From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: Erste Veröffentlichung MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml | 162 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 162 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml new file mode 100644 index 0000000..bb9b259 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/15.xhtml @@ -0,0 +1,162 @@ + + + + + + + + Caput XV. + + + +
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Caput XV.

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+Ein feiner Regen prickelt herab,
+Eiskalt, wie Nähnadelspitzen.
+Die Pferde bewegen traurig den Schwanz,
+Sie waten im Koth und schwitzen. +

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+Der Postillon stößt in sein Horn,
+Ich kenne das alte Getute —
+„Es reiten drey Reiter zum Thor hinaus!“ —
+Es wird mir so dämmrig zu Muthe. +

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+Mich schläferte und ich entschlief,
+Und siehe! mir träumte am Ende,
+Daß ich mich in dem Wunderberg
+Beim Kaiser Rothbart befände. +

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+Er saß nicht mehr auf steinernem Stuhl,
+Am steinernen Tisch, wie ein Steinbild;
+Auch sah er nicht so ehrwürdig aus,
+Wie man sich gewöhnlich einbild't. +

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+Er watschelte durch die Sääle herum
+Mit mir im trauten Geschwätze.
+Er zeigte wie ein Antiquar
+Mir seine Curiosa und Schätze. +

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+Im Saale der Waffen erklärte er mir
+Wie man sich der Kolben bediene,
+Von einigen Schwertern rieb er den Rost
+Mit seinem Hermeline. +

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+Er nahm einen Pfauenwedel zur Hand,
+Und reinigte vom Staube
+Gar manchen Harnisch, gar manchen Helm,
+Auch manche Pickelhaube. +

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+Die Fahne stäubte er gleichfalls ab,
+Und er sprach: „mein größter Stolz ist,
+Daß noch keine Motte die Seide zerfraß,
+Und auch kein Wurm im Holz ist.“ +

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+Und als wir kamen in den Saal,
+Wo schlafend am Boden liegen
+Viel tausend Krieger, kampfbereit,
+Der Alte sprach mit Vergnügen: +

+ +

+„Hier müssen wir leiser reden und gehn,
+Damit wir nicht wecken die Leute;
+Wieder verflossen sind hundert Jahr
+Und Löhnungstag ist heute.“ +

+ +

+Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht
+Den schlafenden Soldaten,
+Und steckte heimlich in die Tasch'
+Jedwedem einen Dukaten. +

+ +

+Er sprach mit schmunzelndem Gesicht,
+Als ich ihn ansah verwundert:
+„Ich zahle einen Dukaten per Mann,
+Als Sold, nach jedem Jahrhundert.“ +

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+Im Saale wo die Pferde stehn
+In langen, schweigenden Reihen,
+Da rieb der Kaiser sich die Händ',
+Schien sonderbar sich zu freuen. +

+ +

+Er zählte die Gäule, Stück vor Stück,
+Und klätschelte ihnen die Rippen;
+Er zählte und zählte, mit ängstlicher Hast
+Bewegten sich seine Lippen. +

+ +

+„Das ist noch nicht die rechte Zahl“ —
+Sprach er zuletzt verdrossen —
+„Soldaten und Waffen hab' ich genung,
+Doch fehlt es noch an Rossen. +

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+„Roßkämme hab' ich ausgeschickt
+In alle Welt, die kaufen
+Für mich die besten Pferde ein,
+Hab' schon einen guten Haufen. +

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+„Ich warte bis die Zahl komplet,
+Dann schlag' ich los und befreye
+Mein Vaterland, mein deutsches Volk,
+Das meiner harret mit Treue.“ +

+ +

+So sprach der Kaiser, ich aber rief:
+Schlag' los, du alter Geselle,
+Schlag' los, und hast du nicht Pferde genug,
+Nimm Esel an ihrer Stelle. +

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+Der Rothbart erwiederte lächelnd: „Es hat
+Mit dem Schlagen gar keine Eile,
+Man baute nicht Rom in einem Tag,
+Gut Ding will haben Weile. +

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+„Wer heute nicht kommt, kommt morgen gewiß,
+Nur langsam wächst die Eiche,
+Und chi va piano va sano, so heißt
+Das Sprüchwort im römischen Reiche.“ +

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+ + + -- cgit v1.2.3