Da ich nicht Kaufmann bin und nach den Bemerkungen meiner Freunde durchaus keine merkantilische Seele habe, wirst Du von mir über Triest wohl nicht viel hören können, wo alles merkantilisch ist. In Prewald wohnte ich bey den drey Schwestern, die, wenn ich mich nicht irre, Herr Küttner schon nennt. Die Mädchen treiben eine gar drollige Wirthschaft, und ich befand mich bey ihnen leidlich genug. Zuerst waren sie etwas barsch und behandelten mich wie man einen gewöhnlichen Tornistermann zu behandeln pflegt. Da sie aber eine goldene Uhr sahen und mit hartem Gelde klimpern hörten, wurden sie ziemlich höflich und sogar sehr freundlich. Zum Abendgesellschafter traf ich einen katholischen Feldprediger, der von Triest war, bey den Oestreichern einige Zeit in Udine gestanden hatte und nun hier ganz allein bey den Mädchen gar gemächlich in Kantonnierung zu liegen schien. Eine von den Schwestern war noch ein ganz hübsches Stückchen Erbsünde, und hätte wohl einen ehrlichen Kerl etwas an die sechste Bitte erinnern können. Die erste Bekanntschaft mit den drey Personagen, ich nennte sie gerne Grazien wenn ich nicht historisch zu gewissenhaft wäre, machte ich drollig genug in der Küche, wo sie sich alle drey auf Stühlen oben auf dem grossen Herde um ein ziemlich starkes Feuer hergepflanzt und im Fond des hintern Winkels an der Wand den Mann Gottes hatten, der ihnen Hanswurstiaden so possierlich vormachte, dass alle drey aus vollem Halse lachten. Das war nun ein Jargon von Deutsch, Italiänisch und Krainerisch, von jeder dieser Sprachen die ästhetische Quintessenz, und ich verstand blutwenig davon. Indessen stellte ich mich doch so nahe als möglich, um von dem Feuer, wenn auch nicht der Unterhaltung doch des Herds meinen Antheil zu haben. Man nahm zuerst keine Notiz von mir, belugte mich sodann etwas neugierig und fuhr fort. Der geistliche Herr gewann mir bald Rede ab und sprach erst rein italiänisch, radbrechte dann deutsch und plauderte endlich das beste Mönchslatein. Da es hier darauf ankam, kannst Du denken, dass ich mit meiner Gelehrsamkeit eben nicht den Filz machte, und der Mann fasste bald eine gar gewaltige Affektion zu mir, als ich glücklich genug einige Dinge aus dem Griechischen zitierte, die er nur halb verstand. Nun empfahl er mich auch den schönen Wirthinnen sehr nachdrücklich, und ich hatte die Ehre ihn zum Tischgesellschafter zu erhalten. Die Mädchen staunten über unsere Gelehrsamkeit und hätten leicht zu viel Respekt bekommen können, wenn nicht der Mann zuweilen mit vieler Wendung eine tüchtige Schnurre mit eingeworfen hätte. Natürlich erhielt er, durch das Lob das er mir zukommen liess, selbst im Hause ein neues Relief: wer den andern so laut und gründlich beurtheilt, muss ihn übersehen können.

Wenn ich nicht aus der trophonischen Höhle gekommen, nicht sehr müde gewesen wäre und nicht den folgenden Morgen ziemlich früh fort gewollt hätte, wäre mir die lustige Unterhaltung des geistlichen Harlekins noch länger vielleicht nicht unlieb gewesen. Aber ich eilte zur Ruhe und liess die Leutchen lärmen. Als ich den andern Morgen aufstand und fort wollte, fand ich in dem ganzen, grossen, nicht übel eingerichteten Hause noch keine Seele lebendig. Die Thüren waren nur von innen verriegelt und also für mich offen: aber wenn ich auch Schuft genug wär so schlechte Sottisen zu begehen, so könnte ich doch das Vertrauen so gutherziger Leutchen nicht missbrauchen. Ich trabte mit meinen schweren Stiefeln einige Mahl über den Saal weg; niemand kam, nirgends eine Bewegung. Ich klopfte an einige Zimmer; keine Antwort. Endlich kam ich an ein Zimmer das nicht verschlossen war. Ich trat hinein, und siehe, das hübsche Stückchen Erbsünde hob sich so eben aus dem Bette und entschuldigte sich freundlich, dass noch niemand im Hause wach sey. Weiss der Himmel, ob ich armes Menschenkind nicht in grosse Verlegenheit würde gerathen seyn, wenn sie nicht um ihre Schultern den Mantel geworfen hätte, den gestern Abend der geistliche Herr um die seinigen hatte. Der Mantel gab mir sogleich eine gehörige Portion Stoicismus; ich bezahlte meine Rechnung und trollte zum Tempel hinaus.

Du musst wissen, dass ich entweder gar nicht frühstücke, oder erst wenn ich zuvor einige Stunden gegangen bin, versteht sich wenn ich etwas finde. Seit diesem Tage machte ich mirs zum Gesetz, meine Rechnung alle Mahl den Tag vorher zu bezahlen, damit ich den Morgen auf keine Weise aufgehalten werde. In Prewald gab man mir zuerst Görzer Wein, der hier in der Gegend in besonders gutem Kredit steht und es verdient. Er gehört unter die wenigen Weine die ich ohne Wasser trank, welche Ehre, zum Beyspiel, nicht einmahl dem Burgunder widerfährt. Doch kann ein Idiot wie ich hierin eben keine kompetente Stimme haben. Von Prewald bis nach Triest sind fünf Meilen. Ich hatte den Morgen nichts gegessen, fand unterwegs kein einladendes Haus; und, mein Freund, ich machte nüchtern im Januar die fünf Meilen recht stattlich ab. In Sessana hatte mir das erste Wirthshaus gar keine gute Miene, und es hielten eine gewaltige Menge Fuhrleute davor. Der Ort ist nicht ganz klein, dachte ich, es wird sich schon noch ein anderes besseres finden. Es fand sich keins, ich war zu faul zu dem ersten zurück zu gehen, ging also vorwärts; und nun war von Sessana bis an die Douane von Triest nichts zu haben. Es ist lauter steiniger Bergrücken und es war kein Tropfen gutes Wasser zu finden: das war für einen durstigen Fussgänger das verdriesslichste. Wenn ich nicht zuweilen ein Stückchen Eis gefunden hätte, das mir den Durst löschte, so wäre ich übel daran gewesen. Die Bergspitze von Prewald sah ich bis nach Triest, und sie schien mir immer so nahe, als ob man eine Falkonetkugel hätte hinüber schiessen können. Von Schottwien bis Prewald hatte ich abwechselnd sehr viel Schnee; bey Sessana hörte er allmählich auf, und hier liegt er nur noch in einigen finstern Gängen und Schluchten. In Prewald zitterte ich noch vor Frost am Ofen und hier diesseit des Berges am Meere schwitzt man schon. Es ist heute am drey und zwanzigsten Januar, so warm, dass überall Thüren und Fenster offen stehen.

Der erste Anblick der Stadt Triest von oben herab ist überraschend, der Weg herunter ist angenehm genug, der Aufenthalt auf einige Zeit muss viel Vergnügen gewähren; aber in die Länge möchte ich nicht hier wohnen. Die Lage des Orts ist bekannt, und fängt nun an ein Amphitheater am Meerbusen zu bilden. Die Berge sind zu hoch und zu kahl um angenehm zu seyn; und zu Lande ist Triest von aller angenehmen Verbindung abgeschnitten. Desto leichter geht alles zu Wasser. Der Hafen ist ziemlich flach, und nur für kleine Fahrzeuge: die grössern und alle Kriegsschiffe müssen in ziemlicher Entfernung auf der Rehde bleiben, die nicht ganz sicher zu seyn scheint. Die See ist hier geduldig und man kann ihr noch sehr viel abtrotzen, wenn man von den Bergen herab in sie hinein arbeitet, und so nach und nach den Hafen vielleicht auch für grosse Schiffe anfahrbar macht.

An den Bergen rund herum hat man hinauf und herab terrassiert und dadurch ziemlich schöne Weingärten angelegt. Die Triester halten viel auf ihren Wein; ich kann darüber nicht urtheilen, und in meinem Gasthause giebt man gewöhnlich nur fremden. Die etwas höhere Altstadt am Kastell ist enge und finster. Die neue Stadt ist schon fast ganz der See abgewonnen. Ob hier das alte Tergeste gestanden hat, mögen die Antiquare ausmachen. Ich wohne in dem so genannten grossen Gasthofe, einem Hause von gewaltigem Umfange und dem nehmlichen, worin Winkelmann von seinem meuchlerischen Bedienten ermordet wurde. Meine Aussicht ist sehr schön nach dem Hafen, und vielleicht ist es das nehmliche Zimmer, in welchem das Unglück geschah. Die Geschichte ist hier schon ziemlich vergessen.

Ich fand hier den Philologen Abraham Penzel, der in Triest den Sprachmeister für die Italiäner deutsch und für die Deutschen italiänisch macht. Die Schicksale dieses sonderbaren Mannes würden eine lehrreiche angenehme Unterhaltung gewähren, wenn sie gut erzählt würden. Von Leipzig und Halle nach Polen, von Polen nach Wien, von Wien nach Laybach, von Laybach nach Triest, und überall in genialischen Verbindungen. Der unglückliche Hang zum Wein hat ihm manchen Streich gespielt und ihn zuletzt genöthigt, seine Stelle in Laybach aufzugeben, wo er Professor der Dichtkunst am Gymnasium war. Er hat durch seine mannigfaltigen verflochtenen Schicksale ein gewisses barockes Unterhaltungstalent gewonnen, das den Mann nicht ohne Theilnahme lässt. Per varios casus, per tot discrimina rerum tendimus Tergestum, sagte er mit vieler Drolerie, damit uns hier, wie Winkelmann, der Teufel hole. Wir gingen zusammen aus, konnten aber Winkelmanns Grab nicht finden. Niemand wusste etwas davon.

Das Haus eines Griechen, wenn ich mich nicht irre ist sein Name Garciatti, ist das beste in der Stadt und wirklich prächtig, ganz neu und in einem guten Stil gebaut. Eine ganz eigene recht traurige Klage der Triester ist über den Frieden. Mit christlicher Humanität bekümmern sie sich um die übrige Welt und ihre Drangsale kein Jota und wünschen nur, dass ihnen der Himmel noch zehen Jahre einen so gedeihlichen Krieg bescheren möchte; dann sollte ihr Triest eine Stadt werden, die mit den besten in Reihe und Glied treten könnte. Dabey haben die guten kaufmännischen Seelen gar nichts arges; schlagt euch todt, nur bezahlt vorher unsere Sardellen und türkischen Tücher. Das neue Schauspielhaus ist das beste, das ich bis jetzt auf meinem Wege gesehen habe. Gestern gab man auf demselben Theodoro Re di Corsica, welches ein Lieblingsstück der Triester zu seyn scheint. Die Dekoration, vorzüglich die Parthie Rialto in Venedig, war sehr brav. Es wäre aber auch unverzeihlich, wenn die reichen Nachbarn, die es noch dazu auf Unkosten der Herren von Sankt Markus sind, so etwas nicht ausgezeichnet haben wollten. Man sang recht gut, und durchaus besser als in Wien. Vorzüglich zeichneten sich durch Gesang und Spiel aus die Tochter des Wirths und der Kammerherr des Theodor. Die Logen sind alle schon durch Aktien von den Kaufleuten genommen und ein Fremder muss sich auf ihre Höflichkeit verlassen, welches nicht immer angenehm seyn mag. Die Herren haben die Logen gekauft, bezahlen aber noch jederzeit die Entree; eine eigene Art des Geldstolzes. Der Patriotismus könnte wohl eine etwas humanere Art finden die Kunst zu unterstützen. Der Fremde, der doch wohl zu weilen Ursache haben kann im Publikum isoliert zu seyn, ist sehr wenig dabey berücksichtiget worden. Hier hörte ich zuerst den betäubenden Lärm in den italiänischen Theatern. Man bedient sich des Schauspiels zu Rendesvous, zu Konversationen, zur Börse, und wer weiss wozu sonst noch? Nur die Lieblingsarien werden still angehört; übrigens kann ein Andächtiger Thaliens nicht viel Genuss haben; und die Schauspieler rächen oft durch ihre Nachlässigkeit die Vernachlässigung. Etwas eigenes war mir im Hause, dass das Parterre überall entsetzlich nach Stockfisch roch, ich mochte mich hinwenden wo ich wollte.