges Blut,
+Gäb' ich, mit Freud und wohlgemuth,
+Für dich, o Mädchen, engelgleich, –
+Doch nimmermehr das Himmelreich.«; +

+

+Wohl braust hervor mein rasches Wort,
+Doch blühet schöner immerfort,
+Und immer spricht die schöne Maid:
+O gieb mir deine Seligkeit! +

+

+Dumpf dröhnt dieß Wort mir in's Gehör,
+Und schleudert mir ein Gluthenmeer
+Wohl in den tiefsten Seelenraum;
+Ich athme schwer, ich athme kaum. – +

+

+Da waren weiße Engelein,
+Die glänzten hell im Rosenschein;
+Nun aber stürmte wild herauf
+Ein gräulich schwarzer Koboldhauf'. +

+

+Die rangen mit den Engelein,
+Und drängten fort die Engelein;
+Und endlich auch die schwarze Schaar
+In Nebelduft zerronnen war. – +

+

+Ich aber wollt' in Lust vergehn,
+Ich hielt im Arm mein Liebchen schön;
+Wie'n Rehlein süß umschmiegt sie mich,
+Doch weint sie auch recht bitterlich. +

+

+Feins Liebchen weint; ich weiß warum,
+Und küß' ihr Rosenmündlein stumm. –
+»O still', feins Lieb, die Thränenfluth,
+Gieb her, feins Lieb, nur Minnegluth.«; +

+

+»Ergieb dich meiner Minnegluth – «;
+Da plötzlich starr't zu Eis mein Blut;
+Laut bebet auf der Erde Grund,
+Und öffnet gähnend seinen Schlund. +

+

+Und aus dem Abgrund schwarz und graus
+Stieg wild die schwarze Schaar heraus.
+Aus meinen Armen schwand feins Lieb;
+Ich ganz alleine stehen blieb. +

+

+Da tanzt im Kreise wunderbar,
+Um mich herum, die schwarze Schaar,
+Und drängt heran, erfaßt mich bald,
+Und gellend Hohngelächter schallt. +

+

+Und immer enger wird der Kreis,
+Und immer summt die Schauerweis':
+Du gabest hin die Seligkeit,
+Gehörst uns nun in Ewigkeit! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/07.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/07.html new file mode 100644 index 0000000..7ab7059 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/07.html @@ -0,0 +1,145 @@ + + + + + + + + VII. + + + +

VII.

+ +

+Nun hast du das Kaufgeld, nun zögerst du doch?
+Blutfinstrer Gesell, was zögerst du noch?
+Schon sitze ich harrend im Kämmerlein traut,
+Und Mitternacht nah't schon, – es fehlt nur die Braut. +

+

+Viel schauernde Lüftchen vom Kirchhofe wehn;
+Ihr Lüftchen! habt ihr mein Bräutchen gesehn?
+Viel blasse Larven gestalten sich da,
+Umknixen mich grinsend, und nicken: O ja! +

+

+Pack' aus, was bringst du für Bothschafterei,
+Du schwarzer Schlingel in Feuerlivrei?
+»Die gnädige Herrschaft meldet sich an,
+Gleich kommt sie gefahren im Drachengespann.«; +

+

+Du lieb grau Männchen, was ist dein Begehr?
+Mein todter Magister, was treibt dich her?
+Er schaut mich mit schweigend trübseligem Blick,
+Und schüttelt das Haupt, und wandelt zurück. +

+

+Was winselt und wedelt mein zott'ger Gesell?
+Was glimmert schwarz Katers Auge so hell?
+Was heulen die Weiber mit fliegendem Haar?
+Was lullt mir Frau Amme mein Wiegenlied gar? +

+

+Frau Amme bleib heut mit dem Singsang zu Haus,
+Das Eiapopeia ist lange schon aus;
+Ich fey're gar heute mein Hochzeitfest, –
+Da schau' mal, dort kommen schon zierliche Gäst'. +

+

+Da schau' mal! Ihr Herren, das nenn' ich galant!
+Ihr tragt, statt der Hüte, die Köpf' in der Hand!
+Ihr Zappelbein-Leutchen im Galgen-Ornat,
+Der Wind ist still, was kommt Ihr so spat? +

+

+Da kommt auch alt Besenstielmütterchen schon,
+Ach segne mich, Mütterchen, bin ja dein Sohn;
+Da zittert der Mund im weißen Gesicht:
+»In Ewigkeit Amen!«; alt Mütterchen spricht. +

+

+Zwölf winddürre Musiker schlendern herein;
+Blind Fidelweib holpert wohl hintendrein.
+Da schleppt der Hanswurst, in buntscheckiger Jack',
+Den Todtengräber huckepack. +

+

+Da tanzen zwölf Klosterjungfrauen herein;
+Die schielende Kupplerin führet den Reih'n.
+Da folgen zwölf lüsterne Pfäffelein schon,
+Und pfeifen ein Schandlied im Kirchenton'. +

+

+Herr Trödler, o schrei dir nicht blau das Gesicht.
+Im Fegfeuer nützt mir dein Pelzröckel nicht;
+Dort heizet man gratis jahraus, jahrein,
+Statt mit Holz, mit Fürsten- und Bettlergebein. +

+

+Die Blumenmädchen sind bucklicht und krumm,
+Und purzeln kopfüber im Zimmer herum.
+Ihr Eulengesichter mit Heuschreckenbein,
+Hei! laßt mir das Rippengeklapper nur seyn! +

+

+Die sämmtliche Höll' ist los fürwahr!
+Und lärmet und schwärmet in wachsender Schaar;
+Sogar der Verdammniß-Walzer erschallt, –
+Still, still! nun kommt mein feins Liebchen auch bald. +

+

+Gesindel sey still, oder trolle dich fort!
+Ich höre kaum selber mein leibliches Wort, –
+Ei, rasselt nicht eben ein Wagen vor?
+Frau Köchin! wo bist du? schnell öffne das Thor. +

+

+Willkommen, feins Liebchen, wie geht's dir, mein
+Schatz?
+Willkommen Herr Pastor, ach nehmen Sie Platz!
+Herr Pastor mit Pferdefuß und Schwanz,
+Ich bin Eu'r Hochwürden Diensteigener ganz! +

+

+Lieb Bräutchen, was stehst du so stumm und bleich?
+Der Herr Pastor schreitet zur Trauung sogleich;
+Wohl zahl ich ihm theure, bluttheure Gebühr,
+Doch dich zu besitzen gilt's Kinderspiel mir. +

+

+Knie' nieder, süß Bräutchen, knie' hin mir zur
+Seit'! –
+Da kniet sie, da sinkt sie, – o selige Freud! –
+Sie sinkt mir an's Herz, an die schwellende Brust,
+Ich halt' sie umschlungen mit schauernder Lust. +

+

+Die Goldlockenwellen umspielen uns beid';
+An mein Herze pocht das Herze der Maid.
+Sie pochen wohl beide vor Lust und vor Weh,
+Und schweben hinauf in die Himmelshöh'. +

+

+Die Herzlein schwammen im Freudensee,
+Dort oben in Gottes heil'ger Höh';
+Doch über den Häuptern viel Grausen sich regt,
+Da hat die Hölle die Hand gelegt, +

+

+Das ist der finstre Sohn der Nacht,
+Der hier den segnenden Priester macht;
+Er murmelt die Formel aus blutigem Buch,
+Sein Beten ist Lästern, sein Segnen ist Fluch. +

+

+Und es krächzet und zischet und heulet toll,
+Wie Wogengebrause, wie Donnergeroll;
+Da blitzet auf einmal ein bläuliches Licht, –
+»In Ewigkeit Amen!«; alt Mütterchen spricht. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/08.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/08.html new file mode 100644 index 0000000..fc58893 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/08.html @@ -0,0 +1,271 @@ + + + + + + + + VIII. + + + +

VIII.

+ +

+Ich kam von meiner Herrin Haus,
+Und wandelt' in Wahnsinn und Mitternachtgraus.
+Und wie ich am Kirchhof vorüber gehn will,
+Da winken die Gräber ernst und still. +

+

+Da winkt's von des Spielmanns Leichenstein;
+Das war der flimmernde Mondesschein.
+Da lispelt's: Lieb Bruder, ich komme gleich!
+Da steigt's aus dem Grabe nebelbleich. +

+

+Der Spielmann war's, der entstiegen jetzt,
+Und hoch auf den Leichenstein sich setzt.
+In die Saiten der Zither greift er schnell,
+Und singt dabei recht hohl und grell: +

+

+Ei! kennt Ihr noch das alte Lied,
+Das einst so wild die Brust durchglüht,
+Ihr Saiten dumpf und trübe?
+Die Engel, die nennen es Himmelsfreud, +

+

+Die Teufel, die nennen es Höllenleid,
+Die Menschen, die nennen es: Liebe! +

+

+Kaum tönte des letzten Wortes Schall,
+Da thaten sich auf die Gräber all';
+Viel Luftgestalten dringen hervor,
+Und umschweben den Spielmann und schrillen im Chor: +

+

+Liebe! Liebe! deine Macht
+Hat uns hier zu Bett gebracht,
+Und die Augen zugemacht, –
+Ei, was rufst du in der Nacht? +

+

+So heult es verworren, und ächzet und girrt,
+Und brauset und sauset, und krächzet und klirrt;
+Und der tolle Schwarm den Spielmann umschweift,
+Und der Spielmann wild in die Saiten greift: +

+

+Bravo! bravo! immer toll!
+Seyd willkommen!
+Habt vernommen
+Daß mein Zauberwort erscholl, +

+

+Liegt man doch jahraus, jahrein,
+Mäuschenstill im Kämmerlein;
+Laßt uns heute lustig seyn!
+Mit Vergunst, –
+Seht erst zu, sind wir allein? –
+Narren waren wir im Leben,
+Und mit toller Wuth ergeben
+Einer tollen Liebesbrunst.
+Kurzweil soll uns heut nicht fehlen,
+Jeder soll hier treu erzählen,
+Was ihn weiland hergebracht,
+Wie gehetzt,
+Wie zerfetzt
+Ihn die tolle Liebesjagd. +

+

+Da hüpft aus dem Kreise, so leicht, wie der Wind,
+Ein mageres Wesen, das summend beginnt: +

+

+Ich war ein Schneidergeselle,
+Mit Nadel und mit Scheer';
+Ich war so flink und schnelle
+Mit Nadel und mit Scheer'.
+Da kam die Meisterstochter
+Mit Nadel und mit Scheer';
+Und hat mir in's Herz gestochen
+Mit Nadel und mit Scheer'. +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor;
+Ein Zweiter trat still und ernst hervor: +

+

+Den Rinaldo Rinaldini,
+Schinderhanno, Orlandini,
+Und besonders Carlo Moor
+Nahm ich mir als Muster vor. +

+

+Auch verliebt – mit Ehr' zu melden –
+Hab' ich mich, wie jene Helden,
+Und das schönste Frauenbild
+Spukte mir im Kopfe wild. +

+

+Und ich seufzte auch und girrte;
+Und wenn Liebe mich verwirrte,
+Steckt' ich meine Finger rasch
+In des Herren Nachbars Tasch'. +

+

+Doch der Gassenvogt mir grollte,
+Daß ich Sehnsuchtsthränen wollte
+Trocknen mit dem Taschentuch,
+Das mein Nachbar bei sich trug. +

+

+Und nach frommer Häschersitte
+Nahm man still mich in die Mitte,
+Und das Zuchthaus, heilig groß,
+Schloß mir auf den Mutterschooß. +

+

+Schwelgend süß in Liebessinnen,
+Saß ich dort beim Wollespinnen,
+Bis Rinaldos Schatten kam,
+Und die Seele mit sich nahm. +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor;
+Geschminkt und geputzt trat ein Dritter hervor: +

+

+Ich war ein König der Bretter,
+Und spielte das Liebhaberfach,
+Ich brüllte manch wildes: Ihr Götter!
+Ich seufzte manch zärtliches: Ach! +

+

+Den Mortimer spielt' ich am besten,
+Maria war immer so schön!
+Doch trotz der natürlichsten Gesten
+Sie wollte mich nimmer versteh'n. – +

+

+Einst als ich verzweifelnd am Ende
+»Maria, du Heilige!«; rief,
+Da nahm ich den Dolch behende –
+Und stach mich ein bischen zu tief. +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor;
+Im weißen Flausch trat ein Vierter hervor: +

+

+Vom Katheder schwatzte herab der Professor,
+Er schwatzt', und ich schlief oft gut dabei ein;
+Doch hätt' mir's behagt noch tausendmal besser
+Bei seinem holdseligen Töchterlein. +

+

+Sie hatt' mir oft zärtlich am Fenster genicket,
+Die Blume der Blumen, mein Lebenslicht!
+Doch die Blume der Blumen ward endlich gepflücket
+Vom dürren Philister, dem reichen Wicht. +

+

+Da flucht ich den Weibern und reichen Halunken,
+Und mischte mir Teufelskraut in den Wein, –
+Und hab' mit dem Tode Smollis getrunken,
+Der sprach: Fiduzit, ich heiße Freund Hein! +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor,
+Einen Strick um den Hals trat ein Fünfter hervor: +

+

+Es prunkte und prahlte der Graf beim Wein
+Mit dem Töchterchen sein und dem Edelgestein.
+Was scheert mich, du Gräflein, dein Edelgestein,
+Mir mundet weit besser dein Töchterlein. +

+

+Sie lagen wohl beid' unter Riegel und Schloß,
+Und der Graf besold'te viel Dienergetroß. +

+

+Was scheeren mich Diener und Riegel und Schloß, –
+Ich stieg getrost auf die Leitersproß. +

+

+An Liebchens Fensterlein klettr' ich getrost,
+Da hör' ich es unten fluchen erbost:
+»Fein sachte, mein Bübchen, muß auch dabei seyn,
+Ich liebe ja auch die Edelgestein.«; +

+

+So spöttelt der Graf und erfaßt mich gar,
+Und jauchzend umringt mich die Dienerschaar.
+»Zum Teufel, Gesindel! Ich bin ja kein Dieb;
+Ich wollte nur stehlen mein trautes Lieb!«; +

+

+Da half kein Gerede, da half kein Rath,
+Da machte man hurtig die Stricke parat;
+Wie die Sonne kam, da wundert sie sich,
+Am hellen Galgen fand sie mich. +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor;
+Den Kopf in der Hand trat ein Sechster hervor. +

+

+Zum Waidwerk trieb mich Liebesharm;
+Ich schlich umher, die Büchs' im Arm.
+Da schnarret's hohl vom Baum herab,
+Der Rabe rief: Kopf – ab! Kopf – ab! +

+

+O, spürt' ich doch ein Täubchen aus,
+Ich brächt' es meinem Lieb nach Haus!
+So dacht' ich, und in Busch und Strauch
+Späh't rings umher mein Jägeraug'. +

+

+Was koset dort? was schnäbelt fein?
+Zwei Turteltäubchen mögen's seyn.
+Ich schleich herbei, – den Hahn gespannt, –
+Sieh' da! mein eignes Lieb ich fand. +

+

+Das war mein Täubchen, meine Braut,
+Ein fremder Mann umarmt sie traut, –
+Nun, alter Schütze, treffe gut!
+Da lag der fremde Mann im Blut'. +

+

+Bald drauf ein Zug mit Henkersfrohn –
+Ich selbst dabei als Hauptperson –
+Den Wald durchzog. Vom Baum herab
+Der Rabe rief: Kopf – ab! Kopf – ab! +

+

+Da lachten die Geister im lustigen Chor;
+Da trat der Spielmann selber hervor: +

+

+Ich hab' mal ein Liedchen gesungen,
+Das schöne Lied ist aus; +

+

+Wenn das Herz im Leibe zersprungen,
+Dann gehen die Lieder nach Haus! +

+

+Und das tolle Gelächter sich doppelt erhebt,
+Und die bleiche Schaar im Kreise schwebt.
+Da scholl vom Kirchthurm' »Eins«; herab,
+Da stürzten die Geister sich heulend in's Grab. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/09.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/09.html new file mode 100644 index 0000000..56ec3eb --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/09.html @@ -0,0 +1,59 @@ + + + + + + + + IX. + + + +

IX.

+ +

+Ich lag und schlief, und schlief recht mild,
+Verscheucht war Gram und Leid;
+Da kam zu mir ein Traumgebild,
+Die allerschönste Maid. +

+

+Sie war wie Marmelstein so bleich,
+Und heimlich wunderbar;
+Im Auge schwamm es perlengleich,
+Gar seltsam wallt' ihr Haar. +

+

+Und leise, leise sich bewegt
+Die marmorblasse Maid,
+Und an mein Herz sich niederlegt
+Die marmorblasse Maid. +

+

+Wie bebt und pocht vor Weh und Lust,
+Mein Herz, und brennet heiß!
+Nicht bebt, nicht pocht der Schönen Brust,
+Die ist so kalt wie Eis. +

+

+»Nicht bebt, nicht pocht wohl meine Brust,
+Die ist wie Eis so kalt;
+Doch kenn' auch ich der Liebe Lust,
+Der Liebe Allgewalt. +

+

+Mir blüht kein Roth auf Mund und Wang,
+Mein Herz durchströmt kein Blut;
+Doch sträube dich nicht schauernd bang,
+Ich bin dir hold und gut.«; +

+

+Und wilder noch umschlang sie mich,
+Und that mir bald ein Leid;
+Da kräht der Hahn – und stumm entwich
+Die marmorblasse Maid. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/10.html b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/10.html new file mode 100644 index 0000000..5749372 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/01_junge_leiden/01_traumbilder/10.html @@ -0,0 +1,59 @@ + + + + + + + + X. + + + +

X.

+ +

+Da hab' ich viel blasse Leichen
+Beschworen mit Wortesmacht;
+Die wollen nun nicht mehr weichen
+Zurück in die alte Nacht. +

+

+Das zähmende Sprüchlein vom Meister
+Vergaß ich vor Schauer und Graus,
+Nun zieh'n die eig'nen Geister
+Mich selber in's neblichte Haus. +

+

+Laßt ab, ihr finstren Dämonen!
+Laßt ab, und drängt mich nicht!
+Noch manche Freude mag wohnen
+Hier oben im Rosenlicht. +

+

+Ich muß ja immer streben
+Nach der Blume wunderhold;
+Was bedeutet' mein ganzes Leben,
+Wenn ich Sie nicht lieben gesollt? +

+

+Ich möcht sie nur einmal umfangen,
+Und pressen an's glühende Herz!
+Nur einmal die Lippen und Wangen
+Küssen mit sel'gem Schmerz. +

+

+Nur einmal aus ihrem Munde
+Möcht' ich hören ein liebendes Wort, –
+Alsdann wollt' ich folgen zur Stunde
+Euch, Geister, zum finstern Ort. +

+

+Die Geister haben's vernommen,
+Und nicken grausiglich.
+Feins Liebchen, nun bin ich gekommen;
+Feins Liebchen, liebst du mich? +

+ + + -- cgit v1.2.3