Neun Tage war ich in Venedig herumgelaufen. Die Nacht war ich angekommen, die Nacht fuhr ich mit der Korriere wieder ab. Die Gesellschaft war ziemlich zahlreich, und wir waren wie im trojanischen Pferde zusammen geschichtet. Das Wetter war nicht sehr günstig; wir fuhren also von Venedig nach Padua von acht Uhr des Abends bis den andern Mittag. Der Weg an der Brenta herauf soll sehr angenehm seyn; aber das Wasser hatte bekanntlich die Strassen durch ganz Oberitalien so fürchterlich zugerichtet, dass es ein trauriger Anblick war; und ich grämte mich nicht sehr, dass ich auf meiner Fahrt und wegen stürmischen Wetters wenig davon sehen konnte. So wie wir in Padua ankamen, ward das Wetter leidlich. Die Unterredung im Schiffe war bunt und kraus wie die Gesellschaft; aber es wurde durchaus nichts gesprochen, was Bezug auf Politik gehabt hätte. Die einzige Bemerkung nehme ich aus, welche ein alter ziemlich ernsthafter Mann machte: es wäre nun zu hoffen, dass wir in dreyssig oder vierzig Jahren zu Fusse nach Venedig würden gehen können. Er deutete bloss kurz an, die alte Regierung habe ein Interesse gehabt die Stadt als Insel zu erhalten und habe sich die Räumung der Lagunen viel Geld kosten lassen; die neue Regierung werde ein entgegengesetztes Interesse haben, und brauchte dann nicht viel Kosten darauf zu wenden, die Strasse von Mestre nach Venedig fest zu machen. Ich lasse die Hypothese dahin gestellt seyn.

Als ich in Padua meine Mahlzeit genommen hatte, nahm ich meinen Tornister und machte dem heiligen Antonius meinen Besuch. Sogleich war ein Cicerone da, der mich führte, und meinte, ich könne ganz füglich, so betornistert wie ich wäre, überall herum laufen. Ich nahm das sehr gerne an, und wandelte in diesem etwas grotesken Aufzuge, mit aller Devotion, die man dem alten Volksglauben schuldig ist, in der gothischen Kathedrale herum. In der Kirche drängten sich mit Gewalt noch zwey Ciceronen zu mir und liessen sich mit Gewalt nicht abweisen; sie waren weit besser als ich gekleidet und zeigten mir alle ihre Wunder mit viel Salbung; und ich hatte die Ehre dreye zu bezahlen. Sodann ging ich das Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle meine drey Führer nichts wussten. Er muss in seiner Vaterstadt jetzt so ausserordentlich berühmt nicht seyn: denn drey stattlich gekleidete Männer, die ich nach der Reihe anredete, konnten mir weder vom Livius noch von seinem Monumente erzählen; und doch sprachen zwey davon geläufig genug französisch. Endlich wies mich ein alter Graukopf nach dem Stadthause, wo es sich befinde. Ich wandelte in dem ungeheuren Saale des Stadthauses neugierig herum, und redete einen Mann mit einem ziemlich literärischen Antlitz lateinisch an. Er antwortete mir italiänisch, er habe zwar ehemals etwas Latein gelernt, aber es nun wieder ziemlich vergessen; und das meinige sey ihm zu alt, das könne er gar nicht verstehen. Er wies mich hierauf an einen Andern, der mit einem Buch in einer Ecke sass. Dieser stand auf und zeigte mir mit vieler Humanität den alten Stein über dem Eingange einer Expedition. Du kennst ihn unstreitig mit seiner Inschrift, welche weiter nichts sagt, als dass die Paduaner ihrem Mitbürger Livius hier dieses Andenken errichtet haben. Das neue prächtige Monument, das der ehemalige venetianische Senat und das Paduanische Volk ihm gesetzt haben, sah ich nicht, weil es zu entfernt war und ich diesen Abend noch nach Battaglia patrollieren wollte. Als ich ging, sagte mir der Paduaner sehr artig: Gratias tibi habemus pro tua in nostrum popularem observantia. Eris nobis cum multis aliis testimonio, quantopere noster Livius apud exteros merito colatur. Valeas, nostrumque civem ames ac nobis faveas. Der Mann sagte dieses mit einer Herzlichkeit und einer gewissen klassischen Wichtigkeit, die ihm sehr wohl anstand.

Von Livius weg ging ich mit dem Livius im Kopfe gerades Weges durch seine alte trojanische Vaterstadt in das klassische Land hinein, das ehemahls so grosse Männer gab. Du weisst, dass ich sehr wenig Literator bin; weisst aber auch, dass ich von der Schule aus noch viel Vergnügen habe, dann und wann einen alten Knaster in seiner eigenen Sprache zu lesen. Livius war immer einer meiner Lieblinge, ob ich gleich Thucydides noch lieber habe. Ich wiederhole also wahrscheinlich zum zehentausendsten Mahle die Klage, dass wir ihn nicht mehr ganz besitzen, und finde den übereilten etwas rodomantadischen Lärm, den man vor einiger Zeit hier und da über seine Wiederfindung gemacht hat, sehr verzeihlich. Ein Gedanke knüpfte sich an den andern; und da fand ich denn in meinem Sinn, dass wir wohl schwerlich den ganzen Livius wieder haben werden. Freylich ist das zu bedauern; denn gerade die wichtigsten Epochen der römischen Geschichte für öffentliches Recht und Menschenkunde, und wo sich unstreitig das Genie und die Freymüthigkeit des Livius in ihrem ganzen Gange gezeigt hat, der Sklavenkrieg und die Triumvirate sind verloren: aber was kann Klage helfen? Den Verlust erkläre ich mir so. Ich glaube durchaus nicht, dass er aus Zufall oder Vernachlässigung gekommen sey. Livius war ein freymüthiger, kühner, entschlossener Mann, ein warmer Patriot und Verehrer der Freyheit, wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unruhen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug gezeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie. August selbst, dem die römische Schmeicheley schändlicher Weise einen so schönen Namen gab, nannte ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmässigung nur einen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Subjekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich, dass die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die Geschichte des Livius war, zu Lichte werden gefördert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des Tacitus sehr wahrscheinlich, dass man alles gethan hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo der aristokratisch römische Geist überhaupt und die Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit sehr grellen Farben gezeichnet seyn musste. Dieses waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrscheinlich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse gemäss, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herrscher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten. Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im eigentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Arabische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so verstümmelt, wie wir ihn jetzt haben. So stelle ich mir die Sache vor. Und gesetzt die wichtigen Bruchstücke fänden sich noch irgendwo in einem seltenen Exemplar unter einem Aschenhaufen des Vulkans, so kannst Du, aus der Analogie der neuen Herrscher mit den alten, ziemlich sicher darauf rechnen, dass wir die Schätze nicht erhalten werden; zumahl bey dem erneuerten und vergrösserten Argwohn, der seit einigen Jahrzehenden zwischen den Machthabern und den Beherrschten Statt hat. Wenn ich mich irre, soll es mir lieb seyn; denn ich wollte drey Fussreisen von der Elbe an den Liris machen, um dort von dem Livius den Spartakus zu lesen, den ich für einen der grössten und besten römischen Feldherren zu halten in Gefahr bin.

Unter diesen Ueberlegungen, deren Konsequenz ich Dir überlasse, wandelte ich die Strasse nach Rovigo fort. Diese Seite von Venedig ist nicht halb so schön als die andere von Treviso nach Mestre: die Ueberschwemmungen mit dem neuen Regenwasser hatten die Wege traurig zugerichtet, und ich zog sehr schwer durch den fetten Boden Italiens weiter. Ueberall war der Segen des Himmels mit Verschwendung über die Gegend ausgeschüttet, und überall war in den Hütten die jämmerlichste Armuth. Vermuthlich war diess noch mit Folge des Kriegs. Nicht weit von Montselice kehrte ich zu Mittage an der Strasse in einem Wirthshause ein, das nicht die schlimmste Miene hatte, und fand nichts, durchaus nichts, als etwas Wein. Ich wartete eine halbe Stunde und wollte viel zahlen, wenn man mir aus den benachbarten Häusern nur etwas Brot schaffen könnte. Aber es war unmöglich; man gab mir aus Gutmüthigkeit noch einige Bissen schlechte Polenta, und ich musste damit und mit meinem Schluk Wein weiter gehen.

Vor Rovigo setzte ich über die Etsch und trat in das Cisalpinische. Der Kaiserliche Offizier jenseit des Flusses, der meinen Pass mit aller Schwerfälligkeit der alten Bocksbeuteley sehr lange revidierte, machte mir bange, dass ich diesseits bey dem französischen Kommandanten wohl Schwierigkeiten finden würde. Als ich zu diesem kam, war alles gerade das Gegentheil. Er war ein freundlicher jovialischer Mann, der mir den Pass, nach einem flüchtigen Blick auf mich und auf den Pass, ohne ihn zu unterschreiben, zurück gab. Ich machte ihm darüber meine Bemerkung, dass er nicht unterschriebe. Vous n' en avés pas besoin; sagte er: Vous venés de l' autre coté?Je viens de Vienne, et je m' en vais par Ferrare à Ancone. — N'importe; versetzte er; allés toujours. Bon voyage! Die Höflichkeit des Franzosen, die ich gegen die Nichthöflichkeit des Präsidenten in Wien und des Polizeyherrn in Venedig hielt, that mir sehr wohl. Rovigo war die erste eigentlich italiänische Stadt für mich; denn Triest und Venedig und die übrigen Oerter hatten alle noch so etwas Nordisches in ihrer Erscheinung, dass es mir kaum einfiel, ich sey schon in Italien. Weder hier, noch in Lagoscuro, noch in Ferrara fragte man mich weiter nach Pässen, ob ich gleich überall starke französische Besatzungen fand. Vor meinem Fenster in Rovigo stand auf dem Platze der grosse Freyheitsbaum mit der Mütze auf der Spitze, und gegen über in dem grossen Kaffeehause war ein starkes Gewimmel von Italiänern und Franzosen, die sich der jovialischen Laune der Ungebundenheit überliessen. Aber alles war sehr anständig und ohne Lärm.

Ich muss Dir bekennen, dass mir dieses heitere kühne Wesen gegen die stille bange Furchtsamkeit in Wien und Venedig sehr wohl gefiel, und dass ich selber etwas freyer zu athmen anfing; so wenig ich auch eben diese Freyheit für mich behalten und sie überhaupt den Menschenkindern wünschen möchte. Das Wasser hatte hier überall ausserordentlichen Schaden gethan, wie Du gewiss schon aus den öffentlichen Blättern wirst gehört haben; vorzüglich hatte der sogenannte canale bianco seine Dämme durchbrochen und links und rechts grosse Verwüstungen angerichtet. Es arbeiteten oft mehrere hundert Mann an den Dämmen und werden Jahre arbeiten, ehe sie alles wieder in den alten Stand setzen. Hier sah man empörende Erscheinungen der Armuth in einem ziemlich gesegneten Landstriche; und ich schreibe dieses auch mit dem Unheil zu, das die Flüsse und grossen Kanäle hier sehr oft anrichten müssen. Da die Strasse ganz abscheulich war, liess ich mich bis Ponte di Lagoscuro auf dem Po hinauf rudern, und zahlte fünf Ruderknechten für eine Strecke von drey Stunden die kleine Summe von zehn Liren. Der Po ist ein grosses schönes majestätisches Wasser, und die heitere helle Abendsonne vergoldete seine Wellen und links und rechts die Ufer in weiter weiter Ferne. Es war, als ob ein Ozean herabrollte, und die Griechen haben ihn mit vollem Recht Eridanus, den Gabenbringer oder den Wogenwälzer genennt, nachdem Du nun die Erklärung machen willst. Eridanus und Rhodanus scheinen mir ganz die nehmlichen Namen zu seyn.

Wenn man an einem hellen kalten Abende zu Anfange des Februars einige Stunden auf dem Wasser gefahren ist, so ist ein gutes warmes Zimmer, eine Suppe und ein frisch gebratener Kapaun ein sehr angenehmer Willkommen. Diesen fand ich in Ponte di Lagoscuro und wandelte den Morgen darauf in dem fürchterlichsten Regen auf einem ziemlich guten Wege die kleine Strecke nach Ferrara. Hier blieb ich und schlenderte den Nachmittag in der Stadt herum. Die architektonische Anlage des Orts ist sehr gut, die Strassen sind lang und breit und hell. Es fehlt der ganzen Stadt nur eine Kleinigkeit, nehmlich Menschen. Französische Soldaten sah man überall genug, aber Einwohner desto weniger. Die öffentlichen Gebäude und Gärten und Plätze sind nicht ohne Schönheit. Mehrere Stunden war ich in der Kathedrale und dem Universitätsgebäude. Am Eingange sind hier wie in Wien an der Bibliothek, sehr viele alte lateinische Inschriften eingemauert, die meistens Leichensteine sind und für mich wenig Interesse haben. Die Bibliothek aber ist ziemlich ansehnlich; und man wiederholte mit Nachdruck einige Mahl, dass durchaus kein Fürst etwas dazu gegeben habe, sondern, dass alles durch die Beyträge des Publikums und von Privatleuten nur seit ungefähr funfzig Jahren angeschaft worden sey. Auf der Bibliothek findet sich jetzt auch das Grab und das Monument Ariosts, das sonst bey den Benediktinern stand: das sagt die neue lateinische Inschrift. Man zeigte mir mehrere Originalbriefe von Tasso, eine Originalhandschrift von Ariost und sein metallenes sehr schön gearbeitetes Dintenfass, an dem noch eine Feder war. Ohne eben die Authenticität sehr kritisch zu untersuchen, würde ich zu Oden und Dithyramben begeistert worden seyn, wenn ich etwas inspirationsfähiger wäre. So viel muss ich sagen, die Bibliothek beschämt an Ordnung die meisten die ich gesehen habe.

Im Gasthofe fütterte man mich den Abend sehr gut mit Suppe, Rindfleisch, Wurst, Fritters, Kapaun, Obst, Weintrauben und Käse von Parma. Du siehst daraus, dass ich gewöhnlich nicht faste, wie an meinem Geburtstage zu Udine, und dass die Leipziger Aubergisten vielleicht sich noch hier ein kleines Exempel nehmen könnten. Das Wetter war fürchterlich. Ich hatte gelesen von den grossen gefährlichen Morästen zwischen Ferrara und Bologna, und die Erzählungen bestätigten es und sagten weislich noch mehr; so dass ich nicht ungern mit einem Vetturino handelte, der sich mir nach Handwerksweise sehr höflich aufdrang. Der Wagen war gut, die Pferde waren schlecht und der Weg war noch schlechter. Schon in Padua konnte ich eine kleine Ahndung davon haben: denn eine Menge Kabrioletiers wollten mich nach Verona und Mantua bringen; da ich aber sagte, dass ich nach Bologna wollte, verlor kein Einziger ein Wort weiter, als dass sie alle etwas von Teufelsweg durch die Zähne murmelten. Meine Kutschengefährten waren ein cisalpinischer Kriegskommissär, und eine Dame von Cento, die ihren Mann in der Revolution verloren hatte. Wir zahlten gut und fuhren schlecht, und wären noch schlechter gefahren, wenn wir nicht zuweilen eine der schlimmsten Strecken zu Fusse gegangen waren. Einige Stunden von Ferrara aus ging es leidlich, dann sank aber der Wagen ein bis an die Achse. Der Vetturino wollte Ochsenvorspannung nehmen; die billigen Bauern foderten aber für zwey Stunden nicht mehr als acht und zwanzig Liren für zwey Ochsen, ungefähr sechs Gulden Reichsgeld. Der arme Teufel von Fuhrmann jammerte mich und ich rieth ihm selbst gar kein Gebot auf die unverschämte Foderung zu thun. Die Gaule arbeiteten mit der furchbarsten Anstrengung absatzweise eine halbe Stunde weiter; dann ging es nicht mehr. Wir stiegen aus und arbeiteten uns zu Fusse durch, und es ward mit dem leeren Wagen immer schlimmer. Erst fiel ein Pferd, und als sich dieses wieder erhoben hatte, das andere, und einige hundert Schritte weiter fielen alle beyde und wälzten sich ermattet in dem schlammigen thonigen Boden. Da hatten wir denn in Italien das ganze deutsche salzmannische menschliche Elend in concreto. Die Pferde halfen sich endlich wieder auf; aber der Wagen sass fest. Nun stelle Dir die ganz bekothete Personalität deines Freundes vor, wie ich mit der ganzen Kraft meines physischen Wesens meine Schulter unter die Hinterachse des Wagens setzte und heben und schieben half, dass die Dame und der Kriegskommissär und der Vetturino erstaunten. Es ging, und nach drey Versuchen machte ich den Fuhrmann wieder flott. Aber ans Einsetzen war nicht zu denken. Nun hatte ich das Amt, die Dame und den Kommissär durch die engen schweren Passagen zu bugsieren, und that es mit solchem Nachdruck und so geschicktem Gleichgewicht auf den schmahlen Stegen und Verschlägen und an den Gräben, dass ich ihnen von meiner Kraft und Gewandtheit eine gar grosse Meinung gab. Schon hatten wir uns, als wir zu Fusse voraus über den italiänischen Rhein, einen ziemlich ansehnlichen Fluss, gesetzt hatten, in einem ganz artigen Wirthshause zu Malalbergho einquartiert und uns in die Pantoffeln geworfen, als unser Fuhrmann ankam und uns durchaus noch acht italiänische Meilen weiter bringen wollte. Ich hatte nichts dagegen, und die andern wurden überstimmt. Von hier aus sollte der Weg besser seyn. Wir schroteten uns also wieder in den Wagen und liessen uns weiter ziehen. Nun trat eine andere Furcht ein; der Dame und dem Kriegskommissär, drollig genug an Italiänern, ward bange vor Gespenstern. Der Kriegskommissär schien überhaupt mit seinem Muth nicht viel zur Befreyung seines Vaterlandes beygetragen zu haben. Mir ward zwar auch etwas unheimisch, nicht vor Geistern sondern vor Strassenräubern, für welche die Strasse zwischen tiefen breiten Kanälen ordentlich geeignet schien; indessen sammle ich in dergleichen Fällen als ein guter Prädestinatianer meinen Muth und gehe getrost vorwärts. Gegen Mitternacht kamen wir glücklich auf unserer Station, einem isolierten, ziemlich grossen und guten Gasthof an, der, wenn ich mich nicht irre, Althee hiess und von dem ich Dir weiter nichts zu sagen weiss, als dass man mir einen Wein gab, der dem Champagner ähnlich war und also meinen Beyfall hatte. Bey diesem Weine und der guten Mahlzeit schien der Kriegskommissär ganz eigentlich in seinem rechten Elemente zu seyn: das ist ihm nun freylich nicht übel zu nehmen; denn ich befand mich nach einer solchen Fahrt dabey auch ganz behaglich.

Den andern Mittag langten wir hier in der alten päpstlichen Stadt Bologna an, wo man zuerst wieder nach meinem Passe fragte. Mit mir Fremden nahm man es nicht so strenge, als mit meinem Kameraden dem Kommissär, der aus der Gegend von Parma war, und der ein förmliches Kandidatenexamen aushalten musste. Auf der Polizey, wo ich den Pass signieren lassen musste, war man eben so artig und höflich als an dem Gränzflusse. Hier in Bologna fand ich überall eine exemplarische Unreinlichkeit, die an Schweinerey gränzt: und wenn man der häuslichen Nettigkeit der Italiäner überhaupt kein grosses Lob geben kann, so haben die Leute in Bologna den grössten Schmutz aufzuweisen. Ausser dem Stolz auf ihr altes Felsine, behaupten die Bologneser noch, dass ihre Stadt so gross sey wie Rom. Daran thun sie nun freylich etwas zu viel; wenn man aber auf den Thurm steigt und sich rings umher umschaut, so wird man den Raum doch gross genug finden, um in eine solche Versuchung zu gerathen, zumahl wenn man etwas patriotisch ist. Der Hauptplatz mit der daran stossenden Kathedrale, und dem Gemeinehause rechts und den grossen schönen Kaufmannshallen links, macht keine üble Wirkung. Der Neptun mitten auf demselben, von Jean de Bologna, hat als Statüe wohl seine Verdienste; nur Schade, dass der arme Gott hier so wenig von seinem Elemente hat, dass er wohl kaum den Nachbaren auf hundert Schritte in die Runde zu trinken geben kann. Der Eingang des Gemeinehauses ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht sehr demüthig in einem sehr spiessbürgerlichen Aufzug daneben. Ueber dem Portal hängt ein nicht unfeines Bild der Freyheit mit der Umschrift in grossen Buchstaben: Republica Italiana; welches erst vor einigen Wochen hingesetzt war, da man die Cisalpiner in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.

Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil man daselbst durchaus immer die niedrigsten Hanswurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Katzenmusik tanzen lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereyen mit angesehen. Ich ging aber auf das kleine Theater Da Ruffi, und fand es für eine so kleine Unternehmung allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute bey einem so geringen Eintrittsgelde und den kleinen Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten können. Man gab ein Stück aus der alten französischen Geschichte, den Sklaven aus Syrien, wo natürlich viel über Freyheit und Patriotismus deklamiert wurde, aber schon wieder mit vieler Beziehung auf Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man vielleicht voriges Jahr noch nicht hätte thun dürfen. Die Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war für mich deutlich und angenehm; die meisten Schauspieler waren, wie man mir sagte, Römer, und nur ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück gab man das beliebte Spiel Tombola, wovon ich vorher gar keinen Begriff hatte und auch jetzt noch keinen deutlichen bekommen habe, da es mir an jeder Art Spielgeist fehlt. Es ist eine Art Lotterie aus dem Stegreif, die für das Publikum auf dem Theater nach dem Stücke mit allgemeiner Theilnahme enthusiattisch gespielt wird. Die Anstalten waren sehr feyerlich; es waren Munizipalbeamten mit Wache auf dem Theater, die Lose wurden vorher ausgerufen, alle gezeigt, und einem Knaben in den Sack geworfen. Ob man gleich nur um einige Scudi spielte, hätte man doch glauben sollen, es ginge um die Schätze Golkondas, so ein Feuereifer belebte alle Theilnehmer. Mir hätte das Spiel herzlich lange Weile gemacht, wie alle dergleichen Hazardspiele, wenn nicht die Physionomien der Spielenden einiges Vergnügen gewährt hätten. Mein Cicerone war ein gewaltig gelehrter Kerl, und sprach und räsonnierte von Schulen und Meistern und Gemählden so strömend, als ob er die Dialektik studiert hätte und Professor der Aesthetik wäre; und er konnte es gar nicht zusammen reimen, dass ich nicht wenigstens vierzehn Tage hier bleiben wollte, die Reichthümer der Kunst zu bewundern. Er hielt mich halb für einen Barbaren und halb für einen armen Teufel; und ich überlasse Dirs, in wie weit er in beydem Recht hat. Ich ging trotz seinen Demonstrationen und Remonstrationen den andern Morgen zum Thore hinaus.