From da16c1c086c7c7eaca02f15b7d6b381bf2f0faf3 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Fri, 10 Dec 2021 18:26:21 +0000 Subject: =?UTF-8?q?Erste=20Ver=C3=B6ffentlichung?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml | 183 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 183 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml (limited to 'OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml') diff --git a/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml new file mode 100644 index 0000000..e18a8d5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/05-deutschland-ein-wintermaerchen/24.xhtml @@ -0,0 +1,183 @@ + + + + + + + + Caput XXIV. + + + +
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Caput XXIV.

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+Wie ich die enge Sahltrepp' hinauf
+Gekommen, ich kann es nicht sagen;
+Es haben unsichtbare Geister mich
+Vielleicht hinaufgetragen. +

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+Hier, in Hammonias Kämmerlein,
+Verflossen mir schnell die Stunden.
+Die Göttinn gestand die Sympathie,
+Die sie immer für mich empfunden. +

+ +

+„Siehst du“ — sprach sie — „in früherer Zeit
+War mir am meisten theuer
+Der Sänger, der den Messias besang
+Auf seiner frommen Leyer. +

+ +

+„Dort auf der Commode steht noch jetzt
+Die Büste von meinem Klopstock,
+Jedoch seit Jahren dient sie mir
+Nur noch als Haubenkopfstock. +

+ +

+„Du bist mein Liebling jetzt, es hängt
+Dein Bildniß zu Häupten des Bettes;
+Und siehst du, ein frischer Lorbeer umkränzt
+Den Rahmen des holden Portraites. +

+ +

+„Nur daß du meine Söhne so oft
+Genergelt, ich muß es gestehen,
+Hat mich zuweilen tief verletzt;
+Das darf nicht mehr geschehen. +

+ +

+„Es hat die Zeit dich hoffentlich
+Von solcher Unart geheilet,
+Und dir eine größere Toleranz
+Sogar für Narren ertheilet. +

+ +

+„Doch sprich, wie kam der Gedanke dir
+Zu reisen nach dem Norden
+In solcher Jahrzeit? Das Wetter ist
+Schon winterlich geworden!“ +

+ +

+O, meine Göttin! — erwiederte ich —
+Es schlafen tief im Grunde
+Des Menschenherzens Gedanken, die oft
+Erwachen zur unrechten Stunde. +

+ +

+Es ging mir äußerlich ziemlich gut,
+Doch innerlich war ich beklommen,
+Und die Beklemmniß täglich wuchs —
+Ich hatte das Heimweh bekommen. +

+ +

+Die sonst so leichte französische Luft,
+Sie fing mich an zu drücken;
+Ich mußte Athem schöpfen hier
+In Deutschland, um nicht zu ersticken. +

+ +

+Ich sehnte mich nach Torfgeruch,
+Nach deutschem Tabaksdampfe;
+Es bebte mein Fuß vor Ungeduld,
+Daß er deutschen Boden stampfe. +

+ +

+Ich seufzte des Nachts, und sehnte mich,
+Daß ich sie wiedersähe,
+Die alte Frau, die am Dammthor wohnt;
+Das Lottchen wohnt in der Nähe. +

+ +

+Auch jenem edlen alten Herrn,
+Der immer mich ausgescholten
+Und immer großmüthig beschützt, auch ihm
+Hat mancher Seufzer gegolten. +

+ +

+Ich wollte wieder aus seinem Mund
+Vernehmen den „dummen Jungen!“
+Das hat mir immer wie Musik
+Im Herzen nachgeklungen. +

+ +

+Ich sehnte mich nach dem blauen Rauch,
+Der aufsteigt aus deutschen Schornsteinen,
+Nach niedersächsischen Nachtigall'n,
+Nach stillen Buchenhainen. +

+ +

+Ich sehnte mich nach den Plätzen sogar,
+Nach jenen Leidensstazionen,
+Wo ich geschleppt das Jugendkreuz
+Und meine Dornenkronen. +

+ +

+Ich wollte weinen wo ich einst
+Geweint die bittersten Thränen —
+Ich glaube Vaterlandsliebe nennt
+Man dieses thörigte Sehnen. +

+ +

+Ich spreche nicht gern davon; es ist
+Nur eine Krankheit im Grunde.
+Verschämten Gemüthes, verberge ich stets
+Dem Publiko meine Wunde. +

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+Fatal ist mir das Lumpenpack,
+Das, um die Herzen zu rühren,
+Den Patriotismus trägt zur Schau
+Mit allen seinen Geschwüren. +

+ +

+Schamlose schäbbige Bettler sind's,
+Almosen wollen sie haben —
+Ein'n Pfennig Popularität
+Für Menzel und seine Schwaben! +

+ +

+O meine Göttin, du hast mich heut
+In weicher Stimmung gefunden;
+Bin etwas krank, doch pfleg' ich mich,
+Und ich werde bald gesunden. +

+ +

+Ja ich bin krank, und du könntest mir
+Die Seele sehr erfrischen
+Durch eine gute Tasse Thee;
+Du mußt ihn mit Rum vermischen. +

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+ + + -- cgit v1.2.3