DER KÜNSTLER

Die Herren vom stampfenden Leben können es nicht begreifen.
Heute – 1919!
- : da sitzt er vor einer Fliege, die ihre Flügel putzt und faltet die Hände.
Und träumt und träumt.
– – ob es auch nationalliberale Fliegen gibt?
Er hat keine rechte Vorstellung.
Fragt nur, weil der Klang ihn ekelt: eine selbstquälerische Natur.

Die Sonne ist schwarz.
Aus rauchenden Trümmern steigen zerriebene Körper.

Man hat sie mit ihren eigenen Eingeweiden zerschlagen.

Man hat sie durch Hungerdelirien gepeitscht.
Auf den verlangenden Händen tragen sie einen toten Fisch, bangend, er könne das Kreuz brechen.
Taumel im Dunstkreis ekelster Triebe.
In tanzenden Leibern starren tausendmal gemordete Herzen.

Nägel sind in die Gehirne getrieben.
So wühlen die Menschen Geschichte.

Von fern her umweht ihn ihr Odem.
Er tastet.
Flackert wie ein verlegenes Kind.
Willenlos, – quer über das Bild in weißer Schrift Worte, die er an einer Planke las:
Anna Blume hat ein Vogel – –
Es ging nicht anders.

Die Herren vom stampfenden Leben erbeben:
Heute!
Den Rücken gegen den Tag!
Solcher Unfug!
Will er uns uzen?
Wer ist überhaupt Anna Blume?
Verbogenes Hirn!

Er malte das Bildnis der Zeit und wußte es nicht.
Nun kniet er vor einem Gänseblümchen und betet.

Christof Spengemann