From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html | 16 +++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html | 92 ++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html | 49 ++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html | 78 ++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html | 83 +++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html | 122 +++++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html | 134 +++++++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html | 42 +++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html | 56 +++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html | 103 ++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html | 46 +++++++ 11 files changed, 821 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html (limited to 'OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus') diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html new file mode 100644 index 0000000..6d95dc0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html @@ -0,0 +1,16 @@ + + + + + + + + Zweiter Cyklus. + + + +

Zweiter Cyklus.

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html new file mode 100644 index 0000000..2e32744 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html @@ -0,0 +1,92 @@ + + + + + + + + I. Meergruß. + + + + +

I.

+
Meergruß.
+ +

+Thalatta! Thalatta!
+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer!
+Sey mir gegrüßt zehntausendmal
+Aus jauchzendem Herzen
+Wie einst dich begrüßten
+Zehntausend Griechenherzen,
+Unglückbekämpfende, heimathverlangende,
+Weltberühmte Griechenherzen. +

+

+Es wogten die Fluthen,
+Sie wogten und brausten,
+Die Sonne goß eilig herunter
+Die spielenden Rosenlichter, +

+

+Die aufgescheuchten Mövenzüge
+Flatterten fort, lautschreiend,
+Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,
+Und weithin erscholl es, wie Siegesruf:
+Thalatta! Thalatta! +

+

+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer,
+Wie Sprache der Heimath rauscht mir dein Wasser,
+Wie Träume der Kindheit seh' ich es flimmern
+Auf deinem wogenden Wellengebiet,
+Und alte Erinn'rung erzählt mir auf's neue,
+Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug,
+Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,
+Von all den rothen Corallenbäumen,
+Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,
+Die du geheimnißvoll bewahrest
+Dort unten im klaren Kristallhaus. +

+

+O! wie hab' ich geschmachtet in öder Fremde!
+Gleich einer welken Blume
+In des Botanikers blecherner Kapsel,
+Lag mir das Herz in der Brust;
+Mir ist, als saß ich winterlange,
+Ein Kranker, in dunkler Krankenstube,
+Und nun verlaß ich sie plötzlich, +

+

+Und blendend strahlt mir entgegen
+Der schmaragdne Frühling, der sonnengeweckte,
+Und es rauschen die weißen Blüthenbäume,
+Und die jungen Blumen schauen mich an,
+Mit bunten, duftenden Augen,
+Und es duftet und summt, und athmet und lacht,
+Und im blauen Himmel singen die Vöglein –
+Thalatta! Thalatta! +

+

+Du tapferes Rückzugherz!
+Wie oft, wie bitteroft
+Bedrängten dich des Nordens Barbarinnen!
+Aus großen, siegenden Augen
+Schossen sie brennende Pfeile;
+Mit krummgeschliffenen Worten
+Drohten sie mir die Brust zu spalten,
+Mit Keilschriftbillets zerschlugen sie mir
+Das arme, betäubte Gehirn –
+Vergebens hielt ich den Schild entgegen,
+Die Pfeile zischten, die Hiebe krachten,
+Und von des Nordens Barbarinnen
+Ward ich gedrängt bis an's Meer,
+Und freiaufathmend begrüß' ich das Meer,
+Das liebe, rettende Meer,
+Thalatta! Thalatta! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html new file mode 100644 index 0000000..3b651ae --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html @@ -0,0 +1,49 @@ + + + + + + + + II. Gewitter. + + + +

II.

+
Gewitter.
+ +

+Dumpf liegt auf dem Meer' das Gewitter,
+Und durch die schwarze Wolkenwand
+Zuckt der zackige Wetterstrahl,
+Rasch aufleuchtend und rasch verschwindend,
+Wie'n Witz aus dem Haupte Kronions.
+Ueber das wüste, wogende Wasser
+Weithin rollen die Donner
+Und springen die weißen Wellenrosse,
+Die Boreas selber gezeugt
+Mit des Erichthons reizenden Stuten,
+Und es flattert ängstlich das Seegevögel,
+Wie Schattenleichen am Styx,
+Die Charon abwies vom nächtlichen Kahn. +

+

+Armes, lustiges Schifflein,
+Das dort dahintanzt den schlimmsten Tanz!
+Aeolus schickt ihm die flinksten Gesellen, +

+

+Die wild aufspielen zum fröhlichen Reigen;
+Der Eine pfeift, der Andre bläst,
+Der Dritte streicht den dumpfen Brummbaß –
+Und der schwankende Seemann steht, am Steuer,
+Und schaut beständig nach der Bussole,
+Der zitternden Seele des Schiffes,
+Und hebt die Hände flehend zum Himmel:
+O rette mich, Kastor, reisiger Held,
+Und Du, Kämpfer der Faust, Polydeukes! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html new file mode 100644 index 0000000..7f40ce3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html @@ -0,0 +1,78 @@ + + + + + + + + III. Der Schiffbrüchige. + + + +

III.

+
Der Schiffbrüchige.
+ +

+Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
+Und ich selber, gleich einer Leiche,
+Die grollend ausgeworfen das Meer,
+Lieg' ich am Strande,
+Am öden, kahlen Strande.
+Vor mir woget die Wasserwüste,
+Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
+Und über mich hin ziehen die Wolken,
+Die formlos grauen Töchter der Luft,
+Die aus dem Meer', in Nebeleimern,
+Das Wasser schöpfen,
+Und es mühsam schleppen und schleppen,
+Und es wieder verschütten in's Meer,
+Ein trübes, langweil'ges Geschäft,
+Und nutzlos, wie mein eignes Leben. +

+

+Die Wogen murmeln, die Möven schrillen,
+Alte Erinn'rungen wehen mich an,
+Vergessene Träume, erloschene Bilder,
+Qualvoll süße, tauchen hervor! +

+

+Es lebt ein Weib im Norden,
+Ein schönes Weib, königlich schön.
+Die schlanke Zypressengestalt
+Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
+Die dunkle Lockenfülle,
+Wie eine selige Nacht, ergießt sich
+Von dem hohen, flechtengekrönten Haupte,
+Sie ringelt sich träumerisch süß
+Um das süße, blasse Antlitz;
+Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
+Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
+Wie eine schwarze Sonne. +

+

+O, du schwarze Sonne, wie oft,
+Entzückend oft, trank ich aus dir
+Die wilden Begeist'rungsflammen,
+Und stand und taumelte, feuerberauscht –
+Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
+Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
+Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen +

+

+Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
+Und zart wie der Duft der Rose –
+Und meine Seele erhob sich
+Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel! +

+

+Schweigt, ihr Wogen und Möven!
+Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
+Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
+Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
+Und drücke mein glühendes Antlitz
+In den feuchten Sand. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html new file mode 100644 index 0000000..4a54e17 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html @@ -0,0 +1,83 @@ + + + + + + + + IV. Untergang der Sonne. + + + +

IV.

+
Untergang der Sonne.
+ +

+Die schöne Sonne
+Ist ruhig hinabgestiegen in's Meer;
+Die wogenden Wasser sind schon gefärbt
+Von der dunkeln Nacht,
+Nur noch die Abendröthe
+Ueberstreut sie mit goldnen Lichtern,
+Und die rauschende Fluthgewalt
+Drängt an's Ufer die weißen Wellen,
+Die lustig und hastig hüpfen,
+Wie wollige Lämmerheerden,
+Die Abends der singende Hirtenjunge
+Nach Hause treibt. +

+

+Wie schön ist die Sonne!
+So sprach nach langem Schweigen der Freund,
+Der mit mir am Strande wandelte, +

+

+Und scherzend halb und halb wehmüthig,
+Versichert' er mir: die Sonne sey
+Eine schöne Frau, die den alten Meergott
+Aus Convenienz geheurathet;
+Des Tages über wandle sie freudig
+Am hohen Himmel, purpurgeputzt,
+Und diamantenblitzend,
+Und allgeliebt und allbewundert
+Von allen Weltkreaturen,
+Und alle Weltkreaturen erfreuend
+Mit ihres Blickes Licht und Wärme;
+Aber des Abends, trostlos gezwungen,
+Kehre sie wieder zurück
+In das nasse Haus, in die öden Arme
+Des greisen Gemahls. +

+

+Glaub mir's – setzte hinzu der Freund,
+Und lachte und seufzte und lachte wieder –
+Die führen dort unten die zärtlichste Ehe!
+Entweder sie schlafen oder sie zanken sich,
+Daß hochaufbraust hier oben das Meer,
+Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört
+Wie der Alte sein Weib ausschilt:
+»Runde Metze des Weltalls!
+Strahlenbuhlende!
+Den ganzen Tag glühst du für Andre, +

+

+Und Nachts, für Mich, bist du frostig und müde!«;
+Nach solcher Gardinenpredigt,
+Versteht sich! bricht dann aus in Thränen
+Die stolze Sonne und klagt ihr Elend,
+Und klagt so jammerlang, daß der Meergott
+Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt,
+Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt,
+Um Luft und Besinnung zu schöpfen. +

+

+So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht,
+Bis an die Brust dem Meer' enttauchen.
+Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,
+Und eine lilienweiße Schlafmütz,
+Und ein abgewelktes Gesicht. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html new file mode 100644 index 0000000..1292ca5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html @@ -0,0 +1,122 @@ + + + + + + + + V. Der Gesang der Okeaniden. + + + +

V.

+
Der Gesang der Okeaniden.
+ +

+Abendlich blasser wird es am Meere,
+Und einsam, mit seiner einsamen Seele,
+Sitzt dort ein Mann auf dem kahlen Strand,
+Und schaut, todtkalten Blickes, hinauf
+Nach der weiten, todtkalten Himmelswölbung,
+Und schaut auf das weite, wogende Meer,
+Und über das weite, wogende Meer,
+Wie Lüftesegler, ziehn seine Seufzer,
+Und kehren wieder, trübselig,
+Und hatten verschlossen gefunden das Herz,
+Worin sie ankern wollten –
+Und er stöhnt so laut, daß die weißen Möven,
+Aufgescheucht aus den sandigen Nestern,
+Ihn heerdenweis' umflattern,
+Und er spricht zu ihnen die lachenden Worte: +

+

+Schwarzbeinigte Vögel,
+Mit weißen Flügeln Meer-überflatternde,
+Mit krummen Schnäbeln Seewasser-saufende,
+Und thranigtes Robbenfleisch-fressende,
+Eu'r Leben ist bitter wie Eure Nahrung!
+Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!
+Ich koste den süßen Duft der Rose,
+Der Mondschein-gefütterten Nachtigallbraut;
+Ich koste noch süßere Josty-Baisers,
+Mit weißer Seligkeit gefüllte;
+Und das Allersüßeste kost' ich:
+Süße Liebe und süßes Geliebtseyn. +

+

+Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde Jungfrau!
+Jetzt steht sie daheim, am Erker des Hauses,
+Und schaut in die Dämm'rung hinaus, auf die Landstraß',
+Und horcht, und sehnt sich nach mir – wahrhaftig!
+Vergebens späht sie umher und sie seufzet,
+Und seufzend steigt sie hinab in den Garten,
+Und wandelt in Duft und Mondschein,
+Und spricht mit den Blumen, erzählet ihnen:
+Wie ich, der Geliebte, so lieblich bin
+Und so liebenswürdig – wahrhaftig!
+Nachher im Bette, im Schlafe, im Traum,
+Umgaukelt sie selig mein theures Bild,
+Sogar des Morgens, beim Frühstück, +

+

+Auf dem glänzenden Butterbrodte,
+Sieht sie mein lächelndes Antlitz,
+Und sie frißt es auf vor Liebe – wahrhaftig! +

+

+Also prahlt er und prahlt er,
+Und zwischendrein schrillen die Möven,
+Wie kaltes, ironisches Kichern;
+Die Dämm'rungsnebel steigen herauf;
+Aus violettem Gewölk, unheimlich,
+Schaut hervor der grasgelbe Mond;
+Hochauf rauschen die Meereswogen,
+Und tief aus Hochauf rauschendem Meer,
+Wehmüthig wie flüsternder Windzug,
+Tönt der Gesang der Okeaniden,
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,
+Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme
+Der silberfüßigen Peleus-Gattin,
+Und sie seufzen und singen: +

+

+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Du kummergequälter!
+Dahingemordet sind all deine Hoffnungen,
+Die tändelnden Kinder des Herzens,
+Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz
+Versteinert vor Gram! +

+

+In deinem Haupte wird's Nacht,
+Und es zucken hindurch die Blitze des Wahnsinns,
+Und du prahlst vor Schmerzen!
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Halsstarrig bist du wie dein Ahnherr,
+Der hohe Titane, der himmlisches Feuer
+Den Göttern stahl und den Menschen gab,
+Und Geier-gequälet, Felsen-gefesselt,
+Olympauftrotzte und trotzte und stöhnte,
+Daß wir es hörten im tiefen Meer,
+Und zu ihm kamen mit Trostgesang.
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Du aber bist ohnmächtiger noch,
+Und es wäre vernünftig, du ehrtest die Götter,
+Und trügest geduldig die Last des Elends,
+Und trügest geduldig so lange, so lange,
+Bis Atlas selbst die Geduld verliert,
+Und die schwere Welt von den Schultern abwirft
+In die ewige Nacht. +

+

+So scholl der Gesang der Okeaniden,
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,
+Bis lautere Wogen ihn überrauschten –
+Hinter die Wolken zog sich der Mond,
+Es gähnte die Nacht,
+Und ich saß noch lange im Dunkeln und weinte. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html new file mode 100644 index 0000000..5b6020f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html @@ -0,0 +1,134 @@ + + + + + + + + VI. Die Götter Griechenlands. + + + +

VI.

+
Die Götter Griechenlands.
+ +

+Vollblühender Mond! In deinem Licht,
+Wie fließendes Gold, erglänzt das Meer;
+Wie Tagesklarheit, doch dämm'rig verzaubert,
+Liegt's über der weiten Strandesfläche;
+Und am hellblau'n sternlosen Himmel
+Schweben die weißen Wolken,
+Wie kolossale Götterbilder
+Von leuchtendem Marmor. +

+

+Nein, nimmermehr, das sind keine Wolken!
+Das sind sie selber, die Götter von Hellas,
+Die einst so freudig die Welt beherrschten,
+Doch jetzt, verdrängt und verstorben,
+Als ungeheure Gespenster dahinziehn
+Am mitternächtlichen Himmel +

+ +

+Staunend, und seltsam geblendet, betracht' ich
+Das luftige Pantheon,
+Die feierlich stummen, grau'nhaft bewegten
+Riesengestalten.
+Der dort ist Kronion, der Himmelskönig,
+Schneeweiß sind die Locken des Haupts,
+Die berühmten, olymposerschütternden Locken.
+Er hält in der Hand den erloschenen Blitz,
+In seinem Gesichte liegt Unglück und Gram,
+Und doch noch immer der alte Stolz.
+Das waren bessere Zeiten, o Zeus,
+Als du dich himmlisch ergötztest
+An Knaben und Nymphen und Hekatomben!
+Doch auch die Götter regieren nicht ewig,
+Die jungen verdrängen die alten,
+Wie du einst selber den greisen Vater
+Und deine Titanen-Oehme verdrängt,
+Jupiter Parricida!
+Auch dich erkenn' ich, stolze Here!
+Trotz all deiner eifersüchtigen Angst,
+Hat doch eine andre das Zepter gewonnen,
+Und du bist nicht mehr die Himmelskön'gin,
+Und dein großes Aug' ist erstarrt,
+Und deine Lilienarme sind kraftlos,
+Und nimmermehr trifft deine Rache
+Die gottbefruchtete Jungfrau
+Und den wunderthätigen Gottessohn. +

+

+Auch dich erkenn' ich, Pallas Athene!
+Mit Schild und Weisheit konntest du nicht
+Abwehren das Götterverderben?
+Auch dich erkenn' ich, auch dich, Aphrodite,
+Einst die goldene! jetzt die silberne!
+Zwar schmückt dich noch immer des Gürtels Liebreiz;
+Doch graut mir heimlich vor deiner Schönheit,
+Und wollt' mich beglücken dein gütiger Leib,
+Wie andre Helden, ich stürbe vor Angst;
+Als Leichengöttin erscheinst du mir,
+Venus Libitina!
+Nicht mehr mit Liebe schaut nach dir,
+Dort, der schreckliche Ares.
+Es schaut so traurig Phöbos Apollo,
+Der Jüngling. Es schweigt seine Lei'r,
+Die so freudig erklungen beim Göttermahl.
+Noch trauriger schaut Hephaistos,
+Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr
+Fällt er Hebe'n in's Amt,
+Und schenkt geschäftig, in der Versammlung,
+Den lieblichen Nektar – Und längst ist erloschen
+Das unauslöschliche Göttergelächter. +

+

+Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Götter!
+Denn widerwärtig sind mir die Griechen,
+Und gar die Römer sind mir verhaßt. +

+

+Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
+Durchströmt mein Herz,
+Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,
+Verlassene Götter,
+Todte, nachtwandelnde Schatten,
+Nebelschwache, die der Wind verscheucht –
+Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
+Die Götter sind, die Euch besiegten,
+Die neuen, herrschenden, tristen Götter.
+Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth –
+O da faßt mich ein düsterer Groll,
+Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,
+Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,
+Für Euch und Eu'r gutes, ambrosisches Recht,
+Und vor Euren hohen Altären,
+Den wiedergebauten, den opferdampfenden
+Möcht' ich selber knien und beten,
+Und flehend die Arme erheben – +

+

+Denn, immerhin, Ihr alten Götter,
+Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menschen,
+Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,
+So ist doch der Mensch großmüth'ger als Ihr,
+Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt
+Mit der Parthei der besiegten Götter. +

+

+Also sprach ich, und sichtbar errötheten
+Droben die blassen Wolkengestalten,
+Und schauten mich an wie Sterbende,
+Schmerzenverklärt, und schwanden plötzlich.
+Der Mond verbarg sich eben
+Hinter Gewölk, das dunkler heranzog;
+Hochauf rauschte das Meer,
+Und siegreich traten hervor am Himmel
+Die ewigen Sterne. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html new file mode 100644 index 0000000..49dcf45 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html @@ -0,0 +1,42 @@ + + + + + + + + VII. Die Götter Griechenlands. + + + +

VII.

+
Fragen.
+ +

+Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
+Steht ein Jüngling-Mann,
+Die Brust voll Wehmuth, das Haupt voll Zweifel,
+Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen: +

+

+»O lös't mir das Räthsel des Lebens,
+Das qualvoll uralte Räthsel,
+Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
+Häupter in Hieroglyphenmützen,
+Häupter in Turban und schwarzem Barett,
+Perückenhäupter und tausend andre
+Arme, schwitzende Menschenhäupter –
+Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
+Woher ist er kommen? Wo geht er hin?
+Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen? +

+

+Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel,
+Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
+Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,
+Und ein Narr wartet auf Antwort. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html new file mode 100644 index 0000000..df60cf4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html @@ -0,0 +1,56 @@ + + + + + + + + VIII. Der Phönix. + + + +

VIII.

+
Der Phönix.
+ +

+Es kommt ein Vogel geflogen aus Westen,
+Er fliegt gen Osten,
+Nach der östlichen Gartenheimath,
+Wo Spezereien duften und wachsen,
+Und Palmen rauschen und Brunnen kühlen –
+Und fliegend singt der Wundervogel: +

+

+»Sie liebt ihn! sie liebt ihn!
+Sie trägt sein Bildniß im kleinen Herzen,
+Und trägt es süß und heimlich verborgen,
+Und weiß es selbst nicht!
+Aber im Traume steht er vor ihr,
+Sie bittet und weint und küßt seine Hände,
+Und ruft seinen Namen
+Und rufend erwacht sie und liegt erschrocken,
+Und reibt sich verwundert die schönen Augen –
+Sie liebt ihn! Sie liebt ihn!«; +

+ +

+Am Mastbaum gelehnt, auf dem hohen Verdeck,
+Stand ich und hört' ich des Vogels Gesang.
+Wie schwarzgrüne Rosse mit silbernen Mähnen,
+Sprangen die weißgekräuselten Wellen,
+Wie Schwänenzüge schifften vorüber,
+Mit schimmernden Segeln, die Helgolander,
+Die kecken Nomaden der Nordsee;
+Ueber mein Haupt, im ewigen Blau,
+Hinflatterte weißes Gewölk
+Und prangte die ewige Sonne,
+Die Rose des Himmels, die feuerblühende,
+Die freudvoll sich im Meer bespiegelte;
+Und Himmel und Meer und mein eignes Herz
+Ertönten im Nachhall:
+Sie liebt ihn! sie liebt ihn! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html new file mode 100644 index 0000000..0c18658 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html @@ -0,0 +1,103 @@ + + + + + + + + IX. Im Hafen. + + + +

IX.

+
Im Hafen.
+ +

+Glücklich der Mann, der den Hafen erreicht hat,
+Und hinter sich ließ das Meer und die Stürme,
+Und jetzo warm und ruhig sitzt
+Im guten Rathskeller zu Bremen. +

+

+Wie doch die Welt so traulich und lieblich
+Im Römerglas sich wiederspiegelt,
+Und wie der wogende Mikrokosmus
+Sonnig hinabfließt in's durstige Herz!
+Alles erblick' ich im Glas,
+Alte und neue Völkergeschichte,
+Türken und Griechen, Hegel und Gans,
+Zitronenwälder und Wachtparaden,
+Berlin und Schilda und Tunis und Hamburg,
+Vor allem aber das Bild der Geliebten,
+Das Engelköpfchen auf Rheinweingoldgrund. +

+

+O, wie schön! wie schön bist du, Geliebte!
+Du bist wie eine Rose!
+Nicht wie die Rose von Schiras,
+Die hafisbesungene Nachtigallbraut;
+Nicht wie die Rose von Saron,
+Die heiligrothe, prophetengefeierte;
+Du bist wie die Ros' im Rathskeller zu Bremen!
+Das ist die Rose der Rosen,
+Je älter sie wird, je lieblicher blüht sie,
+Und ihr himmlischer Duft, er hat mich beseligt,
+Er hat mich begeistert, er hat mich berauscht,
+Und hielt mich nicht fest, am Schopfe fest,
+Der Rathskellermeister von Bremen,
+Ich wäre gepurzelt! +

+

+Der brave Mann! wir saßen beisammen
+Und tranken wie Brüder,
+Wir sprachen von hohen, heimlichen Dingen,
+Wir seufzten und sanken uns in die Arme,
+Und er hat mich bekehrt zum Glauben der Liebe,
+Ich trank auf das Wohl meiner bittersten Feinde,
+Und allen schlechten Poeten vergab ich,
+Wie einst mir selber vergeben soll werden;
+Ich weinte vor Andacht, und
+Erschlossen sich mir die Pforten des Heils,
+Wo die zwölf Apostel, die heil'gen Stückfässer, +

+

+Schweigend pred'gen, und doch so verständlich
+Für alle Völker. +

+

+Das sind Männer!
+Unscheinbar von außen, in hölzernen Röcklein,
+Sind sie von innen schöner und leuchtender
+Denn all die stolzen Leviten des Tempels,
+Und des Herodes Trabanten und Höflinge,
+Die goldgeschmückten, die purpurgekleideten –
+Hab' ich doch immer gesagt
+Nicht unter ganz gemeinen Leuten,
+Nein, in der allerbesten Gesellschaft,
+Lebte beständig der König des Himmels. +

+

+Hallelujah! Wie lieblich umwehen mich
+Die Palmen von Beth El!
+Wie duften die Myrrhen von Hebron!
+Wie rauscht der Jordan und taumelt vor Freude! –
+Auch meine unsterbliche Seele taumelt,
+Und ich taum'le mit ihr und taumelnd
+Bringt mich die Treppe hinauf, an's Tagslicht,
+Der brave Rathskellermeister von Bremen. +

+

+Du braver Rathskellermeister von Bremen!
+Siehst du, auf den Dächern der Häuser sitzen
+Die Engel und sind betrunken und singen; +

+

+Die glühende Sonne dort oben
+Ist nur eine rothe, betrunkene Nase,
+Und um die rothe Weltgeist-Nase
+Dreht sich die ganze, betrunkene Welt. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html new file mode 100644 index 0000000..bfd4056 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html @@ -0,0 +1,46 @@ + + + + + + + + X. Epilog. + + + +

X.

+
Epilog.
+ +

+Wie auf dem Felde die Weizenhalmen,
+So wachsen und wogen im Menschengeist
+Die Gedanken.
+Aber die zarten Gedanken der Liebe
+Sind wie lustig dazwischenblühende,
+Roth' und blaue Blumen. +

+

+Roth' und blaue Blumen!
+Der mürrische Schnitter verwirft Euch als nutzlos,
+Hölzerne Flegel zerdröschen Euch höhnend,
+Sogar der hablose Wanderer,
+Den Eu'r Anblick ergötzt und erquickt,
+Schüttelt das Haupt,
+Und nennt Euch schönes Unkraut.
+Aber die ländliche Jungfrau,
+Die Kränzewinderin, +

+

+Verehrt Euch und pflückt Euch
+Und schmückt mit Euch die schönen Locken,
+Und also geziert, eilt sie zum Tanzplatz,
+Wo Pfeifen und Geigen lieblich ertönen,
+Oder zur stillen Buche,
+Wo die Stimme des Liebsten noch lieblicher tönt
+Als Pfeifen und Geigen. +

+ + + -- cgit v1.2.3