In der langen Vorstadt von Messina traf ich einige sehr gut gearbeitete Brunnen, mit pompösen lateinischen Inschriften, worin ein Brunnen mit Recht als eine grosse Wohlthat gepriesen wurde. Nur Schade, dass sie kein Wasser hatten. Die Hafenseite ist noch eine furchtbare Trümmer, und doch der einzige nahe Spaziergang für die Stadt. Noch der jetzige Anblick zeigt, was das Ganze muss gewesen seyn; und ich glaube wirklich, die Messinesen haben Recht gehabt, wenn sie sagten: es sey in der Welt nicht so etwas prächtiges mehr gewesen, als ihre Fassade an dem Hafen, die sie nur vorzugsweise den Pallast nannten, und ihn noch jetzt in den Trümmern so nennen. Das Schicksal scheint hier eine schreckliche Erinnerung an unsere Ohnmacht gegeben zu haben: Das könnt ihr mit Macht und angestrengtem Fleiss in Jahrhunderten; und das kann ich in einem Momente! Die Monumente stürzten, und die ganze Felsenküste jenseits und diesseits wurde zerrüttet! — Nur die Heiligennischen an den Enden werden wieder aufgebaut und Bettelmönche hineingesetzt, den geistlichen Tribut einzutreiben. Aufwärts in der Stadt wird sehr lebhaft und sehr solid wieder aufgebaut. Die Häuser bekommen durchaus nicht mehr als zwey Stockwerke, um bey künftigen Erderschütterungen nicht zu sehr unter ihrer Last zu leiden. Das unterste Stockwerk hat selbst in den furchtbaren Erdbeben überall wenig gelitten.
Messina ist reich an Statuen ihrer Könige, von denen einige nicht schlecht sind. Ich habe stundenlang vor dem Bilde Philipps des zweyten gestanden, und die Geschichte aus seinem Gesichte gesucht. Mich däucht, er trägt sie darauf; und selbst Schiller scheint seinen Charakter desselben von so einem Kopfe genommen zu haben. Die heilige Jungfrau ist bekanntlich die vorzügliche Patronin der Messinesen, und Du kannst nicht glauben, wie fest und heilig sie noch auf ihren Schutzbrief halten. Wenn sie hier nicht im Erdbeben hilft, so wie Agatha in Katanien den Berg nicht zähmt, so müssen freylich die Sünder gestraft werden. Ich hatte so eben Gelegenheit, eine grosse feyerliche Ceremonie ihr zu Ehren zu sehen. Die ganze Geistlichkeit mit einem ziemlich ansehnlichen Gefolge vom weltlichen Arm hielt das Palmenfest. Mich wundert nicht, dass die Palmen in Sicilien nicht besser fortkommen und immer seltener werden, wenn man sie alle Jahre auf diese Art so gewissenlos plündert. Alles trug Palmenzweige, und wer keinen von den Bäumen mehr haben konnte, der hatte sich einen schnitzen und färben lassen. Der Aufzug wäre possierlich gewesen, wenn er nicht zu ernsthaft gewesen wäre. Ein Mönch predigte sodann in der Kathedralkirche eine halbe Stunde von der heiligen Jungfrau und ihrem gewaltigen Kredit im Himmel, und ihrer besondern Gnade gegen die Stadt, und führte dafür Beweise an, wo selbst der ächteste gläubigste Katholik hätte ausrufen mögen: Credat Judaeus apella! Sodann kam der Erzbischof in einem Ungeheuern alten vergoldeten Staatswagen mit vier stattlichen Mauleseln, stieg aus und segnete das Volk und es ging selig nach Hause. Die Kathedrale hat in ihrem Bau nichts merkwürdiges als die Säulen, die aus dem alten Neptunustempel am Pharus sind. Der grosse, prächtige Altar war verhängt; er gilt in ganz Sicilien für ein Wunder der Arbeit und des Reichthums. Man machte mir Hoffnung, dass ich ihn würde sehen können, und nahm es ziemlich übel, dass mir die Sache so gleichgültig schien.
Man sagt, die Hafenseite liege desswegen noch so ganz in Trümmern, weil die Regierung sie durchaus eben so schön nach dem alten Plan aufgebaut wissen wolle, und die Bürger sie nur mit dem übrigen gleich, zwey Stock hoch, aufzuführen gesonnen seyen. Mich däucht, das Ganze, ob ich es gleich von sehr unterrichteten Leuten gehört habe, sey doch nur ein Gerücht: und wenn es wahr ist, so zeigt es den guten soliden Verstand der Bürger, und die Unkunde und Marotte der Regierung. Die Statue des jetzigen Königs, Ferdinand des vierten, hat man noch 1792 mitten unter die Trümmern gesetzt. Wenn hier der gute Herr nicht seinen lethargischen Schnupfen verliert, so kann ihm kein Anticyra helfen. Was die Leute bey der Aufstellung der Statue eben hier mögen gedacht haben, ist mir unbegreiflich, da der König weder eine solche Ehre noch eine solche Verspottung verdient. Die Statue war auf alle Fälle hier das letzte, was man aufstellen sollte. In dem Hafen liegen eben jetzt vier englische Fregatten, und es scheint als ob die Britten über die Insel Wache hielten, so bedenklich mag ihnen die Lage derselben vorkommen. Es sind schöne herrliche Schiffe, und so oft ich etwas von der englischen Flotte gesehen habe, habe ich unwillkührlich den übermüthigen Insulanern ihr stolzes Britannia, rule the waves verziehen; eben so wie dem Pariser Didot sein Excudebam, wenn ich die Arbeit selbst betrachtete.
Von der Wasserseite möchte es immer etwas kosten, Messina anzugreifen: aber zu Lande, von Skaletta her, würde man so ziemlich gleich gegen gleich fechten, und der Ort würde sich nicht halten. Ich war hier an einen Präpositus in einem Kloster empfohlen, der viel Güte und Freundlichkeit aber ziemlich wenig Sinn für Aufklärung hatte, welches man dem guten Mann in seiner Lage so übel nicht nehmen muss. Er begleitete mich mit vieler Gefälligkeit überall hin, und wollte mich in dem Kloster logieren; aber ich hatte schon in der Stadt ein ziemlich gutes Wirthshaus. Die Kirche des heiligen Gregorius auf einer ziemlichen Anhöhe ist reich an Freskogemälden und Marmorarbeit: aber was mir wichtiger ist als dieses, sie giebt von ihrer Fassade links und rechts die schönste Aussicht über die Stadt und den Meerbusen; und mit einem guten Glase muss man hier sehen können, was gegen über am Ufer in Italien und in Rhegio auf den Gassen geschieht. In dem Hause des Herrn Marini, eines Patriciers der Stadt, steht als neuestes Alterthum ein Stück einer alten Säule mit Inschrift, das vor einiger Zeit gefunden worden ist. Sie hat auf einem Brunnen gestanden, und man behauptet, ihre Inschrift sey griechisch; aber niemand ist da, der sie erklären könnte. Ob ich gleich leidlich griechisch lese, so konnte ich doch nicht einmal heraus bringen, ob es nur griechichische Lettern waren. Vielleicht ist es altes phönizisches Griechisch, und in diesem Falle vielleicht eins der ältesten Monumente. Schrift und Marmor haben sehr gelitten, da sie so lange unter der Erde gelegen haben. Das Stück ist, so viel ich weiss, noch nicht bekannt, und wird sorgfältig aufgehoben. Ich empfehle es Männern, die gelehrter sind als ich; da es doch vielleicht für irgend einen Punkt der Geschichte nicht unwichtig ist.
Die Herren des Klosters luden mich ein zum Fasttage bey ihnen zu essen. Dieses ist die einzige Mahlzeit, die ich in Italien bey Italiänern genossen habe; und sie war stattlich. Von den übrigen Herren habe ich viel Höflichkeit erhalten, aber nichts zu essen. Das ist nun so die italiänische Weise, die ich weder loben noch tadeln will. Das Kloster bestand nur aus wenigen Geistlichen: der Layenbrüder, welche die Bedienten machten, waren mehr. Man gab mir den Ehrenplatz und war sehr artig und ich sollte dankbar seyn: aber erst für Humanität — magis amica veritas. Ich habe mir die Gerichte gemerkt, und muss sie Dir hier nennen, damit Du siehst, wie man an einem sicilischen Klostertische fastet. Zum Eingang kam eine Suppe mit jungen Erbsen und jungem Kohlraby; sodann kamen Makkaronen mit Käse; sodann eine Pastete von Sardellen, Oliven, Kapern und starken aromatischen Kräutern; ferner ein Kompott von Oliven, Limonen und Gewürz; ferner einige grosse herrliche goldgelbe Fische aus der See, die ich für die beste Art von Börsen hielt; weiter hochgewürzte vortrefliche Artischocken: das Dessert bestand aus Lattichsallat, den schönsten jungen Fenchelstauden, Käse, Kastanien und Nüssen: alles, und vorzüglich das Brot, war von der besten Qualität, und schon einzeln quantum satis superque. Vor allen habe ich die Kastanien nirgends so schön und so delikat gebraten gefunden. Nun frage ich Dich, heisst das nicht, mit diesen Fasten einem ehrlichen Kerl mit aller Gewalt die Erbsünde in den Leib jagen? Bey dieser Diät muss man freylich orthodoxen Glauben gewinnen, der die Vernunft verachtet. Ich ging hinaus und lief einige Meilen am Strande herum, bis zur Charybdis hinunter; aber die Gläubigen blieben zu Hause in der Gottseligkeit. Das nenne ich einen Fasttag; nun denke Dir den Festtag. Meine fusswandelnde Person war wohl nicht so wichtig, dass man desswegen eine Aenderung in der Klosterregel sollte gemacht haben. Nun führte man mich oben in dem unausgebauten Kloster herum, und zeigte mir die Anlagen und das Modell, das man dazu aus Rom hatte kommen lassen. Ich hoffe vom Himmel zum Heil der Menschheit, die Sottise soll nicht fertig werden. Ob so etwas auf meiner Nase mag gesessen haben, weiss ich nicht; die Herren zeigten mir nichts mehr von ihren übrigen Herrlichkeiten. Hier las man mir ein Manuskript von einem Abt Sacchio vor, das eine Beschreibung und Geschichte der Stadt Messina enthielt und das man sehr hoch schätzte: aber nach dem zu urtheilen, was davon gelesen wurde, brauchen wir es nicht zu bedauern, dass der Schatz im Kloster liegt; die Abhandlung scheint bloss für Mönche pragmatisch.
Die Festung zu sehen, muss man Erlaubniss haben, welches etwas schwer hält. Ich bemühte mich nicht darum, da ich schon so viel aus der Anlage sahe, dass man mit zwey tausend braven Grenadieren ohne Erlaubniss hinein gehen könnte. Alles ist nur auf einen Angriff zu Wasser berechnet. Der Hafen hier und in Palermo sind noch die einzigen Oerter, wo ich in Sicilien einige artige Weibergestalten gesehen habe. Anderwärts, und vorzüglich in Agrigent und Syrakus, war ich mit meinen griechischen Idealen aus dem Theokrit traurig durchgefallen. Der Hafen ist hier und in Palermo die einzige Promenade, und für den Menschen, der Menschen studieren will, gewiss eine der wichtigsten; so bunt und kraus sind die Gestalten vieler Nationen durch einander gruppiert. Schon in der Stadt selbst wohnt eine grosse Verschiedenheit, und der Fremden sind eine Menge. Einen der schönsten Augenblicke hatte ich gestern Abends, bey dem ich als Mensch über die Menschen mich fast der Freudenthränen nicht enthalten konnte. Ein fremdes Schiff kam aus dem mittelländischen Meer die Meerenge herab. Ich weiss nicht, ob es durch Sturm oder irgend einen andern Unfall gelitten hatte; es war in Gefahr und that Nothschüsse. Du hättest sehen sollen, mit welchem göttlichen Enthusiasmus fast übermenschlicher Kraft zwanzig Boote von verschiedenen Völkern durch die Wogen auf die Höhe hinausarbeiteten, um die Leidenden zu retten. Italiäner, Franzosen, Engländer, Griechen und Türken wetteiferten in dem schönsten Kampfe: sie waren glücklich und brachtern alles ohne Verlust in den Hafen. In diesem Momente ärgerte ich mich fast, dass ich nicht reich war, hier den Rettern ein menschliches Fest zu geben: aber ein zweyter Augenblick gab mir Besinnung; es war so schöner. Das brave bunte Gewimmel war mehr belohnt durch die That; und ich war sehr glücklich, dass ich sie gesehen hatte. Als ich zurückging, Wurde ich an einer Heiligennische per la santa vergine um ein Almosen gebeten; ich sah den Mann forschend an und er fuhr fort: Date nella vostra idea, date pure; sara bene impiegato. Der Mensch verstand wenigstens den Menschen, wenn er ihn auch betrügen sollte; ich gab.