From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: Erste Veröffentlichung MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml | 120 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 120 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml new file mode 100644 index 0000000..a44f187 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/12.xhtml @@ -0,0 +1,120 @@ + + + + + + + + Caput XII. + + + +
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Caput XII.

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+Im nächtlichen Walde humpelt dahin
+Die Chaise. Da kracht es plötzlich —
+Ein Rad ging los. Wir halten still.
+Das ist nicht sehr ergötzlich. +

+ +

+Der Postillon steigt ab und eilt
+In's Dorf, und ich verweile
+Um Mitternacht allein im Wald.
+Ringsum ertönt ein Geheule. +

+ +

+Das sind die Wölfe, die heulen so wild,
+Mit ausgehungerten Stimmen.
+Wie Lichter in der Dunkelheit
+Die feurigen Augen glimmen. +

+ +

+Sie hörten von meiner Ankunft gewiß,
+Die Bestien, und mir zu Ehre
+Illuminirten sie den Wald,
+Und singen sie ihre Chöre. +

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+Das ist ein Ständchen, ich merke es jetzt,
+Ich soll gefeyert werden!
+Ich warf mich gleich in Positur
+Und sprach mit gerührten Gebehrden: +

+ +

+„Mitwölfe! Ich bin glücklich heut
+In Eurer Mitte zu weilen,
+Wo so viel edle Gemüther mir
+Mit Liebe entgegenheulen. +

+ +

+„Was ich in diesem Augenblick
+Empfinde, ist unermeßlich;
+Ach! diese schöne Stunde bleibt
+Mir ewig unvergeßlich. +

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+„Ich danke Euch für das Vertraun,
+Womit Ihr mich beehret,
+Und das Ihr in jeder Prüfungszeit
+Durch treue Beweise bewähret. +

+ +

+„Mitwölfe! Ihr zweifeltet nie an mir,
+Ihr ließet Euch nicht fangen
+Von Schelmen, die Euch gesagt, ich sey
+Zu den Hunden übergegangen, +

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+„Ich sey abtrünnig und werde bald
+Hofrath in der Lämmerhürde —
+Dergleichen zu widersprechen war
+Ganz unter meiner Würde. +

+ +

+„Der Schaafpelz, den ich umgehängt
+Zuweilen, um mich zu wärmen,
+Glaubt mir's, er brachte mich nie dahin
+Für das Glück der Schaafe zu schwärmen. +

+ +

+„Ich bin kein Schaaf, ich bin kein Hund,
+Kein Hofrath und kein Schellfisch —
+Ich bin ein Wolf geblieben, mein Herz
+Und meine Zähne sind wölfisch. +

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+„Ich bin ein Wolf und werde stets
+Auch heulen mit den Wölfen —
+Ja, zählt auf mich und helft Euch selbst,
+Dann wird auch Gott Euch helfen!“ +

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+Das war die Rede, die ich hielt,
+Ganz ohne Vorbereitung;
+Verstümmelt hat Kolb sie abgedruckt
+In der Allgemeinen Zeitung. +

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+ + + -- cgit v1.2.3