Zweites Kapitel.

Bebuquin wälzte sich in den Kissen und litt.

Er machte sich daran, zunächst zu erfahren, was Leiden sei, wo für ihn das Leiden noch einen Grund und Zweck berge. Er fand aber keinen; denn so oft er den Schmerz zergliederte, traf er Ursachen, oder genauer, Umwandlungen an, die alles andere als Leiden waren. Er erkannte das Leiden als Stimulanz zur Freude, als angenehmes Ausgespannt-werden und sagte sich, dass nirgends ein Leiden aufzufinden wäre, und im Ganzen in einer solchen Bezeichnungsweise eine lächerliche Naivität des Vermischens liege; dass das Logische nichts mit dem Seelischen zu tun habe, fiel ihm auf; dass es eine gefälschte Zurechtmachung wäre. Er fand das Logische so schlecht wie Maler, die für die Tugend ein blondes Frauenzimmer hinsetzen.

Der Fehler des Logischen ist, dass es noch nicht einmal symbolisch gelten kann. Man muss einsehen, ihr Dummköpfe, dass die Logik nur Stil werden darf, ohne je eine Wirklichkeit zu berühren. Wir müssen logisch komponieren, aus den logischen Figuren heraus wie Ornamentkünstler. Wir müssen einsehen, dass das Phantastischste die Logik ist.

Ein Grauen überlief ihn, da er der Gegenstände gedachte, die ihn stets aufsaugen wollen; wie er die Gegenstände durch seine Symbolik vernichte, und wie alles nur in der Vernichtung existiere. Hier sah er eine Berechtigung alles Aesthetischen; aber zugleich auch, dass er, da er keinen ganzen Endzweck mehr sah, den einzelnen leugnen musste. Er sehnte sich nach dem Wahnsinn, doch seinen letzten ungezügelten Rest Mensch ängstigte es sehr. Seine einzige Rettung schien eine anständige Langeweile zu sein; aber nicht, um sich damit wie der lebensfrohe Schopenhauer die Berechtigung zu einem System zu erschleichen; obwohl ihm klar wurde, dass in der Langeweile ein Stilfaktor ersten Ranges latent sei. Er blätterte in einigen Mathematikbüchern, und viele Freude bereitete es ihm, mit der Unendlichkeit umherzuspringen, wie Kinder mit Bällen und Reifen. Hier glaubte er in keinem Hinübergehen in die Dinge zu stehen, er merkte, dass er in sich sei.

Er sah ein, dass es verfehlt sei, sich Dichter zu nennen; dass er in der Kunst immer im Rausch der Symbole bleibe. Es genügte ihm keineswegs, dass die Technik der Poesie symbolisch sei, und ihre Gegenstände damit einen ganz anderen Sinn erhielten; noch immer fand er, dass die sprachliche Darstellung eben nur unreine Kunst sei, gemessen an der Musik. Er verwünschte die Anstrengungen der Wissenschaftler, die Musik auf reale physiologische Vorgänge zurückzuführen. Aber es berührte ihn entschieden angenehm, dass sie ihre Verdauung interpretierten, doch alles Künstlerische mit grosser Sicherheit umgingen. Es freute ihn, wie sich hier eine alte Meinung bestätigte, dass die Teile über das Ganze gar nichts aussagten, das Synthetische in der logischen Analyse die unbewusste Voraussetzung sei, und man gerade die Hauptsache somit sicher umgehe, wie es diese Psychologen taten.

Traurig rief er aus, welch schlechter Romanstoff bin ich, da ich nie etwas tun werde, mich in mir drehe; ich möchte gern über Handeln etwas Geistreiches sagen, wenn ich nur wüsste, was es ist. Sicher ist mir, dass ich noch nie gehandelt oder erlebt habe.

»Auch nie genossen, Idiot,« fauchte Nebukadnezar in die Stube, und schlug wieder den Deckel des Nachtstuhles zu. Leuchtende kleine Wolken glühten auf, und ein Vorhang aus Mull mit zarten Blumen überdeckt, wurde auseinandergezogen.

»Mein Herr, Sie faselten eben von einer reinlichen Scheidung Ihres Ichs. Ich merke, Sie suchen Gott. Nun ja, ich gestehe, es ist schwer einzusehen, dass alles Relative eben durch den Genuss und ähnliche passive Räusche absolut wird. Den Weg zu Dingen zu vergessen, haben Sie eben noch nicht fertig gebracht, aber die Resultate sind gleich, Sie Säugling mit der Denkerstirn,« schrie er mit erhobenem Zeigefinger. »Ich habe mich noch nie dafür interessiert, was ich geniesse, aber dass ich geniesse, war mir stets von grösster Wichtigkeit.«

»Mein Herr, Sie suchen Zwecke mit Ihrem Bauch. Entfernen Sie sich. Im übrigen war Ihre jenseitige Genussmaschine gefährlich. Ich wohnte doch Ihrem seligen Abscheiden bei.«

»Sie sehen also immer noch nicht ein, dass lediglich die Nervenstränge rissen. Mein ziseliertes Hirn war bei weitem dauerhafter. Es ist empörend, dass Ihr misslicher Ernst mich stets zu faulen Witzen reizt. Jetzt haben Sie Ihre eigenste Spiegelung weg.«

Er setzte sich zu Bebuquin ins Bett.

»Bebuquin,« begann er gütig, »Sie sind ja immer noch ein Mensch. Variieren Sie doch einmal, monotoner Kloss. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen von den Gärten der Zeichen, die Geschichte von den Vorhängen erzähle. Narzissus, Unproduktiver.«

Giorgo zog sich die Decke von den Ohren, steckte einen Kakes in den Mund, und Böhm hub an: