From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: =?UTF-8?q?Erste=20Ver=C3=B6ffentlichung?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml | 148 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 148 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml new file mode 100644 index 0000000..cbaea35 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/06.xhtml @@ -0,0 +1,148 @@ + + + + + + + + Caput VI. + + + +
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Caput VI.

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+Den Paganini begleitete stets
+Ein Spiritus Familiaris,
+Manchmal als Hund, manchmal in Gestalt
+Des seligen Georg Harris. +

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+Napoleon sah einen rothen Mann,
+Vor jedem wicht'gen Ereigniß.
+Sokrates hatte seinen Dämon,
+Das war kein Hirnerzeugniß. +

+ +

+Ich selbst, wenn ich am Schreibtisch saß
+Des Nachts, hab ich gesehen
+Zuweilen einen vermummten Gast
+Unheimlich hinter mir stehen. +

+ +

+Unter dem Mantel hielt er etwas
+Verborgen, das seltsam blinkte
+Wenn es zum Vorschein kam, und ein Beil,
+Ein Richtbeil, zu seyn mir dünkte. +

+ +

+Er schien von untersetzter Statur,
+Die Augen wie zwey Sterne;
+Er störte mich im Schreiben nie,
+Blieb ruhig stehn in der Ferne. +

+ +

+Seit Jahren hatte ich nicht gesehn
+Den sonderbaren Gesellen,
+Da fand ich ihn plötzlich wieder hier
+In der stillen Mondnacht zu Cöllen. +

+ +

+Ich schlenderte sinnend die Straßen entlang,
+Da sah ich ihn hinter mir gehen,
+Als ob er mein Schatten wäre, und stand
+Ich still, so blieb er stehen. +

+ +

+Blieb stehen, als wartete er auf was,
+Und förderte ich die Schritte,
+Dann folgte er wieder. So kamen wir
+Bis auf des Domplatz Mitte. +

+ +

+Es ward mir unleidlich, ich drehte mich um
+Und sprach: Jetzt steh' mir Rede,
+Was folgst du mir auf Weg und Steg,
+Hier in der nächtlichen Oede? +

+ +

+Ich treffe dich immer in der Stund,
+Wo Weltgefühle sprießen
+In meiner Brust und durch das Hirn
+Die Geistesblitze schießen. +

+ +

+Du siehst mich an so stier und fest —
+Steh' Rede: was verhüllst du
+Hier unter dem Mantel, das heimlich blinkt?
+Wer bist du und was willst du? +

+ +

+Doch jener erwiederte trockenen Tons,
+Sogar ein bischen phlegmatisch:
+„Ich bitte dich, exorzire mich nicht,
+Und werde nur nicht emphatisch! +

+ +

+„Ich bin kein Gespenst der Vergangenheit,
+Kein grabentstiegener Strohwisch,
+Und von Rhetorik bin ich kein Freund,
+Bin auch nicht sehr philosophisch. +

+ +

+„Ich bin von praktischer Natur,
+Und immer schweigsam und ruhig.
+Doch wisse: was du ersonnen im Geist',
+Das führ' ich aus, das thu' ich. +

+ +

+„Und gehn auch Jahre drüber hin,
+Ich raste nicht, bis ich verwandl
+In Wirklichkeit was du gedacht;
+Du denkst, und ich, ich handle. +

+ +

+„Du bist der Richter, der Büttel bin ich,
+Und mit dem Gehorsam des Knechtes
+Vollstreck' ich das Urtheil, das du gefällt,
+Und sey es ein ungerechtes. +

+ +

+„Dem Consul trug man ein Beil voran,
+Zu Rom, in alten Tagen.
+Auch du hast deinen Liktor, doch wird
+Das Beil dir nachgetragen. +

+ +

+„Ich bin dein Liktor, und ich geh'
+Beständig mit dem blanken
+Richtbeile hinter dir — ich bin
+Die That von deinem Gedanken.“ +

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+ + + -- cgit v1.2.3