From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: Erste Veröffentlichung MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- OEBPS/Text/04-zeitgedichte/00-titel.xhtml | 21 ++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/01-doctrin.xhtml | 44 +++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/02-adam-der-erste.xhtml | 65 +++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/03-warnung.xhtml | 44 +++++++ .../04-an-einen-ehemaligen-goetheaner.xhtml | 59 ++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/05-geheimnis.xhtml | 44 +++++++ ...6-bei-des-nachtwaechters-ankunft-zu-paris.xhtml | 79 +++++++++++++ .../Text/04-zeitgedichte/07-der-tambourmajor.xhtml | 128 +++++++++++++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/08-entartung.xhtml | 58 ++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/09-heinrich.xhtml | 65 +++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/10-lebensfahrt.xhtml | 51 ++++++++ ...as-neue-israelitische-hospital-zu-hamburg.xhtml | 79 +++++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/12-georg-herwegh.xhtml | 65 +++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/13-die-tendenz.xhtml | 55 +++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/14-das-kind.xhtml | 58 ++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/15-verheissung.xhtml | 51 ++++++++ .../Text/04-zeitgedichte/16-der-wechselbalg.xhtml | 38 ++++++ .../04-zeitgedichte/17-der-kaiser-von-china.xhtml | 93 +++++++++++++++ .../18-kirchenrath-prometheus.xhtml | 51 ++++++++ .../04-zeitgedichte/19-an-den-nachtwaechter.xhtml | 73 ++++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/20-zur-beruhigung.xhtml | 79 +++++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/21-verkehrte-welt.xhtml | 72 ++++++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/22-erleuchtung.xhtml | 51 ++++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/23-wartet-nur.xhtml | 44 +++++++ OEBPS/Text/04-zeitgedichte/24-nachtgedanken.xhtml | 93 +++++++++++++++ 25 files changed, 1560 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/00-titel.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/01-doctrin.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/02-adam-der-erste.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/03-warnung.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/04-an-einen-ehemaligen-goetheaner.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/05-geheimnis.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/06-bei-des-nachtwaechters-ankunft-zu-paris.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/07-der-tambourmajor.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/08-entartung.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/09-heinrich.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/10-lebensfahrt.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/11-das-neue-israelitische-hospital-zu-hamburg.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/12-georg-herwegh.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/13-die-tendenz.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/14-das-kind.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/15-verheissung.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/16-der-wechselbalg.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/17-der-kaiser-von-china.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/18-kirchenrath-prometheus.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/19-an-den-nachtwaechter.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/20-zur-beruhigung.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/21-verkehrte-welt.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/22-erleuchtung.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/23-wartet-nur.xhtml create mode 100644 OEBPS/Text/04-zeitgedichte/24-nachtgedanken.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/04-zeitgedichte') diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/00-titel.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/00-titel.xhtml new file mode 100644 index 0000000..38e5141 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/00-titel.xhtml @@ -0,0 +1,21 @@ + + + + + + + + Zeitgedichte + + + +
+ +

Zeitgedichte.

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/01-doctrin.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/01-doctrin.xhtml new file mode 100644 index 0000000..ed451a1 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/01-doctrin.xhtml @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + I. Doctrin + + + +
+ +

I.

+

Doctrin.

+
+ +

+Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,
+Und küsse die Marketenderin!
+Das ist die ganze Wissenschaft,
+Das ist der Bücher tiefster Sinn. +

+ +

+Trommle die Leute aus dem Schlaf,
+Trommle Reveilje mit Jugendkraft,
+Marschire trommelnd immer voran,
+Das ist die ganze Wissenschaft. +

+ +

+Das ist die Hegel'sche Philosophie,
+Das ist der Bücher tiefster Sinn!
+Ich hab' sie begriffen, weil ich gescheidt,
+Und weil ich ein guter Tambour bin. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/02-adam-der-erste.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/02-adam-der-erste.xhtml new file mode 100644 index 0000000..e5698de --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/02-adam-der-erste.xhtml @@ -0,0 +1,65 @@ + + + + + + + + II. Adam der Erste + + + +
+ +

II.

+

Adam der Erste.

+
+ +

+Du schicktest mit dem Flammenschwert
+Den himmlischen Gensd'armen,
+Und jagtest mich aus dem Paradies,
+Ganz ohne Recht und Erbarmen! +

+ +

+Ich ziehe fort mit meiner Frau
+Nach and'ren Erdenländern;
+Doch daß ich genossen des Wissens Frucht,
+Das kannst du nicht mehr ändern. +

+ +

+Du kannst nicht ändern, daß ich weiß
+Wie sehr du klein und nichtig,
+Und machst du dich auch noch so sehr
+Durch Tod und Donnern wichtig. +

+ +

+O Gott! wie erbärmlich ist doch dies
+Consilium-abeundi!
+Das nenne ich einen Magnifikus
+Der Welt, ein Lumen-Mundi! +

+ +

+Vermissen werde ich nimmermehr
+Die paradiesischen Räume;
+Das war kein wahres Paradies —
+Es gab dort verbotene Bäume. +

+ +

+Ich will mein volles Freiheitsrecht!
+Find' ich die g'ringste Beschränkniß,
+Verwandelt sich mir das Paradies
+In Hölle und Gefängniß. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/03-warnung.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/03-warnung.xhtml new file mode 100644 index 0000000..d49e2f3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/03-warnung.xhtml @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + III. Warnung + + + +
+ +

III.

+

Warnung.

+
+ +

+Solche Bücher läßt du drucken!
+Theurer Freund, du bist verloren!
+Willst du Geld und Ehre haben,
+Mußt du dich gehörig ducken. +

+ +

+Nimmer hätt' ich dir gerathen
+So zu sprechen vor dem Volke,
+So zu sprechen von den Pfaffen
+Und von hohen Potentaten! +

+ +

+Theurer Freund, du bist verloren!
+Fürsten haben lange Arme,
+Pfaffen haben lange Zungen,
+Und das Volk hat lange Ohren! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/04-an-einen-ehemaligen-goetheaner.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/04-an-einen-ehemaligen-goetheaner.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0f9d1ec --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/04-an-einen-ehemaligen-goetheaner.xhtml @@ -0,0 +1,59 @@ + + + + + + + + IV. An einen ehemaligen Goetheaner + + + +
+ +

IV.

+

An einen ehemaligen Goetheaner.

+

(1832.)

+
+ +

+Hast du wirklich dich erhoben
+Aus dem müßig kalten Dunstkreis,
+Womit einst der kluge Kunstgreis
+Dich von Weimar aus umwoben? +

+ +

+Gnügt dir nicht mehr die Bekanntschaft
+Seiner Clärchen, seiner Grethchen?
+Fliehst du Serlos keusche Mädchen
+Und Otiliens Wahlverwandtschaft? +

+ +

+Nur Germanien willst du dienen,
+Und mit Mignon ist's vorbei heut,
+Und du strebst nach größrer Freiheit
+Als du fandest bei Philinen? +

+ +

+Für des Volkes Oberhoheit
+Lünebürgerthümlich kämpfst du,
+Und mit kühnen Worten dämpfst du
+Der Despoten Bundesroheit! +

+ +

+In der Fern' hör ich mit Freude,
+Wie man voll von deinem Lob' ist,
+Und wie du der Mirabeau bist
+Von der lüneburger Heide! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/05-geheimnis.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/05-geheimnis.xhtml new file mode 100644 index 0000000..77a2324 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/05-geheimnis.xhtml @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + V. Geheimniß + + + +
+ +

V.

+

Geheimniß.

+
+ +

+Wir seufzen nicht, das Aug' ist trocken,
+Wir lächeln oft, wir lachen gar!
+In keinem Blick, in keiner Miene,
+Wird das Geheimniß offenbar. +

+ +

+Mit seinen stummen Qualen liegt es
+In unsrer Seele blut'gen Grund;
+Wird es auch laut im wilden Herzen,
+Krampfhaft verschlossen bleibt der Mund. +

+ +

+Frag' du den Säugling in der Wiege,
+Frag' du die Todten in dem Grab,
+Vielleicht daß diese dir entdecken
+Was ich dir stets verschwiegen hab'. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/06-bei-des-nachtwaechters-ankunft-zu-paris.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/06-bei-des-nachtwaechters-ankunft-zu-paris.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0011192 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/06-bei-des-nachtwaechters-ankunft-zu-paris.xhtml @@ -0,0 +1,79 @@ + + + + + + + + VI. Bei des Nachtwächters Ankunft zu Paris + + + +
+ +

VI.

+

Bei des Nachtwächters Ankunft zu Paris.

+
+ +

+„Nachtwächter mit langen Fortschrittsbeinen,
+Du kommst so verstört einhergerannt!
+Wie geht es daheim den lieben Meinen,
+Ist schon befreit das Vaterland?“ +

+ +

+Vortrefflich geht es, der stille Seegen,
+Er wuchert im sittlich gehüteten Haus,
+Und ruhig und sicher, auf friedlichen Wegen,
+Entwickelt sich Deutschland von innen heraus. +

+ +

+Nicht oberflächlich wie Frankreich blüht es,
+Wo Freiheit das äußere Leben bewegt;
+Nur in der Tiefe des Gemüthes
+Ein deutscher Mann die Freiheit trägt. +

+ +

+Der Dom zu Cöllen wird vollendet,
+Den Hohenzollern verdanken wir das;
+Habsburg hat auch dazu gespendet,
+Ein Wittelsbach schickt Fensterglas. +

+ +

+Die Constitution, die Freiheitsgesetze,
+Sie sind uns versprochen, wir haben das Wort,
+Und Königsworte, das sind Schätze,
+Wie tief im Rhein der Niblungshort. +

+ +

+Der freie Rhein, der Brutus der Flüsse,
+Er wird uns nimmermehr geraubt!
+Die Holländer binden ihm die Füße,
+Die Schwyzer halten fest sein Haupt. +

+ +

+Auch eine Flotte will Gott uns bescheeren,
+Die patriotische Ueberkraft
+Wird rüstig rudern auf deutschen Galeeren;
+Die Festungsstrafe wird abgeschafft. +

+ +

+Es blüht der Lenz, es platzen die Schooten,
+Wir athmen frei in der freien Natur!
+Und wird uns der ganze Verlag verboten,
+So schwindet am Ende von selbst die Censur. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/07-der-tambourmajor.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/07-der-tambourmajor.xhtml new file mode 100644 index 0000000..124b6ad --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/07-der-tambourmajor.xhtml @@ -0,0 +1,128 @@ + + + + + + + + VII. Der Tambourmajor + + + +
+ +

VII.

+

Der Tambourmajor.

+
+ +

+Das ist der alte Tambourmajor,
+Wie ist er jetzt herunter!
+Zur Kaiserzeit stand er in Flor,
+Da war er glücklich und munter. +

+ +

+Er balanzirte den großen Stock,
+Mit lachendem Gesichte;
+Die silbernen Tressen auf seinem Rock,
+Die glänzten im Sonnenlichte. +

+ +

+Wenn er mit Trommelwirbelschall
+Einzog in Städten und Städtchen,
+Da schlug das Herz im Wiederhall
+Den Weibern und den Mädchen. +

+ +

+Er kam und sah und siegte leicht,
+Wohl über alle Schönen;
+Sein schwarzer Schnurbart wurde feucht
+Von deutschen Frauenthränen. +

+ +

+Wir mußten es dulden! In jedem Land,
+Wo die fremden Eroberer kamen,
+Der Kaiser die Herren überwand,
+Der Tambourmajor die Damen. +

+ +

+Wir haben lange getragen das Leid,
+Geduldig wie deutsche Eichen,
+Bis endlich die hohe Obrigkeit
+Uns gab das Befreyungszeichen. +

+ +

+Wie in der Kampfbahn der Auerochs
+Erhuben wir unsere Hörner,
+Entledigten uns des fränkischen Jochs
+Und sangen die Lieder von Körner. +

+ +

+Entsetzliche Verse! Sie klangen ins Oh'r
+Gar schauderhaft den Tyrannen!
+Der Kaiser und die Tambourmajor,
+Sie flohen erschrocken von dannen. +

+ +

+Sie ärndteten beide den Sündenlohn
+Und nahmen ein schlechtes Ende.
+Es fiel der Kaiser Napoleon
+Den Britten in die Hände. +

+ +

+Wohl auf der Insel Sankt-Helena,
+Sie marterten ihn gar schändlich;
+Am Magenkrebse starb er da
+Nach langen Leiden endlich. +

+ +

+Der Tambourmajor, er ward entsetzt
+Gleichfalls von seiner Stelle.
+Um nicht zu verhungern dient er jetzt
+Als Hausknecht in unserm Hotele. +

+ +

+Er heitzt den Ofen, er fegt den Topf,
+Muß Holz und Wasser schleppen.
+Mit seinem wackelnd greisen Kopf
+Keucht er herauf die Treppen. +

+ +

+Wenn mich der Fritz besucht, so kann
+Er nicht den Spaß sich versagen,
+Den drollig schlotternd langen Mann
+Zu nergeln und zu plagen. +

+ +

+Laß ab mit Spötteley'n, o Fritz!
+Es ziemt Germania's Söhnen
+Wohl nimmermehr mit schlechtem Witz
+Gefallene Größe zu höhnen. +

+ +

+Du solltest mit Pietät, mich däucht,
+Behandeln solche Leute;
+Der Alte ist dein Vater vielleicht
+Von mütterlicher Seite. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/08-entartung.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/08-entartung.xhtml new file mode 100644 index 0000000..2360fbe --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/08-entartung.xhtml @@ -0,0 +1,58 @@ + + + + + + + + VIII. Entartung + + + +
+ +

VIII.

+

Entartung.

+
+ +

+Hat die Natur sich auch verschlechtert,
+Und nimmt sie Menschenfehler an?
+Mich dünkt die Pflanzen und die Thiere,
+Sie lügen jetzt wie jedermann. +

+ +

+Ich glaub' nicht an der Lilje Keuschheit.
+Es buhlt mit ihr der bunte Geck,
+Der Schmetterling; der küßt und flattert
+Am End' mit ihrer Unschuld weg. +

+ +

+Von der Bescheidenheit der Veilchen
+Halt ich nicht viel. Die kleine Blum',
+Mit den koketten Düften lockt sie,
+Und heimlich dürstet sie nach Ruhm. +

+ +

+Ich zweifle auch, ob sie empfindet,
+Die Nachtigall, das was sie singt;
+Sie übertreibt und schluchzt und trillert
+Nur aus Routine, wie mich dünkt. +

+ +

+Die Wahrheit schwindet von der Erde,
+Auch mit der Treu' ist es vorbey.
+Die Hunde wedeln noch und stinken
+Wie sonst, doch sind sie nicht mehr treu. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/09-heinrich.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/09-heinrich.xhtml new file mode 100644 index 0000000..6f5bd28 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/09-heinrich.xhtml @@ -0,0 +1,65 @@ + + + + + + + + IX. Heinrich + + + +
+ +

IX.

+

Heinrich.

+
+ +

+Auf dem Schloßhof zu Canossa
+Steht der deutsche Kaiser Heinrich,
+Baarfuß und im Büßerhemde,
+Und die Nacht ist kalt und regnigt. +

+ +

+Droben aus dem Fenster lugen
+Zwo Gestalten, und der Mondschein
+Ueberflimmert Gregors Kahlkopf
+Und die Brüste der Mathildis. +

+ +

+Heinrich, mit den blassen Lippen,
+Murmelt fromme Paternoster;
+Doch im tiefen Kaiserherzen
+Heimlich knirscht er, heimlich spricht er: +

+ +

+„Fern in meinen deutschen Landen
+Heben sich die starken Berge,
+Und im stillen Bergesschachte
+Wächst das Eisen für die Streitaxt. +

+ +

+„Fern in meinen deutschen Landen
+Heben sich die Eichenwälder,
+Und im Stamm der höchsten Eiche
+Wächst der Holzstiel für die Streitaxt. +

+ +

+„Du, mein liebes treues Deutschland,
+Du wirst auch den Mann gebähren,
+Der die Schlange meiner Qualen
+Niederschmettert mit der Streitaxt.“ +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/10-lebensfahrt.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/10-lebensfahrt.xhtml new file mode 100644 index 0000000..def59ec --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/10-lebensfahrt.xhtml @@ -0,0 +1,51 @@ + + + + + + + + X. Lebensfahrt + + + +
+ +

X.

+

Lebensfahrt.

+
+ +

+Ein Lachen und Singen! Es blitzen und gaukeln
+Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln
+Den lustigen Kahn. Ich saß darin
+Mit lieben Freunden und leichtem Sinn. +

+ +

+Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,
+Die Freunde waren schlechte Schwimmer,
+Sie gingen unter, im Vaterland;
+Mich warf der Sturm an den Seinestrand. +

+ +

+Ich hab' ein neues Schiff bestiegen,
+Mit neuen Genossen; es wogen und wiegen
+Die fremden Fluthen mich hin und her —
+Wie fern die Heimath! mein Herz wie schwer! +

+ +

+Und das ist wieder ein Singen und Lachen —
+Es pfeift der Wind, die Planken krachen —
+Am Himmel erlischt der letzte Stern —
+Wie schwer mein Herz! die Heimath wie fern! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/11-das-neue-israelitische-hospital-zu-hamburg.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/11-das-neue-israelitische-hospital-zu-hamburg.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0fb4869 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/11-das-neue-israelitische-hospital-zu-hamburg.xhtml @@ -0,0 +1,79 @@ + + + + + + + + XI. Das neue Israelitische Hospital zu Hamburg + + + +
+ +

XI.

+

Das neue Israelitische Hospital zu Hamburg.

+
+ +

+Ein Hospital für arme, kranke Juden,
+Für Menschenkinder, welche dreyfach elend,
+Behaftet mit den bösen drey Gebresten,
+Mit Armuth, Körperschmerz und Judenthume! +

+ +

+Das schlimmste von den dreyen ist das letzte,
+Das tausendjährige Familienübel,
+Die aus dem Nil-Thal mitgeschleppte Plage,
+Der altegyptisch ungesunde Glauben. +

+ +

+Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen
+Nicht Dampfbad, Dusche, nicht die Aparate
+Der Chirurgie, noch all' die Arzenyen,
+Die dieses Haus den siechen Gästen bietet. +

+ +

+Wird einst die Zeit, die ew'ge Göttin, tilgen
+Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater
+Herunter auf den Sohn, — wird einst der Enkel
+Genesen und vernünftig seyn und glücklich? +

+ +

+Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen
+Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich
+Zu lindern suchte, was der Lindrung fähig,
+Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden. +

+ +

+Der theure Mann! Er baute hier ein Obdach
+Für Leiden, welche heilbar durch die Künste
+Des Arztes, (oder auch des Todes!) sorgte
+Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege — +

+ +

+Ein Mann der That, that er was eben thunlich;
+Für gute Werke gab er hin den Taglohn
+Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich,
+Durch Wohlthun sich erholend von der Arbeit. +

+ +

+Er gab mit reicher Hand — doch reich're Spende
+Entrollte manchmal seinem Aug', die Thräne,
+Die kostbar schöne Thräne, die er weinte
+Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/12-georg-herwegh.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/12-georg-herwegh.xhtml new file mode 100644 index 0000000..2d01203 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/12-georg-herwegh.xhtml @@ -0,0 +1,65 @@ + + + + + + + + XII. Georg Herwegh + + + +
+ +

XII.

+

Georg Herwegh.

+
+ +

+Mein Deutschland trank sich einen Zopf,
+Und du, du glaubtest den Toasten!
+Du glaubtest jedem Pfeifenkopf
+Und seinen schwarz-roth-goldnen Quasten. +

+ +

+Doch als der holde Rausch entwich,
+Mein theurer Freund, du warst betroffen —
+Das Volk wie katzenjämmerlich,
+Das eben noch so schön besoffen! +

+ +

+Ein schimpfender Bedientenschwarm,
+Und faule Aepfel statt der Kränze —
+An jeder Seite ein Gensd'arm,
+Erreichtest endlich du die Grenze. +

+ +

+Dort bleibst du stehn. Wehmuth ergreift
+Dich bey dem Anblick jener Pfähle,
+Die wie das Zebrah sind gestreift,
+Und Seufzer dringen aus der Seele: +

+ +

+„Aranjuez, in deinem Sand,
+Wie schnell die schönen Tage schwanden,
+Wo ich vor König Philipp stand
+Und seinen ukkermärkschen Granden. +

+ +

+„Er hat mir Beyfall zugenickt,
+Als ich gespielt den Marquis Posa;
+In Versen hab' ich ihn entzückt,
+Doch ihm gefiel nicht meine Prosa.“ +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/13-die-tendenz.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/13-die-tendenz.xhtml new file mode 100644 index 0000000..9114ca5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/13-die-tendenz.xhtml @@ -0,0 +1,55 @@ + + + + + + + + XIII. Die Tendenz + + + +
+ +

XIII.

+

Die Tendenz.

+
+ +

+Deutscher Sänger! sing' und preise
+Deutsche Freiheit, daß dein Lied
+Unsrer Seelen sich bemeistre
+Und zu Thaten uns begeistre,
+In Marseillerhymnenweise. +

+ +

+Girre nicht mehr wie ein Werther,
+Welcher nur für Lotten glüht —
+Was die Glocke hat geschlagen
+Sollst du deinem Volke sagen,
+Rede Dolche, rede Schwerter! +

+ +

+Sey nicht mehr die weiche Flöte,
+Das idyllische Gemüth —
+Sey des Vaterlands Posaune,
+Sey Kanone, sey Karthaune,
+Blase, schmettre, donn're, tödte! +

+ +

+Blase, schmettre, don're täglich,
+Bis der letzte Dränger flieht —
+Singe nur in dieser Richtung,
+Aber halte deine Dichtung
+Nur so allgemein als möglich. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/14-das-kind.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/14-das-kind.xhtml new file mode 100644 index 0000000..f5b8b41 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/14-das-kind.xhtml @@ -0,0 +1,58 @@ + + + + + + + + XIV. Das Kind + + + +
+ +

XIV.

+

Das Kind.

+
+ +

+Den Frommen schenkt's der Herr im Traum,
+Weißt nicht wie dir geschah!
+Du kriegst ein Kind und merkst es kaum,
+Jungfrau Germania. +

+ +

+Es windet sich ein Bübelein
+Von deiner Nabelschnur;
+Es wird ein hübscher Schütze seyn,
+Als wie der Gott Amur. +

+ +

+Trifft einst in höchster Luft den Aar,
+Und flög' er noch so stolz,
+Den doppelköpfigen sogar
+Erreicht sein guter Bolz. +

+ +

+Doch nicht wie jener blinde Heid,
+Nicht wie der Liebesgott,
+Soll er sich ohne Hos' und Kleid
+Zeigen als Sanskülott. +

+ +

+Bey uns zu Land die Witterung,
+Moral und Polizey
+Gebieten streng, daß Alt und Jung
+Leiblich bekleidet sey. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/15-verheissung.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/15-verheissung.xhtml new file mode 100644 index 0000000..d6d506f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/15-verheissung.xhtml @@ -0,0 +1,51 @@ + + + + + + + + XV. Verheißung + + + +
+ +

XV.

+

Verheißung.

+
+ +

+Nicht mehr baarfuß sollst du traben,
+Deutsche Freiheit, durch die Sümpfe,
+Endlich kommst du auf die Strümpfe,
+Und auch Stiefeln sollst du haben! +

+ +

+Auf dem Haupte sollst du tragen
+Eine warme Pudelmütze,
+Daß sie dir die Ohren schütze
+In den kalten Wintertagen. +

+ +

+Du bekommst sogar zu essen —
+Eine große Zukunft naht dir! —
+Laß dich nur vom welschen Satyr
+Nicht verlocken zu Excessen! +

+ +

+Werde nur nicht dreist und dreister!
+Setz' nicht den Respect bei Seiten,
+Vor den hohen Obrigkeiten
+Und dem Herren Bürgermeister! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/16-der-wechselbalg.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/16-der-wechselbalg.xhtml new file mode 100644 index 0000000..42f7239 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/16-der-wechselbalg.xhtml @@ -0,0 +1,38 @@ + + + + + + + + XVI. Der Wechselbalg + + + +
+ +

XVI

+

Der Wechselbalg.

+
+ +

+Ein Kind mit großem Kürbiskopf,
+Hellblondem Schnurbart, greisem Zopf,
+Mit spinnig langen, doch starken Aermchen,
+Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen, —
+Ein Wechselbalg, den ein Corporal,
+Anstatt des Säuglings, den er stahl,
+Heimlich gelegt in unsre Wiege, —
+Die Mißgeburt, die mit der Lüge,
+Mit seinem geliebten Windspiel vielleicht,
+Der alte Sodomiter gezeugt, —
+Nicht brauch' ich das Ungethüm zu nennen —
+Ihr sollt es ersäufen oder verbrennen! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/17-der-kaiser-von-china.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/17-der-kaiser-von-china.xhtml new file mode 100644 index 0000000..5994ad0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/17-der-kaiser-von-china.xhtml @@ -0,0 +1,93 @@ + + + + + + + + XVII. Der Kaiser von China + + + +
+ +

XVII.

+

Der Kaiser von China.

+
+ +

+Mein Vater war ein trockner Taps,
+Ein nüchterner Duckmäuser,
+Ich aber trinke meinen Schnaps
+Und bin ein großer Kaiser. +

+ +

+Das ist ein Zaubertrank! Ich hab's
+Entdeckt in meinem Gemüthe:
+Sobald ich getrunken meinen Schnaps
+Steht China ganz in Blüthe. +

+ +

+Das Reich der Mitte verwandelt sich dann
+In einen Blumenanger,
+Ich selber werde fast ein Mann
+Und meine Frau wird schwanger. +

+ +

+All überall ist Ueberfluß
+Und es gesunden die Kranken;
+Mein Hofweltweiser Confusius
+Bekömmt die klarsten Gedanken. +

+ +

+Der Pumpernickel des Soldats
+Wird Mandelkuchen — O Freude!
+Und alle Lumpen meines Staats
+Spazieren in Sammt und Seide. +

+ +

+Die Mandarinenritterschaft,
+Die invaliden Köpfe,
+Gewinnen wieder Jugendkraft
+Und schütteln ihre Zöpfe. +

+ +

+Die große Pagode, Symbol und Hort
+Des Glaubens, ist fertig geworden;
+Die letzten Juden taufen sich dort
+Und kriegen den Drachen-Orden. +

+ +

+Es schwindet der Geist der Revolution
+Und es rufen die edelsten Mantschu:
+Wir wollen keine Constitution,
+Wir wollen den Stock, den Kantschu! +

+ +

+Wohl haben die Schüler Eskulaps
+Das Trinken mir widerrathen,
+Ich aber trinke meinen Schnaps
+Zum Besten meiner Staaten. +

+ +

+Und noch einen Schnaps, und noch einen Schnaps!
+Das schmeckt wie lauter Manna!
+Mein Volk ist glücklich, hat's auch den Raps
+Und jubelt: Hoseanna! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/18-kirchenrath-prometheus.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/18-kirchenrath-prometheus.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0ec3cec --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/18-kirchenrath-prometheus.xhtml @@ -0,0 +1,51 @@ + + + + + + + + XVIII. Kirchenrath Prometheus + + + +
+ +

XVIII.

+

Kirchenrath Prometheus.

+
+ +

+Ritter Paulus, edler Räuber,
+Mit gerunzelt düstren Stirnen
+Schau'n die Götter auf dich nieder,
+Dich bedroht das höchste Zürnen, +

+ +

+Ob dem Raube, ob dem Diebstahl,
+Den du im Olymp begangen —
+Fürchte des Prometheus Schicksal,
+Wenn dich Jovis Häscher fangen! +

+ +

+Freilich jener stahl noch Schlimm'res,
+Stahl das Licht, die Flammenkräfte,
+Um die Menschheit zu erleuchten —
+Du, du stahlest Schellings Hefte, +

+ +

+Just das Gegentheil des Lichtes,
+Finsterniß, die man betastet,
+Die man greifen kann wie jene,
+Die Egypten einst belastet. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/19-an-den-nachtwaechter.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/19-an-den-nachtwaechter.xhtml new file mode 100644 index 0000000..ee4f186 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/19-an-den-nachtwaechter.xhtml @@ -0,0 +1,73 @@ + + + + + + + + XIX. An den Nachtwächter + + + +
+ +

XIX.

+

An den Nachtwächter.

+

(Bei späterer Gelegenheit.)

+
+ +

+Verschlechtert sich nicht dein Herz und dein Styl,
+So magst du treiben jedwedes Spiel;
+Mein Freund, ich werde dich nie verkennen,
+Und sollt' ich dich auch Herr Hofrath nennen. +

+ +

+Sie machen jetzt ein großes Geschrey,
+Von wegen deiner Verhofrätherey,
+Vom Seinestrand bis an der Elbe
+Hört' ich seit Monden immer dasselbe: +

+ +

+Die Fortschrittsbeine hätten sich
+In Rückschrittsbeine verwandelt — O, sprich,
+Reitest du wirklich auf schwäbischen Krebsen?
+Aeugelst du wirklich mit fürstlichen Kebsen? +

+ +

+Vielleicht bist du müde und sehnst dich nach Schlaf.
+Du hast die Nacht hindurch so brav
+Geblasen, jetzt hängst du das Horn an den Nagel:
+Mag tuten wer will für den deutschen Jan Hagel! +

+ +

+Du legst dich zu Bette und schließest zu
+Die Augen, doch läßt man dich nicht in Ruh.
+Vor deinem Fenster spotten die Schreyer:
+„Brutus, du schläfst? Wach auf, Befreyer!“ +

+ +

+Ach! so ein Schreyer weiß nicht warum
+Der beste Nachtwächter wird endlich stumm,
+Es ahndet nicht so ein junger Maulheld,
+Warum der Mensch am End' das Maul hält. +

+ +

+Du fragst mich, wie es uns hier ergeht?
+Hier ist es still, kein Windchen weht,
+Die Wetterfahnen sind sehr verlegen,
+Sie wissen nicht wohin sich bewegen ... +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/20-zur-beruhigung.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/20-zur-beruhigung.xhtml new file mode 100644 index 0000000..25b9ff4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/20-zur-beruhigung.xhtml @@ -0,0 +1,79 @@ + + + + + + + + XX. Zur Beruhigung + + + +
+ +

XX.

+

Zur Beruhigung.

+
+ +

+Wir schlafen ganz wie Brutus schlief —
+Doch jener erwachte und bohrte tief
+In Cäsar's Brust das kalte Messer;
+Die Römer waren Tyrannenfresser. +

+ +

+Wir sind keine Römer, wir rauchen Taback.
+Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,
+Ein jedes Volk hat seine Größe;
+In Schwaben kocht man die besten Klöße. +

+ +

+Wir sind Germanen, gemüthlich und brav,
+Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf,
+Und wenn wir erwachen pflegt uns zu dürsten,
+Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten. +

+ +

+Wir sind so treu wie Eichenholz,
+Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz;
+Im Land der Eichen und der Linden
+Wird niemals sich ein Brutus finden. +

+ +

+Und wenn auch ein Brutus unter uns wär',
+Den Cäsar fänd' er nimmermehr,
+Vergeblich würd' er den Cäsar suchen;
+Wir haben gute Pfefferkuchen. +

+ +

+Wir haben sechs und dreizig Herr'n,
+(Ist nicht zu viel!) und einen Stern
+Trägt jeder schützend auf seinem Herzen,
+Und er braucht nicht zu fürchten die Iden des Merzen. +

+ +

+Wir nennen sie Väter, und Vaterland
+Benennen wir dasjenige Land,
+Das erbeigenthümlich gehört den Fürsten;
+Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten. +

+ +

+Wenn unser Vater spatzieren geht,
+Zieh'n wir den Huth mit Pietät;
+Deutschland, die fromme Kinderstube,
+Ist keine römische Mördergrube. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/21-verkehrte-welt.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/21-verkehrte-welt.xhtml new file mode 100644 index 0000000..dcbf65c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/21-verkehrte-welt.xhtml @@ -0,0 +1,72 @@ + + + + + + + + XXI. Verkehrte Welt + + + +
+ +

XXI.

+

Verkehrte Welt.

+
+ +

+Das ist ja die verkehrte Welt,
+Wir gehen auf den Köpfen!
+Die Jäger werden dutzendweis
+Erschossen von den Schnepfen. +

+ +

+Die Kälber braten jetzt den Koch,
+Auf Menschen reiten die Gäule;
+Für Lehrfreiheit und Rechte des Lichts
+Kämpft die katholische Eule. +

+ +

+Der Häring wird ein Sanskülott,
+Die Wahrheit sagt uns Bettine,
+Und ein gestiefelter Kater bringt
+Den Sophokles auf die Bühne. +

+ +

+Ein Affe läßt ein Pantheon
+Erbauen für deutsche Helden.
+Der Maßmann hat sich jüngst gekämmt,
+Wie deutsche Blätter melden. +

+ +

+Germanische Bären glauben nicht mehr
+Und werden Atheisten;
+Jedoch die französischen Papagei'n,
+Die werden gute Christen. +

+ +

+Im uckermärkschen Moniteur
+Da hat man's am tollsten getrieben:
+Ein Todter hat dem Lebenden dort
+Die schnödeste Grabschrift geschrieben. +

+ +

+Laßt uns nicht schwimmen gegen den Strom,
+Ihr Brüder! Es hilft uns wenig!
+Laßt uns besteigen den Templower Berg
+Und rufen: es lebe der König! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/22-erleuchtung.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/22-erleuchtung.xhtml new file mode 100644 index 0000000..41ac080 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/22-erleuchtung.xhtml @@ -0,0 +1,51 @@ + + + + + + + + XXII. Erleuchtung + + + +
+ +

XXII.

+

Erleuchtung.

+
+ +

+Michel! fallen dir die Schuppen
+Von den Augen? Merkst du itzt,
+Daß man dir die beßten Suppen
+Vor dem Maule wegstibitzt? +

+ +

+Als Ersatz ward dir versprochen
+Reinverklärte Himmelsfreud'
+Droben, wo die Engel kochen
+Ohne Fleisch die Seligkeit! +

+ +

+Michel! wird dein Glaube schwächer
+Oder stärker dein App'tit?
+Du ergreifst den Lebensbecher
+Und du singst ein Heidenlied! +

+ +

+Michel! fürchte nichts und labe
+Schon hienieden deinen Wanst,
+Später liegen wir im Grabe,
+Wo du still verdauen kannst. +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/23-wartet-nur.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/23-wartet-nur.xhtml new file mode 100644 index 0000000..f5daae9 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/23-wartet-nur.xhtml @@ -0,0 +1,44 @@ + + + + + + + + XXIII. Wartet nur + + + +
+ +

XXIII.

+

Wartet nur.

+
+ +

+Weil ich so ganz vorzüglich blitze,
+Glaubt Ihr, daß ich nicht donnern könnt'!
+Ihr irrt Euch sehr, denn ich besitze
+Gleichfalls für's Donnern ein Talent. +

+ +

+Es wird sich grausenhaft bewähren,
+Wenn einst erscheint der rechte Tag;
+Dann sollt Ihr meine Stimme hören,
+Das Donnerwort, den Wetterschlag. +

+ +

+Gar manche Eiche wird zersplittern
+An jenem Tag der wilde Sturm,
+Gar mancher Palast wird erzittern
+Und stürzen mancher Kirchenthurm! +

+ +
+ +
+ + + diff --git a/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/24-nachtgedanken.xhtml b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/24-nachtgedanken.xhtml new file mode 100644 index 0000000..0df430b --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/04-zeitgedichte/24-nachtgedanken.xhtml @@ -0,0 +1,93 @@ + + + + + + + + XXIV. Nachtgedanken + + + +
+ +

XXIV.

+

Nachtgedanken.

+
+ +

+Denk ich an Deutschland in der Nacht,
+Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
+Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
+Und meine heißen Thränen fließen. +

+ +

+Die Jahre kommen und vergehn!
+Seit ich die Mutter nicht gesehn
+Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
+Es wächst mein Sehnen und Verlangen. +

+ +

+Mein Sehnen und Verlangen wächst.
+Die alte Frau hat mich behext,
+Ich denke immer an die alte,
+Die alte Frau, die Gott erhalte! +

+ +

+Die alte Frau hat mich so lieb,
+Und in den Briefen, die sie schrieb,
+Seh' ich wie ihre Hand gezittert,
+Wie tief das Mutterherz erschüttert. +

+ +

+Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
+Zwölf lange Jahre floßen hin,
+Zwölf lange Jahre sind verflossen,
+Seit ich sie nicht an's Herz geschlossen. +

+ +

+Deutschland hat ewigen Bestand,
+Es ist ein kerngesundes Land,
+Mit seinen Eichen, seinen Linden,
+Werd' ich es immer wiederfinden. +

+ +

+Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr,
+Wenn nicht die Mutter dorten wär';
+Das Vaterland wird nie verderben,
+Jedoch die alte Frau kann sterben. +

+ +

+Seit ich das Land verlassen hab',
+So viele sanken dort in's Grab,
+Die ich geliebt — wenn ich sie zähle,
+So will verbluten meine Seele. +

+ +

+Und zählen muß ich — Mit der Zahl
+Schwillt immer höher meine Qual,
+Mir ist als wälzten sich die Leichen
+Auf meine Brust — Gottlob! sie weichen! +

+ +

+Gottlob! durch meine Fenster bricht
+Französisch heit'res Tageslicht;
+Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
+Und lächelt fort die deutschen Sorgen. +

+ +
+ +
+ + + -- cgit v1.2.3