From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: Erste Veröffentlichung MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml | 190 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 190 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml new file mode 100644 index 0000000..b84978e --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/16.xhtml @@ -0,0 +1,190 @@ + + + + + + + + Caput XVI. + + + +
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Caput XVI.

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+Das Stoßen des Wagens weckte mich auf,
+Doch sanken die Augenlieder
+Bald wieder zu, und ich entschlief
+Und träumte vom Rothbart wieder. +

+ +

+Ging wieder schwatzend mit ihm herum
+Durch alle die hallenden Sääle;
+Er frug mich dies, er frug mich das,
+Verlangte, daß ich erzähle. +

+ +

+Er hatte aus der Oberwelt
+Seit vielen, vielen Jahren,
+Wohl seit dem siebenjährigen Krieg,
+Kein Sterbenswort erfahren. +

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+Er frug nach Moses Mendelssohn,
+Nach der Karschin, mit Intresse
+Frug er nach der Gräfin Dübarry,
+Des fünfzehnten Ludwigs Maitresse. +

+ +

+O Kaiser, rief ich, wie bist du zurück!
+Der Moses ist längst gestorben,
+Nebst seiner Rebekka, auch Abraham,
+Der Sohn, ist gestorben, verdorben. +

+ +

+Der Abraham hatte mit Lea erzeugt
+Ein Bübchen, Felix heißt er,
+Der brachte es weit im Christenthum,
+Ist schon Capellenmeister. +

+ +

+Die alte Karschin ist gleichfalls todt,
+Auch die Tochter ist todt, die Klenke;
+Helmine Chesy, die Enkelin,
+Ist noch am Leben, ich denke. +

+ +

+Die Dübarry lebte lustig und flott,
+So lange Ludwig regierte,
+Der fünfzehnte nämlich, sie war schon alt
+Als man sie guillotinirte. +

+ +

+Der König Ludwig der fünfzehnte starb
+Ganz ruhig in seinem Bette,
+Der sechszehnte aber ward guillotinirt
+Mit der Königin Antoinette. +

+ +

+Die Königin zeigte großen Muth,
+Ganz wie es sich gebührte,
+Die Dübarry aber weinte und schrie
+Als man sie guillotinirte. — — +

+ +

+Der Kaiser blieb plötzlich stille stehn,
+Und sah mich an mit den stieren
+Augen und sprach: „Um Gotteswill'n,
+Was ist das, guillotiniren?“ +

+ +

+Das Guillotiniren — erklärte ich ihm —
+Ist eine neue Methode,
+Womit man die Leute jeglichen Stands
+Vom Leben bringt zu Tode. +

+ +

+Bey dieser Methode bedient man sich
+Auch einer neuen Maschine,
+Die hat erfunden Herr Guillotin,
+Drum nennt man sie Guillotine. +

+ +

+Du wirst hier an ein Brett geschnallt; —
+Das senkt sich; — du wirst geschoben
+Geschwinde zwischen zwey Pfosten; — es hängt
+Ein dreyeckig Beil ganz oben; — +

+ +

+Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
+Das Beil, ganz lustig und munter; —
+Bey dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
+In einen Sack hinunter. +

+ +

+Der Kaiser fiel mir in die Red:
+„Schweig still, von deiner Maschine
+Will ich nichts wissen, Gott bewahr',
+Daß ich mich ihrer bediene! +

+ +

+„Der König und die Königinn!
+Geschnallt! an einem Brette!
+Das ist ja gegen allen Respekt
+Und alle Etiquette! +

+ +

+„Und du, wer bist du, daß du es wagst
+Mich so vertraulich zu dutzen?
+Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon
+Die kecken Flügel stutzen! +

+ +

+„Es regt mir die innerste Galle auf,
+Wenn ich dich höre sprechen,
+Dein Odem schon ist Hochverrath
+Und Majestätsverbrechen!“ +

+ +

+Als solchermaßen in Eifer gerieth
+Der Alte und sonder Schranken
+Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus
+Auch mir die geheimsten Gedanken. +

+ +

+Herr Rothbart — rief ich laut — du bist
+Ein altes Fabelwesen,
+Geh', leg' dich schlafen, wir werden uns
+Auch ohne dich erlösen. +

+ +

+Die Republikaner lachen uns aus,
+Sehn sie an unserer Spitze
+So ein Gespenst mit Zepter und Kron';
+Sie rissen schlechte Witze. +

+ +

+Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
+Die altdeutschen Narren verdarben
+Mir schon in der Burschenschaft die Lust
+An den schwarz-roth-goldnen Farben. +

+ +

+Das Beste wäre du bliebest zu Haus,
+Hier in dem alten Kiffhäuser —
+Bedenk' ich die Sache ganz genau,
+So brauchen wir gar keinen Kaiser. +

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+ + + -- cgit v1.2.3