Du musst und wirst von mir nicht erwarten, dass ich Dir eine topische, statistische, literarische oder vollständig kosmische Beschreibung von den Städten gebe, wo ich mich einige Zeit aufhalte. Dazu ist mein Aufenthalt zu kurz; die kannst Du von Reisenden von Profession oder aus den Fächern besonderer Wissenschaften gewiss besser bekommen. Ich erzähle Dir nur freundschaftlich, was ich sehe, was mich vielleicht beschäftigt und wie es mir geht. Meine Wohnung ist hier auf Mont Oliveto. Wie der Ort zu dem Namen des Oehlberges kommt weiss ich nicht; er ist aber einer der besten Strassen der Stadt, nicht weit von Toledo, mit welchem er sich oben vereiniget. Die Besitzerin des Hauses ist eine Französin, die sich seit einigen Jahren der hiesigen Revolution wegen zu ihrer Sicherheit in Marseille aufhält. Ich habe Ursache zufrieden zu seyn; es ist gut und billig. Die Gesellschaft besteht meistens aus Fremden, Engländern, Deutschen und Franzosen; die letzten machen jetzt hier die grösste Anzahl aus.

Seit einigen Tagen bin ich mit einem alten Genuesen, der halb Europa kennt und hier den Lohnbedienten und ein Stück von Cicerone macht, in der Stadt herum gelaufen. Der alte Kerl hat ziemlich viel Sinn und richtigen Takt für das Gute und sogar für das Schöne. Er hielt mir einen langen Sermon über die Landhäuser der Kaufleute rund in der Gegend umher, und bemerkte mit censorischer Strenge, dass sie das Verderben vieler Familien würden. Man weiteifere gewöhnlich, wer das schönste Landhaus und die schönste Equipage habe, wer auf seinem Casino die ausgesuchtesten Vergnügen geniesse und geniessen lasse, und weiteifere sich oft zur Vergessenheit, und endlich ins Unglück. Sitten und Ehre und Vermögen werden vergeudet. Kaum habe der Kaufmann ein kleines Etablissement in der Stadt, so denke er schon auf eines auf dem Lande; und das zweyte koste oft mehr als das erste. Spiel und Weibergalanterie und das verfluchte oft abwechselnde Cicisbeat seyen die stärksten Gegenstände des Aufwands; und doch sey das Cicisbeat hier noch nicht so herrschend als in Rom. Ich sah die Kirche des heiligen Januar in der Stadt; Neapel sollte, däucht mich, eine bessere Kathedrale haben. Das vorzüglichste darin sind einige merkwürdige Grabsteine und die Kapelle des Heiligen. Dieses ist aber nicht der Ort, wo er gewöhnlich schwitzen muss; das geschieht vor der Stadt in dem Hospital bey den Katakomben. In den Katakomben kroch ich über eine Stunde herum, und beschaute das unterirdische Wesen, und hörte die Gelehrsamkeit des Cicerone, der, wie ich vermuthe, Glöckner des Hospitals war. Über den Grüften ist ein Theil des Gartens von Capo di monte. Der Führer erzählte mir eine Menge Wunder, die die Heiligen Januarius und Severus hier ganz gewiss gethan haben, und ich war unterdessen mit meinen Konjekturen bey der Entstehung dieser Grüfte. Hier und da lagen in den Einschnitten der Zellen noch Skelette, und zuweilen ganze grosse Haufen von Knochen, wie man sagte, von der Zeit der grossen Pest. Die römischen Katakomben habe ich nicht gesehen, weder nahe an der Stadt noch in Rignano, weil mich verständige Männer und Kenner versicherten, dass man dort sehr wenig zu sehen habe und es nun ganz ausgemacht sey, dass das Ganze weiter nichts als Puzzolangruben gewesen, die nach und nach zu dieser Tiefe und zu diesem Umfang gewachsen. Das ist begreiflich und das wahrscheinlichste.

Die heilige Klara hat das reichste Nonnenkloster in der Stadt und eine wirklich sehr prächtige Kirche, wo auch die Kinder des königlichen Hauses begraben werden. Die Nonnen sind alle aus den vornehmsten Familien, und man hat ihre Thorheit und ihr Elend so glänzend als möglich zu machen gesucht. Mein alter Genuese, der ein grosser Hermenevte in der Kirchengeschichte ist, erzählte mir bey dieser Gelegenheit ein Stückchen, das seinen Exegetentalenten keine Schande macht, und dessen Würdigung ich den Kennern überlasse. Die heilige Klara war eine Zeitgenossin des heiligen Franciskus und des heiligen Dominikus; und man giebt ihr Schuld, sie habe beyde insbesondere glauben lassen, sie sey jedem ausschliesslich mit sehr feuriger christlicher Liebe zugethan. Dieses thut ihr in ihrer Heiligkeit weiter keinen Schaden. Jeder der beyden Heiligen glaubte es für sich und war selig, wie das zuweilen auch ohne Heiligkeit zu gehen pflegt. Dominikus war ein grosser starker energischer Kerl, ungefähr wie der Moses des Michel Angelo in Rom, und sein Nebenbuhler Franciskus mehr ein ätherischer sentimentaler Stutzer, der auch seine Talente zu gebrauchen wusste. Nun sollen auch die heiligen Damen zu verschiedenen Zeiten verschiedene Qualitäten lieben. Der handfeste Dominikus traf einmal den brünstigen Franciskus mit der heiligen Klara in einer geistlichen Ekstase, die seiner Eifersucht etwas zu körperlich vorkam; er ergriff in der Wuth die nächste Waffe, welches ein Bratspiess war, und stiess damit so grimmig auf den unbefugten Himmelsführer los, dass er den armen schwachen Franz fast vor der Zeit dahin geschickt hätte. Indess der Patient kam davon, und aus dieser schönen Züchtigung entstanden die Stigmen, die noch jetzt in der christlichen Katholicität mit allgemeiner Andacht verehrt werden. Ich habe, wie ich Dir erzählte, ihm in Rom gegen über gewohnt, und sie dort hinlänglich in Marmor dokumentirt gesehen. Mein Genuese sagte mir die heilige Anekdote nur vertraulich ins Ohr, und wollte übrigens als ein guter Orthodox weiter keine Glosse darüber machen, als dass ihm halb unwillkührlich entfuhr: Quelles betises on nous donne à digerer! Chacun les prend à sa façon.

Heute besuchte ich auch Virgils Grab. Die umständliche Beschreibung mag Dir ein Anderer machen. Es ist ein romantisches, idyllisches Plätzchen; und ich bin geneigt zu glauben, der Dichter sey hier begraben gewesen, die Urne mag nun hingekommen seyn, wohin sie wolle. Das Gebäudchen ist wohl nichts anders als ein Grab, nicht weit von dem Eingange der Grotte Posilippo, und eine der schönsten Stellen in der schönen Gegend. Ich weiss nicht, warum man sich nun mit allem Fleiss bemüht, den Mann auf die andere Seite der Stadt zu begraben, wo er nicht halb so schön liegt, wenn auch der Vesuv nicht sein Nachbar wäre. Ich bin nicht Antiquar; aber die ganze Behauptung, dass er dort drüben liege, beruht doch wohl nur auf der Nachricht, er sey am Berge Vesuv begraben worden. Das ist er aber auch, wenn er hier liegt; denn der Berg ist gerade gegen über: in einigen Stunden war er dort, wenn er zu Lande ging, und setzte er sich in ein Boot, so ging es noch schneller. Die Entfernung eines solchen Nachbars, wie Vesuv ist, wird nicht eben so genau genommen. Alle übrige Umstände sind mehr für diese Seite der Stadt. Hier ist die reichste, schönste Gegend, hier waren die vorzüglichsten Niederlassungen der römischen Grossen, vornehmlich auf der Spitze des Posilippo die Gärten des Pollio, der ein Freund war des römischen Avtokrators und ein Freund des Dichters; nach dieser Gegend lagen Puteoli und Bajä und Cumä, der Avernus und Misene, die Lieblingsgegenstände seiner Dichtungen; diese Gegend war überhaupt der Spielraum seiner liebsten Phantasie. Wahrscheinlich hat er hier gewohnt, und wahrscheinlich ist er hier begraben. Donat, der es, wenn ich nicht irre, zuerst erzählt, konnte wohl noch sichere Nachrichten haben, konnte davon Augenzeuge gewesen seyn, dass das Monument noch ganz und wohl erhalten war; hatte durchaus keine Ursache, diesem Fleckchen irgend einem Vorzug vor den übrigen zu geben, und dieses ist der Ort seiner Angabe; zwey Steine von der Stadt, an dem Wege nach Puteoli, nicht weit von dem Eingange in die Grotte. Ich will nun auch einmal glauben; man hat für manchen Glauben weit schlechtere Gründe: und also glaube ich, dass dieses Maros Grab sey. Den Lorber suchst Du nun umsonst; die gottlosen Afterverehrer haben ihn so lange bezupft, dass kein Blättchen mehr davon zu sehen ist. Ich nahm mir die Mühe hinauf zu steigen und fand nichts als einige wild verschlungene Kräuter. Der Gärtner beklagte sich, dass die gottlosen vandalischen Franzosen ihm den allerletzten Zweig des heiligen Lorbers geraubt haben. Dichter müssen es nicht gewesen seyn: denn davon wäre doch wohl etwas in die Welt erschollen, dass der Lorber von dem Lateiner neuerdings auf einen Gallier übergegangen sey. Vielleicht schlägt er dort am Grabe des Mantuaners wieder aus. Man sollte wenigstens zur Fortsetzung der schönen Fabel das seinige beytragen; ich gab dem Gärtner gerade zu den Rath.

Als ich hier und bey Sanazars Grabe nicht weit davon in der Servitenkirche war, verfolgte mich ein trauriger Cicerone so fürchterlich mit seiner Dienstfertigkeit mir die Antiquitäten erklären zu wollen, dass er durchaus nicht eher von meiner Seite ging, bis ich ihm einige kleine Silberstücke gab, die er sehr höflich und dankbar annahm. Ich habe mich nicht enthalten können bey dieser Gelegenheit wahres Mitleid mit dem grossen Cicero zu haben, dass sein Name hier so erbärmlich herumgetragen wird. Die Ciceronen sind die Plagen der Reisenden, und immer ist einer unwissender und abenteuerlicher als der andere. Den vernünftigsten habe ich noch in Tivoli getroffen, der mir auf der Eselspromenade zum wenigsten ein Duzzend von Horazens Oden rezitirte und nach seiner Weise kommentirte.

Ich versuchte es an dem Fusse des Posilippo an dem Strande hinaus bis an die Spitze zu wandeln; es war aber nicht möglich weiter als ungefähr eine Stunde zu kommen: dann hörte jede Bahn auf, und das Ufer bestand hier und da aus schroffen Felsen. Hier stehen in einer Entfernung von ungefähr einer Viertelstunde zwey alte Gebäude, die man für Schlösser der Königin Johanna hält, wo sie zuweilen auch ihr berüchtigtes Unwesen getrieben haben soll. Sie sind ziemlich zu so etwas geeignet, gehen weit ins Meer hinein, und es liesse sich sehr gut zeigen, wozu dieses und jenes gedient haben könnte. Zwischen diesen beyden alten leeren Gebäuden liegt das niedliche Casino des Ritters Hamilton, wo er beständig den Vesuv vor Augen hatte; und man thut ihm vielleicht nicht ganz Unrecht, wenn man aus dem Ort seiner Vergnügungen auf etwas Aehnlichkeit mit dem Geschmack der schönen Königin schliesst, die von der bösen Geschichte doch wohl etwas schlimmer gemacht worden ist als sie war. Ich war genöthigt wieder zurück zu gehen, und nicht weit von der Villa reale nahmen mich eine Menge Bootsleute in Beschlag, die mich an die Spitze hinaus rudern wollten. Es schien mir zu spät zu seyn, desswegen wollte ich nichts hören. Aber man griff mich auf der schwachen Seite an; man blickte auf die See, welche sehr hoch ging, an den Himmel, wo Sturm hing, und auf mich mit einer Miene, als ob man sagen wollte, das wird dich abhalten. Dieser Methode war nicht zu widerstehen, ich bezahlte die Gefahr sogleich mit einem Piaster mehr, und setzte mich mit meinen alten Genuesen in ein Boot, das ich erst selbst herunter ziehen half. Der Genuese hatte auch mehrere Seereisen gemacht, und hatte Muth wie ein Delphin. Aber die Fahrt ward ihm doch etwas bedenklich; der Sturm heulte von Surrent und Kapri gewaltig herüber und die Wogen machten rechts eine furchtbare Brandung; das Wasser füllte reichlich das Boot, und der Genuese hatte in einem Stündchen die Seekrankheit bis zu der letzten Wirkung. Ich wollte um das Inselchen Nisida herum gerudert seyn; das war aber nicht möglich: wir mussten, als wir einige hundert Schritte vor dem Einsiedler vorbey waren, umkehren und unsere Zuflucht in ein einsames Haus nehmen, wohin man in der schönen Zeit von der Stadt aus zuweilen Wasserparthien macht, wo es aber jetzt traurig genug aussah. Indessen fütterte uns doch der Wirth mit Makkaroni und gutem Käse. Nicht weit von hier, nahe an dem Inselchen Nisida, auf welchem auch Brutus sich einige Zeit aufgehalten hat, sind die Trümmern eines alten Gebäudes, die aus dem Wasser hervorragen und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt. Wenn man nun gleich den Ort wohl sehr uneigentlich Virgils Schule nennt, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass er hier oft gearbeitet haben mag. Es ist eine der angenehmsten klassischen mythologischen Stellen, welche die Einbildungskraft sich nur schaffen kann. Vermuthlich gehört der Platz zu den Gärten des Pollio. Er hatte hier um sich her einen grossen Theil von dem Theater seiner Aeneide, alle Oerter die an den Meerbusen von Neapel und Bajä liegen, von den phlegräischen Feldern bis nach Surrent.

Nicht weit von der Landspitze und von dem Wirthshause, wo ich einkehrte, stand ehemals ein alter Tempel der Fortuna, von dem noch einige Säulen und etwas Gemäuer zu sehen sind. Jetzt hat man an dem Orte ein christliches Kirchlein gebauet und es der Madonna della fortuna geweiht. Man hat bekanntlich manches aus dem Heidenthum in den christlichen Ritus übergetragen, die Saturnalien, das Weihwasser und vieles andere; aber besser hätte man nicht umändern können: denn es ist wohl auf der ganzen Erde, in der wahren Geschichte und in der Fabellehre kein anderes Weib, das ein solches Glück gemacht hätte, als diese Madonna. Ein wenig weiter landeinwärts sind in den Gärten noch die gemauerten Tiefen, die man mit Wahrscheinlichkeit für die Fischhälter des Pollio annimmt, und in dieser Meinung eine grosse marmorne Tafel an der Thür angebracht hat, auf welcher lateinisch alle Gräuel abscheulich genug beschrieben sind, die der Heide hier getrieben hat; wo denn natürlich die Milde unserer Religion und unserer Regierungen ächt kardinalisch gepriesen wird. Ich weiss nicht, ob man nicht vielleicht mit dem brittischen Klagemann sagen sollte: A bitter change, feverer for fevere! Es ist jetzt kaum ein Sklave übrig, den Pollio in den Teich werfen könnte.

Mein Genuese bat mich um alles in der Welt, ihn nicht wieder ins Boot zu bringen. Auch ich war sehr zufrieden, einen andern Weg nach der Stadt zurück zu kehren. Ich zahlte also die Bootsleute ab, und wir gingen auf dem Rücken des Posilippo nach Neapel. Diese Promenade musst du durchaus machen, wenn du einmal hierher kommst; sie ist eine der schönsten, die man in der herrlichen Gegend suchen kann. Lange Zeit hat man die beyden Meerbusen von Neapel und Bajä rechts und links im Gesicht, geniesst sodann die schöne Uebersicht auf die Parthie jenseit des Berges nach Puzzuoli, welche die Neapolitaner mit ihrer verkehrten Zunge nur Kianura oder die Ebene nennen. Man kommt nach ungefähr vier Millien des herrlichsten Weges in der Gegend von Virgils Grabe wieder herunter auf die Strasse. Der Spaziergang ist freylich etwas wild, aber desto schöner.

Man sagte mir, die Regierung habe wollen eine Strasse rund um den Posilippo herum auf der andern Seite nach Puzzuoli führen, so dass man nicht nöthig hätte, durch die Grotte und die etwas ungesunde Gegend jenseits derselben zu fahren, sondern immer am Meere bliebe. Das würde in der That einer der herrlichsten Wege werden; ungefähr eine halbe Stunde ist gemacht: aber wenn doch die neapolitanische Regierung vorher das Nöthige, Gerechtigkeit, Ordnung und Polizey besorgte; das andere würde sich nach und nach schon machen.

Bekanntlich wird das Fort Sankt Elmo mit der darunter liegenden Karthause für die schönste Parthie gehalten; und sie ist es auch für alle, die sich nicht weiter auf den Vesuv oder zu den Kamaldulensern bemühen wollen. Es ist ein ziemlicher Spaziergang; auf die Karthause, den unser schlesische Landsmann, Herr Benkowitz, schon für eine grosse Unternehmung hält, auf welche er sich den Tag vorher vorbereitet. Ich Tornisterträger steckte die Tasche voll Orangen und Kastanien und wandelte damit zum Morgenbrote sehr leicht hinauf. In das Fort zu kommen hat jetzt bey den Zeitumständen einige Schwierigkeit, und man muss vorher dazu die Erlaubniss haben. Man sieht in der Karthause fast eben so viel, nur hat man nicht das Vergnügen zehen oder zwanzig Klaftern höher zu stehen. Die Karthause hat der König ausgeräumt und sich die meisten Schätze zugeeignet. Es ist jetzt nur noch ein einziger Mönch da, der den Ort in Aufsicht hat. In der Kirche sind noch mehrere schöne Gemälde, besonders von Lanfranc und ein noch nicht ganz vollendetes Altarblatt von Guido Reni; auch der Konventsaal hat noch Stücke von guten Meistern.

Um die schönste Aussicht zu haben musst Du zu den Kamaldulensern steigen. Die Herren sind in der Revolution etwas decimiert worden, haben aber den Verlust nicht schwer empfunden. Man geht durch die Vorstadt Fraskati und einige Dörfer immer bergauf und verliert sich in etwas wilde Gegenden. Weil man nicht hinauf fahren kann, wird die Parthie nicht von sehr vielen gemacht. Wir verirrten uns, mein Genuese und ich, in den Feigengärten und Kastanienwäldern, und ich musste dem alten Kerl noch mit meiner Topographie im Orientieren helfen. Das ärgerte mich gar nicht; denn wir trafen in der wilden Gegend einige recht hübsche Parthien nach allen Seiten. Es gab Stellen, wo man bis nach Kajeta hinüber sehen konnte. Da wir uns verspätet hatten, mussten wir in einem Dorfe am Abhange des Berges zum Frühstück einkehren und einen zweyten Bothen mit nehmen. Dieser brachte uns auf einem der schönsten Wege an dem Berge über dem Agnano hin in das Kloster. Es ist dort nichts zu geniessen als die Aussicht; die Kirche hat nichts merkwürdiges. Ein Layenbruder führte mich mit vieler Höflichkeit durch alle ihre Herrlichkeiten, und endlich an eine ausspringende Felsenspitze des Gartens unter einige perennierende Eichen, die vielleicht der schönste Punkt in ganz Italien ist. Von Neapel sieht man zwar nicht viel, weil es fast ganz hinter dem Posilippo liegt; nur der hohe Theil von Elmo, Belvedere und einige andere Stückchen sind sichtbar. Aber rund umher liegt das ganze schöne magische klassische Land unter Einem Blick. Portici, das auf der Lava der Stadt des Herkules steht, der sich empor thürmende Vesuv mit dem Somma, Torre del Greco, Pompeji, Stabiä, Surrent, Massa, Kapri, der ganze Posilippo, Nisida, Ischia, Procida, der ganze Meerbusen von Bajä mit den Trümmern der Gegend, Misene, die Thermen des Nero, der Lukriner See und hinter ihm versteckt der Avernus, die Solfatara, bey heiterm Wetter die Berge von Kumä, der Gaurus und weiter hin die beschneyten Apenninen; unten der Agnano mit der Hundsgrotte, deren Eingang nur ein hervorspringender Hügel bedeckt; der neue Berg hinter der Solfatara; alte und neue Berge, ausgebrannte und brennende Vulcane, alte und neue Städte, Elysium und die Hölle: — alles dieses fassest Du mit Deinem Auge, ehe Du hier eine Zeile liesest. Tief tief in der Ferne sieht man noch Ponza und einige kleinere Inseln. Da haben die Mönche wieder das beste gewählt. Freund, wenn Du einmal hörst, dass ich unbegreiflich verschwunden bin, so bringe mit unter Deine Muthmassungen, dass ich vielleicht der schönsten Natur die grösste Sottise zum Opfer gebracht habe und hier unter den Anachoreten hause. Hier den Homer und Virgil, den Thucydides und etwas von der attischen Biene, abwechselnd mit Aristophanes, Lucian und Juvenal; so könnte man wohl in den Kastanienwäldern leben und das Bisschen Vernunft bey sich behalten: denn diese wird jetzt doch überall wieder konterband. Also gehe zu den Kamaldulensern, wenn Du auch nicht in Versuchung bist, bey ihnen oben zu bleiben.

Jetzt schliesse ich und schreibe Dir vermuthlich noch einiges über Neapel, wenn ich aus Trinakrien zurückkomme; denn eben muss ich zu Schiffe nach Palermo.