From fe59e9c21666528f38fcafdad68c4986d0f879f3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:34:57 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html | 27 +++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html | 59 +++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html | 46 +++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html | 90 ++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html | 102 ++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html | 85 +++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html | 58 +++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html | 124 +++++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html | 68 +++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html | 54 +++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html | 111 +++++++++++++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html | 44 +++++++ OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html | 71 +++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html | 16 +++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html | 92 ++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html | 49 ++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html | 78 ++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html | 83 +++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html | 122 +++++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html | 134 +++++++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html | 42 +++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html | 56 +++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html | 103 ++++++++++++++++ .../Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html | 46 +++++++ 24 files changed, 1760 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html create mode 100644 OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html (limited to 'OEBPS/Text/05_die_nordsee') diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html new file mode 100644 index 0000000..f6064aa --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/00.html @@ -0,0 +1,27 @@ + + + + + + + + Die Nordsee. + + + +

Die Nordsee.

+ +

1825 — 1826.

+
+
Friedrich Merkel
+sind die Bilder der Nordsee freundschaftlichst
+zugeeignet
+vom +
Verfasser.
+
+ +

Erster Cyklus.

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html new file mode 100644 index 0000000..a906612 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/01.html @@ -0,0 +1,59 @@ + + + + + + + + I. Krönung. + + + +

Erster Cyklus.

+ +

I.

+
Krönung.
+ +

+Ihr Lieder! Ihr meine guten Lieder!
+Auf, auf! und wappnet Euch!
+Laßt die Trompeten klingen,
+Und hebt mir auf den Schild
+Dies junge Mädchen,
+Das jetzt mein ganzes Herz
+Beherrschen soll, als Königin. +

+

+Heil dir! du junge Königin! +

+

+Von der Sonne droben
+Reiß' ich das strahlend rothe Gold,
+Und webe d'raus ein Diadem
+Für dein geweihtes Haupt, +

+

+Von der flatternd blauseid'nen Himmelsdecke,
+Worin die Nachtdiamanten blitzen,
+Schneid' ich ein kostbar Stück,
+Und häng' es dir, als Krönungsmantel,
+Um deine königliche Schulter.
+Ich gebe dir einen Hofstaat
+Von steifgeputzten Sonetten,
+Stolzen Terzinen und höflichen Stanzen;
+Als Läufer diene dir mein Witz,
+Als Hofnarr meine Phantasie,
+Als Herold die lachende Thräne im Wappen,
+Diene dir mein Humor.
+Aber ich selber, Königin,
+Ich kniee vor dir nieder,
+Und huld'gend, auf rothem Sammetkissen,
+Ueberreiche ich Dir
+Das bischen Verstand,
+Das mir aus Mitleid noch gelassen hat
+Deine Vorgängerin im Reich. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html new file mode 100644 index 0000000..3645d3b --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/02.html @@ -0,0 +1,46 @@ + + + + + + + + II. Abenddämmerung. + + + +

II.

+
Abenddämmerung.
+ +

+Am blassen Meeresstrande
+Saß ich gedankenbekümmert und einsam.
+Die Sonne neigte sich tiefer, und warf
+Glührothe Streifen auf das Wasser,
+Und die weißen, weiten Wellen,
+Von der Fluth gedrängt,
+Schäumten und rauschten näher und näher –
+Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,
+Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen,
+Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen –
+Mir war als hört' ich verscholl'ne Sagen,
+Uralte, liebliche Mährchen,
+Die ich einst, als Knabe,
+Von Nachbarskindern vernahm,
+Wenn wir am Sommerabend,
+Auf den Treppensteinen der Hausthür,
+Zum stillen Erzählen niederkauerten,
+Mit kleinen, horchenden Herzen +

+

+Und neugierklugen Augen; –
+Während die großen Mädchen,
+Neben duftenden Blumentöpfen,
+Gegenüber am Fenster saßen,
+Rosengesichter,
+Lächelnd und mondbeglänzt. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html new file mode 100644 index 0000000..3587e80 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/03.html @@ -0,0 +1,90 @@ + + + + + + + + III. Sonnenuntergang. + + + +

III.

+
Sonnenuntergang.
+ +

+Die glühend rothe Sonne steigt
+Hinab in's weitaufschauernde,
+Silbergraue Weltmeer;
+Luftgebilde, rosig angehaucht,
+Wallen ihr nach, und gegenüber,
+Aus herbstlich dämmernden Wolkenschleiern,
+Ein traurig todtblasses Antlitz,
+Bricht hervor der Mond,
+Und hinter ihm, Lichtfünkchen,
+Nebelweit, schimmern die Sterne. +

+

+Einst am Himmel glänzten,
+Ehlich vereint,
+Luna, die Göttin, und Sol, der Gott,
+Und es wimmelten um sie her die Sterne,
+Die kleinen, unschuldigen Kinder. +

+

+Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt,
+Und es trennte sich feindlich
+Das hohe, leuchtende Eh'paar. +

+

+Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,
+Ergeht sich dort oben der Sonnengott,
+Ob seiner Herrlichkeit
+Angebetet und vielbesungen
+Von stolzen, glückgehärteten Menschen.
+Aber des Nachts
+Am Himmel wandelt Luna,
+Die arme Mutter
+Mit ihren verwaisten Sternenkindern,
+Und sie glänzt in stummer Wehmuth,
+Und liebende Mädchen und sanfte Dichter
+Weihen ihr Thränen und Lieder. +

+

+Die weiche Luna! Weiblich gesinnt
+Liebt sie noch immer den schönen Gemahl.
+Gegen Abend, zitternd und bleich,
+Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk,
+Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich,
+Und möchte ihm ängstlich rufen: »Komm!
+Komm! die Kinder verlangen nach Dir – «;
+Aber der trotzige Sonnengott, +

+

+Bei dem Anblick der Gattin erglüht' er
+In doppeltem Purpur,
+Vor Zorn und Schmerz,
+Und unerbittlich eilt er hinab
+In sein fluthenkaltes Wittwerbett. +

+ +

+Böse, zischelnde Zungen
+Brachten also Schmerz und Verderben
+Selbst über ewige Götter.
+Und die armen Götter, oben am Himmel
+Wandeln sie, qualvoll,
+Trostlos unendliche Bahnen,
+Und können nicht sterben,
+Und schleppen mit sich
+Ihr strahlendes Elend. +

+

+Ich aber, der Mensch,
+Der niedriggepflanzte, der Tod-beglückte.
+Ich klage nicht länger. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html new file mode 100644 index 0000000..8e5c70c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/04.html @@ -0,0 +1,102 @@ + + + + + + + + IV. Die Nacht am Strande. + + + +

IV.

+
Die Nacht am Strande.
+ +

+Sternlos und kalt ist die Nacht,
+Es gährt das Meer;
+Und über dem Meer', platt auf dem Bauch,
+Liegt der ungestaltete Nordwind,
+Und heimlich, mit ächzend gedämpfter Stimme,
+Wie'n störriger Griesgram, der gutgelaunt wird,
+Schwatzt er in's Wasser hinein,
+Und erzählt viel tolle Geschichten,
+Riesenmährchen, todtschlaglaunig,
+Uralte Sagen aus Norweg,
+Und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er
+Beschwörungslieder der Edda,
+Graue Runensprüche,
+So dunkeltrotzig und zaubergewaltig,
+Daß die weißen Meerkinder
+Hochaufspringen und jauchzen,
+Uebermuth-berauscht. +

+

+Derweilen, am flachen Gestade,
+Ueber den fluthbefeuchteten Sand,
+Schreitet ein Fremdling, mit einem Herzen,
+Das wilder noch als Wind und Wellen;
+Wo es hintritt,
+Sprühen Funken und knistern die Muscheln,
+Und er hüllt sich fest in den grauen Mantel,
+Und schreitet rasch durch die wehende Nacht;
+Sicher geleitet vom kleinen Lichte,
+Das lockend und lieblich schimmert
+Aus einsamer Fischerhütte. +

+

+Vater und Bruder sind auf der See,
+Und mutterseelallein blieb dort
+In der Hütte die Fischertochter,
+Die wunderschöne Fischertochter.
+Am Heerde sitzt sie
+Und horcht auf des Wasserkessels
+Ahnungssüßes, heimliches Summen,
+Und schüttet knisterndes Reisig in's Feuer,
+Und bläßt hinein,
+Daß die flackernd rothen Lichter
+Zauberlieblich wiederstrahlen
+Auf das blühende Antlitz,
+Auf die zarte, weiße Schulter,
+Die rührend hervorlauscht +

+

+Aus dem groben, grauen Hemde,
+Und auf die kleine, sorgsame Hand,
+Die das Unterröckchen fester bindet
+Um die feine Hüfte. +

+

+Aber plötzlich, die Thür springt auf,
+Und es tritt herein der nächtige Fremdling;
+Liebesicher ruht sein Auge
+Auf dem weißen, schlanken Mädchen,
+Das schauernd vor ihm steht,
+Gleich einer erschrockenen Lilie;
+Und er wirft den Mantel zur Erde,
+Und lacht und spricht: +

+

+Siehst du, mein Kind, ich halte Wort,
+Und ich komme, und mit mir kommt
+Die alte Zeit, wo die Götter des Himmels
+Niederstiegen zu Töchtern der Menschen,
+Und die Töchter der Menschen umarmten,
+Und mit ihnen zeugten
+Zeptertragende Königsgeschlechter
+Und Helden, Wunder der Welt.
+Doch staune, mein Kind, nicht länger
+Ob meiner Göttlichkeit,
+Und ich bitte dich, koche mir Thee mit Rum, +

+

+Denn draußen war's kalt,
+Und bei solcher Nachtluft
+Frieren auch wir, wir ewigen Götter,
+Und kriegen wir leicht den göttlichsten Schnupfen,
+Und einen unsterblichen Husten. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html new file mode 100644 index 0000000..6e34132 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/05.html @@ -0,0 +1,85 @@ + + + + + + + + V. Poseidon. + + + +

V.

+
Poseidon.
+ +

+Die Sonnenlichter spielten
+Ueber das weithinrollende Meer;
+Fern' auf der Rhede glänzte das Schiff,
+Das mich zur Heimath tragen sollte;
+Aber es fehlte an gutem Fahrwind,
+Und ich saß noch ruhig auf weißer Dühne,
+Am einsamen Strand,
+Und ich las das Lied vom Odysseus,
+Das alte, das ewig junge Lied,
+Aus dessen meerdurchrauschten Blättern
+Mir freudig entgegenstieg
+Der Athem der Götter,
+Und der leuchtende Menschenfrühling,
+Und der blühende Himmel von Hellas. +

+

+Mein edles Herz begleitete treulich
+Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal, +

+

+Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert,
+An gastliche Heerde,
+Wo Königinnen Purpur spinnen,
+Und half ihm lügen und glücklich entrinnen
+Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen,
+Folgte ihm nach in kimmerische Nacht,
+Und in Sturm und Schiffbruch,
+Und duldete mit ihm unsägliches Elend. +

+

+Seufzend sprach ich: Du böser Poseidon,
+Dein Zorn ist furchtbar,
+Und mir selber bangt
+Ob der eignen Heimkehr. +

+

+Kaum sprach ich die Worte,
+Da schäumte das Meer,
+Und aus den weißen Wellen stieg
+Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts,
+Und höhnisch rief er: +

+

+Fürchte dich nicht, Poetlein!
+Ich will nicht im g'ringsten gefährden
+Dein armes Schiffchen,
+Und nicht dein liebes Leben beängst'gen +

+

+Mit allzubedenklichem Schaukeln.
+Denn Du, Poetlein, hast nie mich erzürnt,
+Du hast kein einziges Thürmchen verletzt
+An Priamos heiliger Veste,
+Kein einziges Härchen hast du versengt
+Am Aug' meines Sohns Polyphemos,
+Und dich hat niemals rathend beschützt
+Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene. +

+

+Also rief Poseidon
+Und tauchte zurück in's Meer;
+Und über den groben Seemannswitz
+Lachten unter dem Wasser
+Amphitrite, das plumpe Fischweib,
+Und die dummen Töchter des Nereus. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html new file mode 100644 index 0000000..96ddfe2 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/06.html @@ -0,0 +1,58 @@ + + + + + + + + VI. Erklärung. + + + +

VI.

+
Erklärung.
+ +

+Herangedämmert kam der Abend,
+Wilder tos'te die Fluth,
+Und ich saß am Strand, und schaute zu
+Dem weißen Tanz der Wellen,
+Und meine Brust schwoll auf wie das Meer,
+Und sehnend ergriff mich ein tiefes Heimweh
+Nach dir, du holdes Bild,
+Das überall mich umschwebt,
+Und überall mich ruft,
+Ueberall, überall,
+Im Sausen des Windes, im Brausen des Meers,
+Und im Seufzen der eigenen Brust. +

+

+Mit leichtem Rohr schrieb ich in den Sand:
+»Agnes, ich liebe Dich!«;
+Doch böse Wellen ergossen sich
+Ueber das süße Bekenntniß,
+Und löschten es aus. +

+

+Zerbrechliches Rohr, zerstiebender Sand,
+Zerfließende Wellen, Euch trau' ich nicht mehr!
+Der Himmel wird dunkler, mein Herz wird wilder,
+Und mit starker Hand, aus Norwegs Wäldern
+Reiß ich die höchste Tanne,
+Und tauche sie ein
+In des Aetnas glühenden Schlund, und mit solcher
+Feuergetränkten Riesenfeder
+Schreib' ich an die dunkle Himmelsdecke:
+»Agnes, ich liebe Dich!«; +

+

+Jedwede Nacht lodert alsdann
+Dort oben die ewige Flammenschrift,
+Und alle nachwachsende Enkelgeschlechter
+Lesen jauchzend die Himmelsworte:
+»Agnes, ich liebe Dich!«; +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html new file mode 100644 index 0000000..b6c95f5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/07.html @@ -0,0 +1,124 @@ + + + + + + + + VII. Nachts in der Cajüte. + + + +

VII.

+
Nachts in der Cajüte.
+ +

+Das Meer hat seine Perlen,
+Der Himmel hat seine Sterne,
+Aber mein Herz, mein Herz,
+Mein Herz hat seine Liebe. +

+

+Groß ist das Meer und der Himmel,
+Doch größer ist mein Herz,
+Und schöner als Perlen und Sterne
+Leuchtet und strahlt meine Liebe. +

+

+Du kleines, junges Mädchen,
+Komm an mein großes Herz;
+Mein Herz und das Meer und der Himmel
+Vergehn vor lauter Liebe. +

+ +

+An die blaue Himmelsdecke,
+Wo die schönen Sterne blinken,
+Möcht' ich pressen meine Lippen,
+Pressen wild und stürmisch weinen. +

+

+Jene Sterne sind die Augen
+Meiner Liebsten, tausendfältig
+Schimmern sie und grüßen freundlich,
+Aus der blauen Himmelsdecke. +

+

+Nach der blauen Himmelsdecke,
+Nach den Augen der Geliebten,
+Heb' ich andachtsvoll die Arme,
+Und ich bete und ich flehe: +

+

+Holde Augen, Gnadenlichter,
+O, beseligt meine Seele,
+Laßt mich sterben und erwerben
+Euch und Euren ganzen Himmel! +

+ +

+Aus den Himmelsaugen droben
+Fallen zitternd lichte Funken
+Durch die Nacht, und meine Seele
+Dehnt sich liebeweit und weiter. +

+

+O, Ihr Himmelsaugen droben!
+Weint Euch aus in meine Seele,
+Daß von lieben Sternenthränen
+Ueberfließet meine Seele. +

+ +

+Eingewiegt von Meereswellen,
+Und von träumenden Gedanken,
+Lieg' ich still in der Kajüte,
+In dem dunkeln Winkelbette. +

+

+Durch die off'ne Luke schau' ich
+Droben hoch die hellen Sterne,
+Die geliebten, süßen Augen
+Meiner süßen Vielgeliebten. +

+

+Die geliebten, süßen Augen,
+Wachen über meinem Haupte,
+Und sie klingen und sie winken
+Aus der blauen Himmelsdecke. +

+

+Nach der blauen Himmelsdecke
+Schau' ich selig lange Stunden,
+Bis ein weißer Nebelschleier
+Mir verhüllt die lieben Augen. +

+

+An die bretterne Schiffswand,
+Wo mein träumendes Haupt liegt,
+Branden die Wellen, die wilden Wellen.
+Sie rauschen und murmeln
+Mir heimlich in's Ohr:
+»Bethörter Geselle!
+Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit
+Und die Sterne droben sind festgenagelt,
+Vergebliches Sehnen, vergebliches Seufzen,
+Das Beste wäre, du schliefest ein.«; +

+ +

+Es träumte mir von einer weiten Haide,
+Weit überdeckt von weißem, weißem Schnee,
+Und unter'm weißen Schnee lag ich begraben
+Und schlief den einsam kalten Todesschlaf. +

+

+Doch droben aus dem dunkeln Himmel schauten
+Herunter auf mein Grab die Sternenaugen,
+Die süßen Augen! und sie glänzten sieghaft
+Und ruhig heiter, aber voller Liebe. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html new file mode 100644 index 0000000..c3d3b2f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/08.html @@ -0,0 +1,68 @@ + + + + + + + + VIII. Sturm. + + + +

VIII.

+
Sturm.
+ +

+Es wüthet der Sturm,
+Und er peitscht die Well'n,
+Und die Wellen, wuthschäumend und bäumend,
+Thürmen sich auf, und es wogen lebendig
+Die weißen Wasserberge,
+Und das Schifflein erklimmt sie
+Hastig mühsam,
+Und plötzlich stürzt es hinab
+In schwarze, weitgähnende Fluthabgründe – +

+

+O Meer!
+Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen!
+Großmutter der Liebe! schone meiner!
+Schon flattert, leichenwitternd,
+Die weiße, gespenstische Möve,
+Und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel
+Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund,
+Der vom Ruhm deiner Tochter ertönt, +

+

+Und lechzt nach dem Herzen,
+Das dein Enkel, der kleine Schalk,
+Zum Spielzeug erwählt. +

+

+Vergebens mein Bitten und Flehn!
+Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,
+Im Schlachtlärm der Winde;
+Es braußt und pfeift und prasselt und heult,
+Wie ein Tollhaus von Tönen!
+Und zwischendurch hör' ich vernehmbar
+Lockende Harfenlaute,
+Sehnsuchtwilden Gesang,
+Seelenschmelzend und seelenzerreißend,
+Und ich erkenne die Stimme. +

+

+Fern an schottischer Felsenküste,
+Wo das graue Schlößlein hinausragt
+Ueber die brandende See,
+Dort am hochgewölbten Fenster,
+Steht eine schöne, kranke Frau,
+Zartdurchsichtig und marmorblaß,
+Und sie spielt die Harfe und singt,
+Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken,
+Und trägt ihr dunkles Lied
+Ueber das weite, stürmende Meer. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html new file mode 100644 index 0000000..e3bc788 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/09.html @@ -0,0 +1,54 @@ + + + + + + + + IX. Meeresstille. + + + +

IX.

+
Meeresstille.
+ +

+Meeresstille! Ihre Strahlen
+Wirft die Sonne auf das Wasser,
+Und im wogenden Geschmeide
+Zieht das Schiff die grünen Furchen. +

+

+Bei dem Steuer liegt der Bootsmann
+Auf dem Bauch, und schnarchet leise.
+Bei dem Mastbaum, seegelflickend,
+Kauert der betheerte Schiffsjung. +

+

+Hinter'm Schmutze seiner Wangen
+Sprüht es roth, wehmüthig zuckt es
+Um das breite Maul, und schmerzlich
+Schau'n die großen, schönen Augen. +

+

+Denn der Capitän steht vor ihm,
+Tobt und flucht und schilt ihn: Spitzbub.
+»Spitzbub! einen Hering hast du
+Aus der Tonne mir gestohlen!«; +

+

+Meeresstille! Aus den Wellen
+Taucht hervor ein kluges Fischlein,
+Wärmt das Köpfchen in der Sonne,
+Plätschert lustig mit dem Schwänzchen. +

+

+Doch die Möve, aus den Lüften,
+Schießt herunter auf das Fischlein,
+Und den raschen Raub im Schnabel
+Schwingt sie sich hinauf in's Blaue. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html new file mode 100644 index 0000000..3849fe4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/10.html @@ -0,0 +1,111 @@ + + + + + + + + X. Seegespenst. + + + +

X.

+
Seegespenst.
+ +

+Ich aber lag am Rande des Schiffes,
+Und schaute, träumenden Auges,
+Hinab in das spiegelklare Wasser,
+Und schaute tiefer und tiefer –
+Bis tief, im Meeresgrunde,
+Anfangs wie dämmernde Nebel,
+Jedoch allmählig farbenbestimmter,
+Kirchenkuppel und Thürme sich zeigten
+Und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt,
+Alterthümlich niederländisch,
+Und menschenbelebt.
+Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt,
+Mit weißen Halskrausen und Ehrenketten
+Und langen Degen und langen Gesichtern,
+Schreiten über den wimmelnden Marktplatz +

+

+Nach dem treppenhohen Rathhaus',
+Wo steinerne Kaiserbilder
+Wacht halten mit Zepter und Schwerdt.
+Unferne, vor langen Häuser-Reih'n
+Mit spiegelblanken Fenstern,
+Stehn pyramidisch beschnittene Linden,
+Und wandeln seidenrauschende Jungfrau'n,
+Ein gülden Band um den schlanken Leib,
+Die Blumengesichter sittsam umschlossen
+Von schwarzen, sammtnen Mützchen,
+Woraus die Lockenfülle hervordringt.
+Bunte Gesellen, in spanischer Tracht,
+Stolziren vorüber und nicken.
+Bejahrte Frauen,
+In braunen, verschollnen Gewändern,
+Gesangbuch und Rosenkranz in der Hand,
+Eilen, trippelnden Schritts,
+Nach dem großen Dome,
+Getrieben von Glockengeläute
+Und rauschendem Orgelton. +

+

+Mich selbst ergreift des fernen Klangs
+Geheimnißvoller Schauer,
+Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth
+Beschleicht mein Herz,
+Mein kaum geheiltes Herz; +

+

+Mir ist als würden seine Wunden
+Von lieben Lippen aufgeküßt,
+Und thäten wieder bluten,
+Heiße, rothe Tropfen,
+Die lang und langsam niederfall'n
+Auf ein altes Haus dort unten
+In der tiefen Meerstadt,
+Auf ein altes, hochgegiebeltes Haus,
+Das melancholisch menschenleer ist,
+Nur daß am untern Fenster
+Ein Mädchen sitzt,
+Den Kopf auf den Arm gestützt,
+Wie ein armes, vergessenes Kind –
+Und ich kenne dich armes, vergessenes Kind! +

+

+So tief, so tief also
+Verstecktest du dich vor mir,
+Aus kindischer Laune,
+Und konntest nicht mehr herauf,
+Und saßest fremd unter fremden Leuten,
+Fünfhundert Jahre lang,
+Derweilen ich, die Seele voll Gram,
+Auf der ganzen Erde dich suchte,
+Und immer dich suchte,
+Du Immergeliebte,
+Du Längstverlorene, +

+

+Du Endlichgefundene, –
+Ich hab' dich gefunden und schaue wieder
+Dein süßes Gesicht,
+Die klugen, treuen Augen,
+Das liebe Lächeln –
+Und nimmer will ich dich wieder verlassen,
+Und ich komme hinab zu dir,
+Und mit ausgebreiteten Armen
+Stürz' ich hinab an dein Herz – +

+

+Aber zur rechten Zeit noch
+Ergriff mich beim Fuß der Capitän,
+Und zog mich vom Schiffsrand,
+Und rief, ärgerlich lachend:
+Doktor, sind Sie des Teufels? +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html new file mode 100644 index 0000000..c41433a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/11.html @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + XI. Reinigung. + + + +

XI.

+
Reinigung.
+ +

+Bleib' du in deiner Meerestiefe,
+Wahnsinniger Traum,
+Der du einst so manche Nacht
+Mein Herz mit falschem Glück gequält hast
+Und jetzt, als See-Gespenst,
+Sogar am hellen Tag' mich bedrohest –
+Bleib' Du dort unten, in Ewigkeit,
+Und ich werfe noch zu dir hinab
+All meine Schmerzen und Sünden
+Und die Schellenkappe der Thorheit,
+Die so lange mein Haupt umklingelt,
+Und die kalte, gleißende Schlangenhaut
+Der Heuchelei,
+Die mir so lang' die Seele umwunden,
+Die kranke Seele,
+Die gottverleugnende, engelverleugnende, +

+

+Unselige Seele –
+Hoiho! hoiho! Da kommt der Wind!
+Die Segel auf! Sie flattern und schwell'n;
+Ueber die stillverderbliche Fläche
+Eilet das Schiff,
+Und es jauchzt die befreite Seele. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html new file mode 100644 index 0000000..35097ff --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/01_erster_cyklus/12.html @@ -0,0 +1,71 @@ + + + + + + + + XII. Frieden. + + + +

XII.

+
Frieden.
+ +

+Hoch am Himmel stand die Sonne,
+Von weißen Wolken umwogt,
+Das Meer war still,
+Und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes,
+Träumerisch sinnend, – und halb im Wachen
+Und halb im Schlummer, schaute ich Christus,
+Den Heiland der Welt.
+Im wallend weißen Gewande
+Wandelt' er riesengroß
+Ueber Land und Meer;
+Es ragte sein Haupt in den Himmel,
+Die Hände streckte er segnend
+Ueber Land und Meer;
+Und als ein Herz in der Brust
+Trug er die Sonne,
+Die rothe, flammende Sonne, +

+

+Und das rothe, flammende Sonnenherz
+Goß seine Gnadenstrahlen
+Und sein holdes, liebseliges Licht,
+Erleuchtend und wärmend,
+Ueber Land und Meer. +

+

+Glockenklänge zogen feierlich
+Hin und her, zogen wie Schwäne,
+Am Rosenbande, das gleitende Schiff,
+Und zogen es spielend an's grüne Ufer,
+Wo Menschen wohnen, in hochgethürmter,
+Ragender Stadt. +

+

+O Friedenswunder! Wie still die Stadt!
+Es ruhte das dumpfe Geräusch
+Der schwatzenden, schwülen Gewerbe,
+Und durch die reinen, hallenden Straßen
+Zogen Menschen, weißgekleidete,
+Palmzweig-tragende,
+Und wo sich Zwei begegneten,
+Sahn sie sich an, verständnißinnig,
+Und schauernd, in Liebe und süßer Entsagung,
+Küßten sie sich auf die Stirne,
+Und schauten hinauf
+Nach des Heilands Sonnenherzen, +

+

+Das freudig versöhnend sein rothes Blut
+Hinunterstrahlte,
+Und dreimalselig sprachen sie:
+Gelobt sey Jesu Christ! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html new file mode 100644 index 0000000..6d95dc0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/00.html @@ -0,0 +1,16 @@ + + + + + + + + Zweiter Cyklus. + + + +

Zweiter Cyklus.

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html new file mode 100644 index 0000000..2e32744 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/01.html @@ -0,0 +1,92 @@ + + + + + + + + I. Meergruß. + + + + +

I.

+
Meergruß.
+ +

+Thalatta! Thalatta!
+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer!
+Sey mir gegrüßt zehntausendmal
+Aus jauchzendem Herzen
+Wie einst dich begrüßten
+Zehntausend Griechenherzen,
+Unglückbekämpfende, heimathverlangende,
+Weltberühmte Griechenherzen. +

+

+Es wogten die Fluthen,
+Sie wogten und brausten,
+Die Sonne goß eilig herunter
+Die spielenden Rosenlichter, +

+

+Die aufgescheuchten Mövenzüge
+Flatterten fort, lautschreiend,
+Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,
+Und weithin erscholl es, wie Siegesruf:
+Thalatta! Thalatta! +

+

+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer,
+Wie Sprache der Heimath rauscht mir dein Wasser,
+Wie Träume der Kindheit seh' ich es flimmern
+Auf deinem wogenden Wellengebiet,
+Und alte Erinn'rung erzählt mir auf's neue,
+Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug,
+Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,
+Von all den rothen Corallenbäumen,
+Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,
+Die du geheimnißvoll bewahrest
+Dort unten im klaren Kristallhaus. +

+

+O! wie hab' ich geschmachtet in öder Fremde!
+Gleich einer welken Blume
+In des Botanikers blecherner Kapsel,
+Lag mir das Herz in der Brust;
+Mir ist, als saß ich winterlange,
+Ein Kranker, in dunkler Krankenstube,
+Und nun verlaß ich sie plötzlich, +

+

+Und blendend strahlt mir entgegen
+Der schmaragdne Frühling, der sonnengeweckte,
+Und es rauschen die weißen Blüthenbäume,
+Und die jungen Blumen schauen mich an,
+Mit bunten, duftenden Augen,
+Und es duftet und summt, und athmet und lacht,
+Und im blauen Himmel singen die Vöglein –
+Thalatta! Thalatta! +

+

+Du tapferes Rückzugherz!
+Wie oft, wie bitteroft
+Bedrängten dich des Nordens Barbarinnen!
+Aus großen, siegenden Augen
+Schossen sie brennende Pfeile;
+Mit krummgeschliffenen Worten
+Drohten sie mir die Brust zu spalten,
+Mit Keilschriftbillets zerschlugen sie mir
+Das arme, betäubte Gehirn –
+Vergebens hielt ich den Schild entgegen,
+Die Pfeile zischten, die Hiebe krachten,
+Und von des Nordens Barbarinnen
+Ward ich gedrängt bis an's Meer,
+Und freiaufathmend begrüß' ich das Meer,
+Das liebe, rettende Meer,
+Thalatta! Thalatta! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html new file mode 100644 index 0000000..3b651ae --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/02.html @@ -0,0 +1,49 @@ + + + + + + + + II. Gewitter. + + + +

II.

+
Gewitter.
+ +

+Dumpf liegt auf dem Meer' das Gewitter,
+Und durch die schwarze Wolkenwand
+Zuckt der zackige Wetterstrahl,
+Rasch aufleuchtend und rasch verschwindend,
+Wie'n Witz aus dem Haupte Kronions.
+Ueber das wüste, wogende Wasser
+Weithin rollen die Donner
+Und springen die weißen Wellenrosse,
+Die Boreas selber gezeugt
+Mit des Erichthons reizenden Stuten,
+Und es flattert ängstlich das Seegevögel,
+Wie Schattenleichen am Styx,
+Die Charon abwies vom nächtlichen Kahn. +

+

+Armes, lustiges Schifflein,
+Das dort dahintanzt den schlimmsten Tanz!
+Aeolus schickt ihm die flinksten Gesellen, +

+

+Die wild aufspielen zum fröhlichen Reigen;
+Der Eine pfeift, der Andre bläst,
+Der Dritte streicht den dumpfen Brummbaß –
+Und der schwankende Seemann steht, am Steuer,
+Und schaut beständig nach der Bussole,
+Der zitternden Seele des Schiffes,
+Und hebt die Hände flehend zum Himmel:
+O rette mich, Kastor, reisiger Held,
+Und Du, Kämpfer der Faust, Polydeukes! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html new file mode 100644 index 0000000..7f40ce3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/03.html @@ -0,0 +1,78 @@ + + + + + + + + III. Der Schiffbrüchige. + + + +

III.

+
Der Schiffbrüchige.
+ +

+Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
+Und ich selber, gleich einer Leiche,
+Die grollend ausgeworfen das Meer,
+Lieg' ich am Strande,
+Am öden, kahlen Strande.
+Vor mir woget die Wasserwüste,
+Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
+Und über mich hin ziehen die Wolken,
+Die formlos grauen Töchter der Luft,
+Die aus dem Meer', in Nebeleimern,
+Das Wasser schöpfen,
+Und es mühsam schleppen und schleppen,
+Und es wieder verschütten in's Meer,
+Ein trübes, langweil'ges Geschäft,
+Und nutzlos, wie mein eignes Leben. +

+

+Die Wogen murmeln, die Möven schrillen,
+Alte Erinn'rungen wehen mich an,
+Vergessene Träume, erloschene Bilder,
+Qualvoll süße, tauchen hervor! +

+

+Es lebt ein Weib im Norden,
+Ein schönes Weib, königlich schön.
+Die schlanke Zypressengestalt
+Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
+Die dunkle Lockenfülle,
+Wie eine selige Nacht, ergießt sich
+Von dem hohen, flechtengekrönten Haupte,
+Sie ringelt sich träumerisch süß
+Um das süße, blasse Antlitz;
+Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
+Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
+Wie eine schwarze Sonne. +

+

+O, du schwarze Sonne, wie oft,
+Entzückend oft, trank ich aus dir
+Die wilden Begeist'rungsflammen,
+Und stand und taumelte, feuerberauscht –
+Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
+Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
+Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen +

+

+Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
+Und zart wie der Duft der Rose –
+Und meine Seele erhob sich
+Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel! +

+

+Schweigt, ihr Wogen und Möven!
+Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
+Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
+Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
+Und drücke mein glühendes Antlitz
+In den feuchten Sand. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html new file mode 100644 index 0000000..4a54e17 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/04.html @@ -0,0 +1,83 @@ + + + + + + + + IV. Untergang der Sonne. + + + +

IV.

+
Untergang der Sonne.
+ +

+Die schöne Sonne
+Ist ruhig hinabgestiegen in's Meer;
+Die wogenden Wasser sind schon gefärbt
+Von der dunkeln Nacht,
+Nur noch die Abendröthe
+Ueberstreut sie mit goldnen Lichtern,
+Und die rauschende Fluthgewalt
+Drängt an's Ufer die weißen Wellen,
+Die lustig und hastig hüpfen,
+Wie wollige Lämmerheerden,
+Die Abends der singende Hirtenjunge
+Nach Hause treibt. +

+

+Wie schön ist die Sonne!
+So sprach nach langem Schweigen der Freund,
+Der mit mir am Strande wandelte, +

+

+Und scherzend halb und halb wehmüthig,
+Versichert' er mir: die Sonne sey
+Eine schöne Frau, die den alten Meergott
+Aus Convenienz geheurathet;
+Des Tages über wandle sie freudig
+Am hohen Himmel, purpurgeputzt,
+Und diamantenblitzend,
+Und allgeliebt und allbewundert
+Von allen Weltkreaturen,
+Und alle Weltkreaturen erfreuend
+Mit ihres Blickes Licht und Wärme;
+Aber des Abends, trostlos gezwungen,
+Kehre sie wieder zurück
+In das nasse Haus, in die öden Arme
+Des greisen Gemahls. +

+

+Glaub mir's – setzte hinzu der Freund,
+Und lachte und seufzte und lachte wieder –
+Die führen dort unten die zärtlichste Ehe!
+Entweder sie schlafen oder sie zanken sich,
+Daß hochaufbraust hier oben das Meer,
+Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört
+Wie der Alte sein Weib ausschilt:
+»Runde Metze des Weltalls!
+Strahlenbuhlende!
+Den ganzen Tag glühst du für Andre, +

+

+Und Nachts, für Mich, bist du frostig und müde!«;
+Nach solcher Gardinenpredigt,
+Versteht sich! bricht dann aus in Thränen
+Die stolze Sonne und klagt ihr Elend,
+Und klagt so jammerlang, daß der Meergott
+Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt,
+Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt,
+Um Luft und Besinnung zu schöpfen. +

+

+So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht,
+Bis an die Brust dem Meer' enttauchen.
+Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,
+Und eine lilienweiße Schlafmütz,
+Und ein abgewelktes Gesicht. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html new file mode 100644 index 0000000..1292ca5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/05.html @@ -0,0 +1,122 @@ + + + + + + + + V. Der Gesang der Okeaniden. + + + +

V.

+
Der Gesang der Okeaniden.
+ +

+Abendlich blasser wird es am Meere,
+Und einsam, mit seiner einsamen Seele,
+Sitzt dort ein Mann auf dem kahlen Strand,
+Und schaut, todtkalten Blickes, hinauf
+Nach der weiten, todtkalten Himmelswölbung,
+Und schaut auf das weite, wogende Meer,
+Und über das weite, wogende Meer,
+Wie Lüftesegler, ziehn seine Seufzer,
+Und kehren wieder, trübselig,
+Und hatten verschlossen gefunden das Herz,
+Worin sie ankern wollten –
+Und er stöhnt so laut, daß die weißen Möven,
+Aufgescheucht aus den sandigen Nestern,
+Ihn heerdenweis' umflattern,
+Und er spricht zu ihnen die lachenden Worte: +

+

+Schwarzbeinigte Vögel,
+Mit weißen Flügeln Meer-überflatternde,
+Mit krummen Schnäbeln Seewasser-saufende,
+Und thranigtes Robbenfleisch-fressende,
+Eu'r Leben ist bitter wie Eure Nahrung!
+Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!
+Ich koste den süßen Duft der Rose,
+Der Mondschein-gefütterten Nachtigallbraut;
+Ich koste noch süßere Josty-Baisers,
+Mit weißer Seligkeit gefüllte;
+Und das Allersüßeste kost' ich:
+Süße Liebe und süßes Geliebtseyn. +

+

+Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde Jungfrau!
+Jetzt steht sie daheim, am Erker des Hauses,
+Und schaut in die Dämm'rung hinaus, auf die Landstraß',
+Und horcht, und sehnt sich nach mir – wahrhaftig!
+Vergebens späht sie umher und sie seufzet,
+Und seufzend steigt sie hinab in den Garten,
+Und wandelt in Duft und Mondschein,
+Und spricht mit den Blumen, erzählet ihnen:
+Wie ich, der Geliebte, so lieblich bin
+Und so liebenswürdig – wahrhaftig!
+Nachher im Bette, im Schlafe, im Traum,
+Umgaukelt sie selig mein theures Bild,
+Sogar des Morgens, beim Frühstück, +

+

+Auf dem glänzenden Butterbrodte,
+Sieht sie mein lächelndes Antlitz,
+Und sie frißt es auf vor Liebe – wahrhaftig! +

+

+Also prahlt er und prahlt er,
+Und zwischendrein schrillen die Möven,
+Wie kaltes, ironisches Kichern;
+Die Dämm'rungsnebel steigen herauf;
+Aus violettem Gewölk, unheimlich,
+Schaut hervor der grasgelbe Mond;
+Hochauf rauschen die Meereswogen,
+Und tief aus Hochauf rauschendem Meer,
+Wehmüthig wie flüsternder Windzug,
+Tönt der Gesang der Okeaniden,
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,
+Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme
+Der silberfüßigen Peleus-Gattin,
+Und sie seufzen und singen: +

+

+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Du kummergequälter!
+Dahingemordet sind all deine Hoffnungen,
+Die tändelnden Kinder des Herzens,
+Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz
+Versteinert vor Gram! +

+

+In deinem Haupte wird's Nacht,
+Und es zucken hindurch die Blitze des Wahnsinns,
+Und du prahlst vor Schmerzen!
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Halsstarrig bist du wie dein Ahnherr,
+Der hohe Titane, der himmlisches Feuer
+Den Göttern stahl und den Menschen gab,
+Und Geier-gequälet, Felsen-gefesselt,
+Olympauftrotzte und trotzte und stöhnte,
+Daß wir es hörten im tiefen Meer,
+Und zu ihm kamen mit Trostgesang.
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
+Du aber bist ohnmächtiger noch,
+Und es wäre vernünftig, du ehrtest die Götter,
+Und trügest geduldig die Last des Elends,
+Und trügest geduldig so lange, so lange,
+Bis Atlas selbst die Geduld verliert,
+Und die schwere Welt von den Schultern abwirft
+In die ewige Nacht. +

+

+So scholl der Gesang der Okeaniden,
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,
+Bis lautere Wogen ihn überrauschten –
+Hinter die Wolken zog sich der Mond,
+Es gähnte die Nacht,
+Und ich saß noch lange im Dunkeln und weinte. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html new file mode 100644 index 0000000..5b6020f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/06.html @@ -0,0 +1,134 @@ + + + + + + + + VI. Die Götter Griechenlands. + + + +

VI.

+
Die Götter Griechenlands.
+ +

+Vollblühender Mond! In deinem Licht,
+Wie fließendes Gold, erglänzt das Meer;
+Wie Tagesklarheit, doch dämm'rig verzaubert,
+Liegt's über der weiten Strandesfläche;
+Und am hellblau'n sternlosen Himmel
+Schweben die weißen Wolken,
+Wie kolossale Götterbilder
+Von leuchtendem Marmor. +

+

+Nein, nimmermehr, das sind keine Wolken!
+Das sind sie selber, die Götter von Hellas,
+Die einst so freudig die Welt beherrschten,
+Doch jetzt, verdrängt und verstorben,
+Als ungeheure Gespenster dahinziehn
+Am mitternächtlichen Himmel +

+ +

+Staunend, und seltsam geblendet, betracht' ich
+Das luftige Pantheon,
+Die feierlich stummen, grau'nhaft bewegten
+Riesengestalten.
+Der dort ist Kronion, der Himmelskönig,
+Schneeweiß sind die Locken des Haupts,
+Die berühmten, olymposerschütternden Locken.
+Er hält in der Hand den erloschenen Blitz,
+In seinem Gesichte liegt Unglück und Gram,
+Und doch noch immer der alte Stolz.
+Das waren bessere Zeiten, o Zeus,
+Als du dich himmlisch ergötztest
+An Knaben und Nymphen und Hekatomben!
+Doch auch die Götter regieren nicht ewig,
+Die jungen verdrängen die alten,
+Wie du einst selber den greisen Vater
+Und deine Titanen-Oehme verdrängt,
+Jupiter Parricida!
+Auch dich erkenn' ich, stolze Here!
+Trotz all deiner eifersüchtigen Angst,
+Hat doch eine andre das Zepter gewonnen,
+Und du bist nicht mehr die Himmelskön'gin,
+Und dein großes Aug' ist erstarrt,
+Und deine Lilienarme sind kraftlos,
+Und nimmermehr trifft deine Rache
+Die gottbefruchtete Jungfrau
+Und den wunderthätigen Gottessohn. +

+

+Auch dich erkenn' ich, Pallas Athene!
+Mit Schild und Weisheit konntest du nicht
+Abwehren das Götterverderben?
+Auch dich erkenn' ich, auch dich, Aphrodite,
+Einst die goldene! jetzt die silberne!
+Zwar schmückt dich noch immer des Gürtels Liebreiz;
+Doch graut mir heimlich vor deiner Schönheit,
+Und wollt' mich beglücken dein gütiger Leib,
+Wie andre Helden, ich stürbe vor Angst;
+Als Leichengöttin erscheinst du mir,
+Venus Libitina!
+Nicht mehr mit Liebe schaut nach dir,
+Dort, der schreckliche Ares.
+Es schaut so traurig Phöbos Apollo,
+Der Jüngling. Es schweigt seine Lei'r,
+Die so freudig erklungen beim Göttermahl.
+Noch trauriger schaut Hephaistos,
+Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr
+Fällt er Hebe'n in's Amt,
+Und schenkt geschäftig, in der Versammlung,
+Den lieblichen Nektar – Und längst ist erloschen
+Das unauslöschliche Göttergelächter. +

+

+Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Götter!
+Denn widerwärtig sind mir die Griechen,
+Und gar die Römer sind mir verhaßt. +

+

+Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
+Durchströmt mein Herz,
+Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,
+Verlassene Götter,
+Todte, nachtwandelnde Schatten,
+Nebelschwache, die der Wind verscheucht –
+Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
+Die Götter sind, die Euch besiegten,
+Die neuen, herrschenden, tristen Götter.
+Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth –
+O da faßt mich ein düsterer Groll,
+Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,
+Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,
+Für Euch und Eu'r gutes, ambrosisches Recht,
+Und vor Euren hohen Altären,
+Den wiedergebauten, den opferdampfenden
+Möcht' ich selber knien und beten,
+Und flehend die Arme erheben – +

+

+Denn, immerhin, Ihr alten Götter,
+Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menschen,
+Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,
+So ist doch der Mensch großmüth'ger als Ihr,
+Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt
+Mit der Parthei der besiegten Götter. +

+

+Also sprach ich, und sichtbar errötheten
+Droben die blassen Wolkengestalten,
+Und schauten mich an wie Sterbende,
+Schmerzenverklärt, und schwanden plötzlich.
+Der Mond verbarg sich eben
+Hinter Gewölk, das dunkler heranzog;
+Hochauf rauschte das Meer,
+Und siegreich traten hervor am Himmel
+Die ewigen Sterne. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html new file mode 100644 index 0000000..49dcf45 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/07.html @@ -0,0 +1,42 @@ + + + + + + + + VII. Die Götter Griechenlands. + + + +

VII.

+
Fragen.
+ +

+Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
+Steht ein Jüngling-Mann,
+Die Brust voll Wehmuth, das Haupt voll Zweifel,
+Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen: +

+

+»O lös't mir das Räthsel des Lebens,
+Das qualvoll uralte Räthsel,
+Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
+Häupter in Hieroglyphenmützen,
+Häupter in Turban und schwarzem Barett,
+Perückenhäupter und tausend andre
+Arme, schwitzende Menschenhäupter –
+Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
+Woher ist er kommen? Wo geht er hin?
+Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen? +

+

+Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel,
+Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
+Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,
+Und ein Narr wartet auf Antwort. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html new file mode 100644 index 0000000..df60cf4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/08.html @@ -0,0 +1,56 @@ + + + + + + + + VIII. Der Phönix. + + + +

VIII.

+
Der Phönix.
+ +

+Es kommt ein Vogel geflogen aus Westen,
+Er fliegt gen Osten,
+Nach der östlichen Gartenheimath,
+Wo Spezereien duften und wachsen,
+Und Palmen rauschen und Brunnen kühlen –
+Und fliegend singt der Wundervogel: +

+

+»Sie liebt ihn! sie liebt ihn!
+Sie trägt sein Bildniß im kleinen Herzen,
+Und trägt es süß und heimlich verborgen,
+Und weiß es selbst nicht!
+Aber im Traume steht er vor ihr,
+Sie bittet und weint und küßt seine Hände,
+Und ruft seinen Namen
+Und rufend erwacht sie und liegt erschrocken,
+Und reibt sich verwundert die schönen Augen –
+Sie liebt ihn! Sie liebt ihn!«; +

+ +

+Am Mastbaum gelehnt, auf dem hohen Verdeck,
+Stand ich und hört' ich des Vogels Gesang.
+Wie schwarzgrüne Rosse mit silbernen Mähnen,
+Sprangen die weißgekräuselten Wellen,
+Wie Schwänenzüge schifften vorüber,
+Mit schimmernden Segeln, die Helgolander,
+Die kecken Nomaden der Nordsee;
+Ueber mein Haupt, im ewigen Blau,
+Hinflatterte weißes Gewölk
+Und prangte die ewige Sonne,
+Die Rose des Himmels, die feuerblühende,
+Die freudvoll sich im Meer bespiegelte;
+Und Himmel und Meer und mein eignes Herz
+Ertönten im Nachhall:
+Sie liebt ihn! sie liebt ihn! +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html new file mode 100644 index 0000000..0c18658 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/09.html @@ -0,0 +1,103 @@ + + + + + + + + IX. Im Hafen. + + + +

IX.

+
Im Hafen.
+ +

+Glücklich der Mann, der den Hafen erreicht hat,
+Und hinter sich ließ das Meer und die Stürme,
+Und jetzo warm und ruhig sitzt
+Im guten Rathskeller zu Bremen. +

+

+Wie doch die Welt so traulich und lieblich
+Im Römerglas sich wiederspiegelt,
+Und wie der wogende Mikrokosmus
+Sonnig hinabfließt in's durstige Herz!
+Alles erblick' ich im Glas,
+Alte und neue Völkergeschichte,
+Türken und Griechen, Hegel und Gans,
+Zitronenwälder und Wachtparaden,
+Berlin und Schilda und Tunis und Hamburg,
+Vor allem aber das Bild der Geliebten,
+Das Engelköpfchen auf Rheinweingoldgrund. +

+

+O, wie schön! wie schön bist du, Geliebte!
+Du bist wie eine Rose!
+Nicht wie die Rose von Schiras,
+Die hafisbesungene Nachtigallbraut;
+Nicht wie die Rose von Saron,
+Die heiligrothe, prophetengefeierte;
+Du bist wie die Ros' im Rathskeller zu Bremen!
+Das ist die Rose der Rosen,
+Je älter sie wird, je lieblicher blüht sie,
+Und ihr himmlischer Duft, er hat mich beseligt,
+Er hat mich begeistert, er hat mich berauscht,
+Und hielt mich nicht fest, am Schopfe fest,
+Der Rathskellermeister von Bremen,
+Ich wäre gepurzelt! +

+

+Der brave Mann! wir saßen beisammen
+Und tranken wie Brüder,
+Wir sprachen von hohen, heimlichen Dingen,
+Wir seufzten und sanken uns in die Arme,
+Und er hat mich bekehrt zum Glauben der Liebe,
+Ich trank auf das Wohl meiner bittersten Feinde,
+Und allen schlechten Poeten vergab ich,
+Wie einst mir selber vergeben soll werden;
+Ich weinte vor Andacht, und
+Erschlossen sich mir die Pforten des Heils,
+Wo die zwölf Apostel, die heil'gen Stückfässer, +

+

+Schweigend pred'gen, und doch so verständlich
+Für alle Völker. +

+

+Das sind Männer!
+Unscheinbar von außen, in hölzernen Röcklein,
+Sind sie von innen schöner und leuchtender
+Denn all die stolzen Leviten des Tempels,
+Und des Herodes Trabanten und Höflinge,
+Die goldgeschmückten, die purpurgekleideten –
+Hab' ich doch immer gesagt
+Nicht unter ganz gemeinen Leuten,
+Nein, in der allerbesten Gesellschaft,
+Lebte beständig der König des Himmels. +

+

+Hallelujah! Wie lieblich umwehen mich
+Die Palmen von Beth El!
+Wie duften die Myrrhen von Hebron!
+Wie rauscht der Jordan und taumelt vor Freude! –
+Auch meine unsterbliche Seele taumelt,
+Und ich taum'le mit ihr und taumelnd
+Bringt mich die Treppe hinauf, an's Tagslicht,
+Der brave Rathskellermeister von Bremen. +

+

+Du braver Rathskellermeister von Bremen!
+Siehst du, auf den Dächern der Häuser sitzen
+Die Engel und sind betrunken und singen; +

+

+Die glühende Sonne dort oben
+Ist nur eine rothe, betrunkene Nase,
+Und um die rothe Weltgeist-Nase
+Dreht sich die ganze, betrunkene Welt. +

+ + + diff --git a/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html new file mode 100644 index 0000000..bfd4056 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05_die_nordsee/02_zweiter_cyklus/10.html @@ -0,0 +1,46 @@ + + + + + + + + X. Epilog. + + + +

X.

+
Epilog.
+ +

+Wie auf dem Felde die Weizenhalmen,
+So wachsen und wogen im Menschengeist
+Die Gedanken.
+Aber die zarten Gedanken der Liebe
+Sind wie lustig dazwischenblühende,
+Roth' und blaue Blumen. +

+

+Roth' und blaue Blumen!
+Der mürrische Schnitter verwirft Euch als nutzlos,
+Hölzerne Flegel zerdröschen Euch höhnend,
+Sogar der hablose Wanderer,
+Den Eu'r Anblick ergötzt und erquickt,
+Schüttelt das Haupt,
+Und nennt Euch schönes Unkraut.
+Aber die ländliche Jungfrau,
+Die Kränzewinderin, +

+

+Verehrt Euch und pflückt Euch
+Und schmückt mit Euch die schönen Locken,
+Und also geziert, eilt sie zum Tanzplatz,
+Wo Pfeifen und Geigen lieblich ertönen,
+Oder zur stillen Buche,
+Wo die Stimme des Liebsten noch lieblicher tönt
+Als Pfeifen und Geigen. +

+ + + -- cgit v1.2.3