Agrigent.

Siehst Du, soweit bin ich nun, und bald am Ende meines Spaziergangs, der bey dem allen nicht jedermanns Sache seyn mag. Von hier nach Syrakus habe ich nichts zu thun, als an der südlichen Küste hinzustreichen; das kann in einigen Tagen geschehen. Wenn ich non ein ächter Gelehrter oder gar Antiquar wäre, so würde ich mich ärgern; denn ich habe viel versehen. Ich wollte nehmlich von Palermo über Trapani, Alcamo und Sciakka gehen, um in Segeste und Selinunt die Alterthümer zu sehen, die noch dort sind. Auch Barthels hat sie nicht gesehen, wenn ich mich recht erinnere; und der Tempel von Segeste wäre doch wohl eine so kleine Abschweifung werth. Ich wohnte in Palermo mit einem neapolitanischen Offizier, einem Herrn Canella aus Girgenti, zusammen, mit dem ich ein langes und breites darüber sprach; und dieser hatte die Güte mir einen Mauleseltreiber aus seiner Vaterstadt als Wegweiser zu besorgen. Nun denke ich in meiner Sorglosigkeit weiter mit keiner Sylbe daran, und glaube der Kerl wird mich gerade an den Eryx bringen. Ich setze mich auf und reite in grösster Andacht, in welcher ich meine Orangen nach und nach aufzehre, wohl zwey Stunden fort, als mir einfällt, dass ich doch zu weit links von der See abkomme. Der Eseltreiber versicherte mich aber sehr ehrlich, das sey der rechte gewöhnliche Weg nach Agrigent. Ich bin wieder einige Millien zufrieden. Endlich kommen wir bei Bei Frati an, und ich finde mich zu sehr mitten in der Insel. Nun orientierte und erklärte ich mich und da kam denn zum Vorschein, dass sich der Eseltreiber dem Henker um meine Promenade bekümmert hatte, und mit mir gerade den alten römischen Weg durch die Insel geritten war. Was war zu thun? Rechts einlenken? Da war eine ganze Welt voll Berge zu durchstechen, und niemand wollte den Weg wissen: und das Menschenkind verlangte nicht mehr als sechs goldene Unzen, um nach Palermo zurück und den andern Weg zu machen. Das war meiner Börse zu viel; ich entschloss mich also mit etwas Griesgrämlichkeit nun so fort zu reiten, und die erycinische Göttin andern zu überlassen, die vielleicht auch ihren Werth besser zu würdigen verstehen. Wir ritten von Palermo bis fast an die Bagarie den Weg nach Termini, und stachen dann erst rechts ab. Die Parthien sind angenehm und könnten noch angenehmer seyn, wenn die Leute etwas fleissiger wären. So wie man sich von der Hauptstadt entfernt, wird es ziemlich wild. Wir kamen durch einige ziemlich unbeträchtliche Oerter, und der Abfall der Kultur und des äusserlichen Wohlstandes war ziemlich grell. Alles war weit theurer, als in der Hauptstadt, nur nicht die Apfelsinen, an denen ich mich erholte und von denen ich mein Magazin nicht leer werden liess. Nicht weit von Bei Frati blieb uns rechts auf der Anhöhe ein altes Schloss liegen, das man Torre di Diana nannte, und wo die Saracenen mit den Christen viel Grausamkeit getrieben haben sollen. Es war mir noch zu zeitig bey den schönen Brüdern zu bleiben, zumal da das Wirthshaus gerade zu der Revers des Namens war; wir ritten also ungefähr fünf Millien weiter an ein anderes. Hier war auch nicht ein Stückchen Brot, auch nicht einmal Makkaronen zu haben. Wir ritten also wieder weiter; mein Eseltreiber und noch ein armer Teufel, der sich angeschlossen hatte, fingen an sich vor Räubern zu fürchten, und ich war es auch wohl zufrieden, als wir ziemlich spät in Sankt Joseph nicht weit von einem Flusse ankamen, dessen Namen ich vergessen habe.

Hier fanden wir eine ganze Menge Mauleseltreiber aus allen Theilen der Insel, und doch wenigstens Makkaronen. Aus Vorsicht hatte ich für mich in Palermo Brot gekauft, das beste und schönste, das ich je gesehen und gegessen habe. Hier war es mir eine Wohlthat, und ich selbst konnte damit den Wohlthäter machen. Die Leutchen im Hause, unter denen ein Patient war, segneten die fremde Hülfe: denn das wenige Brot, das sie selbst hatten, war sehr schlecht. Ist das nicht eine Blasphemie in Sicilien, das ehemals eine Brotkammer für die Stadt Rom war? Ich konnte meinen Unwillen kaum bergen.

Einen lustigen Streit gab es zum Dessert der Makkaronen. Die Eseltreiber hatten mir abgelauert, dass ich wohl ihre Alterthümer mit besuchen wollte, wie sich denn dieses in Sicilien einem Fremden sehr leicht abmerken lässt. Da erhob sich ein Zwist unter den edelmüthigen Hippophorben über die Vorzüge ihrer Vaterstädte in Rücksicht der Alterthümer. Der Eseltreiber von Agrigent rechnete seine Tempel und die Wunder und das Alter seiner Stadt; der Eseltreiber von Syrakus sein Theater, seine Steinbrüche und sein Ohr; der Eseltreiber von Alcamo sein Segeste und der Eseltreiber von Palermo hörte königlich zu und sagte — nichts. Ihr könnt euch auch gross machen, sagte der Treiber von Katanien zu dem Treiber von Alcamo, mit eurem Margarethentempelchen, der nicht einmal euer ist, und fing an auch die Alterthümer seiner Vaterstadt, als der ältesten Universität der Erde, heraus zu streichen, wobey er den Alcibiades nicht vergass der in ihrem Theater geredet habe. Du musst wissen, Margarethe heisst bey den Siciliern durchaus ein gefälliges feiles Mädchen: das war für die Mutter des frommen Mannes der Aeneide kein sonderlicher Weihrauch. Ohne mein Erinnern siehst Du hieraus, das die sicilischen Mauleseltreiber sehr starke Antiquare sind, ob sie die Sache gleich nicht immer ausserordentlich genau nehmen: denn der Agrigentiner rechnete den benachbarten Makaluba zu den Alterthümern seiner Vaterstadt, ohne dass seine Gegner protestierten; und hätte der Streit länger gedauert, so hätte der Katanier vielleicht den Aetna auch mit aufgezählt.

Den Morgen darauf gingen wir durch die Jumarren, einen heilosen Weg, unter sehr schlechtem Wetter. Nie habe ich eine solche Armuth gesehen, und nie habe ich mir sie nur so entsetzlich denken können. Die Insel sieht im Innern furchtbar aus. Hier und da sind einige Stellen bebaut; aber das Ganze ist eine Wüste, die ich in Amerika kaum so schrecklich gesehen habe. Zu Mittage war im Wirthshause durchaus kein Stückchen Brot zu haben. Die Bettler kamen in den jämmerlichsten Erscheinungen, gegen welche die römischen auf der Treppe des spanischen Platzes noch Wohlhabenheit sind: sie bettelten nicht, sondern standen mit der ganzen Schau ihres Elends nur mit Blicken flehend in stummer Erwartung an der Thüre. Erst küsste man das Brot, das ich gab, und dann meine Hand. Ich blickte fluchend rund um mich her über den reichen Boden, und hätte in diesem Augenblicke alle sicilische Barone und Aebte mit den Ministern an ihrer Spitze vor die Kartätsche stellen können. Es ist heillos. Den Abend blieb ich in Fontana Fredda, wo ich, nach dem Namen zu urtheilen, recht schönes Wasser zu trinken hoffte. Aber die Quelle ist so vernachlässiget, dass mir der Wein sehr willkommen war. Ich musste hier für ein Paar junge Tauben, das einzige was man finden konnte, acht Karlin, ungefähr einen Thaler nach unserm Gelde, bezahlen; da ich doch mit den ewigen Makkaronen mir den Magen nicht ganz verkleistern wollte. Das beste war hier ein grosser schöner herrlicher Orangengarten, wo ich aussuchen und pflücken konnte, so viel ich Lust hatte, ohne dass es die Rechnung vermehrt hätte, und wo ich die köstlichsten hochglühenden Früchte von der Grösse einer kleinen Melone fand. Gegen über hängt das alte Sutera traurig an einem Felsen, und Kampo franco von der andern Seite. Das Thal ist ein wahrer Hesperidengarten und die Segensgegend wimmelt von elenden Bettlern, vor denen ich keinen Fuss vor die Thür setzen kann: denn ich kann nicht helfen, wenn ich auch alle Taschen leerte und mich ihnen gleich machte.

Der Fluss ohne Brücke, über den ich in einem Strich von ungefähr drey deutschen Meilen wohl funfzehn Mahl hatte reiten müssen, weil der Weg bald diesseits bald jenseits gehet, ward diesen Morgen ziemlich gross; und das letzte Mahl kamen zwey starke cyklopische Kerle, die mich mit Gewalt auf den Schultern hinüber trugen. Sie zogen sich aus bis aufs Hemde, schürzten sich auf bis unter die Arme, trugen Stöcke wie des Polyphemus ausgerissene Tannen, und suchten die gefährlichsten Stellen, um ihr Verdienst recht gross zu machen: ich hätte gerade zu Fusse durchgehen wollen, und wäre nicht schlimmer daran gewesen, als am Ende der pontinischen Sümpfe vor Terracina. Ihre Foderung war unverschämt, und der Eseltreiber meinte ganz leise, ich möchte sie lieber willig geben, damit sie nicht bösartig würden. Sie sollen sich sonst kein Gewissen daraus machen, jemand mit dem Messer oder dem Gewehrlauf oder gerade zu mit dem Knittel in eine andere Welt zu liefern. Die Gerechtigkeit erkundigt sich nach solchen Kleinigkeiten nicht weiter. Der Fluss geht nun rechts durch die Gebirge in die See. Ich habe seinen eigentlichen Namen nicht gefasst; man nannte ihn bald so bald anders, nach der Gegend; am häufigsten nannten ihn die Einwohner Fiume di San Pietro. Von nun an war die Gegend bis hierher nach Agrigent abwechselnd sehr schön und fruchtbar und auch noch leidlich bearbeitet. Nur um den Makaluba, den ich rechts von dem Wege ab aufsuchte, ist sie etwas mager.

Ich will Dir sagen, wie ich den Berg oder vielmehr das Hügelchen fand. Seine Höhe ist ganz unbeträchtlich, und sein Umfang ungefähr eine kleine Viertelstunde. Rund umher sind in einer Entfernung von einigen Stunden ziemlich hohe Berge, so dass ich die vulkanische Erscheinung Anfangs für Quellwasser von den Höhen hielt. Diese mögen dazu beytragen, aber sie sind wohl nicht die einzige Ursache. Die Höhe des Orts ist verhältnissmässig doch zu gross, und es giebt rund umher tiefere Gegenden, die auch wirklich Wasser halten. Am wenigsten liesse sich seine periodische Wuth erklären. Wo ich hinauf stieg fand ich einen einzelnen drey Ellen hohen Kegel aus einer Masse von Thon und Sand, dessen Spitze oben eine Oeffnung hatte, aus welcher die Masse immer heraus quoll und herab floss und so den Kegel vergrösserte. Auf der Höhe des Hügels waren sechs grössere Oeffnungen, aus denen beständig die Masse hervor drang; ihre Kegel waren nicht so hoch, weil die Masse flüssiger war. Ich stiess in einige meinen Knotenstock gerade hinein und fand keinen Grund; so wie ich aber nur die Seiten berührte war der Boden hart. In der Mitte und ziemlich auf der grössten Höhe desselben war die grösste Oeffnung, zu der ich aber nicht kommen konnte, weil der Boden nicht trug und ich befürchten musste zu versinken. Zuweilen, wenn es anhaltend sehr warm und trocken ist, soll man auch zu diesem Trichter sehr leicht kommen können. Ich sah der Oeffnungen rund umher, grössere und kleinere, ungefähr dreyssig. Einige waren so klein, dass sie nur ganz kleine Bläschen in Ringelchen ausstiessen, und ich konnte meinen Stock nur mit Widerstand etwas hinein zwingen. Die Ausbrüche und die Regenstürme ändern das Ansehen des Makaluba beständig; er ist daher noch etwas wandelbarer als seine grössern Herrn Vettern. Ihm gegenüber liegt in einer Entfernung von ungefähr zwey Stunden auf einer beträchtlichen Anhöhe eine Stadt, die von weitem ziemlich hübsch aussieht und, wenn ich nicht irre, Ravonna heisst. Die Einwohner dieses Orts und einiger nahe liegenden kleinen Dörfer wurden, wie man erzählte, vor drey Wochen sehr in Schrecken gesetzt, weil der Zwergberg anfing inwendig gewaltig zu brummen und zu lärmen. Es ist aber diessmahl bey dem Brummen geblieben. Von dem Diminutiv -Vulkan bis hierher sind ungefähr noch acht Millien durch eine ziemlich rauhe Gegend über mehrere Berge,

Mein Eintritt in die Lokanda hier war eine gewaltig starke Ohrfeigenparthie. Das ging so zu. Als ich das Haus betrachtete, ob es mir anstehen und ob ich hier bleiben würde, kam ein sehr dienstfertiger Cicerone, der mich wahrscheinlich zu einem seiner Bekannten bringen wollte. Ehe ich mirs versah, schoss ein junger starker Kerl aus einer Art von Küche heraus, fuhr vor mir vorbey und packte den höflichen Menschen mit einer furchtbaren Gewalt bey der Gurgel, warf ihn nieder und fing an, ihn mit den Fäusten aus allen Kräften zu bearbeiten. Ich sprach zum Frieden so gut ich konnte, und er liess den armen Teufel endlich los, der auch sogleich abmarschierte. Ich sagte dem Fausthelden so glimpflich als möglich, dass ich diese Art von Willkommen etwas zu handgreiflich fände; da trat er ganz friedlich und sanft vor mich und demonstrierte mir, der Kerl habe seine Mutter geschimpft; das könne und werde er aber nicht leiden. Nun machte man mir ein Zimmer bereit; und so schlecht es auch war, so zeigten die Leute doch allen guten Willen: und damit ist ein ehrlicher Kerl schon zufrieden. Nun suchte ich den Ritter Canella, den Onkel meines militärischen Freundes in Palermo, und den Kanonikus Raimondi auf. Beyde waren sehr artig und freundschaftlich, und der Ritter besuchte mich sogar in meinem Gasthause. Raimondi, welcher Direktor der dortigen Schule ist, führte mich in die alte gothische Kathedrale, wo ich den antiken Taufstein sah und das akustische Kunststück nicht hören konnte, da er den Schlüssel zu der verschlossenen Stelle vergessen hatte und es unbescheiden gewesen wäre, ihn wegen der Kleinigkeit noch einmahl zu bemühen. Man findet es in vielen Kirchen. Wenn man an dem einen Ende ganz leise spricht, geht der Schall oben an dem Bogen hin und man hört ihn an der andern Seite ganz deutlich. Jetzt hat man den Ort desswegen verschlossen, weil man auf diese Weise die Beichtenden belauschte. Der alte Taufstein, der die Geschichte des Hypolitus hält, ist aus den Reisenden und Antiquaren bekannt genug, und ich fand bey Vergleichung auf der Stelle, dass Dorville, welcher bey Raimondi lag, fast durchaus ausserordentlich richtig gezeichnet hat.

Canella gab mir einen Brief an den Marchese Frangipani in Alikata. Mein Mauleseltreiber kam beständig und machte den Bedienten und Cicerone. Jo saggio tutto, Signore, Jo conosco tutte le maraviglie, sagte er mit einer apodyktischen Wichtigkeit, wider welche sich eben so wenig einwenden liess, als wider die Infallibilität des Papstes. Da ich das meiste was ich sehen wollte schon ziemlich kannte, hatte ich weiter nichts gegen die Gutherzigkeit des Kerls, der ein Bursche von ungefähr neunzehn Jahren war. Ich hatte das ganze Wesen der alten Stadt schon aus den Fenstern des Herrn Raimondi übersehen, steckte also den folgenden Morgen mein Morgenbrot in die Tasche und ging hinunter in die ehemaligen Herrlichkeiten der alten Akragantiner. Was kann eine Rhapsodie über die Vergänglichkeit aller weltlichen Grösse helfen? Ich sah da die Schutthaufen und Steinmassen des Jupiterstempels, und die ungeheuern Blöcke von dem Tempel des Herkules, wie nehmlich die Antiquare glauben; denn ich wage nicht etwas zu bestimmen. Die Trümmern waren mit Oehlbäumen und ungeheuern Karuben durchwachsen, die ich selten anderswo so schön und gross gesehen habe. Sodann gingen wir weiter hinauf zu dem fast ganzen Tempel der Konkordia. Das Wetter war frisch und sehr windig. Ich stieg durch die Celle hinauf, wo mir mein weiser Führer folgte, und lief dann oben auf dem steinernen Gebälke durch den Wind mit einer, nordischen Festigkeit hin und her, dass der Agrigentiner, der doch ein Mauleseltreiber war, vor Angst blass ward, an der Celle blieb und sich niedersetzte. Ich that das nehmliche mitten auf dem Gesimms, bot den Winden Trotz, nahm Brot und Braten und Orangen aus der Tasche und hielt ein Frühstück, das gewiss Scipio auf den Trümmern von Karthago nicht besser gehabt hat. Ich konnte mich doch einer schauerlichen Empfindung nicht erwehren, als ich über die Stelle des alten grossen reichen Emporiums hinsah, wo einst nur ein einziger Bürger unvorbereitet vierhundert Gäste bewirthete und jedem die üppigste Bequemlichkeit gab. Dort schlängelt sich der kleine Akragas, der der Stadt den Namen gab, hinunter in die See; und dort oben am Berge, wo jetzt kaum noch eine Trümmer steht, schlugen die Karthager, und das Schicksal der Stadt wurde nur durch den Muth der Bürger und die Deisidämonie des feindlichen Feldherrn noch aufgehalten. Wo jetzt die Stadt steht, war vermuthlich ehemahls ein Theil der Akropolis. Nun ging ich noch etwas weiter hinauf zu dem Tempel der Juno Lucina und den übrigen Resten, unter denen man mehrere Tage sehr eparnorthotisch hin und her wandeln könnte. Die systematischen Reisenden mögen Dir das übrige sagen; ich habe keine Entdeckungen gemacht. Der jetzige König hat einige Stücke wieder hinauf auf den Konkordientempel schaffen lassen und dafür die schöne alte Front mit der pompösen Inschrift entstellt: Ferdinandus IV. Rex Restaurauit. Ich hätte den Giebel herunter werfen mögen, wo die kleinliche Eitelkeit stand.

Die beyden ziemlich gut erhaltenen Tempel stehen nicht weit von den alten Mauern, in deren solidem Felsen eine Menge Aushöhlungen sind, aus denen man nicht recht weiss was man machen soll. Einige halten sie für Gräber. Mir kommt es wahrscheinlicher vor, dass es Schlafstellen für die Wache sind, eine Art von Kasernen; und sie sind vermuthlich nur aus der neuern Zeit der Saracenen oder Gothen. Diese Mauern, so niedrig sie auch gegen die hohen Berge umher liegen, sind doch als Felsen beträchtlich genug, dass man von der See aus die Stadt das hohe Akragas nennen konnte; und noch jetzt würden unsere Vierundzwanzig-Pfünder genug zu arbeiten haben eine Bresche hinein zu schlagen. Es ist wohl nicht ohne Grund geschehen, dass man die schönsten Tempel der Mauer so nahe baute. Sie waren das Heiligthum der Stadt; ihre Nähe beym Angriff musste anfeuern, wo, die Bürger wirklich augenscheinlich pro aris et focis schlugen. Auch der Tempel des Herkules muss unten nicht weit von der Mauer gestanden haben. Dort sind aber die Mauern nicht so hoch und stark gewesen, weil die Natur dort nicht so unterstützte; eben desswegen setzte man vermuthlich dorthin den Tempel des Herkules, um die Bürger an der schwachen Seite mehr an Kampf und Gefahr zu erinnern: eben desswegen liegen wahrscheinlich dort Tempel und Mauer in Trümmern, weil vermuthlich daselbst die Stadt mehrere Mahl eingenommen wurde. Was ich aus dem sogenannten Grabmahl Hierons machen soll, weiss ich nicht; ich überlasse es mit dem übrigen ruhig den Gelehrten. Ich habe nicht Zeit gelehrt zu werden. Am kürzesten dürfte ich nur meinem Mauleseltreiber folgen; der sagt mir gläubig fest bestimmt: Kischt' è il lempiò di San Gregoli; Kischta Madonna è antica: und wer es nicht glauben will, anathema sit. Der gute Mensch hat mich recht herzlich in Affektion genommen, und meint es recht gut; vorzüglich zeigt er mir gewissenhaft alle Klöster und sagt mir, wie reich sie sind. Nun interessieren mich die Klöster und ihre Bewohner nur ϰατ̕ αντιφϱασιν της ϰαλοϰαγαϑιας; ich sagte also diesen Morgen zu einem solchen Rapport halb unwillig murmelnd in meinem Mutteridiom: Ich wollte es wären Schweinställe! Weiss der Himmel, was der fromme Kerl verstanden haben mochte; Si si, Signore, dice bene, sagte er treuherzig; kischt' è la cosa. Er rechnete es mir hoch an, dass er italiänisch sprach und nicht den Jargon seiner Landsleute, mit denen ich gar nicht fortkommen würde: doch kam ich mit seinen Landsleuten in ihrem Jargon noch so ziemlich ohne ihn fort. Auf der heutigen Promenade erzählte er mir von einer kleinen Stadt nicht weit von hier nach Alcamo hinab in dem Gebirge, wo die Leute griechisch sprächen oder gar türkisch, so dass man sie gar nicht verstehen könnte, wie das oft der Fall zu Girgenti auf dem Markte wäre. Hier führte er eine Menge Wörter an, die ich leider wieder vergessen habe. Non sono cosi boni latini, come noi autri, sagte er. Du siehst der Mensch hat Ehre im Leibe.

Den musikalischen Talenten und der musikalischen Neigung der Italiäner kann ich bis jetzt eben keine grossen Lobsprüche machen. Ich habe von Triest bis hierher, auf dem Lande und in den Städten, auch noch keine einzige Melodie gehört, die mich beschäftigt hätte, welches doch in andern Ländern manchmahl der Fall gewesen ist. Das beste war noch von eben diesem meinem ästhetischen Cicerone aus Agrigent, der eine Art Liebesliedchen sang und sehr emphatisch drollig genug immer wiederholte ; Kischta nutte, kischta nutte in verru, iu verru. (Questa notte io verro.)

Eben bin ich unten am Hafen gewesen, der vier italiänische Meilen von der Stadt liegt. Der Weg dahin ist sehr angenehm durch lauter Oehlpflanzungen und Mandelgärten. Hier und da sind sie mit Zäunen von Aloen besetzt, die in Sicilien zu einer ausserordentlichen Grösse wachsen; noch häufiger aber mit indischen Feigen, die erst im September reif werden und von denen ich das Stück, so selten sind sie jetzt, in der Stadt mit fast einem Gulden bezahlen musste, da ich die Seltenheit doch kosten wollte. Die Karuben oder Johannisbrotbäume gewinnen hier einen Umfang, von dem wir bey uns gar keine Begriffe haben. Sie sind so haufig, dass in einigen Gegenden des südlichen Ufers das Vieh mit Karuben gemästet wird. Der Hafen, so wie er jetzt ist, ist vorzüglich von Karl dem Fünften gebaut. Bonaparte lag einige Tage hier und auf der Rhede, als er nach Aegypten ging: und damahls kamen auch einige Franzosen hinauf in die Stadt, wo gar keine Garnison liegt. Sie müssen sich aber nicht gut empfohlen haben; denn der gemeine Mann und Bürger spricht mit Abscheu von ihnen. Der Hafen ist ungefähr wie in Ankona, und keiner der besten. Nicht weit davon sind eine Menge unterirdische Getreidebehälter, weil von Agrigent sehr viel ausgeführt wird. Die politische Stimmung durch ganz Sicilien ist gar sonderbar, und ich behalte mir vor Dir an einem andern Orte noch einige Worte darüber zu sagen.