From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html | 331 ++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 331 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html (limited to 'OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html') diff --git a/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html b/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html new file mode 100644 index 0000000..e419497 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04_aus_der_harzreise/02.html @@ -0,0 +1,331 @@ + + + + + + + + Bergidylle. + + + +

Bergidylle.

+ +
I.
+ +

+Auf dem Berge steht die Hütte,
+Wo der alte Bergmann wohnt;
+Dorten rauscht die grüne Tanne,
+Und erglänzt der gold'ne Mond. +

+

+In der Hütte steht ein Lehnstuhl,
+Reich geschnitzt und wunderlich,
+Der darauf sitzt, der ist glücklich,
+Und der Glückliche bin Ich! +

+

+Auf dem Schemel sitzt die Kleine,
+Stützt den Arm auf meinen Schooß;
+Aeuglein wie zwei blaue Sterne,
+Mündlein wie die Purpurros'. +

+

+Und die lieben, blauen Sterne
+Schau'n mich an so himmelgroß,
+Und sie legt den Lilienfinger
+Schalkhaft auf die Purpurros'. +

+

+Nein, es sieht uns nicht die Mutter,
+Denn sie spinnt mit großem Fleiß,
+Und der Vater spielt die Zitter,
+Und er singt die alte Weis'. +

+

+Und die Kleine flüstert leise,
+Leise, mit gedämpftem Laut;
+Manches wichtige Geheimniß
+Hat sie mir schon anvertaut. +

+

+»Aber seit die Muhme todt ist,
+Können wir ja nicht mehr geh'n
+Nach dem Schützenhof zu Goslar,
+Und dort ist es gar zu schön. +

+

+»Hier dagegen ist es einsam,
+Auf der kalten Bergeshöh',
+Und des Winters sind wir gänzlich
+Wie vergraben in dem Schnee. +

+

+»Und ich bin ein banges Mädchen,
+Und ich fürcht' mich wie ein Kind
+Vor den bösen Bergesgeistern,
+Die des Nachts geschäftig sind.«; +

+

+Plötzlich schweigt die liebe Kleine,
+Wie vom eignen Wort erschreckt,
+Und sie hat mit beiden Händchen
+Ihre Aeugelein bedeckt. +

+

+Lauter rauscht die Tanne draußen,
+Und das Spinnrad schnarrt und brummt,
+Und die Zither klingt dazwischen,
+Und die alte Weise summt: +

+

+Fürcht' dich nicht, du liebes Kindchen,
+Vor der bösen Geister Macht;
+Tag und Nacht, du liebes Kindchen,
+Halten Englein bei dir Wacht!«; +

+ +
II.
+ +

+Tannenbaum, mit grünen Fingern,
+Pocht an's nied're Fensterlein,
+Und der Mond, der gelbe Lauscher,
+Wirft sein süßes Licht herein. +

+

+Vater, Mutter schnarchen leise
+In dem nahen Schlafgemach,
+Doch wir beide, selig schwatzend,
+Halten uns einander wach. +

+

+»Daß du gar zu oft gebetet,
+Das zu glauben wird mir schwer,
+Jenes Zucken deiner Lippen
+Kommt wohl nicht vom Beten her. +

+

+»Jenes böse, kalte Zucken,
+Das erschreckt mich jedesmal,
+Doch die dunkle Angst beschwichtigt
+Deiner Augen frommer Strahl. +

+

+»Auch bezweifl' ich, daß du glaubest,
+Was so rechter Glauben heißt,
+Glaubst wohl nicht an Gott den Vater,
+An den Sohn und heil'gen Geist?«; – +

+

+Ach, mein Kindchen, schon als Knabe,
+Als ich saß auf Mutters Schooß,
+Glaubte ich an Gott den Vater,
+Der da waltet gut und groß; +

+

+Der die schöne Erd' erschaffen,
+Und die schönen Menschen d'rauf,
+Der den Sonnen, Monden, Sternen
+Vorgezeichnet ihren Lauf. +

+

+Als ich größer wurde, Kindchen,
+Noch viel mehr begriff ich schon,
+Und begriff, und ward vernünftig,
+Und ich glaub' auch an den Sohn; +

+

+An den lieben Sohn, der liebend
+Uns die Liebe offenbart,
+Und zum Lohne, wie gebräuchlich,
+Von dem Volk gekreuzigt ward. +

+

+Jetzo, da ich ausgewachsen,
+Viel gelesen, viel gereist,
+Schwillt mein Herz, und ganz von Herzen
+Glaub' ich an den heil'gen Geist. +

+

+Dieser that die größten Wunder,
+Und viel größ're thut er noch;
+Er zerbrach die Zwingherrnburgen,
+Und zerbrach des Knechtes Joch. +

+

+Alte Todeswunden heilt er,
+Und erneut das alte Recht:
+Alle Menschen, gleichgeboren,
+Sind ein adliges Geschlecht. +

+

+Er verscheucht die bösen Nebel,
+Und das dunkle Hirngespinst,
+Das uns Lieb' und Lust verleidet,
+Tag und Nacht uns angegrinzt. +

+

+Tausend Ritter, wohlgewappnet,
+Hat der heil'ge Geist erwählt,
+Seinen Willen zu erfüllen,
+Und er hat sie muthbeseelt. +

+

+Ihre theuern Schwerdter blitzen,
+Ihre guten Banner weh'n!
+Ei, du möchtest wohl, mein Kindchen,
+Solche stolze Ritter seh'n? +

+

+Nun, so schau' mich an, mein Kindchen,
+Küsse mich und schaue dreist;
+Denn ich selber bin ein solcher
+Ritter von dem heil'gen Geist. +

+ +
III.
+ +

+Still versteckt der Mond sich draußen
+Hinter'm grünen Tannenbaum,
+Und im Zimmer unsre Lampe
+Flackert matt und leuchtet kaum. +

+

+Aber meine blauen Sterne
+Strahlen auf in heller'm Licht,
+Und es glühn die Purpurröslein,
+Und das liebe Mädchen spricht: +

+

+»Kleines Völkchen, Wichtelmännchen,
+Stehlen unser Brod und Speck,
+Abends liegt es noch im Kasten,
+Und des Morgens ist es weg. +

+

+»Kleines Völkchen, unsre Sahne
+Nascht es von der Milch, und läßt
+Unbedeckt die Schüssel stehen,
+Und die Katze säuft den Rest. +

+

+»Und die Katz' ist eine Hexe,
+Denn sie schleicht, bei Nacht und Sturm,
+Drüben nach dem Geisterberge,
+Nach dem altverfall'nen Thurm. +

+

+»Dort hat einst ein Schloß gestanden,
+Voller Lust und Waffenglanz;
+Blanke Ritter, Frau'n und Knappen
+Schwangen sich im Fackeltanz. +

+

+»Da verwünschte Schloß und Leute
+Eine böse Zauberin,
+Nur die Trümmer blieben stehen,
+Und die Eulen nisten d'rin. +

+

+»Doch die sel'ge Muhme sagte:
+Wenn man spricht das rechte Wort,
+Nächtlich zu der rechten Stunde,
+Drüben an dem rechten Ort: +

+

+»So verwandeln sich die Trümmer
+Wieder in ein helles Schloß,
+Und es tanzen wieder lustig
+Ritter, Frau'n und Knappentroß; +

+

+»Und wer jenes Wort gesprochen,
+Dem gehören Schloß und Leut',
+Pauken und Trompeten huld'gen
+Seiner jungen Herrlichkeit.«; +

+

+Also blühen Mährchenbilder
+Aus des Mundes Röselein,
+Und die Augen gießen drüber
+Ihren blauen Sternenschein. +

+

+Ihre gold'nen Haare wickelt
+Mir die Kleine um die Händ',
+Giebt den Fingern hübsche Namen,
+Lacht und küßt, und schweigt am End'. +

+

+Und im stillen Zimmer Alles
+Blickt mich an so wohlvertraut;
+Tisch und Schrank, mir ist als hätt' ich
+Sie schon früher mal geschaut. +

+

+Freundlich ernsthaft schwatzt die Wanduhr,
+Und die Zither, hörbar kaum,
+Fängt von selber an zu klingen,
+Und ich sitze wie im Traum. +

+

+Jetzo ist die rechte Stunde,
+Und es ist der rechte Ort;
+Staunen würdest du, mein Kindchen,
+Spräch' ich aus das rechte Wort. +

+

+Sprech' ich jenes Wort, so dämmert
+Und erbebt die Mitternacht,
+Bach und Tannen brausen lauter,
+Und der alte Berg erwacht. +

+

+Zitherklang und Zwergenlieder
+Tönen aus des Berges Spalt,
+Und es sprießt, wie'n toller Frühling,
+D'raus hervor ein Blumenwald; +

+

+Blumen, kühne Wunderblumen,
+Blätter, breit und fabelhaft,
+Duftig bunt und hastig regsam.
+Wie gedrängt von Leidenschaft. +

+

+Rosen, wild wie rothe Flammen,
+Sprüh'n aus dem Gewühl hervor;
+Lilien, wie krystall'ne Pfeiler,
+Schießen himmelhoch empor. +

+

+Und die Sterne, groß wie Sonnen,
+Schau'n herab mit Sehnsuchtgluth;
+In der Lilien Riesenkelche
+Strömet ihre Strahlenfluth. +

+

+Doch wir selber, süßes Kindchen,
+Sind verwandelt noch viel mehr;
+Fackelglanz und Gold und Seide
+Schimmern lustig um uns her. +

+

+Du, du wurdest zur Prinzessiin,
+Diese Hütte ward zum Schloß,
+Und da jubeln und da tanzen
+Ritter, Frau'n und Knappentroß. +

+

+Aber Ich, ich hab' erworben
+Dich und Alles, Schloß und Leut';
+Pauken und Trompeten huld'gen
+Meiner jungen Herrlichkeit! +

+ + + -- cgit v1.2.3