V.

Aus einem Briefe


(Die Sonne spricht:)
Was gehn dich meine Blicke an?
Das ist der Sonne gutes Recht,
Sie stralt auf den Herrn wie auf den Knecht;
Ich strale weil ich nicht anders kann.

Was gehn dich meine Blicke an?
Bedenke was deine Pflichten sind,
Nimm dir ein Weib und mach ein Kind,
Und sey ein deutscher Biedermann.

Ich strale weil ich nicht anders kann.
Ich wandle am Himmel wohl auf wohl ab,
Aus Langeweile guck' ich hinab —
Was gehn dich meine Blicke an?

(Der Dichter spricht:)
Das ist ja eben meine Tugend,
Daß ich ertrage deinen Blick,
Das Licht der ew'gen Seelenjugend,
Blendende Schönheit, Flammenglück!

Jetzt aber fühl' ich ein Ermatten
Der Sehkraft, und es sinken nieder,
Wie schwarze Flöre, nächt'ge Schatten
Auf meine armen Augenlieder ....

(Chor der Affen:)
Wir Affen, wir Affen,
Wir glotzen und gaffen
Die Sonne an,
Weil sie es doch nicht währen kann.

(Chor der Frösche:)
Im Wasser, im Wasser,
Da ist es noch nasser
Als auf der Erde,
Und ohne Beschwerde
Erquicken
Wir uns an den Sonnenblicken.

(Chor der Maulwürfe:)
Was doch die Leute Unsinn schwatzen
Von Stralen und von Sonnenblicken!
Wir fühlen nur ein warmes Jücken,
Und pflegen uns alsdann zu kratzen.

(Ein Glühwurm spricht:)
Wie sich die Sonne wichtig macht,
Mit ihrer kurzen Tagespracht!
So unbescheiden zeig' ich mich nicht,
Und bin doch auch ein großes Licht,
In der Nacht, in der Nacht!