From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: =?UTF-8?q?Erste=20Ver=C3=B6ffentlichung?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml | 141 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 141 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml new file mode 100644 index 0000000..987ebe1 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/22.xhtml @@ -0,0 +1,141 @@ + + + + + + + + Caput XXII. + + + +
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Caput XXII.

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+Noch mehr verändert als die Stadt
+Sind mir die Menschen erschienen,
+Sie geh'n so betrübt und gebrochen herum,
+Wie wandelnde Ruinen. +

+ +

+Die mageren sind noch dünner jetzt,
+Noch fetter sind die feisten,
+Die Kinder sind alt, die Alten sind
+Kindisch geworden, die meisten. +

+ +

+Gar manche, die ich als Kälber verließ,
+Fand ich als Ochsen wieder;
+Gar manches kleine Gänschen ward
+Zur Gans mit stolzem Gefieder. +

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+Die alte Gudel fand ich geschminkt
+Und geputzt wie eine Syrene;
+Hat schwarze Locken sich angeschafft
+Und blendend weiße Zähne. +

+ +

+Am besten hat sich konservirt
+Mein Freund der Papierverkäufer;
+Sein Haar ward gelb und umwallt sein Haupt,
+Sieht aus wie Johannes der Täufer. +

+ +

+Den **** den sah ich nur von fern,
+Er huschte mir rasch vorüber;
+Ich höre, sein Geist ist abgebrannt
+Und war versichert bey Biber. +

+ +

+Auch meinen alten Censor sah
+Ich wieder. Im Nebel, gebücket,
+Begegnet' er mir auf dem Gänsemarkt,
+Schien sehr darnieder gedrücket. +

+ +

+Wir schüttelten uns die Hände, es schwamm
+Im Auge des Manns eine Thräne.
+Wie freute er sich, mich wieder zu sehn!
+Es war eine rührende Scene. — +

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+Nicht alle fand ich. Mancher hat
+Das Zeitliche gesegnet.
+Ach! meinem Gumpelino sogar
+Bin ich nicht mehr begegnet. +

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+Der Edle hatte ausgehaucht
+Die große Seele so eben,
+Und wird als verklärter Seraph jetzt
+Am Throne Jehovahs schweben. +

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+Vergebens suchte ich überall
+Den krummen Adonis, der Tassen
+Und Nachtgeschirr von Porzelan
+Feil bot in Hamburgs Gassen. +

+ +

+Sarras, der treue Pudel, ist todt.
+Ein großer Verlust! Ich wette,
+Daß Campe lieber ein ganzes Schock
+Schriftsteller verloren hätte. — — +

+ +

+Die Populazion des Hamburger Staats
+Besteht, seit Menschengedenken,
+Aus Juden und Christen; es pflegen auch
+Die letztren nicht viel zu verschenken. +

+ +

+Die Christen sind alle ziemlich gut,
+Auch essen sie gut zu Mittag,
+Und ihre Wechsel bezahlen sie prompt,
+Noch vor dem letzten Respittag. +

+ +

+Die Juden theilen sich wieder ein
+In zwey verschiedne Partheyen;
+Die Alten gehn in die Synagog'
+Und in den Tempel die Neuen. +

+ +

+Die Neuen essen Schweinefleisch,
+Zeigen sich widersetzig,
+Sind Demokraten; die Alten sind
+Vielmehr aristokrätzig. +

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+Ich liebe die Alten, ich liebe die Neu'n —
+Doch schwör' ich, beim ewigen Gotte,
+Ich liebe gewisse Fischchen noch mehr,
+Man heißt sie geräucherte Sprotte. +

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+ + + -- cgit v1.2.3