From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: Erste Veröffentlichung MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml | 141 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 141 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml new file mode 100644 index 0000000..f9c9958 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/08.xhtml @@ -0,0 +1,141 @@ + + + + + + + + Caput VIII. + + + +
+ +

Caput VIII.

+
+ +

+Von Cöllen bis Hagen kostet die Post
+Fünf Thaler sechs Groschen Preußisch.
+Die Diligence war leider besetzt
+Und ich kam in die offene Beyschais'. +

+ +

+Ein Spätherbstmorgen, feucht und grau,
+Im Schlamme keuchte der Wagen;
+Doch trotz des schlechten Wetters und Wegs
+Durchströmte mich süßes Behagen. +

+ +

+Das ist ja meine Heimathluft!
+Die glühende Wange empfand es!
+Und dieser Landstraßenkoth, er ist
+Der Dreck meines Vaterlandes! +

+ +

+Die Pferde wedelten mit dem Schwanz
+So traulich wie alte Bekannte,
+Und ihre Mistküchlein dünkten mir schön
+Wie die Aepfel der Atalante! +

+ +

+Wir fuhren durch Mühlheim. Die Stadt ist nett,
+Die Menschen still und fleißig.
+War dort zuletzt im Monat May
+Des Jahres Ein und dreyzig. +

+ +

+Damals stand alles im Blüthenschmuck
+Und die Sonnenlichter lachten,
+Die Vögel sangen sehnsuchtvoll,
+Und die Menschen hofften und dachten — +

+ +

+Sie dachten: „Die magere Ritterschaft
+Wird bald von hinnen reisen,
+Und der Abschiedstrunk wird ihnen kredenzt
+Aus langen Flaschen von Eisen! +

+ +

+„Und die Freiheit kommt mit Spiel und Tanz,
+Mit der Fahne, der weiß-blau-rothen;
+Vielleicht holt sie sogar aus dem Grab
+Den Bonaparte, den Todten!“ +

+ +

+Ach Gott! die Ritter sind immer noch hier,
+Und manche dieser Gäuche,
+Die spindeldürre gekommen in's Land,
+Die haben jetzt dicke Bäuche. +

+ +

+Die blassen Canaillen, die ausgesehn
+Wie Liebe, Glauben und Hoffen,
+Sie haben seitdem in unserm Wein
+Sich rothe Nasen gesoffen — — — +

+ +

+Und die Freiheit hat sich den Fuß verrenkt,
+Kann nicht mehr springen und stürmen;
+Die Trikolore in Paris
+Schaut traurig herab von den Thürmen. +

+ +

+Der Kaiser ist auferstanden seitdem,
+Doch die englischen Würmer haben
+Aus ihm einen stillen Mann gemacht,
+Und er ließ sich wieder begraben. +

+ +

+Hab' selber sein Leichenbegängniß gesehn,
+Ich sah den goldenen Wagen
+Und die goldenen Siegesgöttinnen drauf,
+Die den goldenen Sarg getragen. +

+ +

+Den Elisäischen Feldern entlang,
+Durch des Triumphes Bogen,
+Wohl durch den Nebel, wohl über den Schnee,
+Kam langsam der Zug gezogen. +

+ +

+Mißtönend schauerlich war die Musik.
+Die Musikanten starrten
+Vor Kälte. Wehmüthig grüßten mich
+Die Adler der Standarten. +

+ +

+Die Menschen schauten so geisterhaft
+In alter Erinn'rung verloren —
+Der imperiale Mährchentraum
+War wieder herauf beschworen. +

+ +

+Ich weinte an jenem Tag. Mir sind
+Die Thränen in's Auge gekommen,
+Als ich den verschollenen Liebesruf,
+Das Vive l'Empereur! vernommen. +

+ +
+ +
+ + + -- cgit v1.2.3