From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html | 27 +++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html | 59 ++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html | 46 ++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html | 90 +++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html | 102 +++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html | 85 ++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html | 58 ++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html | 124 +++++++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html | 68 +++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html | 54 +++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html | 111 ++++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html | 44 ++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html | 71 ++++++++++++ 13 files changed, 939 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html (limited to 'OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus') diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html new file mode 100644 index 0000000..f6064aa --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html @@ -0,0 +1,27 @@ + + + + + + + + Die Nordsee. + + + +

Die Nordsee.

+ +

1825 — 1826.

+
+
Friedrich Merkel
+sind die Bilder der Nordsee freundschaftlichst
+zugeeignet
+vom +
Verfasser.
+
+ +

Erster Cyklus.

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html new file mode 100644 index 0000000..a906612 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html @@ -0,0 +1,59 @@ + + + + + + + + I. Krönung. + + + +

Erster Cyklus.

+ +

I.

+
Krönung.
+ +

+Ihr Lieder! Ihr meine guten Lieder!
+Auf, auf! und wappnet Euch!
+Laßt die Trompeten klingen,
+Und hebt mir auf den Schild
+Dies junge Mädchen,
+Das jetzt mein ganzes Herz
+Beherrschen soll, als Königin. +

+

+Heil dir! du junge Königin! +

+

+Von der Sonne droben
+Reiß' ich das strahlend rothe Gold,
+Und webe d'raus ein Diadem
+Für dein geweihtes Haupt, +

+

+Von der flatternd blauseid'nen Himmelsdecke,
+Worin die Nachtdiamanten blitzen,
+Schneid' ich ein kostbar Stück,
+Und häng' es dir, als Krönungsmantel,
+Um deine königliche Schulter.
+Ich gebe dir einen Hofstaat
+Von steifgeputzten Sonetten,
+Stolzen Terzinen und höflichen Stanzen;
+Als Läufer diene dir mein Witz,
+Als Hofnarr meine Phantasie,
+Als Herold die lachende Thräne im Wappen,
+Diene dir mein Humor.
+Aber ich selber, Königin,
+Ich kniee vor dir nieder,
+Und huld'gend, auf rothem Sammetkissen,
+Ueberreiche ich Dir
+Das bischen Verstand,
+Das mir aus Mitleid noch gelassen hat
+Deine Vorgängerin im Reich. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html new file mode 100644 index 0000000..3645d3b --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html @@ -0,0 +1,46 @@ + + + + + + + + II. Abenddämmerung. + + + +

II.

+
Abenddämmerung.
+ +

+Am blassen Meeresstrande
+Saß ich gedankenbekümmert und einsam.
+Die Sonne neigte sich tiefer, und warf
+Glührothe Streifen auf das Wasser,
+Und die weißen, weiten Wellen,
+Von der Fluth gedrängt,
+Schäumten und rauschten näher und näher –
+Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,
+Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen,
+Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen –
+Mir war als hört' ich verscholl'ne Sagen,
+Uralte, liebliche Mährchen,
+Die ich einst, als Knabe,
+Von Nachbarskindern vernahm,
+Wenn wir am Sommerabend,
+Auf den Treppensteinen der Hausthür,
+Zum stillen Erzählen niederkauerten,
+Mit kleinen, horchenden Herzen +

+

+Und neugierklugen Augen; –
+Während die großen Mädchen,
+Neben duftenden Blumentöpfen,
+Gegenüber am Fenster saßen,
+Rosengesichter,
+Lächelnd und mondbeglänzt. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html new file mode 100644 index 0000000..3587e80 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html @@ -0,0 +1,90 @@ + + + + + + + + III. Sonnenuntergang. + + + +

III.

+
Sonnenuntergang.
+ +

+Die glühend rothe Sonne steigt
+Hinab in's weitaufschauernde,
+Silbergraue Weltmeer;
+Luftgebilde, rosig angehaucht,
+Wallen ihr nach, und gegenüber,
+Aus herbstlich dämmernden Wolkenschleiern,
+Ein traurig todtblasses Antlitz,
+Bricht hervor der Mond,
+Und hinter ihm, Lichtfünkchen,
+Nebelweit, schimmern die Sterne. +

+

+Einst am Himmel glänzten,
+Ehlich vereint,
+Luna, die Göttin, und Sol, der Gott,
+Und es wimmelten um sie her die Sterne,
+Die kleinen, unschuldigen Kinder. +

+

+Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt,
+Und es trennte sich feindlich
+Das hohe, leuchtende Eh'paar. +

+

+Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,
+Ergeht sich dort oben der Sonnengott,
+Ob seiner Herrlichkeit
+Angebetet und vielbesungen
+Von stolzen, glückgehärteten Menschen.
+Aber des Nachts
+Am Himmel wandelt Luna,
+Die arme Mutter
+Mit ihren verwaisten Sternenkindern,
+Und sie glänzt in stummer Wehmuth,
+Und liebende Mädchen und sanfte Dichter
+Weihen ihr Thränen und Lieder. +

+

+Die weiche Luna! Weiblich gesinnt
+Liebt sie noch immer den schönen Gemahl.
+Gegen Abend, zitternd und bleich,
+Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk,
+Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich,
+Und möchte ihm ängstlich rufen: »Komm!
+Komm! die Kinder verlangen nach Dir – «;
+Aber der trotzige Sonnengott, +

+

+Bei dem Anblick der Gattin erglüht' er
+In doppeltem Purpur,
+Vor Zorn und Schmerz,
+Und unerbittlich eilt er hinab
+In sein fluthenkaltes Wittwerbett. +

+ +

+Böse, zischelnde Zungen
+Brachten also Schmerz und Verderben
+Selbst über ewige Götter.
+Und die armen Götter, oben am Himmel
+Wandeln sie, qualvoll,
+Trostlos unendliche Bahnen,
+Und können nicht sterben,
+Und schleppen mit sich
+Ihr strahlendes Elend. +

+

+Ich aber, der Mensch,
+Der niedriggepflanzte, der Tod-beglückte.
+Ich klage nicht länger. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html new file mode 100644 index 0000000..8e5c70c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html @@ -0,0 +1,102 @@ + + + + + + + + IV. Die Nacht am Strande. + + + +

IV.

+
Die Nacht am Strande.
+ +

+Sternlos und kalt ist die Nacht,
+Es gährt das Meer;
+Und über dem Meer', platt auf dem Bauch,
+Liegt der ungestaltete Nordwind,
+Und heimlich, mit ächzend gedämpfter Stimme,
+Wie'n störriger Griesgram, der gutgelaunt wird,
+Schwatzt er in's Wasser hinein,
+Und erzählt viel tolle Geschichten,
+Riesenmährchen, todtschlaglaunig,
+Uralte Sagen aus Norweg,
+Und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er
+Beschwörungslieder der Edda,
+Graue Runensprüche,
+So dunkeltrotzig und zaubergewaltig,
+Daß die weißen Meerkinder
+Hochaufspringen und jauchzen,
+Uebermuth-berauscht. +

+

+Derweilen, am flachen Gestade,
+Ueber den fluthbefeuchteten Sand,
+Schreitet ein Fremdling, mit einem Herzen,
+Das wilder noch als Wind und Wellen;
+Wo es hintritt,
+Sprühen Funken und knistern die Muscheln,
+Und er hüllt sich fest in den grauen Mantel,
+Und schreitet rasch durch die wehende Nacht;
+Sicher geleitet vom kleinen Lichte,
+Das lockend und lieblich schimmert
+Aus einsamer Fischerhütte. +

+

+Vater und Bruder sind auf der See,
+Und mutterseelallein blieb dort
+In der Hütte die Fischertochter,
+Die wunderschöne Fischertochter.
+Am Heerde sitzt sie
+Und horcht auf des Wasserkessels
+Ahnungssüßes, heimliches Summen,
+Und schüttet knisterndes Reisig in's Feuer,
+Und bläßt hinein,
+Daß die flackernd rothen Lichter
+Zauberlieblich wiederstrahlen
+Auf das blühende Antlitz,
+Auf die zarte, weiße Schulter,
+Die rührend hervorlauscht +

+

+Aus dem groben, grauen Hemde,
+Und auf die kleine, sorgsame Hand,
+Die das Unterröckchen fester bindet
+Um die feine Hüfte. +

+

+Aber plötzlich, die Thür springt auf,
+Und es tritt herein der nächtige Fremdling;
+Liebesicher ruht sein Auge
+Auf dem weißen, schlanken Mädchen,
+Das schauernd vor ihm steht,
+Gleich einer erschrockenen Lilie;
+Und er wirft den Mantel zur Erde,
+Und lacht und spricht: +

+

+Siehst du, mein Kind, ich halte Wort,
+Und ich komme, und mit mir kommt
+Die alte Zeit, wo die Götter des Himmels
+Niederstiegen zu Töchtern der Menschen,
+Und die Töchter der Menschen umarmten,
+Und mit ihnen zeugten
+Zeptertragende Königsgeschlechter
+Und Helden, Wunder der Welt.
+Doch staune, mein Kind, nicht länger
+Ob meiner Göttlichkeit,
+Und ich bitte dich, koche mir Thee mit Rum, +

+

+Denn draußen war's kalt,
+Und bei solcher Nachtluft
+Frieren auch wir, wir ewigen Götter,
+Und kriegen wir leicht den göttlichsten Schnupfen,
+Und einen unsterblichen Husten. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html new file mode 100644 index 0000000..6e34132 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html @@ -0,0 +1,85 @@ + + + + + + + + V. Poseidon. + + + +

V.

+
Poseidon.
+ +

+Die Sonnenlichter spielten
+Ueber das weithinrollende Meer;
+Fern' auf der Rhede glänzte das Schiff,
+Das mich zur Heimath tragen sollte;
+Aber es fehlte an gutem Fahrwind,
+Und ich saß noch ruhig auf weißer Dühne,
+Am einsamen Strand,
+Und ich las das Lied vom Odysseus,
+Das alte, das ewig junge Lied,
+Aus dessen meerdurchrauschten Blättern
+Mir freudig entgegenstieg
+Der Athem der Götter,
+Und der leuchtende Menschenfrühling,
+Und der blühende Himmel von Hellas. +

+

+Mein edles Herz begleitete treulich
+Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal, +

+

+Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert,
+An gastliche Heerde,
+Wo Königinnen Purpur spinnen,
+Und half ihm lügen und glücklich entrinnen
+Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen,
+Folgte ihm nach in kimmerische Nacht,
+Und in Sturm und Schiffbruch,
+Und duldete mit ihm unsägliches Elend. +

+

+Seufzend sprach ich: Du böser Poseidon,
+Dein Zorn ist furchtbar,
+Und mir selber bangt
+Ob der eignen Heimkehr. +

+

+Kaum sprach ich die Worte,
+Da schäumte das Meer,
+Und aus den weißen Wellen stieg
+Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts,
+Und höhnisch rief er: +

+

+Fürchte dich nicht, Poetlein!
+Ich will nicht im g'ringsten gefährden
+Dein armes Schiffchen,
+Und nicht dein liebes Leben beängst'gen +

+

+Mit allzubedenklichem Schaukeln.
+Denn Du, Poetlein, hast nie mich erzürnt,
+Du hast kein einziges Thürmchen verletzt
+An Priamos heiliger Veste,
+Kein einziges Härchen hast du versengt
+Am Aug' meines Sohns Polyphemos,
+Und dich hat niemals rathend beschützt
+Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene. +

+

+Also rief Poseidon
+Und tauchte zurück in's Meer;
+Und über den groben Seemannswitz
+Lachten unter dem Wasser
+Amphitrite, das plumpe Fischweib,
+Und die dummen Töchter des Nereus. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html new file mode 100644 index 0000000..96ddfe2 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html @@ -0,0 +1,58 @@ + + + + + + + + VI. Erklärung. + + + +

VI.

+
Erklärung.
+ +

+Herangedämmert kam der Abend,
+Wilder tos'te die Fluth,
+Und ich saß am Strand, und schaute zu
+Dem weißen Tanz der Wellen,
+Und meine Brust schwoll auf wie das Meer,
+Und sehnend ergriff mich ein tiefes Heimweh
+Nach dir, du holdes Bild,
+Das überall mich umschwebt,
+Und überall mich ruft,
+Ueberall, überall,
+Im Sausen des Windes, im Brausen des Meers,
+Und im Seufzen der eigenen Brust. +

+

+Mit leichtem Rohr schrieb ich in den Sand:
+»Agnes, ich liebe Dich!«;
+Doch böse Wellen ergossen sich
+Ueber das süße Bekenntniß,
+Und löschten es aus. +

+

+Zerbrechliches Rohr, zerstiebender Sand,
+Zerfließende Wellen, Euch trau' ich nicht mehr!
+Der Himmel wird dunkler, mein Herz wird wilder,
+Und mit starker Hand, aus Norwegs Wäldern
+Reiß ich die höchste Tanne,
+Und tauche sie ein
+In des Aetnas glühenden Schlund, und mit solcher
+Feuergetränkten Riesenfeder
+Schreib' ich an die dunkle Himmelsdecke:
+»Agnes, ich liebe Dich!«; +

+

+Jedwede Nacht lodert alsdann
+Dort oben die ewige Flammenschrift,
+Und alle nachwachsende Enkelgeschlechter
+Lesen jauchzend die Himmelsworte:
+»Agnes, ich liebe Dich!«; +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html new file mode 100644 index 0000000..b6c95f5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html @@ -0,0 +1,124 @@ + + + + + + + + VII. Nachts in der Cajüte. + + + +

VII.

+
Nachts in der Cajüte.
+ +

+Das Meer hat seine Perlen,
+Der Himmel hat seine Sterne,
+Aber mein Herz, mein Herz,
+Mein Herz hat seine Liebe. +

+

+Groß ist das Meer und der Himmel,
+Doch größer ist mein Herz,
+Und schöner als Perlen und Sterne
+Leuchtet und strahlt meine Liebe. +

+

+Du kleines, junges Mädchen,
+Komm an mein großes Herz;
+Mein Herz und das Meer und der Himmel
+Vergehn vor lauter Liebe. +

+ +

+An die blaue Himmelsdecke,
+Wo die schönen Sterne blinken,
+Möcht' ich pressen meine Lippen,
+Pressen wild und stürmisch weinen. +

+

+Jene Sterne sind die Augen
+Meiner Liebsten, tausendfältig
+Schimmern sie und grüßen freundlich,
+Aus der blauen Himmelsdecke. +

+

+Nach der blauen Himmelsdecke,
+Nach den Augen der Geliebten,
+Heb' ich andachtsvoll die Arme,
+Und ich bete und ich flehe: +

+

+Holde Augen, Gnadenlichter,
+O, beseligt meine Seele,
+Laßt mich sterben und erwerben
+Euch und Euren ganzen Himmel! +

+ +

+Aus den Himmelsaugen droben
+Fallen zitternd lichte Funken
+Durch die Nacht, und meine Seele
+Dehnt sich liebeweit und weiter. +

+

+O, Ihr Himmelsaugen droben!
+Weint Euch aus in meine Seele,
+Daß von lieben Sternenthränen
+Ueberfließet meine Seele. +

+ +

+Eingewiegt von Meereswellen,
+Und von träumenden Gedanken,
+Lieg' ich still in der Kajüte,
+In dem dunkeln Winkelbette. +

+

+Durch die off'ne Luke schau' ich
+Droben hoch die hellen Sterne,
+Die geliebten, süßen Augen
+Meiner süßen Vielgeliebten. +

+

+Die geliebten, süßen Augen,
+Wachen über meinem Haupte,
+Und sie klingen und sie winken
+Aus der blauen Himmelsdecke. +

+

+Nach der blauen Himmelsdecke
+Schau' ich selig lange Stunden,
+Bis ein weißer Nebelschleier
+Mir verhüllt die lieben Augen. +

+

+An die bretterne Schiffswand,
+Wo mein träumendes Haupt liegt,
+Branden die Wellen, die wilden Wellen.
+Sie rauschen und murmeln
+Mir heimlich in's Ohr:
+»Bethörter Geselle!
+Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit
+Und die Sterne droben sind festgenagelt,
+Vergebliches Sehnen, vergebliches Seufzen,
+Das Beste wäre, du schliefest ein.«; +

+ +

+Es träumte mir von einer weiten Haide,
+Weit überdeckt von weißem, weißem Schnee,
+Und unter'm weißen Schnee lag ich begraben
+Und schlief den einsam kalten Todesschlaf. +

+

+Doch droben aus dem dunkeln Himmel schauten
+Herunter auf mein Grab die Sternenaugen,
+Die süßen Augen! und sie glänzten sieghaft
+Und ruhig heiter, aber voller Liebe. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html new file mode 100644 index 0000000..c3d3b2f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html @@ -0,0 +1,68 @@ + + + + + + + + VIII. Sturm. + + + +

VIII.

+
Sturm.
+ +

+Es wüthet der Sturm,
+Und er peitscht die Well'n,
+Und die Wellen, wuthschäumend und bäumend,
+Thürmen sich auf, und es wogen lebendig
+Die weißen Wasserberge,
+Und das Schifflein erklimmt sie
+Hastig mühsam,
+Und plötzlich stürzt es hinab
+In schwarze, weitgähnende Fluthabgründe – +

+

+O Meer!
+Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen!
+Großmutter der Liebe! schone meiner!
+Schon flattert, leichenwitternd,
+Die weiße, gespenstische Möve,
+Und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel
+Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund,
+Der vom Ruhm deiner Tochter ertönt, +

+

+Und lechzt nach dem Herzen,
+Das dein Enkel, der kleine Schalk,
+Zum Spielzeug erwählt. +

+

+Vergebens mein Bitten und Flehn!
+Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,
+Im Schlachtlärm der Winde;
+Es braußt und pfeift und prasselt und heult,
+Wie ein Tollhaus von Tönen!
+Und zwischendurch hör' ich vernehmbar
+Lockende Harfenlaute,
+Sehnsuchtwilden Gesang,
+Seelenschmelzend und seelenzerreißend,
+Und ich erkenne die Stimme. +

+

+Fern an schottischer Felsenküste,
+Wo das graue Schlößlein hinausragt
+Ueber die brandende See,
+Dort am hochgewölbten Fenster,
+Steht eine schöne, kranke Frau,
+Zartdurchsichtig und marmorblaß,
+Und sie spielt die Harfe und singt,
+Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken,
+Und trägt ihr dunkles Lied
+Ueber das weite, stürmende Meer. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html new file mode 100644 index 0000000..e3bc788 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html @@ -0,0 +1,54 @@ + + + + + + + + IX. Meeresstille. + + + +

IX.

+
Meeresstille.
+ +

+Meeresstille! Ihre Strahlen
+Wirft die Sonne auf das Wasser,
+Und im wogenden Geschmeide
+Zieht das Schiff die grünen Furchen. +

+

+Bei dem Steuer liegt der Bootsmann
+Auf dem Bauch, und schnarchet leise.
+Bei dem Mastbaum, seegelflickend,
+Kauert der betheerte Schiffsjung. +

+

+Hinter'm Schmutze seiner Wangen
+Sprüht es roth, wehmüthig zuckt es
+Um das breite Maul, und schmerzlich
+Schau'n die großen, schönen Augen. +

+

+Denn der Capitän steht vor ihm,
+Tobt und flucht und schilt ihn: Spitzbub.
+»Spitzbub! einen Hering hast du
+Aus der Tonne mir gestohlen!«; +

+

+Meeresstille! Aus den Wellen
+Taucht hervor ein kluges Fischlein,
+Wärmt das Köpfchen in der Sonne,
+Plätschert lustig mit dem Schwänzchen. +

+

+Doch die Möve, aus den Lüften,
+Schießt herunter auf das Fischlein,
+Und den raschen Raub im Schnabel
+Schwingt sie sich hinauf in's Blaue. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html new file mode 100644 index 0000000..3849fe4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html @@ -0,0 +1,111 @@ + + + + + + + + X. Seegespenst. + + + +

X.

+
Seegespenst.
+ +

+Ich aber lag am Rande des Schiffes,
+Und schaute, träumenden Auges,
+Hinab in das spiegelklare Wasser,
+Und schaute tiefer und tiefer –
+Bis tief, im Meeresgrunde,
+Anfangs wie dämmernde Nebel,
+Jedoch allmählig farbenbestimmter,
+Kirchenkuppel und Thürme sich zeigten
+Und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt,
+Alterthümlich niederländisch,
+Und menschenbelebt.
+Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt,
+Mit weißen Halskrausen und Ehrenketten
+Und langen Degen und langen Gesichtern,
+Schreiten über den wimmelnden Marktplatz +

+

+Nach dem treppenhohen Rathhaus',
+Wo steinerne Kaiserbilder
+Wacht halten mit Zepter und Schwerdt.
+Unferne, vor langen Häuser-Reih'n
+Mit spiegelblanken Fenstern,
+Stehn pyramidisch beschnittene Linden,
+Und wandeln seidenrauschende Jungfrau'n,
+Ein gülden Band um den schlanken Leib,
+Die Blumengesichter sittsam umschlossen
+Von schwarzen, sammtnen Mützchen,
+Woraus die Lockenfülle hervordringt.
+Bunte Gesellen, in spanischer Tracht,
+Stolziren vorüber und nicken.
+Bejahrte Frauen,
+In braunen, verschollnen Gewändern,
+Gesangbuch und Rosenkranz in der Hand,
+Eilen, trippelnden Schritts,
+Nach dem großen Dome,
+Getrieben von Glockengeläute
+Und rauschendem Orgelton. +

+

+Mich selbst ergreift des fernen Klangs
+Geheimnißvoller Schauer,
+Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth
+Beschleicht mein Herz,
+Mein kaum geheiltes Herz; +

+

+Mir ist als würden seine Wunden
+Von lieben Lippen aufgeküßt,
+Und thäten wieder bluten,
+Heiße, rothe Tropfen,
+Die lang und langsam niederfall'n
+Auf ein altes Haus dort unten
+In der tiefen Meerstadt,
+Auf ein altes, hochgegiebeltes Haus,
+Das melancholisch menschenleer ist,
+Nur daß am untern Fenster
+Ein Mädchen sitzt,
+Den Kopf auf den Arm gestützt,
+Wie ein armes, vergessenes Kind –
+Und ich kenne dich armes, vergessenes Kind! +

+

+So tief, so tief also
+Verstecktest du dich vor mir,
+Aus kindischer Laune,
+Und konntest nicht mehr herauf,
+Und saßest fremd unter fremden Leuten,
+Fünfhundert Jahre lang,
+Derweilen ich, die Seele voll Gram,
+Auf der ganzen Erde dich suchte,
+Und immer dich suchte,
+Du Immergeliebte,
+Du Längstverlorene, +

+

+Du Endlichgefundene, –
+Ich hab' dich gefunden und schaue wieder
+Dein süßes Gesicht,
+Die klugen, treuen Augen,
+Das liebe Lächeln –
+Und nimmer will ich dich wieder verlassen,
+Und ich komme hinab zu dir,
+Und mit ausgebreiteten Armen
+Stürz' ich hinab an dein Herz – +

+

+Aber zur rechten Zeit noch
+Ergriff mich beim Fuß der Capitän,
+Und zog mich vom Schiffsrand,
+Und rief, ärgerlich lachend:
+Doktor, sind Sie des Teufels? +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html new file mode 100644 index 0000000..c41433a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + XI. Reinigung. + + + +

XI.

+
Reinigung.
+ +

+Bleib' du in deiner Meerestiefe,
+Wahnsinniger Traum,
+Der du einst so manche Nacht
+Mein Herz mit falschem Glück gequält hast
+Und jetzt, als See-Gespenst,
+Sogar am hellen Tag' mich bedrohest –
+Bleib' Du dort unten, in Ewigkeit,
+Und ich werfe noch zu dir hinab
+All meine Schmerzen und Sünden
+Und die Schellenkappe der Thorheit,
+Die so lange mein Haupt umklingelt,
+Und die kalte, gleißende Schlangenhaut
+Der Heuchelei,
+Die mir so lang' die Seele umwunden,
+Die kranke Seele,
+Die gottverleugnende, engelverleugnende, +

+

+Unselige Seele –
+Hoiho! hoiho! Da kommt der Wind!
+Die Segel auf! Sie flattern und schwell'n;
+Ueber die stillverderbliche Fläche
+Eilet das Schiff,
+Und es jauchzt die befreite Seele. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html new file mode 100644 index 0000000..35097ff --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html @@ -0,0 +1,71 @@ + + + + + + + + XII. Frieden. + + + +

XII.

+
Frieden.
+ +

+Hoch am Himmel stand die Sonne,
+Von weißen Wolken umwogt,
+Das Meer war still,
+Und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes,
+Träumerisch sinnend, – und halb im Wachen
+Und halb im Schlummer, schaute ich Christus,
+Den Heiland der Welt.
+Im wallend weißen Gewande
+Wandelt' er riesengroß
+Ueber Land und Meer;
+Es ragte sein Haupt in den Himmel,
+Die Hände streckte er segnend
+Ueber Land und Meer;
+Und als ein Herz in der Brust
+Trug er die Sonne,
+Die rothe, flammende Sonne, +

+

+Und das rothe, flammende Sonnenherz
+Goß seine Gnadenstrahlen
+Und sein holdes, liebseliges Licht,
+Erleuchtend und wärmend,
+Ueber Land und Meer. +

+

+Glockenklänge zogen feierlich
+Hin und her, zogen wie Schwäne,
+Am Rosenbande, das gleitende Schiff,
+Und zogen es spielend an's grüne Ufer,
+Wo Menschen wohnen, in hochgethürmter,
+Ragender Stadt. +

+

+O Friedenswunder! Wie still die Stadt!
+Es ruhte das dumpfe Geräusch
+Der schwatzenden, schwülen Gewerbe,
+Und durch die reinen, hallenden Straßen
+Zogen Menschen, weißgekleidete,
+Palmzweig-tragende,
+Und wo sich Zwei begegneten,
+Sahn sie sich an, verständnißinnig,
+Und schauernd, in Liebe und süßer Entsagung,
+Küßten sie sich auf die Stirne,
+Und schauten hinauf
+Nach des Heilands Sonnenherzen, +

+

+Das freudig versöhnend sein rothes Blut
+Hinunterstrahlte,
+Und dreimalselig sprachen sie:
+Gelobt sey Jesu Christ! +

+ + + -- cgit v1.2.3