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diff --git a/OEBPS/Text/25-katanien.html b/OEBPS/Text/25-katanien.html new file mode 100644 index 0000000..ceac874 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/25-katanien.html @@ -0,0 +1,402 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Katanien</title> +</head> +<body> + +<!-- pb n="[268]" facs="#f0294"/ --> + +<div class="chapter" id="Katanien"> +<div class="dateline"><span class="right">Katanien.</span></div> + +<p> <span class="initial">D</span>u siehst, ich bin nun auf +der Rückkehr zu Dir. Syrakus oder vielleicht schon Agrigent +war das südlichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt +ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen Führer +hierher. Man kann die Reise in einem Sommertage sehr bequem +machen; und wenn man recht gut beritten ist, recht früh +aufbricht und sich nicht sehr viel umsieht, kann man wohl +Augusta noch mit nehmen. Die Maulesel machen einen +barbarisch starken Schritt, und +das <span class="italic">Pungite, Don Juan, pungite!</span> +wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher warmer +Regenmorgen, als ich Syrakus verliess; der Himmel hellte +sich auf, als ich aus der Festung war, und die Nachtigallen +sangen wetteifernd in den Feigengärten und Mandelbäumen so +schön, wie ich ihnen in Sicilien gar nicht zugetraut hätte, +da sie sich noch nicht sonderlich hatten hören lassen. Ich +ging wieder vor der Feigenquelle vorbey und durch einen +Strich der schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor +derselben und nach derselben war es wüste; ununterbrochen +wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des Simäthus. In +einem Wirthshause am Fusse der Berge, ungefähr, ungefähr +noch zehn Millien von Katanien, wo ich essen wollte und +wenigstens Makkaronen suchte, gab der Wirth skoptisch zur +Antwort: In Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der +Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie der +gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht seine Schuld +war, und gewann nicht eher eine etwas +<!-- pb n="269" facs="#f0295"/ --> freundliche Miene, als +bis ich seinen Kindern von meinem schönen Brote aus Syrakus +gab; dann holte er mir mein Lieblingsgericht, getrocknete +Oliven. In der Gegend des Simäthus war das Wasser ziemlizh +gross, das man auf die Felder umher auf den Reis leitete. +Mein Maulesel, den ich nordischer Reiter wohl nicht recht +geschickt lenken mochte, fiel in eine morastige Lache des +Flusses, und bekam meine halbe Personalität unter sich. Mein +linker Fuss, der wegen einer alten Kontusion nicht viel +vertragen kann, wurde gequetscht und etwas verrenkt und ich +kam lahm hier an. Sehr leicht hätte ich eines sehr +unidyllischen schmutzigen Todes in dem Schlamme des Simäthus +sterben können: doch zürne ich desswegen dem Flusse nicht: +denn er ist doch der einzige Fluss, der diesen Namen auf der +Insel verdient, und durchaus der grösste, wenn gleich einige +den Salzfluss bey Alikata oder gar den Himera bey Termini +grösser machen. Der Simäthus ist ein eigentlicher Fluss, und +die andern sind nur Waldströme, die sich freylich zuweilen +mit vieler Gewalt von den Gebirgen herabwälzen mögen, wie +ich schon selbst die Erfahrung gemacht habe. Das dauert aber +gewöhnlich nur einige Tage; dann kann man wieder zu Fuss +durch ihr Bette gehen. Nicht weit diesseit des Simäthus, +über den hier eine ziemlich gute Fähre geht, führte mich +mein unkundiger Eseltreiber in Büsche und Moräste hinein, +dass weder ich, noch er, noch der Esel weiter wussten. Mein +Schmutz und mein Schmerz am Fusse hatten mich etwas grämlich +gemacht, so dass ich im Aerger dem Jungen mit der Ruthe +einige Schläge über das +<!-- pb n="270" facs="#f0296"/ --> Kollet gab. Er fing an +jämmerlich zu schreyen; wir erholten uns beyde und er sagte +mir sodann mit vieler Mauleseltreiberweisheit, das sey sehr +unklug von mir gewesen, dass ich so wenig Geduld gehabt +habe; ich habe zwar von ihm nichts zu fürchten, weil er +ehrlich sey; aber ich sey doch immer in seiner Gewalt. Avis +dem Leser, der Junge hatte Recht, und ich schämte mich +meiner Uebereilung; wir versöhnten uns und ritten +philosophisch weiter. Die fernere Nachbarschaft von Katanien +ist, für Katanien, schlecht genug gebaut; die ganze Gegend +des Simäthus könnte und sollte etwas besser bearbeitet seyn. +In der Nähe der Stadt fängt die Kultur schöner an. Ich liess +an dem Stadtthore den Jungen mit der Bezahlung laufen und +spazierte oder hinkte die Strasse hinab, wendete mich an die +erste Physionomie, die mir gefiel und die mich auch in den +Elephanten sehr gut unterbrachte. Für den beschädigten Fuss +gab mir ein Arzt bey dem Professor Gambino Muskatennussöl, +und es ward sogleich besser, und jetzt marschiere ich schon +wieder ziemlich fest. Das habe ich auch nöthig; denn ich +will auf den Aetna, wo sich mancher schon den Fuss vertreten +hat.</p> + +<p>Eben stehe ich von einer ächt klassischen Mahlzeit auf, +mein Freund; und ich glaube fast, es wäre die beste in +meinem Leben gewesen, wenn nur einige Freunde wie Du aus dem +Vaterlande mit mir gewesen wären. Aber mein Tischgeselle war +ein hiesiger Geistlicher, eben die Physionomie, die ich auf +der Strasse zum Führer bekam. Der Mann ist indessen für +einen sicilischen Theologen vernünftig genug, +<!-- pb n="271" facs="#f0297"/ --> und hat mir eben ich +weiss nicht wie klassisch bewiesen, dass Katanien das +Vaterland der Flöhe sey. Meine Mahlzeit, Freund, war ganz +vom Aetna, bis auf die Fische, welche aus der See an seinem +Fusse waren. Die Orangen, der Wein, die Kastanien, die +Feigen und die Feigenschnepfen, alles ist vom Fusse und von +der Seite des Berges. Ich bin Willens ihn auf alle Weise zu +geniessen; desswegen bin ich hergekommen; und wohl nicht +absichtlich um das Unwesen der Regierung und der Möncherey +zu sehen. In Katanien ist es wohl von ganz Sicilien und +vielleicht von ganz Italien noch am hellsten und +vernünftigsten; das hat Biskaris und einige seiner Freunde +gemacht, durch welche etwas griechischer Geist wieder +aufgelebt ist. Es ist hier sogar eine Art von Wohlstand und +Flor, der den schlechten Einrichtungen in der Insel Hohn +spricht. Hier würde ich leben, wenn ich mich nicht bey den +Kamaldulensern in Neapel einsiedelte. Hier fängt man +wenigstens an, das Unglück des Vaterlandes, die Unordnungen +und Malversationen aller Art, die schrecklichen Wirkungen +der Unterdrückung und des dummen Aberglaubens recht lebhaft +zu fühlen. Die Mönche haben den dritten Theil der Güter in +den Händen; und wenn ihre Mast das einzige Uebel wäre, das +sie dem Staate verursachen, so könnte der grässliche +Druckfehler doch vielleicht noch Verzeihung finden. Aber +— mein Gott, wer wird ein Wort über die Mönche +verlieren! Bonaparte wird sich zu seiner Zeit ihrer schon +wieder eben so thätig annehmen, wie der Uebrigen, da sie mit +ihnen zu seinem Systeme gehören. Es entfuhr mir aus +kosmopolitischem In<!-- pb n="272" facs="#f0298"/ -->grimm +hier in einer Gesellschaft, dass ich +sagte: <span class="italic">Les moines avec leur cortege +sont les morpions de l'humanité</span>. Die Sentenz wurde +mit lautem Beyfall aufgenommen, und auf manchen +vorübergehenden Kuttenträger angewendet. Du begreifst, dass +man schon ziemlich liberal seyn muss, um so etwas nur zu +vertragen: freylich verträgt man es nicht überall; aber die +Stimmung ist doch sehr lebendig gegen das Ungeziefer des +Staats. Die Franzosen haben in der ganzen Insel keine +geringe Parthey; und diese nimmt es Bonoparte sehr übel, +dass er nach Aegypten ging und nicht vorher kam und sie +nahm, welches nach ihrer Meinung etwas leichtes gewesen +wäre. Muth, Klugheit, allgemeine Gerechtigkeit und +Humanität, von welchen Eigenschaften er wenigstens die erste +Hälfte besitzt, hätten mit zehen tausend Mann die Sache +gemacht: und es ist leicht zu berechnen, was Sicilien für +den Krieg gewesen wäre; wenn es auch nicht mehr so wichtig +ist, als in den karthagischen Kriegen oder unter den +Normännern. Alle vernünftige Insulaner sind völlig +überzeugt, dass sie bey dem nächsten Kriege, an dem Neapel +nur entfernt Antheil nimmt, die Beute der Engländer oder +Franzosen seyn werden; und ich gab ihnen mit voller +Überzeugung den Trost, dass sie sich im Ganzen auf keinen +Fall verschlimmern könnten, so sehr auch einzelne Städte +leiden möchten. Sie schienen das leicht zu begreifen, und +sich also nicht zu fürchten.</p> + +<p>Es würde zu weitläufig werden, wenn ich anfangen wollte, +Dir nur etwas systematisch über Literatur und Antiquitäten +zu schreiben. Andere haben +<!-- pb n="273" facs="#f0299"/ --> das besser vor mir +gethan, als ich es könnte. Es hat sich wesentlich nichts +geändert. Der thätige Geist des alten Biscaris scheint nicht +ganz auf seinem Nachfolger übergegangen zu seyn; obgleich +auch dieser noch immer die nehmliche Humanität zeigt. Das +Kabinet ist wohl nicht ganz in der besten Ordnung. Was mich +im Antikensaale vorzüglich beschäftigt hat, waren einige +sehr schöne griechische und römische Köpfe, ein Torso fast +von der nehmlichen Gestalt, wie der jetzige Pariser, und den +Einige diesem fast gleich schätzen, und eine Büste der +Ceres, die beste die ich gesehen habe. Es sind mehrere +Statüen der Venus da; aber keine einzige, die mir gefallen +hätte. Unter den kleinen Bronzen zeichneten sich für mich +aus, ein Atlas der Himmelsträger, ein Mars, ein Merkur und +ein Herkules. Es sind auch noch einige andere von +vortreflicher Arbeit. Die Lampensammlung ist sehr +beträchtlich, vorzüglich die Matrimoniallampen, unter denen +viele sehr niedliche, leichtfertige, aphrodisische Mysterien +sind, die dem Charakter nach aus den Zeiten der römischen +Kaiser zu seyn scheinen. Manches gehört wohl auf keine Weise +in eine solche Sammlung, vorzüglich nicht die Gewehre, +welche wenig Interesse für Künstler und Kenner haben: +einzelne Anekdoten müssten denn die Stücke merkwürdig +machen. Vorzüglich schön ist noch eine längliche Vase, wo +Ulyss und Diomed die Pferde des Rhösus bringen.</p> + +<p>Das Uebrige findet man besser und geordneter bey dem +Ritter Gioeni, dessen Fach ausschliesslich die +Naturgeschichte ist, und vorzüglich die Naturgeschichte +Siciliens. Man findet bey ihm alle vulkanische Pro<!-- pb n="274" facs="#f0300"/ -->dukte +des Aetna, des Vesuv und der liparischen Inseln, und es ist +ein Vergnügen die Resultate eines anhaltenden Fleisses hier +zusammen zu sehen. Hier sind alle sicilischen Steine, von +denen die Marmorarten vorzüglich schön sind. Bey Landolina +und Biscaris und Gioeni sind Tische, die aus allen +sicilischen Marmorarten gearbeitet sind. Das Fach der +Muscheln findet man wohl selten so schön und so reich als +bey dem letzten. Was mich besonders aufhielt, waren die +verschiedenen niedlichen Sorten von Bernstein, alle aus +Sicilien, die ich hier nicht gesucht hätte. Ich wusste wohl, +dass man in Sicilien Bernstein findet, aber ich wusste nicht +dass er so schön und gross angetroffen wird: und ich habe +aus der Ostsee keine so schönen Farben und Schattierungen +davon gesehen. Die Arbeiten waren sehr niedlich und +geschmackvoll. In der neuern Chemie und Physik muss man +indessen nicht sehr gewissenhaft mit fortgehen: denn es +wurde zufällig von der Platina gesprochen, die Gesellschaft +war nicht ganz klein und nicht ganz gewöhnlich, und man +gestand sogar Deinem idiotischen Freunde eine Stimme über +die spezifische Schwere des Metalles zu. Endlich musste +unser Landsmann Bergmann den Zwist entscheiden, und ich war +wirklich seinem Ausspruche am nächsten gekommen. Der Ritter +und sein Bruder sind Männer von vieler Humanität und +unermüdetem Eifer für die Wissenschaft.</p> + +<p>Ich hatte das Vergnügen in dem Universitätsgebäude einer +theologischen Doktorkreation beyzuwohnen. Der Saal ist gross +und schön und hell. Rund herum sind einige grosse Männer des +Alterthums nicht übel +<!-- pb n="275" facs="#f0301"/ --> abgemahlt, von denen +einige Katanier waren; nehmlich Charondas und Stesichorus; +auch Cicero hatte für seinen Eifer für die Insel die Ehre +hier zu seyn; sodann der Syrakusier Archimed. Theokrit war +den frommen Leuten vermuthlich zu frivol; er war nicht hier. +Der Kandidat war ein Dominikaner, und machte in ziemlich +gutem Latein die Lobrede der Stadt und der Akademie +Katanien. Der Promotor hielt sodann der Theologie eine +Lobrede, die sehr mönchisch war, und die ich ihm bloss der +guten Sprache wegen nur in Sicilien noch verzeihe. Nun, +dachte ich, wird die Disputation angehen; und vielleicht +vergönnt man sogar, da die Versammlung nicht zahlreich war, +dem Hyperboreer auch ein Wörtchen zu sprechen. Aber das war +schon alles <span class="italic">inter privatos +parietes</span> mit dem Examen abgemacht: man gab dem +Kandidaten den Hut, die Trompeter bliesen, und wir gingen +fort. Die Universitätsbibliothek ist nicht zahlreich, aber +gut gewählt und geordnet, und der Bibliothekar ist ein +freundlicher verständiger Mann. Er zeigte mir eine erste +Ausgabe vom Horaz, die mit den Episteln anfing, und die, wie +er mir sagte, Fabricius sehr gelobt habe.</p> + +<p>In den antiken Bädern unter der Kathedrale, durch welche +eine Ader des Amenanus geleitet ist, die noch fliesst, war +die Luft so übel, dass der Professor Gambino es nur einige +Minuten aushalten konnte. Meine Brust war etwas stärker; +aber ich machte doch, dass ich wieder heraus kam. Sie werden +selten besucht. Auch in den dreyfachen Korridoren des +Theaters etwas weiter hinauf kroch ich eine Viertelstunde +herum: +<!-- pb n="276" facs="#f0302"/ --> +von hier hat der Prinz Biscaris seine besten Schätze +gezogen. Auch hier ist ein Aquedukt des Amenanus, +aber sehr verschüttet. Nicht weit davon ist ein altes +Odeum, das jetzt zu Privatwohnungen verbauet ist. +Die Kommission der Alterthümer hat aber nun die +Oberaufsicht, und kein Eigenthümer darf ohne ihre +Erlaubniss einen Stein regen.</p> + +<p>Das Kloster und die Kirche der reichen Benediktiner sind +so gut als man eine schlechte Sache machen kann. Die Kirche +gilt für die grösste in ganz Sicilien und ist noch nicht +ausgebaut; an der Fassade fehlt noch viel. Sie mag dessen +ungeachtet wohl die schönste seyn. Die Gemälde in derselben +sind nicht ohne Werth, und die Stücke eines Eingebornen, des +Morealese, werden billig geschätzt. Am meisten thut man sich +auf die Orgel zu gute, die vor ungefähr zwanzig Jahren von +Don Donato del Piano gebauet worden ist. Er hat auch eine in +Sankt Martin bey Palermo gebaut; aber diese hier soll, wie +die Katanier behaupten, weit vorzüglicher seyn. Man hatte +die wirklich ausgezeichnete Humanität, sie für einige Fremde +nach dem Gottesdienste noch lange spielen zu lassen; und ich +glaube selbst in Rom keine bessere gehört zu haben. +Schwerlich findet man eine grössere Stärke, Reinheit und +Verschiedenheit. Einige kleine Spielwerke für die Mönche +sind freylich dabey, die durchaus alle Instrumente in einem +einzigen haben wollen: aber das Echo ist wirklich ein +Meisterstück; ich habe es noch in keiner Musik so magisch +gehört. Die Abenddämmerung in der grossen schönen Kirche, +und dann die feyerlich schaurige Beleuchtung wirkten +<!-- pb n="277" facs="#f0303"/ --> mit. Die Bibliothek und +das Kabinet der Benediktiner sind ansehnlich genug, und +könnten bey den Einkünften des Klosters noch weit besser +seyn. Im Museum finden sich einige hübsche Stücke von Guido +Reni und, wie man behauptet, von Raphael. Mehrere +griechische Inschriften sind an den Wänden umher. Eine auf +einer Marmortafel ist so gelehrt, dass sie, wie man sagte, +auch die gelehrtesten Antiquare in Italien nicht haben +erklären können: auch Viskonti nicht. Ich hatte nicht Zeit; +und was wollte ich Rekrut nach diesem athletischen Triarier. +Doch kam es mir vor, als ob sie in einem späteren +griechischen Stile das Märterthum der heiligen Agatha +enthielte. Wenn Du nach Katanien zu den Benediktinern +kommst, magst Du dein Heil versuchen. In der Bibliothek +bewirthete man mich, als einen Leipziger, aus Höflichkeit +mit den +<span class="italic">Actis eruditorum</span>, die in einer +Klosterbibliothek in Katanien auch wirklich eine Seltenheit +seyn mögen. Die Byzantiner waren alle +mit <span class="italic">Caute</span> in Verwahrung gesetzt, +und werden nicht jedem gegeben. Als einen, sehr grossen +Schatz zeigte man mir eine ausserordentlich schön +geschriebene Vulgata. Ich las etwas darin, und verschüttete +die gute Meinung der Herren fast durch die voreilige +Bemerkung, es wäre Schade, dass der Kopist gar kein +Griechisch verstanden hätte. Man sah mich an; ich war also +genöthigt zu zeigen, dass er aus dieser Unwissenheit vieles +idiotisch und falsch geschrieben habe. Die guten Leute waren +verlegen und legten ihr Heiligthum wieder an seinen Ort, und +ihre Mienen sagten, dass solche Schätze nicht für Profane +wären. Der Pater Sekretär, ein feiner gebildeter +<!-- pb n="278" facs="#f0304"/ --> Mann, der in seinem +Zimmer ein herrliches englisches Instrument hatte, gab mir +einen Brief an ihren Bruder oben am Berge im Namen des Abts, +da er hörte, dass ich auf den Berg wollte. Er schüttelte +indessen zweifelhaft den Kopf und erzählte mir schreckliche +Dinge von der Kälte in der obern Region des Riesen: es würde +unmöglich seyn, meinte er, schon jetzt in der frühen +Jahrszeit noch zu Anfange des Aprils hinauf zu kommen. Er +erzählte mir von einigen Westphalen, die es auch bey der +nehmlichen Jahrszeit gewagt hätten, aber kaum zur Hälfte +gekommen wären und doch Nasen und Ohren erfroren hätten. Ich +liess mich aber nicht niederschlagen; denn ich wäre ja nicht +werth gewesen nordamerikanischen und russischen Winter +erlebt zu haben.</p> + +<p>Das Kloster hat achtzig tausend Skudi Einkünfte, und +steht im Kredit, dass es damit viel gutes thut. Das heisst +aber wohl weiter nichts, als funfzig Faulenzer ernähren +hundert Bettler; dadurch werden beyde dem Staate unnütz und +verderblich. So jemand nicht will arbeiten, der soll auch +nicht essen, sagt unser alter Sirach; und ich finde den +Ausspruch ganz vernünftig, auch wenn er mir selbst das +Todesurtheil schriebe.</p> + +<p>Eine schöne Promenade ist der Garten dieses nehmlichen +Klosters, der hinter den Gebäuden auf lauter Lava angelegt +ist, und wo man links und rechts und gerade aus die schönste +Aussicht auf den Berg und das Meer und die bebaute Ebene +hat. Die Lavafelder geben dem Ganzen das Ansehen einer +grossen mächtigen Zauberey. Gleich neben diesem Garten, +neben dem Klostergebäude nach der Stadt zu, hat ein +Kano<!-- pb n="279" facs="#f0305"/ -->nikus einen +kleinen botanischen Garten, wo er schon die Papierstaude von +Syrakus als eine Seltenheit hält. Noch angenehmer ist der +Gang in die Gärten des Prinzen Biscaris in der nehmlichen +Gegend. Als er ihn anlegte, hielt man es für eine Spielerey; +aber er hat gezeigt, was Fleiss mit Anhaltsamkeit und etwas +Aufwand thun kann. Er hat die Lava gezwungen; die Pflanzung +grünt und blüht mit Wein und Feigen und Orangen und den +schönsten Blumen aller Art. Der Gärtner brachte mir die +gewöhnliche Höflichkeit, und ich legte mehrere Blumen in +mein Taschenbuch für meine Freunde im Vaterlande.</p> + +<p>Das Jesuitenkloster in der Stadt ist zum Etablissement +für Manufakturen gemacht: und ob dieses Etablissement gleich +noch nicht weit gediehen ist, so ist doch durch die +Vernichtung des Klosters schon viel gewonnen. In der +Kathedrale hängt in einer Kapelle ein schrecklich treues +Gemälde, ungefähr sechs Fuss im Quadrat, von der letzten +grossen Eruption des Berges 1669, die fast die Stadt zu +Grunde richtete. Ein ächter Künstler sollte es nehmen und +ihm in einer neuen Bearbeitung zur Wahrheit des Ganzen auch +Kunstwerth geben. Es würde ein furchtbar schönes Stück +werden, und das ganze Gebiet der Kunst hätte dann vielleicht +nichts ähnliches aufzuweisen. Hier hätte Raphael arbeiten +sollen; da war mehr als sein Brand.</p> + +<p>Unten wo der zertheilte Amenanus wieder aus den +Lavaschichten heraus fliesst steht noch etwas von der alten +Mauer Kataniens, ungefähr in gleicher Entfernung zwischen +dem Molo links und dem Lavaberge rechts, der dort weiter in +die See hinein sich empor +<!-- pb n="280" facs="#f0306"/ --> gethürmt hat. An dem Molo +hat man schon lange mit vielen Kosten gearbeitet; ich +fürchte aber die See wird gewaltiger seyn als die Arbeit. +Wenn links ein Felsenufer etwas weiter hervorgriffe und den +Wogensturz von Kalabrien her etwas dämmte, so wäre eher +Hoffnung zur Haltbarkeit. Die Erfahrung, von der ich nichts +wusste, hat schon meine Meinung bestätigt, und einige +verständige Leute pflichteten mir bey. Katanien wird sich +wohl müssen mit einer leidlichen Rhede begnügen, wenn nicht +vielleicht einmal der Aetna, der grosse Bauer und Zerstörer, +einen Hafen bauet. Er darf nur links einen solchen Berg ins +Meer schiessen, wie er rechts gethan hat, so ist er fertig. +Es fragt sich, ob das zu wünschen wäre. Die Strasse +Ferdinande, von dem prächtigen Thore von Syrakus her, ist +die Hauptstrasse: eine andere, die ihr etwas aufwärts +parallel läuft, ist fast eben so schön. Wenn Katanien so +fort arbeitet, macht es sich nach einem grossen Plane zu +einer prächtigen Stadt. Fast alle öffentliche Monumente sind +von der Kommune aus eigenen Kräften bestritten, und es sind +derselben nicht wenig: des Hofes geschieht nur +Ehrenerwähnung. Es ist der lieblichste Ort, den ich in +Sicilien gesehen habe, und übrigens sehr wenig mit der +Regierung in Kollision; so dass viel gutes zu erwarten ist. +Die Dazwischenkunft der Höfe verderbt wie ein Mehlthau +meistens das natürliche Gedeihen der freyen Industrie.</p> + +</div> <!-- chapter --> + +</body> +</html> |