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diff --git a/OEBPS/Text/10-laybach.html b/OEBPS/Text/10-laybach.html new file mode 100644 index 0000000..7b21619 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/10-laybach.html @@ -0,0 +1,338 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Laybach</title> +</head> +<body> + +<div class="chapter" id="Laybach"> +<div class="dateline"><span class="right"><span class="spaced">Laybach</span>.</span></div> + +<p> <span class="initial">H</span>ier mache ich, wenn Du +erlaubst, wieder eine Pause und lasse meine Hemden waschen +und meine Stiefeln besohlen.</p> + +<p>Von Gräz aus war es sehr kalt und ward immer kälter. Die +erste Nacht blieb ich in Ehrenhausen, einem ganz hübschen +Städtchen das seinem Namen +<!-- pb n="60" facs="#f0086"/ --> Ehre macht, wo ich von +meiner lieben Murr Abschied nahm. Der Ofen glühte, aber das +Zimmer ward nicht warm. Der Weg von Ehrenhausen nach +Mahrburg ist ein wahrer Garten, links und rechts mit +Obstpflanzungen und Weinbergen. Auch Mahrburg ist ein ganz +hübscher Ort an der Drawa, und die Berge an dem Flusse +hinauf und hinab sind voll der schönsten Weingärten. Eine +herrliche ökonomische Musik war es für mich, dass die Leute +hier überall links und rechts auf Bohlentennen droschen. Man +kann sich keinen traulichern Lärm denken. Das Deutsche hörte +nunmehr unter den gemeinen Leuten auf und das Italiänische +fing nicht an: dafür hörte ich das krainerische Rothwelsch, +von dem ich nur hier und da etwas aus der Analogie mit dem +Russischen verstand. Die Russen thun sich etwas darauf zu +gute, dass man sie so weit herab in ihrer Muttersprache +versteht, und nennen sich desswegen die Slawen, die +Berühmten, ungefähr so wie die heutigen Gallier sich die +grosse Nation nennen. Bis nach Triest und Görz wurden sie +hier überall verstanden. Die Pohlen sprechen sogleich leicht +und verständlich mit ihnen, und die Böhmen finden keine +grosse Schwierigkeit. Ich selbst erinnere mich, als ich vor +mehreren Jahren aus Russland zurück kam und einen alten +russischen Grenadier als Bedienten mit mir hatte, dass er +mir in der Lausitz in der Gegend von Lübben sagte: »Aber, +mein Gott, wir sind ja hier noch ganz in Russland; hier +spricht man ja noch gut russisch.« So viel Aehnlichkeit +haben die slawischen Dialekte unter sich, von dem russischen +bis zum wendischen und krainischen.</p> + +<!-- pb n="61" facs="#f0087"/ --> +<p>Von Gannewitz aus ist ein hoher furchtbar steiler Berg, +weit steiler als der Sömmering; so dass vier und dreyssig +Ochsen und sechs Pferde an einem Frachtwagen zogen, den die +sechs Pferde auf gewöhnlichen Wegen allein fort brachten. +Die Berge sind hier meistens mit schönen Buchen bewachsen, +da sie an der Murr fast durchaus mit Schwarzwald bedeckt +sind.</p> + +<p>In Cilly kam ich ziemlich spät an, und that mir gütlich +in sehr gutem Bier, das nun ziemlich selten zu werden +anfängt. Ich muss aus Verzweiflung Wein trinken, und zwar +viel; denn sonst würde man mich ohne Barmherzigkeit auf ein +Strohlager weisen, und wenn ich auch noch so sehr mit dem +Gelde klingelte. Es wurde hier bey meiner späten Ankunft so +stark geschossen und geschrien, dass ich glaubte es wäre +Revolution im Lande. Wie ich näher kam hörte ich, dass es +Schlittenfahrten waren. In Cilly hätte ich auch bald meine +Laufbahn geschlossen: das ging so zu. Ich ass gut und viel, +wie gewöhnlich, in der Wirthsstube, und hatte bestellt, mir +ein gutes Zimmer recht warm zu machen, weil es fürchterlich +kalt war: denn die steyermärkischen und krainerischen Winter +halten sich in gutem Kredit, und der jetzige ist vorzüglich +strenge. Nach der Mahlzeit ging ich auf das Zimmer, zog mich +aus, stellte mich einige Minuten an den Ofen, und legte mich +zu Bette. Du weisst dass ich ein gar gesunder Kerl bin und +jeden Tag gut esse, und jede Nacht gut schlafe. So auch +hier. Aber es mochte vielleicht gegen vier Uhr des Morgens +seyn, als ich durch eine furchtbare Angst geweckt wurde und +den Kopf kaum heben konnte. So viel hatte ich +<!-- pb n="62" facs="#f0088"/ --> Besinnung, dass ich +errieth, ich schlief in einem neu geweissten Zimmer, das man +auf mein Verlangen gewaltig geheitzt hatte. Als ich mich +aufzurichten versuchte, um das Fenster zu öffnen, fiel ich +kraftlos und dumpf auf den Pfühl zurück und verlor das +Bewusstseyn. Als es helle ward erwachte ich wieder, sammelte +so viel Kraft das Fenster zu öffnen, mich anzuziehen, in der +Eile das Zimmer zu verlassen, hinunter zu taumeln und unten +etwas Wein und Brot zu bestellen. Hier kam der zweyte +Paroxysmus; ich sank am Tische hin in einen namenlosen +Zustand, wie in einen lichtleeren Abgrund, wo Finsterniss +hinter mir zuschloss. So viel erinnere ich mich noch; ich +dachte, das ist der Tod, und war ruhig; sie werden mich +schon gehörig begraben. Kurze Zeit darauf erwachte ich +wieder unter dem entsetzlichsten Schweisse, der mich aber +mit jedem Augenblicke leichter ins Leben zurück brachte. Der +ganze Körper war nass, die Haare waren wie getaucht, und auf +den Händen standen grosse Tropfen bis vorn an die Nägel der +Finger. Niemand war in dem Zimmer; der Schweiss brachte mir +nach der Schwere des Todes ein Gefühl unaussprechlicher +Behaglichkeit. Etwas Schwindel kam zurück; nun suchte ich +mich zu ermannen und nahm etwas Wein und Brot. Die Luft, +dachte ich, ist die beste Arzney, und auf alle Fälle stirbt +man besser in dem freyen Elemente, als in der engen Kajüte. +So nahm ich meinen Tornister mit grosser Anstrengung auf die +Schulter und ging oder wankte vielmehr nur; aber mit jedem +Schritte ward ich leichter und stärker und in einer halben +Stunde fühlte ich nichts mehr, ob mir +<!-- pb n="63" facs="#f0089"/ --> gleich Kleid, Hut, Haar +und Bart und das ganze Gesicht schwer bereift war und der +ganze Kerl wie schlechte verschossene Silberarbeit aussah; +denn es fiel ein entsetzlicher kalter Nebel. Nach zwey +Stunden frühstückte ich wieder mit so gutem Appetit, als ich +je gethan hatte. Siehst Du, lieber Freund, so hätte mich der +verdammte Kalk beynahe etwas früher als nöthig ist aus der +Welt gefördert. Doch vielleicht kam mir dieses auch nur so +gefährlich vor, weil ich keiner Phänomene von Krankheit, +Ohnmacht und so weiter, gewohnt bin. Etwas gewitziget wurde +ich dadurch für die Zukunft und ich visitierte nun allemahl +erst die Wände eines geheitzten Zimmers, ehe ich mich ruhig +einquartierte.</p> + +<p>Zwischen Franz und Sankt Oswald steht rechts am Berge +eine Pyramide mit einem Postament von schwarzem Marmor, auf +dem die Unterwerfungsakte der Krainer an Karl den Sechsten +eingegraben ist: <span class="italic">Se +substrauerunt</span>, heisst es mit klassisch diplomatischer +Demuth. Eine Viertelstunde weiter hin ist links ein anderes +neueres Monument, wie es mir schien zur Ehre eines +Ministers, der den Weg hatte machen lassen. Es war sehr +kalt; die Schrift war schon ganz unleserlich und der Weg war +auch wieder in übeln Umständen, obgleich beydes höchstens +nur von Karl dem Sechsten.</p> + +<p>Abends kam ich mit vieler Anstrengung in Sankt Oswald an, +ob ich gleich recht gut zu Mittage gegessen hatte; denn der +Zufall mochte mich doch etwas geschwächt haben. Der Wirth, +zu dem man mich hier wies, war ein Muster von Grobheit und +hat die Ehre der Einzige seiner Art auf meiner ganzen Reise +<!-- pb n="64" facs="#f0090"/ --> zu seyn: denn alle übrigen +waren leidlich artig. Ich trat ein und legte meinen +Tornister ab. Es war Zweydunkel, zwischen Hund und Wolf. +»Was will der Herr?« fragte mich ein ziemlich dicker +handfester Kerl, der bey dem Präsidenten der italiänischen +Kanzley in Wien Kammerdiener gewesen zu seyn schien, so ganz +sprach er seine Sprache und seinen Dialekt. Du weisst, dass +sehr oft ein Minister das Talent hat, durch sein wirksames +Beyspiel die Grobheit durch die ganze Provinz zu verbreiten. +»Was will der Herr?« Ich trat ihm etwas näher und sagte: +Essen, trinken und schlafen. »Das erste kann er, das zweyte +nicht.« Warum nicht? Ist hier nicht ein Wirthshaus? »Nicht +für Ihn.« Für wen denn sonst? »Für andere ehrliche Leute.« +Ich bin hoffentlich doch auch ein ehrlicher Mann. »Geht mich +nichts an.« Aber es ist Abend, ich kann nicht weiter und +werde also wohl hier bleiben müssen, sagte ich etwas +bestimmt. Hier gerieth der dicke Mann in Zorn, ballte seine +beyden Fäuste mit einer solchen Heftigkeit, als ob er mit +jeder auf Einmahl ein halbes Dutzend solcher Knotenstöcke +zerbrechen wollte, wie ich trug. »Mach der Herr nur kein +Federlesens, und pack' Er sich; oder ich rufe meine Knechte, +da soll die Geschichte bald zu Ende seyn.« Er deutete +grimmig auf die Thür, und ging selbst hinaus. Ich wandte +mich, als er hinaus war, an einen jungen Menschen, der der +Sohn vom Hause zu seyn schien, und fragte ihn ganz sanft um +die Ursache einer solchen Behandlung. Er antwortete mir +nicht. Ich sagte, wenn man mir nicht trauete, so möchte man +meine Sachen in Verwahrung +<!-- pb n="65" facs="#f0091"/ --> nehmen, und Börse und Pass +und Taschenbuch dazu. Er sagte mir ängstlich, der Herr wäre +aufgebracht, und es würde wohl bey dem bleiben was er gesagt +hätte. Hier kam der dicke Herr selbst wieder. »Ist der Herr +noch nicht fort?« Aber, Lieber es ist ganz Nacht; ich bin +sehr müde und es ist sehr kalt. »Geht mich nichts an.« Es +ist kein anderes Wirthshaus in der Nähe. »Wird schon eins +finden.« Auch wieder ein solches? »Nur nicht räsonniert und +Marsch fort!« Hier ist mein Pass aus der Wiener +Staatskanzley. »Ey, was! rief er grimmig wüthend, und ohne +mit Respekt zu sagen, ich sch..... auf den Quark.« Was war +zu thun? Zur Bataille durfte ich es nicht wohl kommen +lassen; denn da hätte ich trotz meinem schwerbezwingten +Knotenstock Schläge bekommen für die Humanität, quantum +satis, und noch etwas mehr. Der Mensch schien Kaiser und +Papst in Sankt Oswald in Einer Person zu seyn. Ich nahm ganz +leise meinen Reisesack und ging zur Thür hinaus. War das +nicht ein erbaulicher sehr ästhetischer Dialog?</p> + +<p>Nun ist in ganz Sankt Oswald, so viel ich sah, weiter +nichts als dieses ziemlich ansehnliche Wirthshaus, die Post, +ich glaube die Pfarre, und einige kleine Tagelöhnerhütten. +Zu der Postnation habe ich durch ganz Deutschland nicht das +beste Zutrauen in Rücksicht der Humanität und Höflichkeit: +das ist ein Resultat meiner Erfahrung als ich mit Extrapost +reiste; nun denke Dir, wenn ein Kerl mit dem Habersack käme! +Er möchte noch so viel Dukaten in der Tasche haben, und +zehren wie ein reicher Erbe; das wäre wider Polizey und die +Ehre des Hauses. Zu dem +<!-- pb n="66" facs="#f0092"/ --> Pfarrer hätte ich wohl +gehen sollen, wie ich nachher überlegte um meine +Schuldigkeit ganz gethan zu haben. Aber das Unwesen wurmte +mich zu sehr; ich gab dem Heiligen im Geiste drey +Nasenstüber, dass er seine Leute so schlecht in der Zucht +hielt, und schritt ganz trotzig an dem Berge durch die +Schlucht hinunter in die Nacht hinein. Die tiefe Dämmerung, +wo man doch im Zimmer noch nicht Licht hatte, und mein halb +pohlnischer Anzug mochten mir auch wohl einen Streich +gespielt haben: denn ich glaube fast, wenn wir einander +hätten hell ins Gesicht sehen können, es wäre etwas +glimpflicher gegangen. Die Gegend war nun voll Räuber und +Wölfe, wie man mir erzählt hatte; ich marschierte also auf +gutes Glück geradezu. Ungefähr eine halbe Stunde von dem +Heiligen traf ich wieder ein Wirthshaus, das klein und +erbärmlich genug im Mondschein dort stand. Sehr ermüdet und +etwas durchfroren trat ich wieder ein und legte wieder ab. +Da sassen drey Mädchen, von denen aber keine eine Sylbe +deutsch sprach, und sangen bey einem kleinen Lichtchen ihrer +kleinen Schwester ein gar liebliches krainerisches Trio vor, +um sie einzuschläfern. Endlich kam der Wirth, der etwas +deutsch radbrechte: dieser gab mir Brot, Wurst und Wein und +ein Kopfkissen auf das Stroh. Ich war sehr froh dass man mir +kein Bett anbot; denn mein Lager war unstreitig das beste im +ganzen Hause. Es war mir lieb, bey dieser Gelegenheit eine +gewöhnliche krainerische Wirthschaft zu sehen, die dem +Ansehen nach noch nicht die schlechteste war und die doch +nicht viel besser schien als man sie bey den Letten und +Esthen in +<!-- pb n="67" facs="#f0093"/ --> Kurland und Liefland +findet. Gleiche Ursachen bringen gleiche Wirkungen.</p> + +<p>Bey Popetsch steht rechts von der Post oben auf der +Anhöhe ein stattliches Haus und hinter demselben zieht sich +am Berge eine herrliche Parthie von Eichbäumen hin. Es waren +die ersten schönen Bäume dieser Art, die ich seit meinem +letzten Spaziergange in dem Leipziger Rosenthale sah. Im +Prater in Wien sind sie nicht zahlreich; dort in der +Donaugegend sind die Pappeln und Weiden vorzüglich.</p> + +<p>Nicht weit von Laybach fallen die Save und Laybach +zusammen; und über die Save ist eine grosse hölzerne Brücke. +Die Lage des Laybacher Schlosses hat von fern viel +Aehnlichkeit mit dem Gräzer; und auch die Stadt liegt hier +ziemlich angenehm an beyden Seiten des Flusses, eben so wie +Gräz an der Murr. Die Brücken machen hier wie in Gräz die +besten Marktplätze, da sie sehr bequem auf beyden Seiten mit +Kaufmannsläden besetzt sind, eine grosse Annehmlichkeit für +Fremde. Das Komödienhaus ist zwar nicht so gut als in Gräz, +aber doch immer sehr anständig; und auch hier sind am +Eingange links und rechts Kaffee- und Billardzimmer.</p> + +<p>Schantroch, der hiesige Entrepreneur, der abwechselnd +hier, in Görz, in Klagenfurt, und auch zuweilen in Triest +ist, gab Kotzebues Bayard. Er selbst spielte in einem +ziemlich schlechten Dialekt, und seine ganze Gesellschaft +hält keine Vergleichung mit der Domaratiussischen in Gräz +aus. Man sprach hier von einem Stück in Knittelversen, das +alles, was Schiller und Lessing geschrieben haben, hinter +sich lassen soll. +<!-- pb n="68" facs="#f0094"/ --> Herr Schantroch, der mit +mir in der nehmlichen Auberge speiste, schien ein eben so +seichter Kritiker zu seyn, als er ein mittelmässiger +Schauspieler ist. Doch ist seine Gesellschaft nicht ganz +ohne Verdienst und hat einige Subjekte, die auch ihren +Dialekt ziemlich überwunden haben: und Herr Schantroch soll +als Prinzipal alles thun, was in seinen Kräften ist, sie gut +zu halten. Die Tagsordnung des Stadtgesprächs waren +Balltrakasserien, wo sich vorzüglich ein Offizier durch sein +unanständiges brüskes Betragen ausgezeichnet haben sollte; +und dieser war nach seinem Familiennamen zu urtheilen, +leider unser Landsmann. Die Kaffeehäuser sind in Gräz und +hier weit besser als in Wien; und das hiesige +Schweizerkaffeehaus ist ganz artig und verhältnissmässig +anständiger als das berühmte Milanosche in der Residenz, wo +man sitzt, als ob man zur Finsterniss verdammt wäre. Du +siehst, dass man für das letzte Zipfelchen unsers deutschen +Vaterlandes hier ganz komfortabel lebt und uns noch Ehre +genug macht.</p> + +<p>Einige Barone aus der Provinz, die in meiner Auberge +speisten, sprachen von den hiesigen öffentlichen +Rechtsverhältnissen zwischen Obrigkeiten und Unterthanen, +oder vielmehr zwischen Erbherren und Leibeigenen; denn das +erste ist nur ein Euphemismus: und da ergab sich denn für +mich, den stillen Zuhörer, dass alles noch ein grosses, +grobes, verworrenes Chaos ist, eine Mischung von rechtlicher +Unterdrückung und alter Sklaverey.</p> + +<p>Was Küttner von dem bösen Betragen der Franzosen in der +hiesigen Gegend gesagt hat, muss wohl +<!-- pb n="69" facs="#f0095"/ --> sehr übertrieben seyn. +Alle Eingeborene, mit denen ich gesprochen habe, reden mit +Achtung von ihnen, und sagen, sie haben weit mehr von ihren +eigenen Leuten gelitten. Aber auch diese verdienen mehr +Entschuldigung, als man ihnen vieilleicht gönnen will. Die +Armee war gesprengt. Stelle Dir die fürchterliche Lage +solcher Leute vor, wenn sie zumahl in kleine Partheyen +geworfen werden. Der Feind sitzt im Rücken oder auch schon +in den Seiten; sie wissen nicht wo ihre Oberanführer sind, +haben keine Kasse, keinen Mundvorrath mehr: nun kämpfen sie +ums Leben überall wo sie Vorrath treffen. Gutwillig giebt +man ihnen nichts oder wenig; und die Bedürfnisse Vieler sind +gross. Natürlich sind die Halbgebildeten nicht immer im +Stande, sich in den Gränzen der Besonnenheit zu halten. Die +Einen wollen nichts geben, die Andern nehmen mehr als sie +nothwendig brauchen. Dass dieses so ziemlich der Fall war, +beweist der Erfolg. Es wurden einige hundert eingefangen und +auf das Schloss zu Laybach gesetzt. Nun waren sie ordentlich +und ruhig und sagten: Wir wollen weiter nichts als Essen; +wir konnten doch nicht verhungern.</p> + +<p>Das Erdbeben, von dem man in Gräz fürchterliche Dinge +erzählte und sagte, es habe Laybach ganz zu Grunde +gerichtet, ist nicht sehr merklich gewesen und hat nur +einige alte Mauern eingestürzt. In Fiume, Triest und Görz +soll man es stärker gespürt haben; doch hat es auch dort +sehr wenig Schaden gethan. Die Transporte kommen auf der +Save von Ungarn herauf bis in die Gegend der Stadt und +werden von hier zu Lande weiter geschafft. Vorzüglich gehen +<!-- pb n="70" facs="#f0096"/ --> +die Bedürfnisse jetzt ins Venetianische, für die dort +stehenden Truppen, und auch nach Tirol, das sich +von dem Kriege noch nicht wieder erholt hat.</p> + +<p>Zwischen der Save und der Laybach, wo beyde Flüsse sich +vereinigen, soll in den Berggegenden ein grosser Strich +Marschland liegen, an den die Regierung schon grosse Summen +ohne Erfolg gewendet hat. Eine Anzahl Holländer, denen man +in Unternehmungen dieser Art wohl am meisten trauen darf, +hat sich erboten, das Wasser zu bändigen und die Gegend +brauchbar zu machen, mit der Bedingung, eine gewisse Zeit +frey von Abgaben zu bleiben. Aber die Regierung ist bis +jetzt nicht zu bewegen; aus welchen Gründen, kann man nicht +wohl begreifen: und so bleibt der Landstrich öde und leer, +und das Wasser thut immer mehr Schaden.</p> + +</div> <!-- chapter --> + +</body> +</html> |