From 6e4f4e3c3315db38547acd8437cd55bfba5fd764 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Patrick Goltzsch Date: Wed, 4 Mar 2020 15:42:43 +0100 Subject: initial commit --- OEBPS/Text/20.html | 116 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 116 insertions(+) create mode 100644 OEBPS/Text/20.html (limited to 'OEBPS/Text/20.html') diff --git a/OEBPS/Text/20.html b/OEBPS/Text/20.html new file mode 100644 index 0000000..c210ccf --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/20.html @@ -0,0 +1,116 @@ + + + + + + + + + Indianisch Lied + + + +

Indianisch Lied

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Lotte Pritzel gewidmet
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Jetzt, Mädchen, sattle mein weißes Pferd,
+ Ein Ritt, da der Nachtmahr den Mond bedrängt,
+ Durch das dampfende Tal, da am Hexenherd
+ Der Freund der Indianer am Galgen hängt.

+ +

Zwölf Rosse brachen unter mir zusammen.
+ Zwölf Sonnen stürzten in den reißenden Strom ihre Flammen.
+ Doch am dreizehnten Tag um Mitternacht
+ Stand ich vor dem Toten und habe gelacht.

+ +

Ich blase die wütenden Totenfanfaren.
+ Armer versoffener Freund, nun bist du gestorben!
+ Ich bin der Indianer, der einst mit dir ritt,
+ Auf manchem Kriegspfad nahmst du mich mit
+ und wir haben die Länder und Leute verdorben,
+ und ich halt die Trompet und blas,
+ Faule Leiche, was grinst du so »monoise«,
+ Wo ich siebzehn Mal vom Galgen dich schnitt?
+ Ist meine Lust am Leben dir immer noch leid?

+ +

Doch der trampt auf im Galgentritt:
+ Nu, warum blust de die Trompeit?

+ +

Jetzt baut man Ton des Weltgerichts,
+ Und der Geist in den Lüften schreit.
+ Doch du wohnst, wohin du dich sehntest, im Nichts,
+ Und es tönt in den Höhen der Satansritt.

+ +

Doch der trampt auf im Galgentritt:
+ Nu, warum blust de die Trompeit?

+ +

Du nanntest dich Pumperpuckel auf Erden,
+ »Denn man muß als häßlicher Satan erscheinen«.
+ Schüsse in Kneipen und Diebstahl von Pferden,
+ Schmutziges Stöhnen in Häusern aus Steinen,
+ Lächelnde Tage und ruchloses Weinen,
+ Armselige Täuschung, die ich erlitt.
+ Pumperpuckel, du hattest Einen.
+ Hinter den Wolken das Mondlicht schreit.

+ +

Doch der trampt auf im Galgentritt:
+ Nu, warum blust de die Trompeit?

+ +

Du, Schulmeister, sagtest: »Du denkst nur in Worten,
+ Doch alle Worte sind Trug nur und Leid.
+ Du, du denkst nur in Worten, in Taten und Orten,
+ Da der Gott aller Wahrheit dein Reden bestritt,
+ Und der Unsinn den Weg alles Sinnens verschneit.«
+ Ich denke nicht Worte und rede doch mit,
+ Und der Traum meines Daseins träumt Wahrheit und Traum.
+ Das bleibt doch ein prächtiger Galgenschnitt,
+ Was bleibst du nur hängen am hölzernen Baum,
+ Wie sehr ich dich bitte: komm mit, komm mit?
+ Heil! der geflügelte Morgenwind öffnete die Himmelspforten des Lebens weit!

+ +

Doch der trampt auf im Galgentritt:
+ Nu, warum blust de die Trompeit?

+ +

Einen schallenden Gruß meinem alten Freund!
+ Ein fester Galgen hält gut.
+ Und wenn herbstlicher Strahl unsere Ebenen träumt
+ Und den Vortraum des Winters in Zelten räumt,
+ Viel Feuer, Wasser und Mut.
+ Doch der weißen Rose vergesse ich nie,
+ Die auf schwarzen Rossen einst kam.

+ +

Denn sie zwang ihren Krieger aufs zitternde Knie
+ Und der Pfeil am Bogen ward lahm,
+ Welt vergessen und Träume verhöhnen,
+ Tode verachten im Walde der Tiere.
+ Doch wie kann ich vergessen ein Lächeln der Schönen,
+ Ihrer Augen nackte Wildheit und ihre
+ Unberührte Brust!
+ Jener Brand von Schönheit, der täglich die Welt verwirrt,
+ Jene schattenhafte Trauer, die um meinen Wigwam abenteuert.
+ Giftige Pfeile von der Rose der Brenta entsandt.
+ Warum kennt mich der Tod und lockt mich vergebens?
+ Warum bin ich heiter, wenn über endlosem Land
+ Die dröhnende Sonne verbrennt wie am sagenhaften
+ Abend des verendenden Lebens?

+ +

O Nacht zärtlicher Sterne Gefunkel
+ In liebesklarer Luft
+ Lebendigen Traumes Flammendunkel.
+ Über schmalen Wegen der Bergeskluft,
+ Hoch im Gebirg' in den eisigen Gipfeln ein Raunen.
+ Musik der Seele. Tanz und Märchen erstaunen.

+ +

Mehr als zu sein und mehr als nicht zu sein!
+ Wer darf den Leib denn denken, den er liebt!
+ Wer darf vermessen durch die Wälder schrein,
+ Daß Gott ihm nie den Tag der Schönheit gibt?

+ +

Farbiger Rauch steigt auf aus den Städten der Qual,
+ Wo der weiße Bruder bedächtig die Tonpfeife raucht,
+ Wie ein Feuer von Fieberträumen hingehaucht,
+ Fern am lauernden Horizont.

+ + -- cgit v1.2.3