From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: =?UTF-8?q?Erste=20Ver=C3=B6ffentlichung?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml | 183 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 183 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml new file mode 100644 index 0000000..3189c8a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/04.xhtml @@ -0,0 +1,183 @@ + + + + + + + + Caput IV. + + + +
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Caput IV.

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+Zu Cöllen kam ich spät Abends an,
+Da hörte ich rauschen den Rheinfluß,
+Da fächelte mich schon deutsche Luft,
+Da fühlt' ich ihren Einfluß — +

+ +

+Auf meinen Appetit. Ich aß
+Dort Eierkuchen mit Schinken,
+Und da er sehr gesalzen war
+Mußt ich auch Rheinwein trinken. +

+ +

+Der Rheinwein glänzt noch immer wie Gold
+Im grünen Römerglase,
+Und trinkst du etwelche Schoppen zu viel,
+So steigt er dir in die Nase. +

+ +

+In die Nase steigt ein Prickeln so süß,
+Man kann sich vor Wonne nicht lassen!
+Es trieb mich hinaus in die dämmernde Nacht,
+In die wiederhallenden Gassen. +

+ +

+Die steinernen Häuser schauten mich an,
+Als wollten sie mir berichten
+Legenden aus altverschollener Zeit,
+Der heilgen Stadt Cöllen Geschichten. +

+ +

+Ja, hier hat einst die Clerisey
+Ihr frommes Wesen getrieben,
+Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
+Die Ulrich von Hutten beschrieben. +

+ +

+Der Cancan des Mittelalters ward hier
+Getanzt von Nonnen und Mönchen;
+Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Cölln,
+Die giftgen Denunziaziönchen. +

+ +

+Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
+Bücher und Menschen verschlungen;
+Die Glocken wurden geläutet dabei
+Und Kyrie Eleison gesungen. +

+ +

+Dummheit und Bosheit buhlten hier
+Gleich Hunden auf freier Gasse;
+Die Enkelbrut erkennt man noch heut
+An ihrem Glaubenshasse. — +

+ +

+Doch siehe! dort im Mondenschein
+Den kolossalen Gesellen!
+Er ragt verteufelt schwarz empor,
+Das ist der Dom von Cöllen. +

+ +

+Er sollte des Geistes Bastille sein,
+Und die listigen Römlinge dachten:
+In diesem Riesenkerker wird
+Die deutsche Vernunft verschmachten! +

+ +

+Da kam der Luther, und er hat
+Sein großes „Halt!“ gesprochen —
+Seit jenem Tage blieb der Bau
+Des Domes unterbrochen. +

+ +

+Er ward nicht vollendet — und das ist gut.
+Denn eben die Nichtvollendung
+Macht ihn zum Denkmahl von Deutschlands Kraft
+Und protestantischer Sendung. +

+ +

+Ihr armen Schelme vom Domverein,
+Ihr wollt mit schwachen Händen
+Fortsetzen das unterbrochene Werk,
+Und die alte Zwingburg vollenden! +

+ +

+O thörichter Wahn! Vergebens wird
+Geschüttelt der Klingelbeutel,
+Gebettelt bei Ketzern und Juden sogar;
+Ist alles fruchtlos und eitel. +

+ +

+Vergebens wird der große Franz Lißt
+Zum Besten des Doms musiziren,
+Und ein talentvoller König wird
+Vergebens deklamiren! +

+ +

+Er wird nicht vollendet, der Köllner Dom,
+Obgleich die Narren in Schwaben
+Zu seinem Fortbau ein ganzes Schiff
+Voll Steine gesendet haben. +

+ +

+Er wird nicht vollendet, trotz allem Geschrey
+Der Raben und der Eulen,
+Die, alterthümlich gesinnt, so gern
+In hohen Kirchthürmen weilen. +

+ +

+Ja, kommen wird die Zeit sogar
+Wo man, statt ihn zu vollenden,
+Die inneren Räume zu einem Stall
+Für Pferde wird verwenden. +

+ +

+„Und wird der Dom ein Pferdestall,
+Was sollen wir dann beginnen
+Mit den heil'gen drey Kön'gen, die da ruhn
+Im Tabernakel da drinnen?“ +

+ +

+So höre ich fragen. Doch brauchen wir uns
+In unserer Zeit zu geniren?
+Die heil'gen drey Kön'ge aus Morgenland,
+Sie können wo anders logiren. +

+ +

+Folgt meinem Rath und steckt sie hinein
+In jene drey Körbe von Eisen,
+Die hoch zu Münster hängen am Thurm,
+Der Sankt Lamberti geheißen. +

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+Fehlt etwa einer vom Triumvirat,
+So nehmt einen anderen Menschen,
+Ersetzt den König des Morgenlands
+Durch einen abendländschen. +

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+ + + -- cgit v1.2.3