Die Götter

Ein gebeugtes Hungertier,
Bettler vor den Tischen,
im Krampf der ewig hohlen Hände
ersehnt’ ich Mädchenlende.

Müde dann bachstelzenden Hurengangs
einer leicht Fertigen,
Schlammstatue auftauchend aus Schlaf,
fleht’ ich zu Reinen.

Aber die Göttinnen,
lichtumgossen, duftbeseelt,
Blumen, die den Nachttau trinken,
die Herzverehrten
gesellen sich lieber den Zwirbelbärten.
Kein Segel blüht mir im Winde.

Und Sturm ward. Meine Freunde,
die Haare verschnitten, die Füße vereist,
dem Werk entritten, leibverlöteter Geist,
stallwachend beriechen Roßäpfel zur nächtlichen Stunde.
Oder verstummt in Verstümmlung,
die entwandelte Hand vom trauernden Mantelärmel umlodert,
krückten sie sich die Wand entlang,
bis sie die Erde verschlang.

Klagend ließ ich auch sie;
niemand liebt mich auf Erden,
so lechze ich nicht, mein Blut zu vergießen,
niemand freut sich der Spende.

Schmerzgebild aus Grauen und Gram
nicht mehr tröstete mich die Wiese,
der Heimat zärtlicher Halm,
im Traume floh ich ins Dschungel.
Nicht da, nicht dort!
Ein Königstiger auf Java,
stark und sein eigener Gott,
— zerkrümmt verging ich unter seinen Pranken.
Letzter Atem entsank.
Die Seele stieg. Nicht hoch.
Hinsirrend über fahle Moore,
im schwarzen Schwarm der Schatten,
fern den herrlichen
Gestaden Gottes,
schaute sie nur die Götter.

Näher stob ich dem flirrenden Reigen,
hob mich betend hinan meinen Gott:

„Phoibos Apollon, neunfach umtanzt Dich der Tag mit rosigen Musen,
was klirrt Deine schicksalbehangene Schulter?
Niemand verletzte den Chryses.
Deine vergoldeten Priester beleidigen Dich?
Verseuchten Halbdichter den Vers, Zeithunde die Zeitung,
schone das schuldlose Volk,
gnädig umwandle Dein Reich,
erstick’ uns nicht in Pest und gelber Verwesung!“

Antwortend umdrang mich unfriedlicher Berggesang:

„Ihr redet gern vom Glücke,
und lebet lustzerschabt,
doch hat euch viel geliebt, gelabt,
war es der Weiber Lücke.

Euch Zwerge wirbeln die Winde,
bis ihr am Felsen zerschellt,
ihr torkelt, trunkene Blinde,
von Asche zur Asche gefällt.

Über dem Schiffbruch irdischer Gewalten
wehen wir Götter selig dahin.
Euch frommt nach Feldgräueln brandschwarzes Erkalten,
Wir sind die Freude, Wir sind der Sinn.“

Da blickte ich alles versteinert.
Der greise Zeus verfolgt noch das Kuhweib,
Wodans Einaug zu Ehren schnarrt das Einglas im Feld,
Wodan zu Ehren
Pferdefleischessen im Schlachthaus: in östlicher Festung.
Sah Mohammed, ferne dem Gipfel des Sieges,
wegmüde zum Berg, der stets weiter zurückweicht.
Jesus Christus hütet das Holz,
starr genagelt ans Kreuz.

Vergebens war das Gebet der dreißig Gerechten.
Aus Mordnächten des Nordens
scholl unendliche Klage,
Jammer zerhackte mein Herz,
Israel winselt im Winter,
der Ewige
beschneidet sein Volk.

Gegen den unerbittlichen Dornbusch warf sich die Seele,
ob sie dem Zorn sich als Opfer empfehle:

„In den Marmorbrüchen von Carrara
dünkte sich dein Volk geboren,
Eckstein ward es dann den Hunden,
auserkoren! auserkoren!

Du hast es gesendet,
unter die Füße der Kampfelefanten deines Grimmes!
In dir ist es beendet,
wer hat dich ausgeboren?“

Nicht nahm er mich an,
aus unerforschlichem Nebel-Nirwana
überkam mich im Grauen der Gruß des Suddhodana:

„Die ihr herrschet: lebt, ihr kennt mich nicht.
Was da icht, sieht sein Gesicht.
Sterbet bis ins wärmste Seelenherz!
Schmutz ist Leben, Erde Schmerz.

Raum, du Trübsal,
Wahn die Zeit,
im Weltwirrsal
sei der Tod gebenedeit.“

Sprach der Teufel traumesschlau:

„O, wie leicht verweht selbst dieses Blau!
Im Wunder seid ihr Götter nicht bewandert.
Keiner ist Meister des Baus,
da immer das Heiligtum hinwelkt.

Auf den Häuptern der Asketen paaren sich Insekten!
Ist euch Vormenschen das Ewige unerreichbar,
knirscht nicht vor Göttern um irdische Hilfe.
Die zeitliche Losung keimt auch in euerem Hirn.
Im Hahnenkampf der Völker
anschwillt manch Vaterland.
Nicht lockt es, namenlos im stumpfen Heerwald
mitzuheulen das Erzgebrüll der Schlachten.
Tiefere Schmerzen pflanzt in Heldenzähne der Geist.
Weh über die Infuln-Helme!
Abkratzt den jesuitischen Kanonenchristen die bluteiternde Kruste!
Nicht jung mit den verbrauchten Schatten
hinwandern über die Wiese!
Erst wenn euch Vergehenden der Tod nicht mehr gilt,
atmet, Assassinen, die Amok-Luft
in wahren Kämpfen mit Barbarenzaren:
aller Welt Geldfürsten.
Erdherrn, die nach Übermacht dürsten,
muß man die Glut
löschen mit ihrem Blut.
Glückt es den Brownings, den Bomben,
fallen weniger Heerhekatomben!“

Und rettete steil ich mich aus dem Traum hervor,
ich, auch ich, ich habe gemordet!
Bitteres essen die Menschen.